Dieter Graumann

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Dieter Graumann (* 20. August 1950 in Ramat Gan als David Graumann[1]) war von 2010[2] bis 2014 Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und seit dem 6. Mai 2013[3] Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses. Er trat damit in beiden Fällen die Nachfolge von Charlotte Knobloch an.

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1 Leben

1.1 Herkunft

Graumann wurde 1950 als Sohn polnischer Holocaust-Überlebender in Ramat Gan bei Tel Aviv (Israel) geboren. Seine Eltern lernten sich gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland kennen, heirateten hier und wanderten 1950 nach Israel aus. 1952 wanderten sie „aus gesundheitlichen Gründen“ in die Bundesrepublik Deutschland ein.[4] Graumann wuchs in Frankfurt am Main auf. Ursprünglich war er auf den Namen David getauft, doch benannten ihn die Eltern vor Schuleintritt in Dieter um, damit er nicht gleich als Jude erkannt würde.[5]

1.2 Ausbildung

Dieter Graumann legte in Frankfurt am Main das Abitur ab, studierte dort anschließend Volkswirtschaftslehre an der Johann Wolfgang Goethe-Universität sowie am King's College in London Rechtswissenschaft. Später promovierte er über die Europäische Währungsunion.[4]

1.3 Aufstieg im Zentralrat der Juden

Nach dem Studienabschluß arbeitete er mehrere Jahre bei der Deutschen Bundesbank, machte sich als Immobilienkaufmann in Frankfurt selbständig und stieg in die Liegenschaftsverwaltung seines Vaters ein. Nebenbei engagierte er sich in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, wo er 1995 in den Vorstand aufgenommen wurde und seitdem für Finanzen, Schule, Kulturarbeit und Presse verantwortlich ist. Es gelang ihm, den Haushalt der Gemeinde jahrelang ohne Defizit aufzustellen. Des weiteren ist er Mitglied in der nach Georg Speyer benannten Georg und Franziska Speyer'schen Hochschulstiftung.

Graumann mischt sich gern in die Politik ein und gilt als „Freund klarer Worte“,[6] was er u. a. in seinen Reden aus Anlaß der „Holocaust-Gedenktage“ unter Beweis stellte. 2001 stieg Graumann ins Präsidium des Zentralrats der Juden auf.

Nach dem Inkrafttreten des neuen Zuwanderungsgesetzes (1/2005) verhandelte Graumann im Namen des Zentralrates mit den Innenministern der Länder und dem Bundesinnenminister über neue Regelungen für die jüdische Zuwanderung aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Außerdem war er auch im Zentralrat für die Finanzen zuständig.

1.3.1 Chef des Zentralrats der Juden in Deutschland

Am 28. November 2010 wurde Graumann wurde als einer der beiden amtierenden Vizepräsidenten ohne Gegenkandidat zum Präsident gewählt und trat das Amt am gleichen Tag an.[2] Graumann wurde damit Nachfolger Charlotte Knoblochs, die nach Kritik des „erbärmlichen Zustandes“ der Vertretung und den Verwerfungen innerhalb der jüdischen Gemeinden nicht wieder als Präsidentin kandidieren wollte. Graumanns Amtskollege Salomon Korn hatte 2006 schon auf eine Kandidatur als Zentralratspräsident verzichtet. Henryk M. Broder hatte sich selbst im Oktober 2009 zum Zentraljuden-Kandidaten nominiert. Graumann bezeichnete dessen Plan als „lustige Fantasie (...) als Präsident des Zentralrats der Juden wäre Broder eine fulminante Fehlbesetzung.[7] Er hielt Broder vor, sich bisher nicht in der jüdischen Gemeindearbeit engagiert zu haben. Broder zog am 31. Oktober seine Kandidatur zurück.

Graumann hatte den Bundespräsidenten Joachim Gauck auf der Reise nach Israel (Mai 2012) zeitweise begleitet.

2 Positionen

2.1 Solidarität mit Israel

Dieter Graumann gilt als „scharfer Kritiker jedweder Gegner Israels“.[8] Der Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) warf er im Berliner Tagesspiegel vom 16. Juli 2006 „antiisraelische Reflexe” vor, da sie angesichts des Libanonkonflikts Israels Politik als „völkerrechtswidrig“ bezeichnet hatte. Gleichzeitig nannte er „antiisraelische Propaganda in deutschen Medien keine Seltenheit“, die aber auch nicht verwunderten „angesichts der Vorlagen aus der Politik“.[9] Im Juli 2007 kritisierte Graumann nach der Neugründung der „Linkspartei“ deren „betont israelfeindliche Politik (...), besonders in der Person von Oskar Lafontaine“, sowie dessen geplante Reise in den Iran zu einem „faschistischen Präsidenten, der einen eliminatorischen Antisemitismus predigt“.[10] In einer großformatigen Anzeige in der WELT (10. Januar 2009) forderte er gemeinsam mit Knobloch und KornUnsere Solidarität mit Israel: Gegen den Raketenterror der Hamas – Für eine Perspektive für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen“.

