Jüdische Musik

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Text der israelischen Nationalhymne (Hatikvah)

Jüdische Musik umfasst sowohl die geistliche Musik (Sakralmusik, religiöse Musik) als auch weltliche Musik innerhalb des Judentums. Die Texte der jüdischen Sakralmusik sind zum größten Teil in hebräischer Sprache, in geringem Ausmaß auch in aramäisch verfasst, die der weltlichen Musik hingegen meist in einer jüdischen Umgangssprache (Sephardische Sprache bzw. Ladino, Jiddisch) oder auch in der jeweiligen Landessprache.

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1 Definition

Seite aus einem jüdischen Gesangbuch

Die genaue Bestimmung von musikalischen und/oder außermusikalischen Kriterien "jüdischer Musik" ist wie bei allen Kategorisierungsversuchen von Musik nach Ethnien/Nationen oder Sprache ("englische Musik", "deutsche Musik", usw.) sehr schwierig, teilweise kaum möglich und aus Sicht linker Soziologenkreise außerdem, ebenso wie z.B. der Begriff Zigeunermusik potentiell rassistisch und deshalb natürlich abzulehnen. Deshalb ist das Lemma jüdische Musik an sich schon fraglich. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia macht es sich hier wie so oft zu einfach,[1] indem sie willkürlich hauptsächlich die religiös geprägte Musik beschreibt. Es wird folgende ethnozentrierte Definition des Musikethnologen Curt Sachs angeführt, andere Definitionsversuche werden kaum erwähnt:

„Jüdische Musik ist diejenige Musik, die von Juden für Juden als Juden gemacht wurde.“[2][3]

Diese Definition von Curt Sachs, die in der Wikipedia bereitwillig und unkritisch übernommen wird, hält der russische Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov, Professor für Geschichte der jüdischen Musik an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar, für absolut unsinnig. Er schreibt zur Definition von Curt Sachs u.a.:

"Seine Definition ist nicht nur absurd (demnach wäre ein Werk jüdischer Musik nicht mehr jüdisch, wenn es von einem nichtjüdischen Interpreten für ein allgemeines Publikum gespielt würde). Der Versuch, ein äußerst vielfältiges kulturelles Phänomen auf eine einfache Formel zu reduzieren, ist an sich problematisch. Einfache Formeln gibt es weder für das Judentum noch für jüdische Musik." [4]

Der israelische Soziologe Moshe Zuckermann wendet gegen diese Definition von jüdischer Kultur u.a. ein:

"Eine konventionelle Definition geht davon aus, dass eine Kultur für jüdisch zu erachten sei, wenn sie von Juden gemacht ist. (...) Eine solche Definition würde die Frage außer Acht lassen, ob der betreffende Künstler sich selbst als Jude angesehen hat oder ob ihm sein Judentum unter repressiven historischen Umständen gegen seinen eigenen Willen aufgezwungen worden ist." [5]

Das Online-Lexikon Jewiki, dass nach eigenen Aussagen "eine der umfassendsten Daten- und Wissenssammlungen weltweit zum Judentum und zu jüdischen Personen" werden möchte, wies zunächst keinen eigenen Artikel zu diesem für eine jüdische Enzyklopädie essentiell wichtigen Thema auf. Eine sehr ausführliche Beschreibung findet sich in der Ausgabe der Encyclopedia Judaica von 2007. Seriöse Fachliteratur ist sich der Problematik von Definitionsversuchen des Begriffs "Jüdische Musik" durchaus bewusst. So schreibt z.B. Heidy Zimmermann u.a.:

"Definitionsversuche von "jüdischer Musik", die auf die objektivierbare Bestimmung von Identitätsmerkmalen oder von spezifischen ästhetischen Elementen in den musikalischen Werken abzielen, sind immer ein schwieriges und prekäres Unterfangen." [6]

