Bundespräsident

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Bundespräsident ist der Titel für das jeweils amtierende Staatsoberhaupt in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich. Er ist kein tagespolitisch „regierender Präsident“, sondern verfügt über kontrollierende, richtungsweisende, repräsentative und stabilisierende Aufgaben im politischen System. Die Schweiz kennt weder ein Staatsoberhaupt noch einen Regierungschef, auch wenn es dort die Amtsbezeichnung Bundespräsident ebenfalls gibt. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gibt dem Bundespräsidenten deutlich weitergehende Befugnisse, die allerdings bislang von keinem Amtsinhaber vollumfänglich genutzt wurden. Speziell in Krisenzeiten des politischen Systems kommt dem Amt eine erhebliche Bedeutung zu. Zudem besitzt der Bundespräsident durch die Möglichkeit der Verweigerung seiner Unterschrift ein weitreichendes Kontroll- und Vetorecht in Gesetzes- und Personalentscheidungen, welches er aber außerhalb von Krisenzeiten traditionell nur zurückhaltend nutzt. Die machtpolitische Bedeutung des Bundespräsidenten wird deswegen in der Bevölkerung meist unterschätzt.

Schloss Bellevue in Berlin. Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten
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1 Das Amt

Der Einfluss des Bundespräsidenten in der Tagespolitik ist "stiller Natur". Das bedeutet, er wirkt über persönliche Unterredungen und die Fachabteilungen des Bundespräsidialamtes auf die Bundesregierung ein. Die Gestaltung und Umsetzung der Tagespolitik obliegt dem Bundeskanzler, der jedoch in der formalen Rangordnung nur Platz drei (nach dem Bundespräsidenten und dem Bundestagspräsidenten) einnimmt. Jedoch nimmt der Chef des Bundespräsidialamtes an den Sitzungen des Kabinetts (Bundesregierung) teil und vertritt dort die Interessen den Bundespräsidenten. Der Präsident selbst empfängt den Kanzler und andere Regierungsmitglieder regelmäßig in seinem Amtssitz zu Unterredungen. In seinem Handeln ist der Bundespräsident frei und an keine Weisungen gebunden. Anders als rein repräsentative Staatsoberhäupter wie die britische Königin kann der Bundespräsident völlig frei handeln. Allerdings kann er keine Dekrete erlassen und seine Entscheidungen bedürfen der Gegenzeichnung durch ein Mitglied der Bundesregierung. Ebenso bedürfen aber die meisten Entscheidungen von Bundesregierung und Bundestag auch der Gegenzeichnung durch den Bundespräsidenten. Es herrscht somit ein System der gegenseitigen Kontrolle.[1][2]

2 Details zur Stellung

Der Bundespräsident nimmt die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands wahr und hat Reservevollmachten von sehr weitreichender Bedeutung, die ihm besonders in Krisenzeiten staatspolitische Aufgaben von erheblicher Macht zuweisen.[3] Unter anderem beim so genannten Gesetzgebungsnotstand, bei der Wahl des Bundeskanzlers, bei der Entscheidung über die Auflösung des Bundestages, bei der Wahl einer Minderheitsregierung und aufgrund der simplen Tatsache, dass ein Gesetz überhaupt erst durch die Unterschrift des Präsidenten Rechtskraft erlangen kann. Allerdings werden Bedenken bei der Unterschrift traditionell nur extrem zurückhaltend eingesetzt und meist mit dem Verfassungsrecht begründet und nicht als politisches Veto. Der Grund hierfür liegt in der Tradition der Amtsführung der deutschen Präsidenten, die stets versuchten überparteilich und vereinend zu wirken. Erst diese Überparzeilichkeit gibt dem Bundespräsidenten auch die moralische Autorität, in Krisensituationen einigend und stabilisierend zu wirken.[4][5][6][7]

3 Befugnisse

Der Bundespräsident hat laut Grundgesetz folgende Aufgaben:

  • Er vertritt den Deutschlandvölkerrechtlich
  • Er beglaubigt Diplomaten
  • Er hat auf Bundesebene das Begnadigungsrecht
  • Er prüft Bundesgesetze und setzt sie durch seine Unterschrift in Kraft (oder auch nicht)
  • Er schlägt dem Bundestag einen Bundeskanzler zur Wahl vor.
  • Auf Vorschlag des Bundeskanzlers ernennt und entlässt er Bundesminister.
  • Er ernennt und entlässt Bundesrichter, Bundesbeamte, Landesbeamte, Kommunalbeamte, Offiziere und Unteroffiziere
  • Nach dreimalig gescheiterter Kanzlerwahl oder nach einer gescheiterten Vertrauensfrage entscheidet er über des Deutschen Bundestags
  • Er verkündet den Verteidigungsfall und gibt völkerrechtliche Erklärungen ab, wenn ein Angriff auf Deutschland erfolgt ist. Der Bundespräsident hat insofern als einziger Deutscher das Recht der Kriegserklärung.[8]
  • Er beruft den Bundestag und die Parteienfinanzierungskommission einberufen.
  • Er verordnet Staatsakte
  • Er legt eigenmächtig die Staatssymbole (Hymne, Flaggen, etc.) fest.

