Deutsche Wiedergutmachungspolitik
Mit dem Begriff deutsche Wiedergutmachungspolitik werden die Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zusammengefasst, durch die Verfolgte des Nationalsozialismus entschädigt wurden. Sie ist ein Teilaspekt der deutschen Vergangenheitsbewältigung.
Die Wiedergutmachung wurde in der Bundesrepublik auf folgende Arten geleistet:[1]
- Rückerstattung von aufgrund der Unterdrückungsmaßnahmen verloren gegangenen Grundstücken und anderen Vermögenswerten direkt an ihre ehemaligen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger (bei erbenlosem Vermögen meist an jüdische Organisationen)
- Individuell und unmittelbar geleistete Geldzahlungen zum Ausgleich der Schäden durch Eingriffe in die Lebenschancen wie den Verlust an Freiheit, Gesundheit und beruflichem Fortkommen
- Sonderregelungen auf verschiedenen Rechtsgebieten, insbesondere in der Sozialversicherung
- Juristische Rehabilitierung vor allem in der Strafjustiz, aber auch bei Unrechtsakten wie der Ausbürgerung oder der Aberkennung akademischer Grade
- Globalabkommen über diverse Entschädigungsleistungen mit Staaten, Stiftungen oder Organisationen von Anspruchsberechtigten.
1952 unterzeichnete Konrad Adenauer das Luxemburger Abkommen, in dem Warenlieferungen und Zahlungen an die Jewish Claims Conference vereinbart wurden. Diese Leistungen wurden von Ministerpräsident David Ben Gurion als überlebenswichtig angesehen. Sie wurden unter anderem auch für die Eingliederung der Neueinwanderer aus Europa benötigt.
In der DDR wurden unter Wiedergutmachung fast ausschließlich Reparationen an die Sowjetunion angesehen. Daher betrachtete die DDR ihre internationalen Pflichten nach dem Ende der Reparationsleistungen im Herbst 1953 als abgegolten und verweigerte Verhandlungen über Entschädigungen, sowohl mit den Staaten des Warschauer Pakts als auch mit Israel. Nur in der DDR wohnende NS-Verfolgte wurden berücksichtigt, erhielten finanzielle Leistungen, und ihre Kinder wurden bei der Vergabe von Studienplätzen bevorzugt.[1] Am 3. August 1953 beschloss der deutsche Bundestag das „Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversorgung für Berechtigte im Ausland“.[2]
1 Materielle Leistungen
Im Luxemburger Abkommen wurden Warenlieferungen im Wert von 3,0 Milliarden DM an Israel und die Zahlung von 450 Millionen DM an die Jewish Claims Conference vereinbart. Im Bundesentschädigungsgesetz (BEG) 1953 wurde die Entschädigungssumme auf fünf Mark pro Tag „Freiheitsentzug“, der in einem KZ, Ghetto oder Zuchthaus verbracht wurde, festgelegt.[3] Das BEG in der Fassung von 1956 erweiterte den Kreis der Personen und umfasste weitere Tatbestände, schloss allerdings viele Ansprüche von Personen mit Wohnsitz im Ausland weiterhin aus. Insbesondere sowjetische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, Kommunisten, Roma, Sinti, Jenische, Euthanasieopfer aus der Aktion T4, Zwangssterilisierte, als „asozial“ Verfolgte[4] sowie Homosexuelle blieben lange Zeit unberücksichtigt.
Zwischen 1959 und 1964 schloss die Bundesrepublik mit zwölf westeuropäischen Regierungen sogenannte „Globalabkommen“ ab.[5] Zu diesen Globalabkommen wird auch der deutsch-griechische Vertrag von 1960 gezählt, aufgrund dessen Deutschland 115 Millionen DM zur Verteilung an „zugunsten der aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffenen Staatsangehörigen, die durch diese Verfolgungsmaßnahmen Freiheitsschäden oder Gesundheitsschädigungen erlitten haben, sowie besonders auch zugunsten der Hinterbliebenen der infolge dieser Verfolgungsmaßnahmen Umgekommenen“, zahlte. In einem Briefwechsel der Vertragsunterzeichner wurde festgehalten, es seien „alle den Gegenstand dieses Vertrages bildenden Fragen im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu (dem anderen Staat) abschließend geregelt“,[6] d. h. im Gegenzug verzichtete Griechenland auf weitere Forderungen zur Entschädigung der Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Das Abkommen vom 9. Oktober 1975 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung verpflichtete die deutsche Sozialversicherung zur Zahlung von 1,3 Milliarden DM an Polen. Damit sollten gegenseitige Forderungen pauschal saldiert werden.[7]
Staat | Vertragsabschluss | Betrag in Mio. DM |
---|---|---|
Luxemburg | 11. Juli 1959 | 18 |
Norwegen | 7. August 1959 | 60 |
Dänemark | 24. August 1959 | 16 |
Griechenland | 18. März 1960 | 115 |
Niederlande | 8. April 1960 | 125 |
Frankreich | 15. Juli 1960 | 400 |
Belgien | 28. September 1960 | 80 |
Italien | 2. Juni 1961 | 40 |
Schweiz | 29. Juni 1961 | 10 |
Österreich | 27. November 1961 | 95 |
Großbritannien | 9. Juni 1964 | 11 |
Schweden | 3. August 1964 | 1 |
Zwischensumme | 971 | |
Israel | 10. September 1952 | 1300 |
JCC | 10. September 1952 | 450 |
Polen | 9. Oktober 1975 | 3000 |
Gesamtsumme | 5721 |
Seit 1998 wurden in den USA zahlreiche Sammelklagen auf Entschädigung von Zwangsarbeitern eingereicht. Der ungewisse Ausgang solcher Klagen, aber auch die dadurch ausgelöste politische Diskussion führten im Jahre 2000 zur Gründung der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft. Diese soll das Kapital von 10 Milliarden DM, das zu gleichen Teilen von Industrie und Bund aufgebracht wurde, an ehemalige Zwangsarbeiter in fünf osteuropäischen Staaten, Israel und den USA auszahlen. Vorbedingung für diese Zusage war die vollständige Rücknahme der Klagen.
2 Vergleich zu Wikipedia
3 Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Hans Günter Hockerts: Wiedergutmachung in Deutschland 1945–1990. Ein Überblick. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte, 63. Jahrgang, 25–26/2013, S. 15–22 (16), online
- ↑ Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversorgung für Berechtigte im Ausland, Bundesgesetzblatt vom 10. August 1953.
- ↑ Robert Probst: Adenauers symbolische Wiedergutmachung. Artikel in Süddeutsche Zeitung vom 11. April 2009
- ↑ Wolfgang Ayaß: Den im Nationalsozialismus verfolgten Wohnungslosen wurde bislang jede Entschädigung verweigert. Sachverständigengutachten zur Anhörung des Innenausschusses des Bundestags am 24. Juni 1987 zur Entschädigung aller Opfer des Nationalsozialismus, in: Deutscher Bundestag, 11. Wahlperiode, Innenausschuß, Stenographisches Protokoll über die 7. Sitzung des Innenausschusses, Anlage 6, S. 283–291, veröffentlicht in: Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik, Bd. 5, Berlin 1987, S. 159–163.
- ↑ Entstehung und Fortentwicklung der Widergutmachungs- und Kriegsfolgenregelungen in Deutschland (Archivversion vom 2. November 2014), pdf, Bundesfinanzministerium, abgerufen 22. November 2016, S. 36
- ↑ Auswärtiges Amt: Entschädigung für NS-Unrecht
- ↑ Denkschrift zum Abkommen, abgedruckt in der Bundestagsdrucksache 7/4310.
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