Geschichte der Zigeuner in Deutschland

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Das Gemälde Zwei Zigeuner von Lajos Kúnffy aus dem Jahr 1911
Die Geschichte der Zigeuner in Deutschland beginnt im frühen 15. Jahrhundert. Weil es den Staat Deutschland in der heutigen Form damals noch nicht gab, wird die Betrachtung auf deutsche Quellen bezogen.
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1 Vorbemerkung

Es gilt im deutschen Sprachraum als teilweise politisch nicht korrekt, die in diesem Artikel behandelten Volksgruppen als Zigeuner zu bezeichnen. Stattdessen soll heutzutage der Begriff Sinti und Roma verwendet werden. Da diese Doppelbezeichnung aber über Jahrhunderte unüblich war und auch in historischen Quellen nicht verwendet wurde, ist es bei einer historischen Darstellung unpassend, da rückblickend meist nicht klar ist, ob nun Sinti, Roma oder gar noch andere Volksgruppen gemeint sind. Durch die Verwendung des Begriffs Zigeuner soll diese Volksgruppen auf keinen Fall diskriminiert oder herabgesetzt werden.

2 Mittelalter und frühe Neuzeit

  • Zigeuner tauchten Anfang des 15. Jahrhunderts erstmals im deutschen Sprachraum auf. Sie kamen nach wohl Jahrhunderte langen Migrationsbewegungen im frühen Mittelalter aus Indien über Persien, Armenien und Südosteuropa nach Deutschland.
  • In frühen Quellen werden Zigeuner nur sehr vereinzelt erwähnt. Ihr erstes Auftauchen in Deutschland wird urkundlich 1407 in Hildesheim erwähnt.
  • Sie scheinen von Anfang an bei der Bevölkerung auf Ablehnung gestoßen zu sein. Der Jurist und Theologe Albrecht Krantz schrieb bsp. im 11. Buch seiner Saxonia im Jahr 1523 folgendes:
"Als man schrieb nach Christi geburt Mccccxvij, da wurden in diesen unseren Landen nach dem Deutschen Meer gelegen zum ersten Mal gesehen die greußlichen und schwarzen Leute von der Sonnen verbrandt (so heßlich gekleidet und mit allem ihrem thun unfletig sein behende und geschwinde auff stelen und sonderlich das Weiber volck denn die Menner erneren sich des das die Weiber stelen) die man Tattern gemeiniglich nennt."
  • Kirche, weltliche Obrigkeit und Zünfte drängten die Zigeuner durch ständigen ökonomischen und sozialen Druck schnell an den Rand der Gesellschaft.
  • Gegen Ende des 15. Jahrhunderts begannen Verfolgungen der Zigeuner in fast allen deutschen Territorien. Man versuchte sie durch Edikte und Verordnungen aus dem jeweiligen Land zu entfernen. In zeitgenössischen Quellen werden sie bsp. als "jederzeit gottlose böse Leute", oder "unnutz Volck" bezeichnet. [1]
  • Ein Schutzbrief von König Sigismund aus dem Jahr 1423, der sie vor Übergriffen schützen sollte, und ihnen eine eigene Gerichtsbarkeit für Streitfälle innerhalb des Stammes gewährte, wurde schon Ende des Jahrhunderts wieder aufgehoben.
  • Das erste Niederlassungsgebot für Zigeuner erließ im Jahr 1482 Albert Achilles, der Markgraf von Brandenburg. Die Reichstage von Lindau und Freiburg in den Jahren 1497 und 1498 erklärten die Zigeuner für vogelfrei. Wer nun einen Zigeuner auf seinem Besitz antraf, durfte ihn straflos töten.
    Mit dem Wohnwagen umherziehende Zigeuner, hier auf einem Gemälde aus dem 19. Jahrhundert
  • 1551 erging auf dem Reichstag zu Augsburg Erlass, dass alle Zigeuner das Land innerhalb von drei Monaten verlassen müssen. [2]
  • Ab dem 16. Jahrhundert wurden Zigeuner zunehmend mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Man sah sie als Zauberer, Spione der Muslime, Gauner und Pestbringer. Die Landbevölkerung bezeichnete sie bsp. als die "Schwarzen mit dem Pferdefuß". [3]
  • Zwischen 1685 und 1726 erließen die Habsburger 11 Verordnungen gegen Zigeuner allein für Schlesien. Sie durften keinen Handel treiben, erhielten keine Unterkunft und keine Pässe.
  • Anfang des 18. Jahrhunderts stellte man in etlichen deutschen Ländern Warntafeln auf, auf denen Zigeunern die ihnen drohenden Strafen bildlich vor Augen gestellt wurden.
  • Am 15. Januar 1721 befahl Kaiser Karl VI. die Verhaftung und Ausrottung aller auf deutschem Boden greifbaren Zigeuner. Das führte im Jahr 1722 zu einer regelrechten Schlacht zwischen an die 1.000 Zigeunern und regulären Truppen. [4]
  • Wie man damals mit den Zigeunern verfuhr, macht folgende Anweisung aus der Grafschaft Lippe aus dem Jahr 1770 deutlich. Dort hieß es u.a.:
"Sollen die Zigeuner als ein Vogelfreies Raubgesindel, wenn sie Unserem Peinlichen Gericht eingebracht werden, so gleich aufgehangen und Falls sie beim Arretieren, wozu ebenfalls ein jeder Unserer Unterthanen schuldig seyn sol mit der Flucht retten wollen, tod geschossen werden." [5]