Man sieht nicht nur an diesem Zitat, dass die moderne Forschung den Begriff "jüdische Musik" meist in Anführungszeichen verwendet. Ferner ist auf die Problematik hinzuweisen, dass ein Begriff wie "jüdische Musik" mit dem Wort "jüdisch" einen Begriffsteil enthält der in seiner genauen Bestimmung (Wer ist überhaupt Jude?, Was ist jüdisch?, Gab es über die Geschichte hinweg überhaupt ein jüdisches Volk als einheitliche Größe?, Was ist jüdische Kultur und welche Faktoren bestimmen diese?, usw.) äußerst kontrovers diskutiert wird. [7]

Das MGG definiert "jüdische Musik" unabhängig von der ethnischen Abstammung eines Komponisten als Musik, "die formale, stilistische oder semantische Zeichen jüdischen Verhaltens oder jüdischer Kultur miteinander in Verbindung setzt" [8]

Das Milken Archive of Jewish Music schreibt zu der Frage:

"Unsere Sorge gilt der Musik - ihrer jüdischen Verbindung, ihrem Thema oder ihrer Grundlage und ihrem kulturellen Inhalt. Die persönliche Identifizierung oder Zugehörigkeit des Komponisten spielt keine Rolle, es sei denn es handelt sich um biografische Informationen die Auffschluss über unser Verständnis eines bestimmten Stücks geben. Wäre ein Komponist sowohl Jude nach den Definitionen der Orthodoxie als auch des Rechtsausschusses der konservativen Bewegung, hätte aber keine Musik geschrieben, die in irgendeiner Weise mit Jüdischen Themen zu tun hat oder „jüdisch“ gedacht ist, würde seine Musik nicht im Milken Archive erscheinen. (...) So wird man vergeblich nach Gershwins Rhapsody in Blue suchen, einem Werk ohne reklamierten jüdischen Bezug oder Verwendung jüdischen Musikmaterials. (...) Warum sollte zum Beispiel gute, frei komponierte Klaviersonate ein Kandidat für das Programm sein, nur weil ihr Komponist entweder Jude ist oder als Jude gilt? (...) Die Frage „Wer ist ein jüdischer Komponist?“ ist auch auf einer anderen Ebene irrelevant: Da es ausschließlich um die Musik und ihre jüdische Relevanz ankommt, muss ein mit dem Judentum verbundenes Werk nicht unbedingt von einem Juden komponiert worden sein." [9]

Der jüdische Musikwissenschaftler Eric Werner definiert Jüdische Musik, unabhängig davon ob sie anfänglich jüdischen oder nicht-jüdischen Ursprungs war, über ihre heutige, exklusive Verwendung durch jüdische Menschen. Er schreibt u.a.:

"It matters little that many folksongs are of non-Jewish origin. This, as we know, is true of all European and much of Asiatic folksong. The decisive fact is that the songs which are generally classified as typically Jewish are beeing sung at present by Jews exclusively. Even when borrowed, these songs are often reshaped in a really creative way and fused with original elements into an organic reality." [10]

Der jüdisch-amerikanische Musikjournalist David Ewen verwirft Definitionen Jüdischer Musik über musikimmanente Merkmale wie Skalen oder Intervalle. Stattdessen nähert er sich dem Begriff recht vage über angeblich für Jüdische Musik typische Charakteristika wie "ewige Traurigkeit", "Seele die sich in Musik ausdrückt" oder "eine Rasse am Leben erhaltender Idealismus". So schreibt er in seinem 1931 erschienenen Buch Hebrew Music - A Study and an Interpretation:

"Jedem der hebräische Musik gehört haben wird jedoch klar, dass es hier etwas gibt, eine sich von der jeder anderen Musik unterscheidende Stimme. Der Versuch hebräische Musik mittels der in ihr vorkommenden jüdischen Tonskala (einer nur in der Bibel zu findender Skala) oder über mit Intervallen von "erweiterten Sekunden" übersäte Melodie zu erklären ist oberflächlich, ungenau und von geringer Bedeutung. Hebräische Musik besteht nicht aus einer Technik. Hebräische Musik ist eine Seele die sich in Musik ausdrückt. Diese ewige Traurigkeit, die während zweitausend Jahren Diaspora lebte; dieser Idealismus, der eine Rasse trotz des Gewichts von Jahrhunderten am Leben erhalten hat; dieser Stolz auf seine Traditionen - diese Dinge findet man in der hebräischen Musik. Hebräische Musik ist hörbarer Ausdruck von etwas, das im Herzen eines jeden Juden vorhanden ist - ein Etwas in dem jeder Jude sich selbst erkennen muss." [11]

