Linker Kulturkampf

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Der Ausdruck Linker Kulturkampf bezeichnet die Aktivitäten von linken Parteien, Gruppierungen und Einzelpersonen, die ästhetischen Wert- und Rezeptionsmaßstäbe von Kultur im Sinne ihrer politisch-gesellschaftlichen Vorstellungen und Ziele umzudeuten, bisher tradierte Kulturwerte und- erzeugnisse sinnverzerrend umzudeuten oder zu persiflieren und damit zu diskreditieren, und das öffentliche Kulturleben zu dominieren. Die Kultur und das Kulturschaffen sollen dabei ausschließlich nach politischen und gesellschaftlichen und nicht nach ästhetischen oder künstlerisch-handwerklichen Qualitätskriterien bewertet und gefördert werden. Schlüsselstellungen des kulturellen Lebens wie das Schulsystem, Intendantenstellen im Theater, die Kulturfeuilltons, Radio und Fernsehen, sowie Personalposten in der staatlichen Kulturinstitutionen sind dabei vorrangig zu erobernde Positionen dieses Kulturkampfes.

Der Linke Kulturkampf begann Anfang des 20. Jahrhunderts, wurde nach der russischen Oktoberrevolution 1917/1918 und später dann besonders im Zuge der 68er-Bewegung intensiviert. Theoretische Basis diese Kulturkampfes blieb dabei trotz Unterschieden in der äußeren Form immer die Ideologie des Marxismus und der anzustrebenden Diktatur des Proletariats.

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1 Kennzeichen

Wesentliche Kennzeichen des Linken Kulturkampfes von Lenin bis zur 68-er-Generation und bis heute sind:

  • Die Ablehnung des Humanismus und der Aufklärung und ihrer Werte wie Toleranz, Mitmenschlichkeit und Demokratie.
  • Die Förderung der Vereinzelung des Menschen und seine Herauslösung aus Bindungen. Deshalb werden traditionelle, Orientierung bietende Institutionen und Werte wie Religion, Kirche, Familie, kulturelle Identität, Heimat und Nation bekämpft, um den Einzelnen formbarer im Sinn der kommunistischen Indoktrinierung zu machen.
  • Die Nivellierung und generelle Senkung des kulturellen Niveaus im Sinne eines Egalitarismus auf möglichst niedriger Stufe im Sinne eines "kleinsten gemeinsamen Nenners" und einer zunehmenden Vulgarisierung der kulturellen Inhalte (Kulturverfall).

Diese Kennzeichen werden jedoch in Diskussionen durch geschickte Wortwahl vertuscht und sind daher für Nichtmarxisten nicht immer sichtbar. In diesem Zusammenhang werden oft neue Begriffe erfunden, die sich zum Beispiel in der Wikipedia finden. Diese Art von Sprachpolitik wurde schon von George Orwell erkannt und zum Beispiel in seinem Roman 1984 beschrieben.

2 Ursprünge

Schon 1916 formulierte Antonio Gramsci, der Erste Sekretär der Kommunistischen Partei Italiens seine Hegemonie-Theorie, wonach politische Macht nur dann zu gewinnen und zu befestigen sei, wenn man auch die Strukturen der Gesellschaft und ihre kulturellen Einrichtungen besitze. [1] Er stellte die These auf:

"... daß jeder Revolution eine intensive kritische Arbeit vorranging, eine kulturelle Imprägnierung, ein Eindringen von Ideen in Menschengruppen, die zuvor unzugänglich waren ...". Einer der hervorstechendsten Charakterzüge jeder Gruppe , die sich in Richtung auf die Herrschaft zu entwickelt, ist ihr Kampf für eine Assimilierung und ideologische Eroberung der traditionellen Intellektuellen." [2]

Die Umfunktionierung der Kulturwerte und des Kulturlebens in Russland unter der Diktatur Lenins war durch einfache Maßnahmen wie Publikationsverbote, Entfernung und physische Eliminierung von bisherigen Eliten und Funktionsträgern, und ein ausschließlich vom kommunistischen Staat beherrschtes Erziehungs- und Bildungswesen leicht durchsetzbar. Lenin formulierte die für die Linke bis heute gültige Maxime der Unterordnung von Kultur und Kunstschaffen unter rein politische Prämissen, indem er betonte, dass jegliche Kulturpolitik unter der übergreifenden Perspektive des Befreiungskampfes der Arbeiterklasse und der Realisierung des Sozialismus als Übergang zum Kommunismus zu stehen habe. [3]

