Stil und Gedanke (Buch von Arnold Schönberg)

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Von Schönberg handsignierte Ausgabe seines Buches Style and Idea
Stil und Gedanke ist ein aus Essays und Vorträgen zur Musik und einigen anderen Bereichen bestehendes Buch des jüdischen Komponisten Arnold Schönberg. Es wurde im Jahr 1950 auf Englisch unter der Titel Style and Idea in New York publiziert. 1976 erschien es unter der Titel Stil und Gedanke erstmalig auf Deutsch.

Das Buch vermittelt die auch heute noch relevanten und interessanten Gedanken und Vorstellungen Schönbergs zur Musik, deren gestalterischen Elementen wie Harmonien, Kontrapunkt, musikalischer Form und Instrumentation, den Schaffensprozessen von Komponisten, den Musikwerken seiner zeitgenössischen Kollegen und der Komponisten vergangener Jahrhunderte, dem Musikleben seiner Zeit, aber auch politisch-gesellschaftlichen Themen wie den Menschenrechten oder der NS-Zeit.

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1 Entstehung

Nachdem Schönberg aus antisemitischen Gründen die Lehrerlaubnis an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin entzogen wurde, migrierte er noch im selben Jahr nach Frankreich und danach in die USA.

Aus den in Schönbergs Nachlass erhaltenen Aufzeichnungen gehr hervor, dass er den Sammelband Style and Idea im späten Herbst 1945, wohl im Zusammenhang mit den im Mai 1946 gehaltenen Gastvorlesungen an der University of Chicago, vorzubereiten begonnen hat. Zu diesem Zweck wurden der 1935 und 1941 gehaltene Vortrag Composition With Twelve Tones wieder aufgegriffen, der Text Neue und veraltete Musik, oder Stil und Gedanke von Schönberg revidiert und gänzlich ins Englische Übersetzt sowie 1946 die beiden Vorträge Heart and Brain sowie Criteria For The Evaluation of Music geschrieben. [1] Criteria For The Evaluation of Music beruht auf Schönbergs Vortrag Kriterien musikalischer Werte aus dem Jahr 1927. [2] 1946 wird der bereits 1939 gehaltene Vortrag Eartraining through Composing erneut abgedruckt und 1947 entstehen die Aufsätze Folcloristic Symphonies, Human Rights sowie Brahms, the Progressive. Letzterer ist eine englische Neubearbeitung des 1933 von Schönberg im Frankfurter Rundfunk gehaltenen Vortrags Brahms, der Progressive. Vermutlich zum selben Zeitpunkt wurde Serge Frank auch mit der Übersetzung der zwei älteren Studien Mahler sowie Das Verhältnis zum Text beauftragt. Die vier original auf Englisch geschriebenen Texte The Blessing of the Dressing, On revient toujours, This is my Fault sowie To the Wahrfs wurden 1948 und 1949 verfasst. [3]

Schönberg war sich durchaus bewusst, dass er seine Gedanken auf Englisch nicht so gut ausdrücken konnte wie in seiner deutschen Muttersprache, und meinte in Bezug auf die Arbeit der Übersetzer:
Arnold Schönberg mit Frau und Kindern auf einem Foto von 1950
"Ich denke nicht daran, die Tatsache zu verbergen, daß ich nicht in dieser Sprache geboren bin, und ich möchte nicht mit den stilistischen Verdiensten einer anderen Person geschmückt einhergehen." [4] [5]

Dika Newlin, die Heraugeberin der amerikanischen Erstausgabe von Style and Idea, äußerte sich im Vorwort folgendermaßen zur Problematik der Übersetzung von Schönbergs Texten folgendermaßen:

"Arnold Schönberg besitzt als Autor nicht nur im Deutschen, sondern auch im Englischen seine eigene Persönlichkeit und seine eigenen Vorstellungen. Einige der Aufsätze, aus denen Style and Idea jetzt bestehen, wurden ursprünglich deutsch geschrieben. Bei ihrer Übersetzung habe ich mich gemäß dem Wusch des Autors so wörtlich, wie es der englische Sprachgebrauch gestattet, an den ursprünglichen Stil gehalten. Daher sollte eine gewisse Übereinstimmung in der Ausdrucksweise zwischen diesen und den späteren, englisch geschriebenen Aufsätzen herrschen, die indessen noch den Stempel von Schönbergs individuellem deutschem Stil tragen." [6] [7]

2 Inhalt

Das Buch besteht aus folgenden 15 Essays und Vorträgen:

2.1 Das Verhältnis zum Text

Dieser Text wurde erstmalig im Jahr 1912 in der von Wassily Kandinsky und Franz Marc herausgegebenen zeitschrift Der Blaue Reiter abgedruckt. Schönberg schrieb ihn vermutlich zwischen dem 16. November 1911 und dem 20. Januar 1912. [8] In Style and Idea erschien er dann unter dem Titel The relationship to the text.