Selbst jüdische Komponisten gestanden häufig ein, dass sie die Elemente Jüdischer Musik nicht genau definieren/festlegen könnten. So schrieb der jüdische Komponist Ernest Bloch u.a.:

"You ask me what ist that which is Jewish in music. That I can`t tell you. But it is something that both you and I can recognize and feel, even if we cannot analyze it, and it is something more then a mere quotation of a folk theme." [12]

Am ehesten ist es noch im Bereich der Volksmusik und der sakralen Musik in der Synagoge sinnvoll explizit von "jüdischer Musik" zu sprechen.

Besonders in Bezug auf die Kunstmusik ist es sehr zweifelhaft ob man hier überhaupt von einer "jüdischen Musik" sprechen darf. So galten früher - insbesondere im Nationalsozialismus - Werke von Komponisten jüdischer Abstammung ie Felix Mendelssohn-Bartholdy,[13] Giaccomo Meyerbeer, Gustav Mahler oder Arnold Schönberg allein wegen deren ethnischer Zugehörigkeit schon als "typisch jüdische Musik", obwohl in der Musik der genannten Komponisten eigentlich selbst mit der Lupe nichts spezifisch jüdisches zu finden ist. [14] Die Einstufung der Musik dieser Komponisten als "typisch jüdisch" wurde im 19. und 20. Jahrhundert bis 1945 (in der sowjet-bolschewistischen Diktatur auch noch über 1945 hinaus) meist aus primär antisemitischer Motivation mittels großteils unsinniger "Kriterien" bzw. Diffamierungen wie z.B. "schöpferisch unselbständige Werke", "kulturell zersetzende Stilmittel", usw. vorgenommen. So hebt der deutsch-israelische Musikwissenschaftler Peter Gradenwitz die Subjektivität in der Kontoverse um den Begriff Jüdische Musik in folgenden Worten hervor:

"Wo es um Kunstwerke geht, wird leidenschaftlich diskutiert, ob es sich um Schöpfungen von Juden oder um Werke handelt, die charakteristische jüdische Stileigenschaften besitzen. Und hier wird die Analyse nun völlig subjektiv, wenn die romantische Musik eines Felix Mendelssohn-Bartholdy von der Perspektive seiner jüdische Herkunft aus beurteilt werden soll oder wenn wir andererseits etwas die Versuche einer jüdischen Musik vor uns haben, wie sie der Russe Prokofieff in seiner Ouvertüre über jüdische Themen oder der Franzose Ravel in seinen Hebräischen Gesängen veröffentlicht haben." [15]

Gradenwitz unterscheidet zwischen Jüdischer und Hebräischer Musik sowie der im 20. Jahrhundert in Palästina / Israel entstandenen Musik:

"Die aus der Sphäre jüdischen Volksgutes und aus der Erbschaft des europäischen Gettos geborene Musik, vor allem so weit sie mit der jiddischen Sprache der jüdischen Diaspora verbunden ist, bezeichnen wir als jüdische Musik, so wie auch die national-gerichtete russische Schule ihre Musik als national-jüdisch bezeichnete. Unter hebräischer Musik wollen wir solche Musik verstehen, die nicht auf folkloristischer Basis ruht, sondern entweder aus das traditionelle hebräische liturgische Gut zurückgeht oder aber in Thema und Geist den klassischen hebräischen Büchern , vor allem der Bibel, nahesteht. Die sich seit dem Ende des 1. Weltkriegs entwickelnde palästinensische Musik und die junge Musik des Staates Israel stehen außerhalb dieser beiden abgegrenzten Gebiete, selbst wo sie Elemente der einen oder der anderen Sphäre verarbeiten, und selbst unter der Wirkung der in Israel geschaffenen Werke bleiben die beiden Schulen - die jüdische und die hebräische - bestehen." [16]

