Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion

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Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. (türkisch Diyanet İşleri Türk İslam Birliği, abgekürzt DİTİB) ist ein bundesweiter islamischer Dachverband für die Koordinierung der religiösen, sozialen und kulturellen Tätigkeiten der angeschlossenen türkischen Moscheegemeinden und -vereine in Deutschland und gilt als verlängerter politischer Arm des türkischen Präsidenten Erdogan. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat 2012 als erstes Bundesland einen Staatsvertrag unter anderem mit der DİTİB abgeschlossen; geregelt werden sollen Feiertage und gewisse Rechte der muslimischen Minderheit in Hamburg, weiterhin soll das Zusammenleben der Religionsgemeinschaft und der Religionsunterricht gefördert werden.[1]

DITIB hat seit dem 5. Juli 1984 die Rechtsform als eingetragener Verein. Im Jahr 1984 waren 230 Vereine angeschlossen. DITIB untersteht der dauerhaften Leitung, Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für Religiöse Angelegenheiten der Türkei in Ankara, welches dem türkischen Ministerpräsidentenamt angegliedert war und heute dem Präsidenten - also Recep Tayyip Erdoğan - direkt unterstellt ist.[2] Der Sitz des Verbandes ist im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Er ist Gründungsmitglied des Koordinierungsrats der Muslime.

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1 Organisation

Im Jahr 2002 waren über 770 Moscheevereine mit jeweils ca. 130 bis 150 Mitgliedern angeschlossen,[3] im Jahr 2005 waren es nach Angaben des Verbandes 870 Vereine, im Jahre 2007 über 880 und im Jahre 2014 896 Vereine.[4] Diese Vereine haben ihren Sitz zumeist in größeren westdeutschen Städten und betreiben dort Moscheen. Sie sind meist rechtlich und wirtschaftlich selbstständige eingetragene Vereine, die offziell die Prinzipien und satzungsgemäßen Zwecke der DİTİB verfolgen und die DİTİB als Dachverband anerkennen. Allerdings begeben sich viele Mitgliedsorganisationen in eine verstärkte Abhängigkeit zur DİTİB-Zentrale, indem sie dieser zum Beispiel ihre Immobilien überschreiben. Im Jahr 2001 wurden 55 von 66 Moscheeneubauvorhaben in Deutschland von Moscheegemeinden getragen, die der DİTİB angehörten.[3]

DİTİB regelt die Entsendung hauptamtlicher Hodschas (etwa: Gemeindeleiter und Vorbeter) aus der Türkei, die als Staatsbedienstete für rund vier Jahre in die Bundesrepublik kommen und vom jeweiligen Konsulat besoldet und beaufsichtigt werden. Es wird bemängelt, „dass diese Vorbeter oft weder die genauen Lebensumstände der Türken in Deutschland kennen noch die deutsche Sprache in ausreichendem Maße beherrschen“.[3]

Die DİTİB unterhält eine eigene Abteilung für den Interreligiösen Dialog. Deren Leiter, Bekir Alboga, war vom 1. Oktober 2007 bis 31. März 2008 Sprecher des Koordinierungsrats der Muslime in Deutschland.

Von April 2007 bis 2010 war Sadi Arslan, Botschaftsrat in der türkischen Botschaft, Vorsitzender. Generalsekretär wurde Ali Ihsan Ünlü. Erstmals wurde mit Ayten Kiliçarslan eine Frau in den DİTİB-Vorstand gewählt und sogleich zur stellvertretenden Generalsekretärin bestimmt. Sie schied allerdings bereits 2009 wieder aus dem Vorstand aus. Von 2010 bis 2012 war Ali Derre Vorsitzender. Von 2012 bis 2014 war İzzet Er Vorsitzender. Seit 2014 ist Nevzat Yaşar AŞIKOĞLU Vorsitzender[5] Qua Amt sind die Botschaftsräte für Religionsangelegenheiten der Republik Türkei in der Bundesrepublik Deutschland immer die DITIB-Vorsitzenden.

2 Religiöse und politische Ausrichtung

Als in der Bundesrepublik Deutschland tätiges Organ mit religiöser und sozialer Zielsetzung vertritt die DİTİB den in der Türkei vorherrschenden sunnitischen Islam. Zu den Satzungszwecken der Organisation zählen die religiöse Betreuung, Aufklärung und Unterweisung der in Deutschland lebenden türkischen Muslime, Einrichtung und Unterhalt von Gebets- und Unterrichtsstätten und die Ausbildung von Laienpredigern, außerdem die Veranstaltung von sozialen und kulturellen Aktivitäten und Sprachkursen sowie die Durchführung von Berufsbildungsmaßnahmen.[3] DİTİB unterhält außerdem einen Bestattungsfonds zur Finanzierung und Organisation der Überführung und Beisetzung verstorbener türkischer Muslime in die Türkei.

