Reichskonkordat

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Das Reichskonkordat wurde am 20. Juli 1933 zwischen der damaligen deutschen Reichsregierung und dem Vatikan abgeschlossen. Es gilt als einer der wichtigsten Staatskirchenverträge überhaupt. Nach Aussage von Heinrich Brüning, deutscher Reichskanzler von 1930 bis 1932, sei es letztlich auf Initiative der Deutschen Regierung zustande gekommen, um die Zentrumspartei bezüglich des Ermächtigungsgesetzes für Adolf Hitler auf die Seite der Regierung zu ziehen.[1] Der Vertrag besteht aus 32 Artikeln und regelt die Freiheit des Bekenntnisses, Finanzielles, Fortbestehen der Regionalkonkordate sowie kleinere Dinge, etwa Militär. Zudem gab es ein geheimes Zusatzabkommen.[2]

Die Gültigkeit des Konkordats wurde von verschiedenen Stellen und aus unterschiedlichen Gründen angezweifelt. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat sich damit zum Beispiel 1957 nur am Rande beschäftigt und festgestellt, dass nach damaligem Kenntnisstand das Konkordat völkerrechtlich gültig zustande gekommen ist, allerdings innerstaatlich - etwa durch die Bremer Klausel - laut Grundgesetz heute nicht mehr im ganzen Bundesgebiet gilt.[3] Zusammenfassend stellt sich die Rechtslage so dar, dass zwar völkerrechtlich das Reichskonkordat Bund und Länder bindet. Das Grundgesetz hat aber – insoweit im Widerspruch zum Völkerrecht – den Ländern Möglichkeiten gegeben, von diesen Regelungen abzuweichen. Tun sie das, handeln sie möglicherweise völkerrechtswidrig, doch kann der Bund dies nicht verhindern.

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1 Geschichte

Nachdem frühere Vereinbarungen über das Verhältnis von Staat und Kirchen im Deutschen Reich durch die Novemberrevolution 1918 und die Weimarer Verfassung (WRV) 1919 an Geltung verloren hatten, bemühten sich sowohl der Heilige Stuhl als auch Politiker der katholischen Zentrumspartei in den 1920er Jahren wiederholt um den Abschluss eines neuen Konkordats.

Der Apostolische Nuntius im Deutschen Reich, Eugenio Pacelli (der spätere Papst Pius XII.), konnte auf Länderebene Konkordate mit Bayern (1924), Preußen (1929) und Baden (1932) schließen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nur das bayerische Konkordat Regelungen zum Schulwesen enthält.[3]

Auf der Reichsebene scheiterten die Verhandlungen aus verschiedenen Gründen. Mit den wechselnden Reichsregierungen der Weimarer Republik waren einerseits nur schwer längere Verhandlungen zu führen, andererseits weigerten sich alle Regierungen konstant, in der Frage der Konfessionsschulen, des Religionsunterrichts, der Anerkennung ausschließlich kirchlicher Trauungen „in Fällen sittlichen Notstandes“ und der finanziellen Leistungen des Staates an die Kirche nach Artikel 138 der WRV den Forderungen der Kurie entgegenzukommen.

Heinrich Brüning berichtet in seinen Memoiren, Hitler und Vizekanzler Franz von Papen hätten bereits Anfang März 1933 der Zentrumspartei den schnellen Abschluss eines Reichskonkordats angeboten, damit das Zentrum dem Ermächtigungsgesetz zustimmt,[1] so dass dieses Gesetz am 23. März 1933 beschlossen werden konnte. Zugleich hatte Papst Pius XI. seine Einstellung zum Nationalsozialismus zwischenzeitlich revidiert. Der Papst lobte Hitler in mehreren Audienzen als Vorkämpfer gegen den Bolschewismus und nahm das Lob in abgeschwächter Form auch in eine Ansprache auf, die er am 13. März vor dem römischen Konsistorium hielt. Diese positive Sichtweise auf Hitlers Antikommunismus verbesserte das Verhandlungsklima.[4] Welche Verhandlungen damals noch liefen, wurde unter anderem auch von Erich und Mathilde Ludendorff untersucht.[5] Aus heutiger Sicht ist auch ein Zusammenhang mit der Rattenlinie ab 1945 anzunehmen.[6]

Das Reichskonkordat galt auch nach 1945 weiter. Als das Land Niedersachsen ein neues Schulgesetz erließ, das im Widerspruch zu den Vereinbarungen des Reichskonkordats stand, kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundesland und der Bundesregierung, die deshalb im März 1955 das Bundesverfassungsgericht anrief.