Die praktischen Auswirkungen der verschiedenen Definitionen können u.a. an der Komposition Kol Nidrei, einem Werk des nichtjüdischen Komponisten Max Bruch oder am Liedzyklus Aus jüdischer Volkspoesie des russischen Komponisten Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch exemplarisch deutlich gemacht werden. Nach der Definition des MGG wären beide Werke wegen ihrer Verarbeitung von Elementen jüdischer Kultur unter dem Begriff "jüdische Musik" zu subsummieren, während sie nach den Definitionen von Curt Sachs und dem Grove Dictionary of Music and Musicians [17] aufgrund der nichtjüdischen Herkunft beider Komponisten und wegen ihres nicht ausschließlich traditionellen Volksmusikcharakters nicht zu dieser Kategorie zu zählen wären. Die Musik des bekannten jüdischen Klezmer-Klarinettisten Giora Feidman wäre nach MGG und Grove Dictionary "jüdische Musik", während sie nach Definition von Curt Sachs - da Feidman ja auf seinen ausgedehnten Europa-Tourneen meist vor Nichtjuden spielt und sie also nicht explizit "für Juden gemacht" ist - eigenartigerweise nicht dem Bereich "jüdische Musik" zuzuordnen. Eine aus jüdischen Musikern bestehende Metal-Band die in einem Konzert in Israel Songs im Stil von Metallica spielen würde, wäre dagegen nach Curt Sachs da "von Juden für Juden gemacht" als "jüdische Musik" zu betrachten, während sie nach MGG und Grove nicht in diese Kategorie fiele.

2 Geschichte

Die jüdische Musik erstreckt sich über einen Zeitraum von mehr als 3000 Jahren, und zwar von den Anfängen des Judentums, wie sie in in der Bibel beschrieben werden, über die Diaspora im 6. Jahrhundert v. Chr. und die Gründung des Staates Israel bis in die Gegenwart. Aus der Bibel ist zum Beispiel eine Sammlung von Liebesliedern unter dem Titel Hohelied Salomos bekannt. In der religiösen Musik hatte unter anderem das Kaddisch einen großen Einfluss.

2.1 Zeit bis zur Diaspora

Wie auch bei der Erforschung der Musik anderer antiker Kulturen wie der Babylonier, Ägypter, Griechen oder Römer, sind aus den wenigen erhaltenen Quellen fast kein Rückschlusse auf Struktur und Klangwirkung der damals wirklich ausgeübten Musik möglich. Die Bauformen einzelner abgebildeter bzw. der sehr wenigen teilweise erhaltenen Instrumente lassen nur Rückschlüsse/Hypothesen auf den erzeugten Klang und einige Vermutungen über damalige, aufgrund der technischen Gestalt der Instrumente wahrscheinliche, Spielweisen der Instrumentalisten zu. Auch Versuche die Struktur und den möglichen Klangeindruck damaliger Musik aufgrund kurzer schriftlicher Beschreibungen damaliger musikalischer Aufführungen zu rekonstruieren bleiben extrem spekulativ und fragwürdig. 1979 schrieb ein Lexikon:

So müssen wir heute rekonstruieren - aus den zufälligen Berichten der Hofhaltungen, aus den Gesetzestexten und Briefen. In solchen Dokumenten scheint aber das flüchtige Element der Musik nur am Rande auf, in Musikernamen, Instrumentenbezeichnungen, Besetzungs- und Zeremonialangaben, nicht aber in seiner eigentlichen Gestalt. Das Klangphänomen bleibt stumm durch Jahrtausende.[18]

Für die jüdische Musik ist die Lage noch einmal schwieriger, weil hier, wohl aus religiösen Gründen, keine bildlichen Darstellungen von Musikinstrumenten oder Musikaufführungen aufgefunden wurden. [19] Eine Rekonstruktion der wirklichen Musik ist wegen der weit zurückliegenden historischen Situation vor 2000-3000 Jahren. So schreibt Joachim Braun in einer Darstellung der Musikkulturen Altisraels bzw. Palästinas einleitend:

Die akustische Restauration musikalischer Ereignisse ist unmöglich. Nicht nur wegen des ausbleibenden Quellenmaterials - sondern hauptsächlich wegen der für immer verlorenen historischen Situation, den sozialen Verhältnissen, sowie der psychologischen Einstellung und entsprechenden Musikrezeption. Auch muss die total unterschiedliche akustische Ökologie der tausendjährigen Vergangenheit in Betracht gezogen werden. [20]

Die Bibel war lange Zeit die wichtigste bzw. einzige Quelle für Informationen über das musikalische Leben der Juden. Dazu traten später zusätzliche Quellen wie vereinzelte archäologische Funde zum Teil erhaltener Musikinstrumente, Beschreibungen von Ereigenissen im Zusammenhang mit Musik bzw. Musikdarbietungen, analoges Material aus den umgebenden alt-orientalischen Kulturen welches Rückschlüsse ermöglicht, sowie spätere, auch nichtjüdische Quellen. Informationen über jüdische Musik finden sich u.a. bei den antiken Autoren Flavius Josephus oder Philon von Alexandria. Auch in der Mischna und den Apokryphen sind Stellen mit Bezug auf die jüdische Musik bzw. Musikpraxis zu finden. [21] Die Erforschung der Musikgeschichte Altisraels/Palästinas ist aus verschiedenen Gründen durch einseitige, vorurteilsbehaftete und subjektive Betrachtungsweisen belastet. Bis weit in das 20. Jahrhunderts wurde die primär mythologische Bibel zur Untersuchung der Musik als quasi objektive, historische Quelle verwendet. Archäologische und ikonographische Quellen wurden kaum herangezogen. Dies führte zu einer Verengung der Betrachtung unter Ausschluss der Einflüsse anderer Kulturen des Raumes und kulturübergreifenden Tendenzen. Der Tanach im Original wurde selten herangezogen was u.a. zu einer häufig falschen Übersetzung der Namen von Musikinstrumenten führte. [22]

2.2 Musikinstrumente des Tempels

  • Halil: Die Halil war ein im Volk populäres Aerophon mit zwei Pfeifen. Die halil wird im Alten Testament in 1 Sam 10, 5, 1 Kön 1, 40, Jes 5, 12 und 30, 29 und in Jer 48, 36 erwähnt. Sie enthielt wahrscheinlich eine Melodiepfeife und eine Bordunpfeife (Brummer). Das Instrumentenmundstück war wahrscheinlich mit einfachem bzw. doppeltem Rohrblatt ausgestattet. Zur Interpretation als eine Art Klarinette oder Oboe geben sowohl Septuaginta, Vulgata als auch andere jüdische Literatur Anlass. Die moderne Musikwissenschaft deutet die halil als auch als Klarinette, Doppelklarinette, Oboe, Doppeloboe, aber vereinzelt auch als Flöte bzw. Doppelflöte. Talmudische Texte berichten, dass sie sowohl aus Bronze, Kupfer, Schilfrohr oder Knochen gearbeitet wurde. [23] [24]
  • Hazor`ra:
  • Kinnor:
  • M`nan`im:
  • Nevel Asor:
  • Minim:
  • Shalishim:
  • Ugav:

3 Assimilation von Elementen anderer Musikkulturen

Aufgrund des jahrtausendelangen Lebens von Juden in der Diaspora in den verschiedensten Ländern Europas, Afrikas und des Nahen Ostens stand die "jüdische Musik" meist in reger Wechselwirkung mit den Musiktraditionen der "Wirtsvölker" und hat viele musikalische Elemente aus diesen Musiktraditionen assimiliert bzw. verarbeitet. [25] Auf diese Tatsache wies schon der wohl bedeutendste Fachmann der jüdischen Musikethnologie, Abraham Zebi Idelsohn, im Jahr 1929 hin. Im Vorwort seines Buches Jewish music - Its historical development schreibt er u.a.:

"Wir versuchen die Einflüsse darzustellen, welche die fremde Musik der Umgebung auf jüdische Musik ausgeübt hat, und streben danach die Prinzipien aufzuzeigen nach denen bestimmte fremde Elemente einverleibt wurden bis sie schließlich organische Bestandteile des musikalischen Körpers wurden." [26] [27]

Etwa seit dem 15. Jahrhundert entwickelte sich mit Klezmer eine Form der Volksmusik, die bis heute eine Tradition hat. Erst in den USA in den 1970er Jahren wurde dies eine Bezeichnung der musikalischen Stilrichtung; zuvor wurde diese Musik zumeist falsch als jiddisch bezeichnet, womit sich die Sichtweise auf bestimmte Regionen in der Welt beschränkte.

