Leibniz und die Harmonie

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Bild von Gottfried Wilhelm Leibniz
Symbol OK.png Essayistische Zugabe zur Enzyklopädie
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), der Leipziger Professorensohn, kam gegen Ende eines Krieges auf die Welt, der sich über dreißig Jahre hinzog (1618-1648). Im Westfälischen Frieden einigten sich dann die Kriegsgegner unter anderem darauf, dass in den süddeutschen Fürstentümern die römisch-katholische Kirche die konfessionelle Oberhand behielt, in den norddeutschen der Protestantismus, wie er ein Jahrhundert zuvor dank Martin Luther und anderer Reformatoren für die dortigen christlichen Landesherren maßgebend geworden war. Im Geist dieses für Europa lange vorbildlichen Friedensvertrags setzte sich schon der junge Leibniz für eine Wiedervereinigung der geteilten Kirche über das friedliche Nebeneinander der Bekenntnisse hinaus ein. Dabei bewies der sächsische Protestant immerhin diplomatisches Geschick genug, dass ihn der katholische Kurfürst und Erzbischof von Mainz in seine Dienste nahm. Derart anspruchsvoll – und entsprechend aussichtslos – war also bereits der 23-jährige Absolvent eines Jurastudiums auf Harmonie bedacht.
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1 Ein Harmonie-Versuch in Politik

Bald sah Leibniz ein, dass schon viel gewonnen wäre, wenn man Kriege zwischen christlichen Nationen vermeiden könnte. Der französische „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. war hinsichtlich dieses Minimalziels ein mächtiger Gegenspieler. Um den absolutistischen Herrscher von Angriffen etwa gegen Spanien und die Niederlande abzuhalten, scheute Leibniz nicht die Mühe, einen „ägyptischen Plan“ zu schmieden, den er Ludwig vorlegen wollte. Das erstarkte Frankreich könne sich um die ganze Christenheit verdient machen, ohne auf Eroberungen verzichten zu müssen, indem es nach Jahrhunderten wieder die Vorreiterrolle im Kampf gegen die „Ungläubigen“ übernehme und gegen die besiegbar gewordenen Türken im Orient leichte Beute mache. Die mit den Holländern offene Rechnung könne er auf andere als militärische Weise begleichen, indem es deren Seehandelsweg um Afrika herum nach Indien unattraktiv werden lasse. Dieser Effekt sei dadurch zu erzielen, dass mit dem Bau einer französisch kontrollierten Wasserstraße zwischen Nil und Rotem Meer eine enorm abgekürzte Route für die europäische Übersee-Schifffahrt geschaffen wäre. Doch so vernünftig dieses Zeugnis Leibniz'schen Harmoniestrebens auch klingen mochte: König Ludwig ließ ihn abblitzen, weil er nun einmal seinen „holländischen Krieg“ (1672-1678) wollte.

2 Mathematische Harmonisierung der Unendlichkeit

Den politisch erfolglosen Frankreich-Aufenthalt wusste Leibniz anderweitig einträglicher zu verwenden: für seine wissenschaftlichen Studien. Als Coach hatte er in Paris die größte Koryphäe zur Seite, die man sich damals in Sachen Mathematik und Naturwissenschaften wünschen konnte: Christiaan Huygens (1629-1695). Sein Denken erhielt einen solchen Auftrieb, dass er nacheinander einen beachtlichen mechanischen Vorläufer des Computers entwickelte und eine Hauptdisziplin der höheren Mathematik ersann: das aus Differential- und Integralrechnung zusammengesetzten Unendlichkeits-Kalkül. Auch zwei London-Besuche fielen in diese fruchtbaren Jahre: beim ersten (1673) wurde er in die Royal Society aufgenommen, beim zweiten (1676) konnte er in die Schriften Isaac Newtons Einblick nehmen, der ebenfalls das später „Analysis“ genannte mathematische Gebiet entdeckt hatte. Leibniz hätte also von Newton abgeschrieben haben können – ein Verdacht, der im späteren Prioritätenstreit eine Rolle spielen sollte.

3 Philosophische Harmonie-Lehre

Als religiöser Denker war Leibniz auf die Harmonie der Christen bedacht im Sinne der Vereinbarkeit aller Konfessionen, trotz der scheinbar nicht wieder rückgängig zu machenden Kirchenspaltungen. Als mathematischer Denker war er auf die Harmonie von Endlichkeit und Unendlichkeit bedacht im Sinne eines Kalküls, der mit beiden rechnet. Als philosophischer Denker schließlich war er auf die Harmonie aller Individuen, sprich: individuellen Kräfte bedacht im Sinne einer grundsätzlichen Zusammengehörigkeit. Diese Harmonie ist nur offenkundig, wo sich organische Systeme bilden, oder in glücklichen Momenten. Das genügt jedoch als Beleg dafür, dass eigentlich immer alles zusammengehört. Leibniz führt diese Gedanken in seiner „Monadologie“ aus; denn die in „prästabilierter Harmonie“ befindlichen individuellen Kräfte nennt er selber Monaden. Diese Lehre liegt auch seinem metaphysischen Optimismus zu Grunde, wonach keine bessere Welt denkbar ist als die gegebene. Auch sämtliche Übel darin ändern nichts daran, dass sie die beste ist. Anders sehen kann das nur die Ungeduld mit ihr, die aber wie alle übrigen Beschwerden noch des Besseren belehrt wird. So lautet sinngemäß das Fazit der Leibniz'schen „Theodizee“, seiner Argumente für Gott.

4 Leibniz' letzte vierzig Jahre in Hannover

Die späten philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz entstanden in Hannover, wo er mit 31 Jahren eine herzogliche Bibliothekarsstelle angetreten hatte. Zudem erhielt er den Auftrag, eine umfassende Geschichte der Welfen zu schreiben, der ihm mehrere Forschungsreisen ermöglichte, unter anderem nach Italien. Daneben ergriff er die Initiative zur Gründung einer Berliner Akademie der Wissenschaften. Leibniz' Briefwechsel mit Hunderten von Gelehrten Europas ist einzigartig in seiner Reichhaltigkeit. Begegnungen hatte er unter anderem mit Zar Peter dem Großen (1672-1725) und dem österreichischen Feldherrn Prinz Eugen (1663-1736). Im Alter war er bei Hofe immer weniger angesehen, und überhaupt vereinsamte er.

5 Literatur

  • Fröba/Wassermann: Die bedeutendsten Mathematiker, Marix 2007
  • Huber: Leibniz. Der Philosoph der universalen Harmonie, Piper 1989
  • Leibniz: Monadologie, Reclam
  • Weger (Hg.): Argumente für Gott, Herder 1987

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