Unter der Präsidentschaft von Rıdvan Çakır 2003–2007 legte die DİTİB besonderes Augenmerk auf ihre Darstellung als integrationsbereiter Faktor in der deutschen Gesellschaft. Die DİTİB war Mitinitiator der Massenveranstaltung „Gemeinsam für Frieden und gegen Terror“. An dieser Demonstration in Köln nahmen am 21. November 2004 über 20.000 Muslime teil. Unter den Gastrednern waren die grüne Politikerin Claudia Roth, der bayerische Innenminister Günther Beckstein und der Nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens. Ziel der Veranstaltung war es, Gewalteinsatz im Namen des Islam zu verurteilen.

2015 berichteten die Frankfurter Allgemeine Zeitung[6] und „Report München“, dass radikale Islamisten auch in DITIB-Moscheen aktiv seien. So wurde ein Foto bekannt, auf dem ein Vorstandsmitglied der DITIB Dinslaken mit ausgestrecktem Zeigefinger posierte, einer Geste aus Salafistenkreisen. Die FAZ kritisierte, es gebe zu oft eine „stillschweigende Solidarität“ der alten Herren in den Moscheevorständen gegenüber den fehlgeleiteten, wütenden jungen Männern und Frauen.

Nach dem angeblichen Putschversuch der Gülen-Bewegung 2016 sollen Imame von DITIB in Deutschland Anhänger von Gülen in ihren Gemeinden ausspioniert haben. Der Generalbundesanwalt ermittelte deshalb gegen 19 Imame, und auch eine Beobachtung durch den deutschen Inlandsgeheimdienst wurde in Erwägung gezogen. Die Verdächtigen wurden vom Generalstaatsanwalt beschuldigt, "für den Geheimdienst einer fremden Macht Informationen gesammelt zu haben". Ditib wies diese Vorwürfe zuerst brüsk zurück, und bezeichnete sie sogar als "Unterstellung", räumte sie dann später aber ein und entschuldigte sich dafür. Einige Imame hätten die Anweisung des Diyanet fehlinterpretiert. Imame spionierten in etlichen deutschen Städten politische Gegner Erdogans aus und legten sogenannte Freundeslisten an, auf denen sich u.a. auch deutsche Journalisten befanden.[7]

3 Kontroversen

Laut Kritikern betreibt die DITIB die „planmäßige Islamisierung Deutschlands“ von der Türkei aus und agiert als Sachwalter staatspolitischer Interessen der Türkei. Der vom türkischen Staat finanzierte und gelenkte Verein wird auch zur Verbreitung des Nationalismus unter den in Deutschland lebenden Türken eingesetzt. Im April 2018 wurde berichtet, dass in vielen dem DİTİB unterstehenden Moscheen Kinder und Jugendliche mit Kriegspropaganda indoktriniert werden. Die Kinder mussten Kriegsspiele mit Gewehratrappen durchführen, durch auf den Boden fallen lassen den Heldentod simulieren und wurden dann in mit der türkischen Flagge bedruckte Leichentücher eingewickelt. In Liedern und Gedichten wurde außerdem der Märtyrertod für die Türkei und den Islam verherrlicht. Deutsche Behörden wie z.B. der Verfassungsschutz waren bislang nicht gegen diese den inneren Frieden in Deutschland gefährdenden Aktionen vorgegangen. Auch haben führende Politiker wie Angela Merkel, Andrea Nahles oder Cem Özdemir nicht Position gegen die volksverhetzenden Aktionen von DİTİB bezogen und kooperieren teilweise mit diesem grundgesetzlich überaus fragwürdigen islamistischen Verein.

3.1 Traditionspflege als Integrationshindernis

Levent Tezcan (Universität Bielefeld) kritisierte, eins der erklärten Ziele, „die Pflege der nationalen Identität unter den türkischen Einwanderern“, kollidiere mit den Vorstellungen eines "Euro-Islam" bzw. "deutschen Islam", der sich von der Herkunftskultur loslösen solle.[8] Die damalige Sprecherin der Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD, Lale Akgün, kritisierte das Ziel der Traditionspflege als integrationsfeindliche „Aufforderung, sich abzusondern“. Der verstorbene Schriftsteller und Journalist Ralph Giordano vertrat die Ansicht, die DİTİB sei ein ungeeigneter Bauträger für Moscheen in Deutschland, insofern es ihr eher um die Bewahrung des Türkentums als um Eingliederung türkischer Migranten in die deutsche Gesellschaft gehe. Die DİTİB leugne zudem den Völkermord an den Armeniern und ersetze Religion durch Ultrapatriotismus.[9]