2 Besonderheiten

Aufgrund verschiedener Unregelmäßigkeiten in anderen regionalen Verträgen hat der Vatikan beschlossen, einen neuen - nur mit dem Bundesland Bremen - gültigen Vertrag (Konkordat) abzuschließen, der als liberaler angesehen wird. Der Vertrag konnte jedoch erst zustandekommen, nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte, dass Art. 32 Abs. 3[7] aufgrund der Kulturhoheit (Art. 30 i.V.m Art. 70 GG) ausnahmsweise bei Staatskirchenverträgen nicht zu beachten ist, auch weil der Verfassungskonvent auf dem Herrenchiemsee 1948 feststellte, dass der Vatikan kein ausländischer Staat ist. Eine Besonderheit ist zudem, dass entgegen den Vereinbarungen mit anderen Bundesländern hier „nur“ an den sogenannten Privatschulen Religionsunterricht im eigentlichen Sinne gewährt werden muss. In den folgenden Artikeln finden sich Regelungen der Denkmalpflege, Friedhöfe und allgemeinen Vorstellungen. Aufgrund der nicht immer von Freundschaft geprägten Geschichte zwischen dem Heiligen Stuhl und der Stadt Bremen kam es erst im Jahr 2003 zu einem Staatskirchenvertrag, auch um die Problematik der Bremer Klausel endgültig zu klären. Die Bremer Klausel gilt in allen alten Bundesländern, die schon vor dem Grundgesetz ein Schulgesetz oder ein vergleichbares Gesetz hatten. So zählt nach neuerer Rechtsprechung auch Berlin dazu.[8] Im Gegenzug kann man davon ausgehen, dass der Heilige Stuhl dem Land Bremen unter Anerkennung des Artikels 141 relative Rechtssicherheit zusichert, wie es auch in Literatur und Schrifttum vertreten wird.

Auszug:

„Zu Artikel 4 Absatz 3: (1) Unbeschadet ihrer grundsätzlichen Auffassung, dass das Zusammenwirken von Staat und Kirche im Schulwesen die Erteilung des bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts im Sinne von Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz als ordentliches Lehrfach an den öffentlichen Schulen gebietet, nimmt die Katholische Kirche die nach Artikel 141 Grundgesetz und Artikel 32 Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen bestehende Sonderstellung des Unterrichts in Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage in der Freien Hansestadt Bremen zur Kenntnis.“

Im Vorfeld wurde von Staatsrechtlern diskutiert, ob das Reichskonkordat überhaupt wirksam sei; einmal wurde vertreten, dass das deutsche Parlament zuvor 1933 entmachtet wurde und dies bei Vertragshandlung in einer Randnote hätte mitgeteilt werden müssen, was damals nicht geschah. Im übrigen musste auch schon im damaligen Völkergewohnheitsrecht bei unklaren Verhältnissen die als demokratisch geltende eine Seite der Parteien aktiv mitteilen, dass die Mitwirkung zur Ratifizierung durch das Parlament nicht mehr notwendig sei. In Art. 4 des Ermächtigungsgesetzes vom 24. März 1933 steht folgendes:

„Art. 4. Verträge des Reichs mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen, bedürfen nicht der Zustimmung der an der Gesetzgebung beteiligten Körperschaften. Die Reichsregierung erlässt die zur Durchführung dieser Verträge erforderlichen Vorschriften..“

Hier wurde klar Wert auf das Wort „Staat“ gelegt, das besagt, dass der Heilige Stuhl schon seit der Herrenchiemseekonferenz nicht dazu zählt.[9] Aus diesem Grund tritt der Vatikan bei internationalen Verträgen auch nur über den Heiligen Stuhl als Völkerrechtssubjekt auf. Grund für das Auftreten des Heiligen Stuhles war es, dass man nach dem Zerfall des Kirchenstaates vereinbart hatte, dass trotzdem der Heilige Stuhl als originäres Völkerrechtssubjekt anerkannt wird, da der Vatikanstaat an sich durch das Zerfallen nicht mehr völkerrechtsfähig war, da es an dem Staatsvolk fehlte.[10] Der Grund dafür lag auch in der völkerrechtlichen Definition, was denn ein Staat eigentlich sei, denn als Staat wird bezeichnet, wer nach Georg Jellinek zumindest ein sesshaftes Staatsvolk besitzt; dem Vatikan fehlt es hingegen an diesem und er erfüllt somit die Drei-Elemente Theorie nicht. Da Art. 4 des Ermächtigungsgesetzes explizit auf "Staaten" und nicht originäre Völkerrechtssubjekte abzielt, mag bezweifelt werden, ob der Vertrag auch völkerrechtlich legitim ist.