Schönberg geht es in diesem mit vier Seiten knappen Aufsatz um die seiner Ansicht nach falsche, aber denncoh weit verbreitete Überzugung, dass Musik zwangsläufig immer außermusikalische Vorgänge und Gefühle sowie Vorstellungen erwecken müsse. Er drückt dies in folgenden Worten aus:

"Die Annahme, ein Tonstück müsse Vorstellungen irgendwelcher Art erwecken, und wenn solche ausbleiben, sei das Tonstück nicht verstanden worden oder es tauge nichts, ist so weit verbreitet, wie nur das Falsche und Banale verbreitet sein kann. Von keiner Kunst verlangt man Ähnliches, sondern begnügt sich mit den Wirkungen ihres Materials, wobei allerdings in den andern Künsten das Stoffliche, der dargestellte Gegenstand, dem beschränkten Auffassungsvermögen des geistigen Mittelstandes von selbst entgegenkommt. Da der Musik als solcher Stoffliches fehlt, suchen die einen hinter ihren Wirkungen rein formale Schönheit, die andern poetische Vorgänge. (...) Verhängnisvoll wird solch ein Vorgang, wenn er Allgemeingebrauch wird. Dann verkehrt sich sein Sinn ins Gegenteil: man sucht in der Musik Vorgänge und Gefühle zu erkennen, so als ob sie drin sein müssten." [9]

Obwohl sich ein Komponist durchaus von außermusikalischen Vorstellungen inspirieren lassen kann, sind die z.B. in einer Dichtung zum Ausdruck kommenden Vorgänge und Gefühle nach Schönberg nicht in der Musik enthalten, sondern stellen nur das Baumaterial des Musikwerkes dar. Dies Bestreben, Musik vornehmlich nach der Verwirklichung eines außermusikalischen Vorwurfs zu bewerten, kritisiert Schönberg anschließend besonders bei Musikkritikern aber auch einigen Musikern. Deshalb schrieben Musikkritiker auch am liebsten über Lieder, Opern oder Programmmusik, also Musik die sich irgendwie auf Texte bezieht.

2.2 Mahler

Dieser Text basiert auf einem später revidierten Manuskript eines Vortrags über die Musik von Gustav Mahler, welchen Schönberg im März 1912 in Prag und gegen Ende dieses Jahres in Berlin und Wien gehalten hatte. [10]

Schönberg geht in dem Vortrag auf die Musik Gustav Mahlers und die am häufigsten zu hörenden Kritikpunkte an dessen Musik ein. Gleich zu Anfang drückt er seine unbeschränkte Bewunderung für Mahlers Person und Schaffen in folgenden Worten aus:

"Ich glaube fest und unerschütterlich daran, daß Gustav Mahler einer der größten Menschen und Künstler war." [11]
Gustav Mahler auf einer Fotografie von 1909

Danach geht Schönberg auf die Vorwürfe ein, dass die Mahlers Kompositionen zugrundeliegenden Themen sentimental, banal und unoriginell seien. Er bestreitet, dass Mahlers Themen banal seien und gibt zu bededenken, dass man selbst Richard Wagner und Johannes Brahms den Vorwurf machte, banale Themen zum Einsatz zu bringen. Den Vorwurf der Sentimentalität gegen Mahler versucht Schönberg mit detaillierten Beispielen aus dessen Symphonien zu entkräften. Dem Vorwurf der mangelnden Originalität von Mahlers Themen begegnet Schönberg wie folgt:

"Unerhört leichtfertig ist ein anderer Vorwurf, den man Mahler macht: daß seine Themen unoriginell sind. Erstens, weil es in der Kunst nicht auf den einzelnen Bestandteil, in der Musik also nicht aufs Thema ankommt. Denn das Kunstwerk ist, wie jedes Lebewesen, ein als Ganzes Entstandenes. Nicht das Thema ist der Einfall, sondern das ganze Werk. (...) Die kleine Form, die wir Thema nennen, sollte niemals alleiniger Maßstab sein für die große Form, deren relativ kleinster Bestandteil sie ist. Und das müßte auch in der Musik möglich sein: mit den allergewöhnlichsten Tonfolgen müßte man die allerungewöhnlichsten Dinge sagen können. Mahler hat das nicht als Entschuldigung nötig. Obwohl er weitgehendste Einfachheit und Natürlichkeit anstrebte, haben doch seine Themen durachaus eigenartige Gestalt." [12]

