Französische Annexionspläne

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Im Laufe der Geschichte gab es von Seiten Frankreichs Pläne und Versuche, Gebietsteile im Osten, hauptsächlich entlang der Grenze zum Herrschaftsbereich der österreichischen Linie des Hauses Habsburg, später auch entlang der deutsch-französischen Grenze zu annektieren. Diese Bestrebungen sind aus verschiedenen Gründen entstanden. Es begann zunächst mit dem Ancien Régime. In späteren Epochen waren die Annexionspläne Teil der Herausbildung des französischen Nationalstaats. Die daraus folgenden, oft militärischen Auseinandersetzungen mit Nachbarländern dauerten insgesamt bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts an. Propagandistisch dienten sowohl tatsächliche als auch angebliche französische Annexionspläne insbesondere seitens des damaligen Deutschlands und Österreichs als Begründung für immer wiederkehrende politische und militärische Konflikte mit Frankreich.

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1 Allgemeines

Seit der Renaissance wurde die Idee der natürlichen Grenzen eines Staates entwickelt, wobei von französischen Gelehrten das erhabene Alter und die ideale geometrische Gestalt Frankreichs betont wurden. Dies wurde von französischen Herrschern und Politikern aufgegriffen, um die territoriale Ausdehnung Frankreichs „historisch“ zu begründen.[1]

Im 19. Jahrhundert konkurrierte Frankreich mit anderen Nationalstaaten. Viele Franzosen betrachteten das British Empire als Erzfeind. Die Wiederherstellung des einstigen Weltmachtstatus hatte hohe Priorität und erreichte ihren Höhepunkt im Jahre 1812. Eine Konkurrenz gab es auch in den Kolonien (etwa bei der Faschoda-Krise). Frankreich besaß im 18. Jahrhundert zahlreiche Kolonien in Amerika und Indien, die es aber nach dem Siebenjährigen Krieg in Nordamerika (1754-62) verlor. Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 war ein schwerer Rückschlag für Frankreich.

Auch große Teile im Norden Afrikas waren Kolonien von Frankreich (Französisch-Westafrika – weite Teile der Sahara und umliegende Gebiete). Frankreich und der Sultan von Marokko einigten sich im Vertrag von Fès vom 30. März 1912 auf die Errichtung eines französischen Protektorates ("Französisch-Marokko"; Hauptstadt war Rabat).

2 17. Jahrhundert

Datei:France-LouisXIV-1.jpg
Frankreichs Expansion unter Ludwig XIV.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg versuchte Frankreich seinen Einfluss vor allem auf Gebiete an der nördlichen Saar und westlich des Rheins auszudehnen. Ludwig XIV. setzte im Rahmen seiner Expansionspolitik 1679 sogenannte Reunionskammern in Metz, Breisach, Besançon und Tournai ein, die mit Hilfe alter Verträge die angebliche historische Zugehörigkeit bestimmter Gebiete gerichtlich feststellen sollten. Diese Gerichtsverfahren dienten dazu, den politischen Zielen Ludwigs XIV. eine juristische Legitimation zu verschaffen und militärische Auseinandersetzungen zunächst zu vermeiden. Sie beruhten jedoch auf fragwürdigen Grundlagen, waren auch schon im 17. Jahrhundert und selbst innerhalb Frankreichs umstritten. 1680 wurde die Saarprovinz dem Königreich Frankreich angegliedert, 1681 wurde die Reichsstadt Straßburg annektiert. 1683/84 kam Luxemburg hinzu. Mit dem Edikt von Fontainebleau 1685 bekam die Politik des überwiegend katholischen Frankreichs auch religiöse Züge, die sich gegen die Protestanten richteten. Das Elsass und die Pfalz wurden militärisch unterworfen. Diese Bestrebungen endeten nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg 1697, als Frankreich im Frieden von Rijswijk die Reunionen an der Saar und in der Pfalz wieder aufgeben musste.

Das Eingreifen Frankreichs in den Dreißigjährigen Krieg markiert den Beginn einer neuen Ära im deutsch-französischen Verhältnis, der Ära der Konfrontation und der nationalen Ressentiments. Die Beziehungen beider Völker zueinander liefen jetzt nicht mehr nur auf dynastischer Ebene. Für alle Deutschen, die sich auch nur entfernt für die Belange des Reiches interessierten, war die lange Rivalität zwischen Frankreich und dem Reich jetzt nicht mehr nur einfach eine Streitigkeit zwischen der Dynastie der Könige von Frankreich und dem Hause Habsburg.