4 Musik in Israel

Ob allein die Tatsache, dass ein Komponist Jude ist bzw. in Israel geboren ist und/oder lebt ausreicht, um bei seinen Werken von "jüdischer Musik" zu sprechen ist umstritten. Curt Sachs (siehe den Abschnitt "Definitionsproblematik") bejaht diese Frage, während das Grove Dictionary of Music and Musicians sie verneint. [28] In der Online-Enzyklopädie Wikipedia wird diese Frage im Abschnitt "Musik in Israel" wie üblich erst gar nicht thematisiert.

Der Aufbau eines organisierten Musiklebens begann in Palästina in den 1930er-Jahren mit der Immigration vieler Juden - darunter auch bedeutender Musiker und Komponisten - aus Mittel- und später dann primär Osteuropa. 1936 gründete der polnische Geiger Bronislaw Huberman das Palestine Orchestra, das nach der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel in Israel Philharmonic Orchestra umbenannt wurde. Zu den bedeutendsten israelischen Komponisten dieser Zeit gehörte der ab 1933 in Tel Aviv lebende Paul Ben-Haim.

Die Symphonische Dichtung Emek von Marc Lavry war im Jahr 1937 das erste Werk eines jüdischen Komponisten, das in Palästina uraufgeführt wurde. Es erfreute sich großer Beliebtheit, und wurde in nur sieben Jahren 100 mal öffentlich aufgeführt.

Bekannt ist ferner Abel Ehrlich, der achtmal mit dem ACUM-Preis des israelischen Ministerpräsidenten für Komponisten und 1997 mit dem Israel-Preis für Musik ausgezeichnet wurde.

Die klassische Musik des 20. Jahrhunderts von Komponisten aus Israel ist sehr vielschichtig und kann nicht pauschal einer vorherrschenden Richtung zugeordnet werden. Es sind Elemente hebräischer Liturgie, jüdisch-orientalischer Volksmusik sowie jüdischer Volksmusik aus dem osteuropäischen und maurisch-iberischen Raum, traditionelle Gestaltungsmittel europäischer klassischer Musik, sowie das Repertoire der zeitgenössischen Musik des 20. Jahrhunderts, wie z.B. der Neuen Wiener Schule vorhanden. [29]

Zeitgenössische israelische Komponisten haben u.a. in vokalen und instrumentalen, von biblischen Themen beeinflussten Werken versucht alte sakrale Motive und Kantillationen des Nahen Ostens in moderne, dem 20. Jahrhundert gemäße Form zu bringen. [30] Daneben existieren natürlich auch viele Kompositionen israelischer Komponisten ohne expliziten Bezug auf jüdische Kultur, Geschichte oder Religion. An Kompositionen erzielten u.a. folgende Werke größere Bekanntheit:

  • Paul-Ben-Hains Werk The Sweet Psalmists of Israel für das er den israelischen Staatspreis erhielt.

Speziell im Bereich der Klaviermusik sind folgende Komponisten und Werke erwähnenswert: [31]

  • Joachim Stustschewskys 12 Bagatellen die sich mit der Verwendung jüdischer Melodien einer herkömmlichen Harmonisierung verweigern und in der Begleitung oft spärlich sowie in ostinaten Formen gestaltet sind.
  • Die Werke Paul Ben-Hains, wie z.B. seine Sonatine von 1946 oder die Sonate von 1954, die meist mit prägnanter Thematik, viel Kolorit versehen und virtuos gestaltet sind.
  • Joseph Kaminskys Werk Triptyque aus dem Jahr 1959, das mit großem Einfallsreichtum charaktervolle Aussagen im Nebeneinander unterschiedlichster Stilelemente macht.
  • Karel Salomons Komposition Israel lives aus dem Jahr 1947, welche acht einfache Variationen über ein jüdische Volkslied bringt.