Danach lobt Schönberg Mahlers kunstvoll gebauten langen Melodien und exemplifiziert dies an Beispielen aus dessen 6. und 8. Symphonie. Er hebt dabei besonders Mahlers Fähigkeit hervor im Melodiebau auch vom Konventionellen abzuweichen, dennoch aber das Gleichgewicht und die Form zu wahren. Es folgen Gedanken zu Mahlers auch von seinen Kritikern anerkannte Fähigkeiten der Instrumentation, welche Schönberg folgendermaßen charakterisiert:

"Was an Mahlers Instrumentation in erster Linie auffallen muß, ist die fast beispiellose Sachlichkeit, die nur das hinschreibt, was unbedingt nötig ist. Sein Klang entsteht nie durch ornamentale Zutaten, durch Beiwerk, das nicht oder nur lose mit der Hauptsache verbunden ist, das nur als Schmuck aufgesetzt wird. Sondern: wo es rauscht, da rauschen die Themen; da haben die Themen solche Gestalt und so viele Noten, daß sofort klar wird, wie nicht das Rauschen der Zweck dieser Stelle, sondern ihre Form und ihr Inhalt ist." [13]

Zum Abschluss der Vortrags befasst sich Schönberg dann mit Mahler als Dirigenten und Menschen sowie der Entwicklung seines symhonischen Schaffens ein.

2.3 Neue Musik, veraltete Musik, Stil und Gedanke

Dieser Text basiert auf einem von Schönberg erstmalig am 22. Oktober 1930 in Prag gehaltenen Vortrag, welchen er in den folgenden Jahre mehrmals verbesserte. Daraus hat Schönberg in den Jahren 1933 und 1934 einzelne Abschnitte mit den Titeln About New Music, Something about Bach und About Romanticism für Vorträge in Boston ins Englische übersetzt. [14] Im November 1945 unterzog er seine Texte einer erneuten Revision. Diese in Style and Idea aufgenommene Fassung trug er in seiner Gastvorlesung an der University of Chicago am 16. Mai 1946 unter dem Titel New Music, Obsolete Music, Style and Idea vor. Die erste deutsche Übersetzung des Textes erschien 1958 in Melos - Zeitschrift für Musik. [15]

Schönberg geht zuerst auf die nach dem Ersten Weltkrieg von Musikkritikern und anderen Personen des öffentlichen Lebens in ganz Europa vehement erhobenen Forderung nach einer Neuen Musik ein. Diese Neue Musik stelle die "Zukunft der Musik" dar, welche sich "in allem wesentlichen von aller früher komponierter Musik unterscheidet". Diesen Forderungen hält Schönberg entgegen, dass die Weiterentwicklung der Musik keine von außen an sie herangetragene Forderungen zur Erneuerung benötige. Der Wandel in der Musik und ihren Stilen schreite historisch ganz von selber voran. Er führt dies am Wechsel zwischen eher polyphon und vertikal gestalteter sowie primär homophon und horizonal gestalteter Musik aus. Nachdem Johann Sebastian Bach den polyphonen Ansatz bis an seine Grenzen ausgereizt hatte, kam es als Reaktion darauf in der nächsten Epoche von Haydn und Mozart zu einem eher homophon-melodischen Stil mit Konzentration auf die Hauptstimme. Aber bald schlug das Pendel wieder etwas in die andere Richtung aus, indem beispielsweise Brahms und Wagner der "reicheren Ausarbeitung der Begleitung" wieder mehr Raum einräumten als Haydn oder Mozart. Schönberg fasst dies in folgenden Worten zusammen:

"Daher kommt es, daß Komponisten, wenn sie die Technik erworben haben, eine Richtung bis zur höchsten Belastbarkeit mit Inhalt zu füllen, das gleiche in der nächsten Richtung tun müssen und schließlich in allen Richtungen, in denen Musik sich ausbreitet. Solche Entwicklung kann nur schrittweise vor sich gehen. (...) Ich bezweifle, daß, wenn die Musik ihre frühere Richtung verließ und sich in dieser Weise neuen Zielen zuwandte, die Männer, die diese Veränderung herbeiführten, der Ermunterung von Pseudohistorikern bedurften." [16]

Hat sich ein neuer Musikstil etabliert, muss die "Musik der vorausgegangenen Periode" nach Schönberg aber nicht zwangsläufig veralten. Dies sieht man an der Musik von J.S. Bach, welche von Haydn, Mozart und vielen späteren Musikern weiterhin hoch geschätzt und bewundert wurde.