3 18. Jahrhundert

Datei:LR Departements.png
Linksrheinische Départements um 1812

Nach der Französischen Revolution kam es im Ersten Koalitionskrieg zur Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch französische Truppen. So wurden die Fürsten 1793 vertrieben und das gesamte linke Rheinufer der Ersten Französischen Republik angeschlossen. Im Frieden von Campo Formio erkannte Österreichs Kaiser Franz II. in seiner Eigenschaft als Landesherr der habsburgischen Erblande 1797 die französische Annexion des linken Rheinufers an. Der zentrale Teil des heutigen Saarlandes kam zu dem 1798 errichteten Département de la Sarre, Gebietsteile westlich der Saar und östlich der Blies zum Département du Mont-Tonnerre. Außerdem wurden auf den Gebieten links des Rheins das Département de Rhin-et-Moselle, Département Bas-Rhin und Département de la Roer eingerichtet.[2]

4 19. Jahrhundert

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1812: Größte Ausdehnung der französischen Vorherrschaft in Europa

Nachdem Napoleon sich 1804 in der Zeremonie in Anwesenheit von Pius VII. selbst in der Kathedrale Notre Dame Paris zum Kaiser gekrönt hatte, wurde er 1805 im Mailänder Dom mit der Eisernen Krone der Langobarden zum König von Italien. Mit der Kaiserkrone signalisierte er seinen Anspruch auf die zukünftige Gestaltung Europas. 1806 okkupierte Frankreich die Niederlande, die Republik wurde zum Königreich Holland mit Napoleons Bruder Louis als Monarch. Als dieser 1810 abdankte, wurde das Gebiet der Niederlande in Departements aufgeteilt. Außerdem wurde die französische Verfassung eingeführt, womit die Niederländer französische Staatsbürger wurden. Im Jahre 1812 erreichte Frankreich die größte Ausdehnung seines Herrschaftsbereiches in Europa, es hatte weite Teile Italiens, die Niederlande, die deutschen Gebiete westlich des Rheins einschließlich des späteren Belgien und große Teile Norddeutschlands bis Lübeck sowie dalmatinische Gebiete annektiert. Ein Ende fand diese Expansion mit der französischen Niederlage im Russlandfeldzug 1812.

Nach den territorialen Neuordnungen des Wiener Kongresses 1814 kam die Rheinprovinz wieder unter deutsche, beziehungsweise preußische Verwaltung. Nach einer diplomatischen Niederlage Frankreichs in der Orientkrise 1839–1841 richtete sich das nationale Interesse Frankreichs auf den Rhein. Die französische Regierung unter Adolphe Thiers erhob nun wieder Anspruch auf die linksrheinischen Gebiete und wollte den Rhein als „natürliche Grenze“ zwischen Frankreich und Deutschland etablieren.

1859 unterstützte Frankreich die gegen die Habsburger errungene nationale Einigung Italiens unter der Herrschaft des Königs von Sardinien-Piemont, der Napoleon III. dafür im Vertrag von Turin die endgültige Angliederung Savoyens und Nizzas an Frankreich zugestehen musste.

5 20. Jahrhundert

Bei den Friedensverhandlungen 1919 in Versailles strebte der französische Ministerpräsident Georges Clemenceau für sein Land die Rheingrenze an.[3] Er trat als entschiedener Gegner Deutschlands auf, wollte Frankreichs Interessen - nachdem es vom Kaiserreich im Weltkrieg angegriffen worden war und grosse Schäden erlitten hatte - durch eine größtmögliche Schwächung Deutschlands schützen. Er forderte die Abtretung von Elsass-Lothringen, des Saargebiets und des Rheinlands.

Durch den Versailler Vertrag wurde das Saargebiet zwar für 15 Jahre der Regierung des Völkerbundes unterstellt. Doch das Eigentumsrecht an den Kohlengruben und den Eisenbahnen westlich der Saar erweiterte Frankreich, indem es durch Kontrolle der Erz-, Roheisen- und Kohlezufuhr französische Beteiligungen von 60 % an den Saarhütten durchsetzte und somit die wichtigsten Wirtschaftszweige kontrollierte. Bei den Gruben wurden gemäß der Anlage zu Artikel 46 des Versailler Vertrags französischsprachige „Domanialschulen“ errichtet. Ab dem 1. Juni 1923 war der französische Franc alleiniges Zahlungsmittel. Während der Alliierten Ruhrbesetzung 1923 unterstützte die französische Besatzungsmacht separatistische Bestrebungen. Nach Ablauf einer fünfjährigen Übergangsfrist wurde am 10. Januar 1925 das Saargebiet in das französische Zollgebiet integriert. Frankreich behandelte das Saargebiet als eine Art Kolonie. «Les Français vivaient à Sarrebruck comme les Anglais à Bombay, sans contacts avec des indigènes».[4]. Im Rahmen der nachfolgenden Verständigungspolitik mit Gustav Stresemann zogen sich die Franzosen aber danach fast vollständig aus den besetzten Gebieten zurück[5].