5 Siehe auch

6 Weblinks

6.1 Videos

7 Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Bezeichnenderweise beruht der Wikipediaartikel anscheinend ausschließlich auf der Encyclopedia Judaica (18 Einzelnachweise) und eigener Theoriefindung der Wikipediaautoren. Andere Literatur wurde (siehe die 17 Einzelnachweise im Wikipediaartikel) anscheinend nicht herangezogen.
  2. Artikel "Music" in: Encyclopedia Judica, Jerusalem, 1971/72, Band XII, Spalte 555
  3. Auch muss man sich fragen, was mit der Teilformulierung Juden als Juden gemeint sein soll. Impliziert dies, dass ein Mensch jüdischer Herkunft nur bei gewissen Verhaltensweisen als wirklich jüdisch zu gelten hat? Und was ist dann mit Konvertiten vom Judentum zu anderen Religionen? Sind sie noch Juden als Juden?
  4. Jascha Nemtsov: Was ist jüdische Musik? -Einige einführende und kritische Betrachungen; in Jüdische Rundschau Nr. 4 / Oktober 2014
  5. Moshe Zuckermann: Die Jüdische Dimension - Juden, Judentum und Musik / Im Spannungsfeld des Diasporischen und Nationalen; in Melodie & Rhythmus, September/Oktober 2016, Verlag 8. Mai GmbH, Berlin, S. 21
  6. Heidy Zimmermann: Was heißt "jüdische Musik"? - Grundzüge eines Diskurses im 20. Jahrhundert; in Eckhard John: Jüdische Musik / Fremdbilder - Eigenbilder, Böhlau Verlag, Köln, 2004, S. 13
  7. Heidy Zimmermann: Was heißt "jüdische Musik"? - Grundzüge eines Diskurses im 20. Jahrhundert; in Eckhard John: Jüdische Musik / Fremdbilder - Eigenbilder, Böhlau Verlag, Köln, 2004, S. 12
  8. Zitiert nach Jens Malte Fischer: Gustav Mahler, Verlag Zsolnay, 2003, S. 329
  9. Eigene Übersetzung nach Neil W. Lewin: Introducing the Milken Archive of Jewish Music: the American Experience. Im engl. Original: "Our concern is with the music—its Jewish connection, subject, or foundation, and its cultural content. The personal identification or affiliation of its composer does not matter, except as biographical information and to the extent that this information sheds light on our understanding of a particular piece. Were a composer to be both a Jew, by the most firmly established traditional Judaic legal standards applicable in orthodoxy as well as according to the law committee of the Conservative movement (...) , but to have written no music in any way related to Jewish themes—or even intended as “Jewish”—none of that composer’s music would appear in the Milken Archive. (...) Thus, one will look in vain for Gershwin’s Rhapsody in Blue — a work with no claimed Jewish connection and no derivations in perceived Jewish musical materials. (...) Why is a good piano sonata, for example, freely composed, a candidate for the program merely because its composer either is or is considered to be a Jew? (...) The question “Who is a Jewish composer?” is irrelevant on another plane. Since it is the music and its Jewish relevance with which we are exclusively concerned, a work of Jewish connection need not necessarily be composed by a Jew."
  10. zitiert nach Irene Heskes: Passport to Jewish Music - Its History, Traditions, and Culture, Greenwood Press, 1994, S. 26
  11. Im Original: "Yet it becomes apparent to all those who have heard Hebrew music that there is something here, a voice far different from that to be found in any other music. To attempt to explain Hebrew music by saying it contains the Jewish tonal-scale (the scale to be found in the Bible alone), or that the melody is sprinkled with "augmented-second intervals" is superficial, inaccurate and of little importance. Hebrew music does not consist of a technique. Hebrew music is a spirit expressed in music. That perpetual sadness, nurtured during two thousand years of the diaspora; that idealism which has kept a race alive despite the weight of centuries; that pride in one`s traditions - these things are found in Hebrew music. Hebrew music is the audible expression of something that is in the heart of every Jew - a something in which every Jew must recognize himself."; zitiert nach David Ewen: Hebrew Music - A Study and an Interpretation, Bloch Publishing Company, New York, 1931, S. 44 und 45
