§ 166 StGB

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Kunstwerke wie Piss Christ von Andres Serrano, bei dem ein Kruzifix in Urin steht, können zu gerichtlichen Auseinandersetzungen wegen § 166 führen.
§ 166 StGB ist ein Paragraph des deutschen Strafgesetzbuches (StGB), der auch als Gotteslästerungsparagraph bezeichnet wird.
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1 Allgemeines

  • Er steht im Besonderen Teil des StBG (§§ 80 - 358).
  • In diesem Teil steht er im 11. Abschnitt unter Straftaten, welche sich auf Religion und Weltanschauung beziehen (§§ 166 - 168).
  • Durch § 166 wird gegen die Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen vorgegangen, falls dies den öffentlichen Frieden stört.

2 Der Gesetzestext

  • Der Gesetzestext lautete in der bis 31. Dezember 2020 gültigen Fassung:
§ 166
Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

3 Rechtsprechung zu § 166

  • Im Jahr 1998 entschied das OLG Nürnberg, dass die Darstellung eines an ein Kreuz genagelten Schweines auf einem T-Shirt unter § 166 falle. In der Begründung hieß es u.a.:
"Die Darstellung auf dem T-Shirt in Form eines Kreuzes, an das ein Schwein genagelt ist, stellt ein Beschimpfen i.S. des § 166 I StGB dar. Dies wird auch von der StA so gesehen. Der Begriff des Beschimpfens umfaßt zwar nicht (schon) jede geringschätzige oder herabsetzende Äußerung, sondern nur nach Form und Inhalt besonders verletzende Äußerungen der Mißachtung (BGHSt 7, 110; Tröndle, § 166 Rdnr. 7 und § 90a Rdnr. 9), wobei das besonders Verletzende entweder in der Rohheit des Ausdrucks oder inhaltlich in dem Vorwurf eines schimpflichen Verhältnisses oder Zustandes liegen kann. Eine Beschimpfung kann sowohl in der Behauptung (Darstellung) schimpflicher Tatsachen als auch in besonders abfälligen Werturteilungen liegen. Sie kann aber auch darin liegen, daß der Inhalt eines Bekenntnisses, also das, was von den Gläubigen als heilig angesehen wird, in den Schmutz gezogen wird, z.B. durch entwürdigende Benutzung christlicher Symbole." [1]
  • Im Jahr 2006 wurde vom Amtsgericht Lüdinghausen ein Mann verurteilt, wegen Koranschändung verurteilt. Er hatte Toilettenpapier mit dem arabischen Schriftzug "Koran, der heilige Qur'an" bestempelt und zum Verkauf angeboten. Das Urteil lautete auf ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. [2]
  • Im selben Jahr entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, dass die Verfügungen der Polizei gegen das im selben Jahr in München beim Christopher-Street-Day mitgeführte "Papamobil", mit dem Kritik an der Einstellung des Papstes gegenüber Homosexuellen geäußert wurde, rechtswidrig waren. [3]
  • Im Jahr 2012 wurde ein Antrag auf ein Verbot des mit dem Christentum sehr kritisch umgehenden Theaterstücks Gólgota Picnic vom Hamburger Verwaltungsgericht abgelehnt. In der Begründung hieß es u.a.:
"Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, wie diese grundrechtliche Gewährleistung hinsichtlich des Antragstellers durch die Aufführung des Stückes „Gólgota Picnic“ betroffen sein könnte. Denn dieses wird in einem geschlossenen Theaterraum aufgeführt, so dass der Antragsteller der Aufführung fernbleiben kann und zu ihrer Kenntnisnahme nicht gezwungen wird. (...) Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er auf andere Weise durch die Aufführung des Theaterstücks in der Ausübung seiner Religionsfreiheit beeinträchtigt würde. Insbesondere mit der von ihm geäußerten allgemeinen Befürchtung, die Aufführung trage zu einer „Atmosphäre der Feindseligkeit und des Spottes“ bei, die „das Leben als praktizierender Christ in unserer Gesellschaft“ erschweren könnte, hat er nicht hinreichend substantiiert dargelegt, inwieweit seine individuelle Freiheit der Religionsausübung durch die Aufführung konkret beschränkt sein soll." [4]
  • Im selben Jahr hat das Verwaltungsgericht Berlin den Eilantrag von drei islamischen Moschee-Vereinen zurückgewiesen, die beantragt hatten, der Bürgerbewegung Pro Deutschland zu untersagen, während Demonstrationen vor islamischen religiösen Einrichtungen die sogenannte Mohammed-Karikaturen zu zeigen. In der Urteilsbegründung hieß es u.a., dass es in diesem Fall an der für ein polizeiliches Einschreiten erforderlichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mangele. Weiter fehle es an einer Beschimpfung im Sinne des Verächtlichmachens des religiösen Bekenntnisses. Zudem fielen die Karikaturen unter die Kunstfreiheit des Artikels 5 Absatz 3 des Grundgesetzes. Durch das Zeigen der Karikaturen allein werde auch nicht zum Hass oder zu Gewaltmaßnahmen gegen einzelne Bevölkerungsgruppen aufgefordert, so dass auch der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) nicht erfüllt sei. [5]

