Volksverhetzung

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Die Volksverhetzung ist in Deutschland ein Straftatbestand nach § 130 StGB. Gemeint ist die Aufhetzung der Bevölkerung (des Volkes) oder größerer Gruppen gegen andere bestimmte Gruppen bzw. deren einzelne Angehörige, zum Beispiel aufgrund der ethnischen bzw. rassischen Zugehörigkeit oder der Religion. Der Straftatbestand steht in einem Spannungsverhältnis zum Recht auf Meinungsfreiheit.[1]

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1 Rechtsgeschichte

Bis 1988 waren die gesetzlichen Bestimmungen sehr allgemein gehalten. Das Thema Holocaust wurde 1994 aufgenommen.[2] Die folgende Fassung von § 130 StGB Absatz 1 ist 2011 in Kraft getreten:[3]

Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

2015 wurde Absatz 2 wesentlich geändert, indem zum Beispiel der Jugendschutz berücksichtigt wurde:[4]

Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. eine Schrift (§ 11 Absatz 3) verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einer Person unter achtzehn Jahren eine Schrift (§ 11 Absatz 3) anbietet, überlässt oder zugänglich macht, ...

2 Verfassungsrecht im Verhältnis zur einfachen Gesetzgebung

Interessant sind immer wieder Einzelentscheidungen im Hinblick auf volksverhetzende Äußerungen, so etwa der linksfaschistischen Antifa, die mit ihren Parolen wie "Bomber Harris, do it again" eine Wiederholung des Bombenterrors gegen Dresden, Hamburg und andere deutsche Städte herbeiwünscht. Jener Sachverhalt wurde von bundesdeutschen Gerichten jedoch nicht als Volksverhetzung gewertet.[5] Der damalige Bürgermeister von Arnstadt, Hans-Christian Köllmer (Freie Wählergemeinschaft Pro Arnstadt), wurde von Mitgliedern der SPD wegen Volksverhetzung angezeigt; Köllmer hatte gegenüber der Thüringer Allgemeinen kritisiert, dass „Rechte“ heutzutage in Deutschland ausgegrenzt würden. Laut der Zeitung verglich er dies „indirekt mit der Judenverfolgung in der Nazi-Zeit“.[6]

Nach bisher geltender Rechtslage konnte zum Beispiel ein Homosexueller anhand dieses Paragraphen in Deutschland nicht geschützt werden, weil Homosexuelle „nicht als Teil der Bevölkerung“ definiert wurden. Es ist keine „nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe“. Anders als bei den direkten Repressalien gegen Homosexuelle durch § 175 StGB, die seit 1994 von staatlicher Seite nicht mehr möglich und auch nach der Völkerrechtsklausel nicht mehr zulässig sind, herrscht im Bereich der Meinungsfreiheit ein größerer Spielraum.

Auch wenn der Art. 25 GG dem Bürger über das Völkerrecht einen direkten Zugang zur Erreichung eines Rechtsschutzbedürfnisses ermöglicht,[7] so gilt dies nach einhelliger Meinung nur für grobe Verletzungen und auch nur dann, wenn das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland nichts anderes vorschreibt. Da die Meinungsfreiheit ein besonderes geschütztes Gut ist, gibt es auch wenig Spielraum, hier Meinungen in Form von Strafen einzugrenzen. Allerdings steht es der Bundesregierung frei, zivilrechtliche Diskriminierungsgesetze einzuführen, was ja auch passierte. Es gibt dazu allerdings auch andere Auffassungen, denn der Paragraph gibt hier keine festen Vorgaben vor und im Zuge vieler Verbesserungen vor dem EuGH, der UNO und anderen Institutionen, neigt man dazu, Homosexuelle jetzt doch als abgrenzbare Gruppe mit ihrer eigenen Identität zu betrachten.[8]

"Die Staatsanwaltschaft hätte öffentliche Klage erheben müssen. Die Einstellung nach § 170 II StPO verletzt das Legalitätsprinzip ... Angriffsobjekt des § 130 StGB sind Teile der Bevölkerung, i.e. Personenmehrheiten, die sich aufgrund gemeinsamer innerer oder äußerer Merkmale als eine von der übrigen Bevölkerung unterscheidbare Bevölkerungsgruppe darstellen und die zahlenmäßig von einer Erheblichkeit, d. h. individuell nicht mehr überschaubar sind (Schönke/Schröder, § 130 Rn. 3). Genau dies trifft auf die Bevölkerungsgruppe der Homosexuellen zu. Eindeutiges inneres Merkmal ist die sexuelle Orientierung zum eigenen Geschlecht, wodurch eine Unterscheidung von der übrigen Bevölkerung möglich ist", was auch in der Politik seinen Ausdruck finde: "Gesetzlich verankerte Diskriminierungsverbote, Homosexuelle als Zielgruppe im Wahlkampf. Homosexuelle haben, insbesondere in den letzten Jahren, eine eigene Identität und eigenes Kulturgut entwickelt, was beispielsweise in eigenen Veranstaltungen, eigener Presse, Fördervereinen u.v.m. zum Ausdruck kommt. Mit den zitierten Äußerungen hatte der Beschuldigte den Bevölkerungsteil der Homosexuellen böswillig verächtlich gemacht. Die Tathandlung 'böswilliges Verächtlichmachen' betrifft Äußerungen, in denen die Betroffenen aus verwerflichen Beweggründen als der Achtung der Bürger unwert und unwürdig hingestellt werden (Schönke/Schröder, § 130 Rn. 5d). Diese Definition trifft exakt auf die Aussage und die damit verbundene Intention des Beschuldigten zu. Keinesfalls bezog er sich auf eine kleine Randgruppe der Homosexuellen, wie von der Staatsanwaltschaft in ihrem Einstellungsbescheid dargelegt, sondern in dem Ausdruck [Diese Passage wurde geschwärzt gemäß Urteil des Landgerichts Berlin vom 12.*2.*2008."[9]

In späteren Verfahren wurde das relativiert.

