Mathilde Ludendorff

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Signiertes Porträt von Mathilde Ludendorff aus dem Jahr 1941

Mathilde Ludendorff (* 4. Oktober 1877 in Wiesbaden; † 12. Mai 1966 in Tutzing war eine deutsche Lehrerin, Ärztin, Philosophin und Schriftstellerin. Sie war eine bekannte Vertreterin der völkischen Bewegung und gründete die philosophische Bewegung der „Gotterkenntnis“. Zusammen mit ihrem dritten Ehemann Erich Ludendorff veröffentlichte sie ab den 1920er Jahren zahlreiche politisch und religiös orientierte Schriften, in denen sie eine neue Philosophie entwickelte. Dadurch geriet sie bald mit dem Nationalsozialismus in Konflikt, ihre wissenschaftlichen Werke bald in Vergessenheit. Ihre Versuche, zum Beispiel in einem Spruchkammerverfahren im Rahmen der Entnazifizierung, nach 1945 wieder mehr anerkannt zu werden, waren kaum erfolgreich.

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1 Privates

Sie wurde 1877 als Mathilde Spieß geboren. Ihr Vater war der protestantische Pfarrer Bernhard Spieß. Nach dem Besuch eines Lehrerinnenseminar (1893-1895) unterrichtete sie zunächst an einem Mädchenpensionat in Wiesbaden-Biebrich. Von 1900 bis 1901 besuchte sie in Karlsruhe das Mädchengymnasium und legte dort 1901 ihr Abitur ab. Im Wintersemester 1901/1902 begann sie mit dem Studium der Humanmedizin an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, wo unter anderem August Weismann zu ihren Dozenten gehörte. 1904 setzte Spieß ihr Medizinstudium in Berlin fort, wo sie im selben Jahr den Zoologen und Anatom Freiherr Gustav Adolf von Kemnitz heiratete.[1] Aus dieser Ehe gingen drei Kinder, eine Tochter (* 1906) und Zwillingssöhne (* 1909), hervor. In München nahm sie ihr Studium wieder auf schloss es dort 1912 mit dem Staatsexamen ab. 1913/1914 arbeitete sie als Assistentin bei dem Psychiater Emil Kraepelin. 1917 gründete sie eine private Kurklinik.

Nachdem ihr erster Mann von Kemnitz 1917 bei einem Bergunfall ums Leben gekommen war, heiratete sie 1919 den Major a. D. Edmund Georg Kleine. Diese Verbindung scheiterte jedoch bereits nach zwei Jahren und wurde 1922 geschieden. Durch einen Besuch gemeinsam mit Gottfried Feder lernte sie im Oktober 1923 Erich Ludendorff kennen.[2] Nachdem Ludendorffs erste Ehe 1925 geschieden worden war, heirateten er und Mathilde, die daraufhin den Namen Mathilde Ludendorff annahm, im Jahre 1926. In der völkischen Bewegung hatte sie auch mehrere persönliche Begegnungen mit Teilnehmern am sogenannten Marsch auf die Feldherrnhalle von 1923, insbesondere mit Adolf Hitler.

2 Wissenschaftliche Veröffentlichungen

In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sie sich mit geschlechtsspezifischen Unterschieden der geistigen Fähigkeiten von Mann und Frau: Der asthenische Infantilismus des Weibes in seinen Beziehungen zur Fortpflanzungstätigkeit und geistigen Betätigung (1913). Sie nahm damit auch kritisch Stellung zu der Schrift von Möbius „Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes“. Sie vertrat die These, dass die festgestellten Unterschiede der geistigen Fähigkeiten von Mann und Frau das Ergebnis von Erziehung und gesellschaftlichen Prozessen seien. Um geschlechtsspezifische Unterschiede wissenschaftlich feststellen zu können, müsse zunächst die Gleichberechtigung der Geschlechter hergestellt werden. Diese These begründete sie in weiteren Büchern wie Das Weib und seine Bestimmung. Ein Beitrag zur Psychologie der Frau und zur Neuorientierung ihrer Pflichten (1917), Erotische Wiedergeburt (1919) und Des Weibes Kulturtat (1920). Diese Bücher erschienen zum Teil unter dem Verfassernamen „Dr. M. von Kemnitz“, ihrem damaligen Ehenamen, um nicht den Verdacht zu erwecken, dass sie von einer Frau geschrieben seien.

3 Verhältnis zu Hitler

Ihr Mann war Teilnehmer an einem Putschversuch von 1923 gewesen, der zunächst als Marsch auf die Feldherrnhalle, später als Hitler-Ludendorff-Putsch bezeichnet wurde. Gemeinsam hielten sie zahlreiche Vorträge auf Veranstaltungen der völkischen Bewegung und der „Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung“. Nach der Entlassung Hitlers aus dem Gefängnis 1924 kam es zum Bruch zwischen Hitler und Erich Ludendorff. Die Ludendorffs bekämpften in ihrer Zeitschrift Ludendorffs Volkswarte mit einer Auflage von bis zu 100.000 Exemplaren öffentlich den Nationalsozialismus. Ferner gaben sie eine Monatszeitschrift Am heiligen Quell heraus, einem Vorläufer von Der Quell. 1930 wurde der weltanschauliche Verein Deutschvolk gegründet, der von Hitler toleriert und Vorläufer des heutigen „Bundes für Gotterkenntnis“ wurde. 1933 wurde Ludendorffs Volkswarte verboten.