2.4 Brahms, der Fortschrittliche

Die englische Fassung von Brahms the Progressive trägt auf dem Typoskript das Datum 28. Oktober 1947. Die deutsche Urfassung, welche Schönberg am 12. Dezember 1933 mit dem Titel Brahms, der Fortschrittliche im Frankfurter Rundfunk gesprochen hatte, liegt in Schönbergs Nachlass nicht vor. [17]

Um das Jahr 1880 herum schwelte unter Musikliebhabern ein Streit um die Einschätzung der Musik von Johannes Brahms und Richard Wagner. Man sah Wagner als den fortschrittlichen Erneuerer der Musiksprache, Brahms dagegen eher als den akademischen Klassizisten. In seinem Aufsatz will Schönberg beweisen, dass Brahms entgegen dieser Vorurteile durchaus "ein großer Neuerer und "Fortschrittlicher im Bereich der musikalischen Sprache" [18] war, und dass es "bei Wagner ebensoviel Ordnung, wenn nicht gar Pedanterie in der Organisation gab, wie bei Brahms Wagemut, wenn nicht gar bizarre Phantasie". [19] Schönberg zeigt dies zuerst auf dem Gebiet der Harmonik an einer Stelle aus dem Streichquartett in c-Moll, op. 51, Nr. 1 von Brahms auf: In den Takten 11 bis 23 setzt Brahms eine sehr reichhaltige Harmonik ein, die nach Schönberg "harmonisch schon reich genug ist im Vergleich zu der I-V oder I-IV-V-Harmonik der Vorgänger von Brahms". [20] Eine hier auftretende "Modulation zur Dominante einer Moll-Region am Anfang eines Stückes "hätten "selbst die fortschrittlichsten Komponisten nach Bramhs vermieden". [21] Anhand von Notenbeispielen aus Wagners Oper Tristan und Isolde zeigt Schönberg auf, dass dieser dort meist harmonisch weniger gewagt und fortschrittlich schreibt als Brahms. Er gesteht aber ein, dass Wagners Harmonik "reicher an Nebenklängen und vagierenden Akkorden und reicher im freien Gebrauch von Dissonanzen" [22] sei als die von Brahms.

2.5 Komposition mit zwölf Tönen

2.6 Ein gefährliches Spiel

Dieser Text basiert auf einem Manuskript Schönbergs aus dem Jahr 1944, welches als Teil einer Umfrage mit dem Titel On Artists and Collaboration in der Zeitschrift Modern Music erschien. [23]

Schönberg geht es hier um die Menschen, welche während der NS-Diktatur ins Exil emigriert sind und jene, welche sich dafür entschieden haben in Deutschland zu bleiben. Es ist also ein Thema, welches den 1933 in die USA ausgewanderten Schönberg selber betraf. In folgenden Worten differenziert er dabei nach den Motiven und dem Verhalten der in Deutschland verbliebenen Persoenen:

"Es gibt sehr viele Kollaborateure in Deutschland und den besetzten Gebieten. Man muß unterscheiden zwischen den Vielen, die gezwungen worden sind, zu kollaborieren, und jenen, die es freiwillig getan haben. Außerdem gibt es andere, die einfach "den Zug verpasst" haben, die, wenn es dazu nicht zu spät gewesen wäre, lieber emigriert wären, als sich Diktaten zu beugen. Und es gibt auch jene, deren törischter Egoismus sie glauben ließ, daß nur anderen Böses geschehen könne, während sie selbst verschont würden. Einige taten nur, was ihnen befohlen wurde, andere wirkten als Agitatoren, indem sie jene verfolgten, die sich dem vorgeschriebenen Stil nicht anpaßten, und sie richteten ihr Verhalten anch der theoretischen Linie der Partei aus." [24]