Die Kommunisten in den demokratisch gebliebenen Ländern mussten dagegen andere und kompliziertere Schleichpfade der subkulturellen Unterwanderung finden. So meinte Gramsci, dass die Machtergreifungen der Kommunisten außerhalb Russlands deshalb nicht von Dauer seien, weil sie bloß den Staatsapparat, nicht aber die Menschen und deren Moral und Kultur in den Griff bekamen. [4] Gramsci schrieb dazu:

"Der Staat war lediglich ein vorgeschobener Schützengraben, hinter dem eine robuste Kette von Befestigungswerken und Kasematten lag. (...) Man muss vielmehr vom Kampf um eine neue Kultur sprechen, das heißt um eine neue Lebensmoral." [5]

In Deutschland bildete sich 1918 in Berlin ein "Arbeitsrat für Kunst", der die Künstler in der Revolution politisch vertreten wollte. [6]

3 Linker Kulturkampf von den 1920er bis 1960er Jahren

Die 1920er und frühen 1930er-Jahre waren dann eine Blütezeit linker "kultureller Betätigung" und der Zersetzung traditioneller Kunstauffassungen. Berlin wurde zur Hochburg eines erstmalig vom Sozialismus dominierten Kulturlebens. Aus der Fülle von Theorie und Praxis sozialistischer Kulturaktivitäten werden hier nur exemplarisch einige wenige genannt. Der Künstler Raoul Hausmann begriff die neue Richtung des Dadaismus z.B. als "Negation des bisherigen Sinnes des Lebens.". Der Komponist Hans Eisler, der mit dem ebenfalls politisch linksorientierten Bertold Brecht zusammenarbeitete und nach 1945 zum Hofkomponisten der kommunistischen Diktatur der DDR avancierte, lehnte die bürgerliche Musikkultur rundweg ab, und betätigte sich auch als Korrespondent des KPD-Organs Rote Fahne. [7]

Während der Vorherrschaft national-konservativer Staatsformen ab den 1930er-Jahren bis 1945 war der Linke Kulturkampf dann in vielen Ländern in den Untergrund abgedrängt.

Die Jahre von 1945 bis in die 1960er-Jahre waren teilweise noch von einem traditionellen Kulturbegriff im Sinne einer "Hochkultur" und einem humanistisch geprägten Bildungsbürgertum als Träger dieser Kultur geprägt. Dennoch waren erneut sozialistische Bestrebungen erkennbar, die Kultur zu demontieren und für politische Zwecke zu instrumentalisieren.

Der französische Autor und Filmemacher Guy Debord, der als vehementer Kapitalismuskritiker auftrat, 1957 zu den Gründunsmitgliedern der linksradikalen Situationistischen Internationale gehörte und später in den 1960er-Jahren bedeutenden Einfluss auf die Neue Linke hatte, formulierte beispielsweise im Jahr 1958 sein destruktives Ziel, "das Elend aller bestehenden kulturellen Erscheinungsformen zu beenden". [8] Joseph Beuys, welcher das demokratische System der Bundesrepublik und das Privateigentum ablehnte, [9] versuchte mit Hilfe der Kunst nachhaltigen Einfluss auf die gesellschaftliche Stimmung auszuüben. Dabei stellt er den herkömmlichen Kunstbegriff radikal in Frage und verneint dabei diesen an sich. Deutlich wird dies an Andy Warhols Leitsatz "Alles ist Kunst und nichts ist Kunst."

Wesentlich für den Linken Kulturkampf dieser Zeit im literarischen Bereich war die Gruppe 47. Das ehemalige KPD-Mitglied Hans Werner Richter hatte nachdem seine Zeitschrift "Der Ruf" wegen prokommunistischer Ausrichtung von der US-amerikanischen Besatzungsmacht verboten worden war, die Gruppe im Jahr 1947 gegründet. Der CDU-Politiker Josef Hermann Dufhues erkannte in der Gruppe im Jahr 1963 eine „geheime Reichsschrifttumskammer“, deren Einfluss „nicht nur im kulturellen, sondern auch im politischen Bereich“ ihm eine „geheime Sorge“ verursache, [10] und Ludwig Erhard kritisierte später die Instrumentierung der Literatur für politische Ziele, indem er in Bezug auf die Gruppe 47 eine Mode erkannte, dass „Dichter unter die Sozialpolitiker und Sozialkritiker“ gehen. [11]