4 Spruchkammerverfahren

1949 wurde gegen Mathilde Ludendorff im Rahmen der Entnazifizierung ein Spruchkammerverfahren eröffnet, in dem sie sich von den Verbrechen des Dritten Reiches distanzierte. Um sich von Hitler und dem Nationalsozialismus abzugrenzen, erklärte sie, dass ihre Vorstellungen eine Moral beinhalten, die jedem Volk eine Identität und ein Lebensrecht zubilligt. Zudem vertrete sie das Prinzip der „Lebensheiligkeit“: „Aller Menschen Dasein ist heilig.“ Das sei mit der Gleichberechtigung aller Menschen und Völker verbunden. Sie sei nicht Antisemitin aus „Barbarei“. In ihrer Verteidigung, die von einem Rechtsanwalt begleitet wurde, legte sie dar, welche Haltung sich aus den religiösen Vorschriften der Juden gegenüber Nichtjuden für sie persönlich ergäben. Sie sprach von den „entsetzlichen Verbrechen“ der Nationalsozialisten, bezeichnete die Nazis aber zugleich als von den „geheimen überstaatlichen Mächten“, insbesondere der römisch-katholischen Kirche, beeinflusst, die zugunsten universalistischer Konzeptionen gegen die eigenständigen Völker wirkten. Sie wurde nichtsdestoweniger als „Hauptschuldige“ beurteilt. In einem Revisionsverfahren der Spruchkammer-Entscheidung erreichte sie 1951 eine Abschwächung des Urteils zu einer „Belasteten“. Erst 1963 wurde dieses Urteil aufgehoben.

5 Aktivitäten nach 1945

Ihre Bücher und Schriften erschienen im Verlag Hohe Warte. Sie schrieb für die Zweimonatszeitschrift Der Quell und später auch für Mensch und Maß, teilweise unter verschiedenen Pseudonymen. Zudem hielt sie bis ins hohe Alter öffentliche Vorträge, wodurch sie eine große Anhängerschaft gewann.

6 Rezeption

Großes Aufsehen erregte seit 1928 ihre These, jüdisch beeinflusste Freimaurer hätten mehrere namhafte deutsche Kulturgrößen ermordet, um deutsches Nationalbewusstsein zu schwächen.[3] Dabei soll der Freimaurer Johann Wolfgang von Goethe den angeblichen Giftmord seines Dichterfreundes Friedrich Schiller geduldet haben. Das schädigte so stark Goethes Ansehen im Dritten Reich, dass die in Weimar ansässige Goethe-Gesellschaft Ende 1935 eine Gegendarstellung mit zahlreichen Dokumenten aus dem Goethe- und Schiller-Archiv publizierte.[4] Da das die Kontroverse noch anfachte, erwirkte die Goethe-Gesellschaft 1936 beim Reichspropagandaminister Joseph Goebbels ein Verbot der ganzen Diskussion, so dass Ludendorffs Buch, aber auch die Gegendarstellung beschlagnahmt wurden.[5]

In einem Titelbericht des deutschen Wochenmagazins Der Spiegel wurde Mathilde Ludendorff 1960 als „die Urgroßmutter des deutschen Antisemitismus“ bezeichnet.[6] Nach Ansicht einiger Autoren vertrat sie einen „völkischen Feminismus“ - dies wird in der Wikipedia unter Berufung auf eine Einzelveröffentlichung behauptet.[7] Auch die Wikipedia folgt dem Mainstream und betrachtet trotz des historischen Abstands ihr Wirken nicht neutral. Die Anhänger ihrer Philosophie werden oft als „Ludendorffer“ bezeichnet.

7 Werke (Auswahl)

  • Das Weib und seine Bestimmung. Ein Beitrag zur Psychologie der Frau und zur Neuorientierung ihrer Pflichten, 1917
  • Erotische Wiedergeburt, 1919
  • Triumph des Unsterblichkeitswillens, 1921
  • Induziertes Irresein durch Occultlehren, 1933
  • Der Siegeszug der Physik – Ein Triumph der Gotterkenntnis meiner Werke, 1941
  • Wunder der Biologie im Lichte der Gotterkenntnis meiner Werke, 2 Bände, 1950 und 1954
  • Mein Leben, München ab 1936, mehrmals überarbeitet (zuletzt posthum 1968), insgesamt 6 Bände

8 Siehe auch

9 Weblinks

10 Vergleich zu Wikipedia




11 Literatur

12 Einzelnachweise

  1. Freie Universität Berlin: Ärztinnen im Kaiserreich
  2. M. Ludendorff, Mein Leben, 4. Teil, Seite 111
  3.  Dr. med. Mathilde Ludendorff: Der ungesühnte Frevel an Luther, Lessing, Mozart und Schiller. Ein Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte.. 52.-55. Tausend Auflage. Ludendorff, München 1936.
  4.  Max Hecker: Schillers Tod und Bestattung. Nach den Zeugnissen der Zeit im Auftrag der Goethe-Gesellschaft dargestellt.. Insel-Verlag, Leipzig 1935.
  5. W. Daniel Wilson: Judenfreund, Judenfeind – oder Jude? Goethe und das Judentum im Nationalsozialismus. In: Goethe und die Juden – die Juden und Goethe. Beiträge zu einer Beziehungs- und Rezeptionsgeschichte. Hrsg. von Anna-Dorothea Ludewig, Steffen Höhne. De Gruyter, Berlin/Boston 2018. ISBN 978-3-11-052803-9. S. 235–253, hier S. 239–242.[1]
  6. Der Spiegel 8/1960
  7. Felix Wiedemann: Germanische Weise ist Frau, Priesterin, Schamanin. Das Bild der Hexe im Neuheidentum. In: Uwe Puschner/G. Ulrich Großmann (Hrsg.): Völkisch und national. Zur Aktualität alter Denkmuster im 21. Jahrhundert. Darmstadt 2009. ISBN 978-3-534-20040-5, Seite 269 f.

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