Schönberg warnt vor vorschnellen moralischen Verurteilungen indem er schreibt, dass "nur jene, das Recht haben sollten, unfreiwillige Kollaborateure zu tadeln, die selber angesichts der Drohung von Konzentrationslager und Folter ihre Furchtlosigkeit bewiesen haben". [25] Im folgeden führt er aus, dass Künstler häufig politisch naiv seien und kaum erkennen, dass die Politik keine folgenlose "Kontroverse über künstlerische Angelegenheiten" [26] ist, sondern ein "ziemlich gefährliches Spiel" [27] mit ganz realen Gefahren für Leib und Leben sein kann. Schönberg beschließt den kurzen Text dann mit folgenden Worten:

"Ich neige zu der Ansicht: Jene, die hier wie Politiker agierten, sind Politiker und sollten genauso wie Politiker behandelt werden. Jene, die nicht so handelten, sollten der Strafe entgehen. Jedoch in Anbetracht der niedrigen geistigen und moralischen Maßstäbe von Künstlern im allgemeinen würde ich sagen: Behandelt sie wie unmündige Kinder. Heißt sie Narren und laßt sie laufen." [28]

2.7 Schulung des Ohrs durch Komponieren

2.8 Herz und Hirn in der Musik

2.9 Kriterien für die Bewertung von Musik

2.10 Symphonien aus Volksliedern

2.11 Menschenrechte

Schönbergs deutscher Originaltext trägt das Datum 21. Juli 1947. Er wurde dann für Style and Idea von Dika Newlin ins Englische übersetzt und erschien unter dem Titel Human Rights. Es ist also bei Lektüre von Schönbergs Gedanken zu den Menschenrechten zu bedenken, dass er noch vor der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die UNO am 10. Dezember 1948 verfasst wurde. Auf sechs Textseiten entwickelt Schönberg hier in 19 mit lateinischen Ziffern nummerierten kurzen Texten auch heute bnoch relevante und diskutierte Gedanken und Fragen zu den Menschenrechten, deren Entstehung und Gefährdung, ihrer Gültigkeit und ihren Widersprüchen. Er beginnt seinen Text unter Punkt I mit folgendem deprimierenden Gedanken:
Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948
"Es ist traurig, zugeben zu müssen, daß die Mehrzahl der Menschen es für ihr Menschenrecht hält, die Menschenrechte der anderen zu bestreiten, ja zu bekämpfen. Weit trauriger ist der Anblick der Welt, der heute keine Hoffnung auf Besserung in absehbarer Zukunft gestattet. Das sollte jedoch nicht die Sehnsucht nach einem Weltzustand ersticken, in welchem jedem die Heiligkeit der Menschenrechte unantastbare Selbstverständlichkeit ist." [29]

Unter Punkt II vergleicht er das Bürgerliche Recht und die Menschenrechte. Für ihn strebe "das Menschenrecht den Ausgleich zwischen Anspruch und Widerstand auch für solche Probleme an, für die dass allgemeine Recht noch keine Lösungen gefunden hat". Er fordert dann ein "gewisses Minimum" an Menschenrechten, welches "für alle Völker und Rassen unverändert gültig" sein solle, sowie eine Körperschaft mit "Befugnis zur Deklaration von Menschenrechten". In Punkt IV befasst sich Schönberg mit den "Schwierigkeiten der Rechtsfindung" aufgrund "den Widersprüchen der schutzberechtigten Interesen", und in Punkt V betont er die Bedeutung der Gewährung von Rechten für in demokratischen Wahlen unterlegene Minderheiten. [30] Im weiteren Verlauf befasst sich Schönberg mit dem Urheberrecht an Kunstwerken (Punkt VII und VII), der Geburtenregulierung im Konflikt mit dem Recht auf Leben (in seinen Worten "Geborenwerden") den Zehn Geboten des Alten Testaments, welche trotz aller Humanität aber die Glaubensfreiheit an mehrere Götter zu glauben einschränke (Punkt XIII), sowie in folgenden Worten in Punkt XI mit der Intoleranz von Religionen und quasi-religiösen weltlichen Ideologien:

"Die meisten Glaubensformen sind ausschließlich und antagonistisch, ja sogar kämpferisch, herausfordernd und streitsüchtig. Es wäre Selbstaufgabe, wären sie tolerant. Man denke insbesondere an kommunistische oder faschistische Verfassungen, wo der Glaube ein Regierungsinstrument darstellt." [31]