3 1750 bis 1933

  • Um die Mitte des 18. Jahrhunderts ließ die Obrigkeit von der gewaltsamen Verfolgung der Zigeuner ab.
  • Man versuchte stattdessen sie zu assimilieren. Die Zigeuner, welche traditionellerweise mit oder auch ohne Wohnwagen umherziehen, sollten sesshaft gemacht werden. Dieses Vorhaben scheiterte allerdings am Widerstand der Zigeuner. Es gelang nicht, die sogenannte "Zigeunerplage" einzudämmen.
  • Die Zigeuner auf deutschem Boden galten mit Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 als deutsche Staatsbürger.
  • Es wurden aber dennoch Verordnungen erlassen, um den Zigeunern das Umherziehen zu verbieten.
  • Die öffentliche Meinung über die Zigeuner war immer noch eher negativ. Meyers Conversations-Lexicon von 1895 erklärte z.B.:
"Am liebsten treibt der Zigeuner Geschäfte, bei denen er seine Kunst zu betrügen zeigen kann. Eine gute Gelegenheit dazu bietet ihm der Pferdehandel."
  • Ab 1899 begann die planmäßige Erfassung der Zigeuner, welche nach dem Ersten Weltkrieg um die Abnahme von Fingerabdrücken erweitert wurde.
  • In den 1920er Jahren war das "Reisen in Horden" in ganz Deutschland verboten. Wer weiterhin umherzog, konnte u.a. in Arbeitshäuser eingewiesen werden.
  • Kinder von Zigeunern wurden oft gegen den Willen der Eltern der Zwangserziehung zugeführt.
  • Jugendliche Zigeuner mussten ein Handwerk erlernen und wurden zum Militär verpflichtet. [6]

4 NS-Zeit

Zigeuner werden u.a. von Nazis und Neonazis, wie hier z.B. auf einem Wahlkampfplakat der NPD aus dem Jahr 2014, diskriminiert
  • Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden die Zigeuner erneut verfolgt.
  • Mit Verabschiedung der Nürnberger Gesetze wurde ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen.
  • Ab 1935 wurden viele Zigeuner in Lagern interniert und mussten dort Zwangsarbeit leisten.
  • Kinder durften keine Schulen mehr besuchen. Für erwachsene Zigeuner gab es Berufsverbote und spezielle Meldepflichten.
  • Das Reichsgesundheitsamt begann damit, die Zigeuner mittels Rassegutachten zu erfassen.
  • Ab dem Jahr 1940 wurden Zigeuner dann in Konzentrationslager deportiert. Etwa eine halbe Million von ihnen (da sind aber auch die besetzten Gebiete außerhalb Deutschlands mitgerechnet) wurden dort ermordet. [7]

5 Nach 1945

Seit den den frühen 1980er Jahren wird von einigen Interessengruppen der Begriff Zigeuner gezielt durch das Wortpaar Sinti und Roma ersetzt, um die Gedankenwelt des Nationalsozialismus zu verdrängen. Doch werden Zigeuner in Deutschland u.a. noch von Rechtsextremisten diskriminiert. Das führt schließlich dazu, dass der Begriff in der deutschen Sprache zunehmend vermieden wird.

6 Siehe auch

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