2.2 Kampf gegen europäischen Nationalismus

Graumann ist entschiedener Gegner jedweder nationalistischen und oder rechten Parteien, Bewegungen, Positionen unter autochthonen Europäern, und entschiedener Befürworter eines durch Staatsmitteln geförderten Kampf gegen solche Parteien. Mehrfach hat er sich prononciert für ein Verbot der NPD ausgesprochen. Erst zum Jahreswechsel (2009/2010) hatte Graumann sich kritisch zur Schweizer Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» geäußert.[11]

Im Juli 2010 forderte Graumann einen bundesweiten „Gesinnungstest für Erzieher“: Er appellierte an die Länder, der Initiative Mecklenburg-Vorpommerns zu folgen und künftig von Kita-Betreibern einen Nachweis zu verlangen. Graumann hält dieses Schweriner Modell eines „Gesinnungstests für Erzieher” für ein „geradezu vorbildliches, absolut bewundernswertes Beispiel für Verantwortung und Engagement”. Unter keinen Umständen dürfe zugelassen werden, „dass Faschisten die Köpfe und Herzen unserer Kinder vergiften können”. Graumann appellierte daher an die Bundesländer: „Die braunen Kinderfänger dürfen erst gar keine Chance bekommen.”[12]

2.3 Einsatz für nicht-westliche Einwanderung

Graumann sprach sich mehrfach deutlich für weitere Einwanderung von Nicht-Europäern aus, und verurteilte dementsprechend das Engagement von Deutschen oder Europäern gegen weitere nicht-europäische Einwanderung. Anlässlich der Proteste mehrerer tausend Anwohner des Berliner Bezirks Hellersdorf gegen die Errichtung einer neuen Massenunterkunft für (überwiegend afrikanische u. arabische) Asylsuchende, erklärte Graumann, „bei den Bildern aus Hellersdorf empfinde ich Ekel.“

BILD: „Gilt das auch für Flüchtlinge aus der arabischen Welt, die in diesen Tagen ihre Länder verlassen? Sollten wir sie aufnehmen?“
Graumann: „Aber ja! Menschen, die zum Beispiel in Syrien in Not geraten, die an Leib und Leben bedroht sind, sollten in Deutschland Aufnahme finden. Wir können zwar nicht das Elend der ganzen Welt hier lösen, aber was wir tun können, das sollten wir tun. Und wir sollten noch mehr tun wollen – und Freude dabei empfinden können, dass wir bedrängten Menschen neue Hoffnung und Zukunft bieten können. Wir brauchen dabei eine neue und warme Willkommenskultur, die den Menschen, die bei uns Geborgenheit suchen, zeigt, dass sie uns zu Recht ihre Zukunft anvertraut haben.“[13]

Während er Einwanderung überwiegend nicht-europäischer Asylbewerber verteidigt, unterstützt Graumann Israels rechte Regierungskoalition, die eine strikte Anti-Asylpolitik betreibt und ferner plant, alle afrikanischen Einwanderer aus Israel auszuweisen.[14]

Siehe "Jüdischer Doppelstandard"

3 Zitate

  • „Das Judentum hat die ganze Welt und besonders das Abendland mit moralischen Fundamenten versorgt.“[15]
  • „Nichts ist zu vergleichen mit der unmittelbaren Authentizität von Zeitzeugen. Doch, so hat es der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel formuliert, wer Zeitzeugen zuhört, der wird selbst zu einem.“[16]
  • „Wir Juden haben ein gutes Gedächtnis, wir erinnern uns heute noch an Ereignisse, die 3000 Jahre zurückliegen. Da werden wir nicht vergessen, dass erst vor einigen Jahrzehnten sechs Millionen jüdische Menschen ermordet wurden.“[16]

4 Veröffentlichungen

  • Die Parallelwährung als europäische Integrationsalternative. Dissertation. Lang, Frankfurt am Main/ Bern/ Las Vegas 1979, ISBN 3-8204-6567-7.
  • Nachgeboren - Vorbelastet? Kösel, 2012, ISBN 978-3-466-37051-1.

5 Weblinks

6 Einzelnachweise

  1. Dieter Graumann: „Ich muss meinen eigenen Weg gehen“. In: Der Tagesspiegel. 28. November 2010, auf: tagesspiegel.de
  2. 2,0 2,1 Jüdischer Zentralrat: Dieter Graumann tritt Knoblochs Nachfolge an. Pressemeldung über Nachfolge auf focus.de vom 28. November 2010.
  3. http://www.zentralratdjuden.de/de/article/4096.html
  4. 4,0 4,1 Munzinger-Archiv GmbH, 2010
  5. Rheinischer Merkur, 8. April 2010
  6. Frankfurter Rundschau, 6. Juni 2006
  7. Deutschlandradio Kultur, 22. Oktober 2009: Zentralrats-Vize Gralmann bezeichnet Broder-Kandidatur als "lustige Fantasie"
  8. Wiener Zeitung, 5. Februar 2010
  9. Zitat in: Financial Times Deutschland, 8. Februar 2010
  10. hagalil.com, 7. Juli 2007
  11. Tages-Anzeiger, 7. Februar 2010: Eine Generation tritt ab
  12. Deutschlandradio Kultur, 27. Juli 2010: Zentralrat der Juden fordert Gesinnungstest für Erzieher
  13. Ralf Schurer „Bei den Bildern aus Berlin-Hellersdorf empfinde ich Ekel!“ In: BILD 23. August 2013
  14. Bradley Burston Let my people stay. In Israel. Even if they're Africans. Or Arabs. In: "Haaretz" 8. Januar 2014
  15. Dieter Graumann, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland gegenüber BILD, 13. März 2011
  16. 16,0 16,1 In Deutschland wächst ein neues Judentum: Dieter Graumann, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland gegenüber Patrick Gensing: auf tagesschau.de 27. Januar 2011

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