Unter den Punkten XVI und XVIII thematisiert Schönberg die heute fast noch dringlicher sich stellende Frage, ob das seit der Aufklärung in Europa sich entwickelnde Konzept der Menschenrechte globale Geltung beanspruchen kann, oder ob es eurozentristische Arroganz des Westens ist, außereuropäischen Kulturkreisen Werte wie die Menschenrechte - welche es in diesen Kulturen vor Ankunft der Europäer nie gegeben hat - aufzuzwingen. In Punkt XVI schreibt Schönberg, dass man "auch die Menschenfresser anerkennen muß", da deren Traditionen "auf der instinktmäßigen Erkenntnis, daß aus Blut wieder Blut und aus Fleisch wieder Fleisch wird" beruhen. Er meint dann, dass man "solchem Instinkt den Rang von Gleichwertigkeit zuerkennen" müsse. [32] In Punkt XVIII erläutert Schönberg diesen Gedanken zu Traditionen und religiösen Vorstellungen nicht-westlicher Kulturen und unserem Konzept der Menschenrechte am Beispiel von Indien in folgenden Worten:

"Vergessen wir aber die Inder nicht. Sie sterben in einer Hungersnot, Millionen von ihnen. Aber es würde ihnen nicht einfallen, eine Kuh, eine heilige Kuh zu schlachten. Wie können wir Leuten solchen Glaubens erklären, was Menschenrechte sind, und bei alldem erwarten, daß sie an Menschenrechte glauben - diese Menschen, die lieber schweigend sterben würden, als in einer Weise zu handeln, die der Heiligkeit ihres Glaubens widerspricht." [33]

2.12 On revient toujours

2.13 Der Segen der Sauce

2.14 Das ist meine Schuld

2.15 Zu den Kais

3 Siehe auch

4 Literatur

  • Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976
  • Arnold Schönberg und Leonard Stein (Hrsg.): Style and Idea / Selected Writings of Arnold Schoenberg, University of California Press, 1984
  • Stefan Litwin und Klaus Velten (Hrsg.): Stil oder Gedanke? / Zur Schönberg-Rezeption in Amerika und Europa, Verlag PFAU, 1995

5 Weblinks

6 Andere Wikis

7 Einzelnachweise

  1. Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 480
  2. Arnold Schönberg und Leonard Stein (Hrsg.): Style and Idea / Selected Writings of Arnold Schoenberg, University of California Press, 1984, S. 105
  3. Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 480
  4. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 480 und 481
  5. Im englischen Original: "I do not plan to hide the fact that I am not born in this language and I do not want to parade adorned by stylistic merits of another person." (aus dem Vorwort von Style and Idea)
  6. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 480
  7. Im englischen Original: "Arnold Schoenberg, as an author, has his own personality and ideas, not only in German but also in English. Several of the essays now composing Style and Idea were originally written in German. In translating these, I have, at the author's wish, adhered as literally to the original style as Englishusage allows. Thus there should be a certain consistency of expression between these and the later essays which were written in English but which still bear the earmarks of Schoenberg's individual German style." (aus dem Vorwort von Style and Idea)
  8. Bodil von Thülen: Arnold Schönberg / Eine Kunstanschauung der Moderne, Königshausen & Neumann, 1996, S. 64
  9. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 3
  10. Andreas Meyer, Therese Muxeneder und Ullrich Scheideler: Schönberg-Handbuch, J.B. Metzler, 2023, S. 337
  11. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 7
  12. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 14
  13. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 18
  14. Archiv für Musikwissenschaft, Band 48, Verlag Franz Steiner, 1991, S. 282
  15. Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 483
  16. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 27
  17. Wolfgang Sandberger (Hrsg.): Brahms-Handbuch, J.B. Metzler, 2016, S. 5
  18. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 38
  19. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 38
  20. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 39
  21. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 39
  22. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 41
  23. Arnold Schoenberg Institute: Journal of the Arnold Schoenberg Institute, Band IX, University of Southern California, 1986, S. 208
  24. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 97
  25. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 97
  26. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 97
  27. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 97
  28. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 98
  29. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 140
  30. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 140
  31. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 143
  32. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 144
  33. zitiert nach Arnold Schönberg und Ivan Vojtěch (Hrsg.): Stil und Gedanke / Aufsätze zur Musik, S. Fischer Verlag, Nördlingen, 1976, S. 144 und 145

8 Andere Lexika

Wikipedia kennt dieses Lemma (Stil und Gedanke (Buch von Arnold Schönberg)) vermutlich nicht.




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