4 Querverweise auf § 166

  • Bezüge bestehen zu § 185 (Beleidigung) und § 167, § 167a und § 168, die sich auch mit Regelung religiös/weltanschaulicher Problemen/Konflikte befassen.

5 Vorherige Gesetzesfassungen von § 166

  • Bis 1969 war im Gesetz noch der Begriff der "Gotteslästerung" enthalten, es fehlte die Bedingung der Störung des offentlichen Friedens und der Paragraph bezog sich teilweise noch explizit auf den christlichen Glauben:
"Wer dadurch, daß er öffentlich in beschimpfenden Äußerungen Gott lästert, ein Ärgerniß gibt, oder wer öffentlich eine der christlichen Kirchen oder eine andere im Staate bestehende Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechtes oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft."
  • Die Aufnahme der Bedingung der Störung der öffentlichen Ordnung in den Tatbestand wurde damals in linken und liberalen Kreisen begrüßt, da man sich davon ein Ende der oft nur schwer nachvollziehbaren Abgrenzungen zwischen zulässiger Religionskritik und einfacher Schmähung erhoffte. Der breite Auslegungsspielraum, den § 166 den Strafgerichten eröffnet, wurde durch die Einführung des Begriffs des öffentlichen Friedens allerdings nur scheinbar eingegrenzt, und es kommt immer wieder zu sehr unterschiedlichen Auslegungen. Deshalb gibt es immer wieder Stimmen, die fordern § 166 ganz zu streichen.

6 Diskussionen über § 166

  • Im Jahr 2006 baten Abgeordnete der Parte Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung um Auskunft über die Anzahl der Ermittlungsverfahren wegen § 166 StGB, die Zahl der Verurteilungen und die Zahl der Freisprüche. Die Bundesregierung antwortete, dass es nur relativ wenige Strafprozesse und Verurteilungen wegen "Religionsdelikten" (§§ 166-167) gäbe. Über Ermittlungsverfahren, die schon von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurden, würden keine Zahlen vorliegen und auch keine Zahlen über Durchsuchungen oder Beschlagnahmungen in diesem Zusammenhang seien verfügbar. Volker Beck, der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion Die Grünen meinte in der anschließenden Debatte, § 166 gehöre "auf den Misthaufen der Rechtsgeschichte". [6]
  • Wolfgang Bosbach, Ronald Pofalla, Volker Kauder, Hans-Peter Repnik, Friedrich Merz, Norbert Röttgen und andere CDU-Politiker hatten im Jahr 2000 einen Gesetzesentwurf eingebracht, wodurch die Worte "in einer Weise" sowie ", die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören" aus § 166 StGB zu streichen wären. Damit wären Schmähungen von Religionen viel leichter zu bestrafen. [7]

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