1944 versuchte der französische General de Gaulle als Chef einer Provisorischen Regierung des zuvor von Hitler besetzten Frankreich mit dem obersten Befehlshaber der Roten Armee, Josef Stalin, einen Bündnisvertrag auszuhandeln, um das Ruhrgebiet unter internationale Aufsicht zu stellen und die Annexion linksrheinischer Gebiete durch Frankreich zuzulassen.[6] Das Saarland wurde im Februar 1946 aus der französischen Besatzungszone ausgegliedert und als Saarprotektorat (Protectorat de la Sarre, Gouvernement Militaire de la Sarre (GMSA)) einem Sonderregime unterstellt mit dem Ziel, es künftig in das Territorium der IV. Französischen Republik einzugliedern, was dann aber bei den übrigen Alliierten auf Ablehnung stieß.[7] Die französische Regierung wollte sich ursprünglich die Möglichkeit offen lassen, nach der Umwandlung des Saarlandes in ein Protektorat noch weitere linksrheinische Gebiete zu annektieren.

6 Weblinks

7 Siehe auch

8 Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. http://www.ieg-ego.eu/de/threads/crossroads/grenzregionen/thomas-hoepel-der-deutsch-franzoesische-grenzraum/?searchterm=Frankreich%20Annexion&set_language=de
  2. Yvonne Kafka, Das "Wendejahr" 1797/8: Cisrhenanische Republik oder Annektion?, Universität Köln 2009, Studienarbeit Fachbereich Geschichte Europa, ISBN 978-3-640-96844-2.
  3. Raymond Poidevin und Jacques Bariéty, Frankreich und Deutschland. Die Geschichte ihrer Beziehungen 1815–1975, C.H. Beck, München 1982, S. 301–397; Henning Köhler, Novemberrevolution und Frankreich. Die französische Deutschlandpolitik 1918–1919, Droste, Düsseldorf 1980, S. 189–269
  4. „Die Franzosen lebten in Saarbrücken wie die Engländer in Bombay, ohne Kontakte zu den Einheimischen“. Scholdt 1997, S. 174. Nach Robert Laffont: Seul avec tous, Paris 1973, S. 55
  5. Erich Eyck: Geschichte der Weimarer Republik, Band 2
  6. DER SPIEGEL 37/1959: „GESCHICHTE UNTER VIER AUGEN Politische Zweiertreffen seit Napoleon“
  7. DER SPIEGEL 1/1947: „Heim ins Frankreich“

9 Literatur

  • Barbara Beßlich: Der deutsche Napoleon-Mythos. Literatur und Erinnerung 1800–1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007.
  • François Caron: Geschichte Frankreichs, Band 5: Frankreich im Zeitalter des Imperialismus 1851-1918, Stuttgart 1991.
  • Vincent Cronin: Napoleon. Stratege und Staatsmann. Heyne, München 2002
  • Marion George, Andrea Rudolph (Hrsg.): Napoleons langer Schatten über Europa. J. H. Röll Verlag, Dettelbach 2008 (Kulturwiss. Beiträge. Quellen u. Forschungen 5).
  • Thomas Höpel: Der deutsch-französische Grenzraum: Grenzraum und Nationenbildung im 19. und 20. Jahrhundert. In: Institut für Europäische Geschichte (Hrsg.): Europäische Geschichte Online, Mainz 2012.
  • Käyserliches Commissions-Decret Den jüngsten Frantzösischen Einfall ins Reich und feindliche Proceduren betreffend. Wie auch Die Käyserliche Antwort auff das Frantzösische Manifest oder Declaration. (Druck aus dem Lateinischen übersetzt, 1688) Digitalisat
  • Georges Lecomte, Donald Clive Stuart (Übers.): Georges Clemenceau, the Tiger of France, 1919 Open Library.
  • Zur Geschichte der Annexion des Elsaß durch die Krone Frankreichs, historische Aufsätze auf Grund archivalischer Dokumente. Olms Verlag, Gotha 1888, Digitalversion 2011.

10 Andere Lexika

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