Desweiteren hat der Vatikan z.B. auch mit dem Land Nordrhein-Westfalen eine Vereinbarung getroffen: Die abschließende Vereinbarung wurde nötig, um den Status Nordrhein-Westfalens hinsichtlich der rechtlichen Eigenschaft als Nachfolgestaat Preußens zu klären. Durch die Bremer Klausel gab es zudem eine Verunsicherung, ob sich Länder an das Reichskonkordat halten würden. Des Weiteren wurden die Gegebenheiten des Preußenkonkordats übernommen. Das Reichskonkordat ist auf dem heutigen Gebiet des Landes Nordrhein Westfalen nur in den Teilen wirksam, die neue Dinge begründen, alte Verpflichtungen der katholischen Kirche, die im Preußenkonkordat festgelegt wurden, behalten ihre Gültigkeit (Art. 2 Reichskonkordat).

Zweifel an der Gültigkeit gehen auch von der damaligen Situation aus, dass der Fall der sogenannten Konstantinischen Schenkung noch weitgehend unbekannt war. Doch hatte der Vatikan dies bereits im 17. Jahrhundert eingestanden. Zum einen wird aufgrund der Fälschung der Schenkungsurkunde angenommen, dass der Vatikan garnicht offiziell existiert, d.h das Staatsgebiet garnicht rechtmäßig erhalten hatte. Der Vatikan betont zwar, dass es die Schenkung und somit die Grundlage, auf die sich die Macht der Kirche stützt, wirklich gab. Fraglich ist dabei, wieso es dann im Jahr 800 einer Fälschung bedurft hatte, um den Machtanspruch rückwirkend bis auf das 4. Jahrhundert zu bekräftigen. Auch wurde der damaligen Deutschen Regierung dieser Umstand möglicherweise nicht mitgeteilt. Somit würde eine Täuschung vorliegen, die im Privatrecht sogar eine Anfechtung begründen könne. Horst Fuhrmann hat sich mit dem Thema befasst und kam zu dem Schluss, dass der Vatikan juristisch keinen Besitztitel am Kirchenstaat hat. Allerdings wäre der Vertrag auch gemäß dem Privatrecht gültig, so lange er nicht von den Beteiligten angefochten wird.

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3 Andere Lexika



4 Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Heinrich Brüning: Memoiren 1918–1934. Stuttgart 1970, S. 655 f.
  2. Quelle fehlt
  3. 3,0 3,1 BVerfGE 6, 309 Wortlaut des Urteils zum Reichskonkordat]
  4. Thies Schulze: Antikommunismus als politischer Leitfaden des Vatikans? Der Heilige Stuhl und das NS-Regime im Jahr 1933, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 60/3 (2012), S. 353–379.
  5. Mathilde Ludendorff: Mein Leben, 6. Teil, Pähl 1968, Seite 195
  6. Oliver Pieper: Fluchthilfe für Nazis: Der Vatikan und die Rattenlinie, dw.com, 1. März 2020
  7. siehe § 32Vorlage:§/Wartung/buzer GG
  8. Urteil vom 23. Februar 2005, Az. 6 C 5.99, BVerwGE 110, 326
  9. Hans Joachim Becker: Zur Rechtsproblematik des Reichskonkordats. Isar Verlag; 2., erweiterte Auflage 1956
  10. Christoph Schönberger: Ein Liberaler zwischen Staatswille und Volkswille: Georg Jellinek und die Krise des staatsrechtlichen Positivismus um die Jahrhundertwende. In: Stanley L. Paulson, Martin Schulte (Hrsg.): Georg Jellinek: Beiträge zu Leben und Werk (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts; Bd. 27), Mohr Siebeck, Tübingen 2000, ISBN 3-16-147377-9, S. 3 ff.

5 Siehe auch

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