Weiterhin gilt es z.B. nicht als Volksverhetzung, wenn jemand einen Deutschen als "Scheiß Deutschen " titutliert. Obwohl hier der § 130 StGB keine Ausnahmen vorsieht, geht man in einigen Gerichten davon aus, dass Deutsche kein "Teil" der Bevölkerung sind, sondern vielmehr die Mehrheitsbevölkerung darstellen.[10] Auch eine Beleidigung käme meist nicht in Betracht.

Es gibt auch grundsätzliche Probleme, denn anders als bspw. im Vereinigten Königreich besitzt Deutschland eine kodifizierte Verfassung, die auch die Meinungsfreiheit garantiert. Demnach müssen wahre Aussagen, die auch mit Fakten also Belegen fundiert sind nach wie vor geduldet werden, auch wenn eine gewisse Beschimpfung und Intention dahintersteckt. Werturteile müssen hingegen nicht geduldet werden.[11] Solange diese nicht böswillig und gegen den Menschen an sich gerichtet sind, müssen solche Tatsachenbehauptungen nach geltender Rechtslage im Spannungsverhältnis des Art. 5 und des § 130 StGB erlaubt sein.

Zu dem Thema gibt es auch folgende Beispiele.:

  • 12.11.2002: AZ 1 BvR 232/97
  • 25.03.2008: Az. 1 BvR 1753/03
  • 04.10.2010: Az. 1 BvR 369/04
  • eine Wahlwerbesendung, in der es u.a. heißt: Ausweisung aller kulturfremden Ausländer” (VGH Kassel, Beschluß vom 04.01.2008, Az. 8 B 17/08
  • ein Aufkleber mit einer orientalischen Familie mit fliegenden Teppich und dem Zusatz Guten Heimflug” (OLG München, Beschluß vom 09.02.2010, Az. 5 Sr RR (II) 9/10 und AG Berleburg, Urteil vom 15.08.1997, Az. 4 Ds 45 Js 44/97 - 54K10 + 54P97 -),

Und viele weitere.[12]

Nach Auffassung der Bundesregierung soll § 130 Absatz 1 StGB weiter ausgelegt werden. Demnach gehören zu den Gruppen, die nicht verhetzt oder diskriminiert werden dürfen, auch die Homosexuellen:

"Die Aufnahme von Einzelpersonen in den Wortlaut des § 130 Absatz 1 StGB soll nicht auf die im Rahmenbeschluss genannten Gruppen beschränkt werden. Sie erfasst vielmehr alle Personenmehrheiten, die sich durch irgendein festes äußeres oder inneres Unterscheidungsmerkmal als erkenn- bare Einheit herausheben, und daher als Teile der Bevölkerung schon nach der bisherigen Rechtslage von § 130 StGB geschützt werden. Damit gilt für Angriffe auf Einzelne z. B. wegen ihrer Homosexualität oder wegen ihrer Behinderung die gleiche Rechtslage wie für Angriffe auf Einzelne wegen ihrer Religion oder wegen ihrer Nationalität." [13]

3 Volksverhetzung und Europarechtliche Bestimmungen

Der Begriff Volksverhetzung ist durch die Europäische Menschenrechts-Konvention (EMRK) ausgeweitet worden, zudem schützt die EMRK vor ungleicher Behandlungen dieser Minderheiten.

Beispielsweise schützt die Konvention nicht vor sexueller Diskriminierung, wenngleich ihr Katalog in Art. 14 nicht erschöpfend ist. Es wird zwar insbesondere der Schwerpunkt auf andere Minderheiten gelegt, es heisst dazu aber:

"Die sexuelle Orientierung fällt unter das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK. Die Aufzählung in Art. 14 EMRK hat nur Beispielcharakter und ist nicht erschöpfend, wie das Adverb "insbesondere" im Text des Artikels ausweist.
Zur Anwendbarkeit des Art. 14 EMRK genügt es, dass die Tatsachen des Rechtstreits sich in der Anwendungssphäre einer Konventionsgarantie befinden."[14]

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR gilt daher der Grundsatz der praktischen Anwendbarkeit der gewährten Rechte.

"Ebenso wie Unterschiede, die sich auf das Geschlecht gründen, verlangen Unterschiede, welche sich auf die sexuelle Orientierung gründen, nach besonders wichtigen Gründen für ihre Rechtfertigung."[15]

Auch der Art.8 MRK fällt in den Bereich zum Schutze der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, insbesondere deshalb, da sich die heutigen Moralvorstellungen hinreichend geändert haben, was der BGH feststellte.[16][17][18]

"Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft fällt in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK hinsichtlich des Anspruchs auf Achtung des Privatlebens." [19]
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

4 Einzelfälle

5 Siehe auch

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