  12. Zitiert nach David Michael Schiller: Bloch, Schoenberg and Bernstein - Assimilating Jewish Music, Oxford University Press, 2003, S. 26.
  13. Seine Eltern konvertierten zum Christentum, als er 13 Jahre alt war
  14. Was ist jüdische Musik? auf www.musica-judaica.com
  15. Peter Gradenwitz: Die Musikgeschichte Israels, Bärenreiter Kassel, 1961, S. 7
  16. Peter Gradenwitz: Die Musikgeschichte Israels, Bärenreiter Kassel, 1961, S. 164
  17. Das Grove Dictionary of Music and Musicians schreibt im Artikel "Jewish Music" in Band IX u.a.: "This article is concerned with the traditional music of the Jews, (...) It does not deal with individual composers of Jewish descent working outside the Jewish tradition, nor with the music of modern Israel."
  18. Kurt Honolka (Hrsg.): Knaurs Weltgeschichte der Musik - Von den Anfängen bis zur Klassik, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München/Zürich, 1979, S. 13
  19. Kurt Honolka (Hrsg.): Knaurs Weltgeschichte der Musik - Von den Anfängen bis zur Klassik, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München/Zürich, 1979, S. 19
  20. Joachim Braun: Die Musikkultur Altisraels/Palästinas - Studien zu archäologischen, schriftlichen und vergleichenden Quellen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1999, aus dem Vorwort auf Seite IX
  21. Artikel "Music" in: Encyclopedia Judica, Jerusalem, 1971/72, Band XII, Spalte 559
  22. Joachim Braun: Die Musikkultur Altisraels/Palästinas - Studien zu archäologischen, schriftlichen und vergleichenden Quellen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1999, S. 2 bis 4
  23. Velvel Pasternak: The Jewish Music Companion - Historical Overview, Personalities, Annotated Folksongs, Tara Publications, 2002, S. 9
  24. Joachim Braun: Die Musikkultur Altisraels/Palästinas - Studien zu archäologischen, schriftlichen und vergleichenden Quellen, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1999, S. 36
  25. Moshe Denburg in Introduction to jewish music auf www.tzimmes.net: "Jews have been global wanderers; from the beginning of the common era, about 2000 years ago, until quite recently, they have lived amidst many cultures not their own. To preserve their identity, in a sea of foreign culture, Jewish people have always deemed it wiser to incorporate foreign cultural elements into the Jewish mainstream than to resist all outer influence absolutely. (...) Thus, to a large degree, Jewish Music is a cross-cultural phenomenon, the music of the wanderer."
  26. Freie Übersetzung des Pluspediaautors Pfitzners Hansi nach dem englischen Originaltext: "We try to point out the influence that the foreign music of the environment exerted upon Jewish music, and seek to explain the principles according to which certain foreign elements were incorporated until they became organic parts of the musical body."
  27. Abraham Zvi Idelsohn: Jewish Music – Its Historical Development, Henry Holt and Company/Dover Publications, New York, 1929/1992, S. XIX
  28. Anm.: Das Grove Dictionary of Music and Musicians schreibt im Artikel "Jewish Music" in Band IX u.a.: "This article is concerned with the traditional music of the Jews, (...) It does not deal with individual composers of Jewish descent working outside the Jewish tradition, nor with the music of modern Israel."
  29. Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur - Klaviermusik zu zwei Händen, Atlantis Musikbuch-Verlag, 5. Aufl., 1993, S. 611
  30. Neue Zeitschrift für Musik (NZ), Band 159, Robert-Schumann-Gesellschaft, Frankfurt a. M., Schott's Söhne, 1998, S. 40
  31. Auswahl und Charakterisierung der Werke nach Klaus Wolters: Handbuch der Klavierliteratur - Klaviermusik zu zwei Händen, Atlantis Musikbuch-Verlag, 5. Aufl., 1993, S. 612

8 Andere Lexika




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