Schriftsteller wie Heinrich Böll, der in den 1970er Jahren dann mit den Linksterroristen der RAF symphatisierte, in Ansichten eines Clowns, Wolfgang Koeppen, der sich stets als linker Schriftsteller verstanden hat, in Tauben im Gras, oder Günther Grass verwarfen bürgerliche Kulturwerte pauschal und undifferenziert als mitverantwortlich für die NS-Zeit. Böll popularisierte auch das seitdem in linken Kreisen beliebte Motiv einer pauschalen Verurteilung der Kirche als vorgeblich Mitverantwortliche für den Nationalsozialismus. Auf diese Zeit geht auch die bis heute anhaltende Selbstinszenierung linker Kulturschaffender als moralische Instanz und Gewissen der Nation, welches die gesellschaftlichen Grundwerte "hinterfragt" und ständig als "Mahner und Warner" auftritt, zurück. [12] Auch die bis heute aktuelle Erscheinungsform Linken Kulturkampfes, alles was in der Kultur einen Bezug zum Begriff Deutsch oder nur zum Begriff Heimat hat oder haben könnte als obrigkeitsstaatlich, autoritär, reaktionär, nationalistisch und/oder faschistisch pauschal zu diskreditieren, wurde schon in den 1950er-Jahren entwickelt. Frank Schirrmacher attestierte dieser Nachkriegsliteratur deshalb später "Stillstand und Stagnation, da das öffentliche Selbstverständnis der Literatur auch heute noch vom Kanon der 50er und 60er Jahre bestimmt sei." In der normativen Fixierung auf die jüngste deutsche NS-Vergangenheit war diese im öffentlichen Bewusstsein vor allem kollektive Psychoanalyse als eigenständige Kulturproduktion gewesen, und sei nicht fähig einen größeren Vergangenheitsraum zu thematisieren oder sich gar fortzuentwickeln. [13]

Auch in anderen Kunstbereichen verschmolz politisch linkes Denken mit dem Bekenntnis zur künstlerischen Avantgarde. [14] So meinte der deutsche Komponist Dieter Schnebel rückblickend in Bezug auf die Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik:

"Der Avantgarde angehören hieß ja auch dagegen sein. Wir fühlten uns tatasächlich als Vorhut, als Kampftruppe für den Fortschritt, und die Skandale der Musik der Nachkriegszeit, denen es ja nicht wenige gab, die hatten schon etwas heroisches: Wir sind Kämpfer für eine bessere Zeit." [15]

4 Einzelnachweise

  1. Walter Marinovic: Diktatur des Häßlichen - Kulturpolitik heute, Leopold Stocker Verlag, Graz und Stuttgart, 1996, S. 13 und 14
  2. Antonio Gramsci: Grido del poplo vom 29.1.1916 und Antonio Gramsci: Gefängnisschriften, Heft 12
  3. Wolfhardt Henckmann: Über die Grenzen der "Kunstverhältnisse"; in Ursula Franke und Josef Früchtl: Kunst und Demokratie - Positionen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, S. 171
  4. Walter Marinovic: Diktatur des Häßlichen - Kulturpolitik heute, Leopold Stocker Verlag, Graz und Stuttgart, 1996, S. 13 und 15
  5. Antonio Gramsci: Gefängnisschriften, Hefte 7 und 23
  6. Christoph Parry: Menschen, Werke, Epochen - Eine Einführung in die deutsche Kulturgeschichte, Max Hueber Verlag, 1993, S. 166 ff.
  7. Christoph Parry: Menschen, Werke, Epochen - Eine Einführung in die deutsche Kulturgeschichte, Max Hueber Verlag, 1993, S. 166 ff.
  8. S. 98
  9. "Das System ist kriminell, der Staat zum Feind des Menschen geworden"; nach Dirk Bitzerauf http://www.geschichte.nrw.de/artikel.php?artikel%5Bid%5D=905&lkz=de&WYSESSID=34llmhsvh0pm3pghcln0jclm15
  10. Bruno Friedrich: Wie die Atmosphäre vergiftet werden kann; in Lettau (Hrsg.): Die Gruppe 47 – Bericht Kritik Polemik - Ein Handbuch, S. 504
  11. Lutz Krusche: Schriftsteller über Erhards Kritik bestürzt; in Lettau (Hrsg.): Die Gruppe 47 – Bericht Kritik Polemik - Ein Handbuch, S. 515
  12. Angelika Ibrügger: Die unfreiwillige Selbstbespiegelung einer lernenden Demokratie; in Nicole Colin (Hrsg.): Der "Deutsche Herbst" und die RAF in Politik, Medien und Kunst - Nationale und internationale Perspektiven, transcript Verlag, Bielefeld, 2008, S. 160 und 161
  13. Willi Huntemann: Engagierte Literatur in Wendezeiten, Königshausen & Neumann, 2003, S. 35
  14. Gisela Nauck: Dieter Schnebel, Verlag Schott, 2001, S. 48
  15. Gisela Nauck: Dieter Schnebel, Verlag Schott, 2001, S. 48

5 Andere Lexika

Wikipedia kennt dieses Lemma (Linker Kulturkampf) vermutlich nicht.




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