3.2 Politische Einflussnahme der Türkei

Der Journalist Jörg Lau monierte die „Nähe zum türkischen Staat“, die DİTİB sei ein „langer Arm Erdogans[10]. Lale Akgün warf der DİTİB „Machtgelüste” und „reaktionäre Gesinnungen” vor. Als einem Ableger der staatlichen türkischen Religionsbehörde gehe es der DİTİB nicht um Religion, sondern um die „Deutungshoheit über das Soziale”. Als Beispiel verwies Akgün auf einen später wieder aus dem Internet entfernten Leitfaden der türkischen Behörde Diyanet für „gute und vorbildliche muslimische Frauen”, worin „frauenfeindliche Vorschriften” enthalten gewesen seien wie etwa das Alleinreise-Verbot für Frauen.[11] Auch nachdem man erklärt hatte, sie zurückgezogen zu haben, vertrieb die DİTİB weiterhin eine Islam-Fibel mit dem Titel „Erlaubtes und Verwehrtes“ des türkischen Islamwissenschaftlers Hayrettin Karaman, in welcher das Schlagen von Ehefrauen als adäquates Verhalten dargestellt wurde.[9]

3.3 Rekrutierung der Imame aus der Türkei

Gegenstand der Kritik ist auch die Rekrutierung der Imame aus der Türkei, deren mangelnde Sprachkenntnisse und begrenzte Dienstzeit, welche die Imame daran hindern, sich mit den kulturellen Gepflogenheiten in den jeweiligen Ländern vertraut zu machen. Die neu konzipierte Imam-Ausbildung an den Universitäten in Münster, Osnabrück und Tübingen lehnte die DİTİB ab.[12]

3.4 Moscheebauten

Seit November 2009 wird der schon länger geplante, im Vorfeld umstrittene Neubau einer Zentralmoschee auf dem Gelände der Deutschland-Zentrale der DİTİB im Kölner Stadtteil Ehrenfeld umgesetzt. Eine weitere Zentralmoschee wird im Essener Stadtteil Altendorf errichtet. Die Richtfeste beider Moscheen wurden 2011 bzw. 2012 gefeiert.

Die Turkologin Ursula Spuler-Stegemann warnte, es sei sonderbar, dass die DİTİB so viele Moscheen hierzulande „nach Kriegsherrn wie dem Konstantinopel-Eroberer Mehmed II. benenne“.[9]

Der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Wolfgang Huber und die Soziologin und Islamkritikerin Necla Kelek warfen dem Verband im Jahr 2007 anlässlich von Moscheebauten in Deutschland vor, mit zweierlei Maß zu messen. In Deutschland fordere man Religionsfreiheit für Muslime und baue Moscheen, in der Türkei hingegen verweigere dieselbe Behörde türkischen Christen und türkischen Aleviten den Bau ihrer Sakralgebäude und volle Religionsfreiheit.[9]

4 Siehe auch

5 Weblinks

 Commons: DITIB – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

6 Einzelnachweise

  1. Hamburg Vertragsabschlüsse mit islamischen Gemeinenden-- Stadt Hamburg
  2. Der lange Arm Erdogans in Deutschland. Abgerufen am 16. September 2019.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Sevket Kücükhüseyin: Türkische politische Organisationen in Deutschland, Konrad-Adenauer-Stiftung, Sankt Augustin 2002, ISBN 3-933714-55-9
  4. Vorstellung der offiziellen DİTİB-Website, Letzter Zugriff am 28. Januar 2014
  5. DITIB Vorstand
  6. Christoph Ehrhardt: Mit dem Gestus der Salafisten - 13. Juli 2015
  7. Bernhard Zimniok: Die Gläubigen sind unsere Soldaten - Der türkische Griff nach Europa, Fraktion Identität und Demokratie, 2022, Seite 125 und 126
  8. Levent Tezcan: „DITIB - eine Institution zwischen allen Stühlen“, Webpage der Heinrich-Böll-Stiftung, 2005
  9. 9,0 9,1 9,2 9,3 Moscheebauten erregen ganz Deutschland
  10. Ditib als langer Arm Erdogans?
  11. SPD-Islambeauftragte attackiert Ditib, 2. Juni 2008
  12. Ditib lehnt Imam-Ausbildung ab

7 Andere Lexika




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