Der Bundespräsident kann allerdings keine Dekrete oder Erlasse gegen den Willen der Regierung erlassen und somit nicht an der Bundesregierung vorbeiregieren [9]

4 Arbeitsteilung mit der Bundesregierung

Der Bundespräsident selbst nimmt nicht an den Kabinettssitzungen der Bundesregierung teil. In Kabinettsgesprächen sowie im Bundessicherheitsrat ist der Bundespräsident und sein Amt durch den Chef des Bundespräsidialamtes vertreten.[10][11] Zudem unterredet sich der Bundespräsident in regelmäßig mit dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Der Bundeskanzler informiert den Bundespräsidenten und das Präsidialamt engmaschig über die laufenden Projekte und Handlungen der Bundesregierung.[12]

5 Macht und Vetorecht

Jedes Bundesgesetz muss, damit es wirksam wird, durch den Bundespräsidenten geprüft und unterschrieben werden.[13][14] Unterzeichnet der Bundespräsident nicht, tritt das Gesetz nicht in Kraft. Das sehr konsequenzenreiche Recht der Blockade eines Gesetzes wurde bislang von den Bundespräsidenten bislang immer extrem zurückhaltend eingesetzt, um nicht ihre für Krisenzeiten wichtige moralische Autorität in der Tagespolitik zu verspielen.

6 Rolle beim Gesetzgebungsnotstand

Sollte eine Vertrauensfrage des Bundeskanzlers im Bundestag verloren gehen, ist der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung und mit Zustimmung des Bundesrates befugt, den Gesetzgebungsnotstand in Kraft zu setzen. Dies ermöglicht dem Bundesrat im Zusammenspiel mit dem Bundespräsidenten für sechs Monate Gesetze am Parlament vorbei erlassen, sofern der Bundespräsident diese unterschreibt.

7 Macht über die Staatssymbole

Der Bundespräsident hat extrem weitreichende Rechte hinsichtlich der Staatssymbole des Bundes. Der Präsident kann die Nationalhymne, die Bundesflagge, Wappen, Insignien, Uniformen, etc. festlegen bzw. ändern.[15][16]

8 Parteipolitische Neutralität

Im Grundgesetz ist eine politische Neutralität des Bundespräsidenten nicht vorgesehen. Allerdings ist eine mehr überparteiliche angelegte Amtsführung zur Tradition geworden. Jeder Bundespräsident legt für sich selbst fest, wie er sein Amt ausüben will.[17]

9 Wahl des Bundespräsidenten

Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gewählt, also nicht direkt vom Volk, sondern von Wahlmännern. Dennoch hat das Volk einen indirekten Einfluss auf die Wahl. Der Grund: die Bundesversammlung besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und ebenso vielen Wahlmännern beiderlei Geschlechts aus den 16 Bundesländern. Da diese Staatsorgane direkt vom Volk gewählt werden, stellt die Bundesversammlung ein Spiegelbild der Machtverhältnisse aller deutschen Landesparlamente und des Bundestages am Wahltag dar und damit die Mehrheitsverhältnisse von Bund und Ländern in Addition. Die Amtszeit des Bundespräsidenten beträgt in Deutschland fünf, in Österreich sechs Jahre, und es ist nur eine einmalige Wiederwahl gestattet.

10 Amtssitz und Amtsmittel

Der Bundespräsident hat zwei offizielle Amtssitze: das Schloss Bellevue in Berlin und die Villa Hammerschmidt in Bonn. Die Standarte des Bundespräsidenten ist ein goldfarbenes Quadrat, in dem sich der Bundesadler dargestellt ist. Ist der Bundespräsident in seinen Amtssitzen anwesend, wird die Standarte gehisst. Zur Erledigung seiner Amtsgeschäfte stehen dem Präsidenten verschiedene Reisemittel zur Verfügung:

  • Ein gepanzerte Limousine mit dem Nummernschild "0-1"
  • Ein Airbus A340 mit Amtsbemalung und Hubschrauber der Flugbereitschaft der Bundeswehr bzw. Bundespolizei. Befindet sich der Bundespräsident in einem Luftfahrzeug, lautet das Rufzeichen „German Air Force 001“.

11 Die Präsidenten

  • Theodor Heuss (1949–1959), eher zeremonielle Amtsführung, prägte viele bis heute anerkannte Konventionen des Amtes
  • Heinrich Lübke (1959–1969), politische Amtsführung in der ersten Amtszeit mit einigen Vetos, Probleme durch beginnende Demenz in der zweiten Amtszeit
  • Gustav Heinemann (1969–1974), repräsentative Amtsführung
  • Walter Scheel (1974–1979), relativ politische Amtsführung abseits der Öffentlichkeit, aber mit einigen Akzenten (1976 Veto beim Gesetz zur Abschaffung der Gewissensprüfung bei Kriegsdienstverweigerern)
  • Karl Carstens (1979–1984), repräsentative Amtsführung mit einzelnen machtpolitischen Entscheidungen (Parlamentsauflösung/Neuwahlen 1983)
  • Richard von Weizsäcker (1984–1994), politische Amtsführung durch moralische Autorität
  • Roman Herzog (1994–1999), politische Akzente durch öffentliche Richtungsweisungen und Ermahnungen ("Berliner Reden")
  • Johannes Rau (1999–2004), repräsentative Amtsführung passend zu seiner Agena "Versöhnen statt Spalten"
  • Horst Köhler (2004–2010), politische Amtsführung mit mehreren Vetos
  • Christian Wulff (2010–2012), politische Amtsführung mit einzelnen umstrittenen, prägenden Richtungsweisungen ("Der Islam gehört zu Deutschland")
  • Joachim Gauck (2012-2017), politische Amtsführung, eigene Akzente in der Außen- und Sicherheitspolitik
  • Frank-Walter Steinmeier (seit März 2017)

12 Siehe auch

13 Weblinks

14 Einzelnachweise

  1. Dazu näher: Amt und Aufgaben des Bundespräsidenten, Internetpräsenz des Bundespräsidialamtes
  2. Urteil des BVerfG, 2 BvE 4/13 vom 10. Juni 2014
  3. Wilms: Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht unter Berücksichtigung der Föderalismusreform. Stuttgart 2007
  4. Westphalen (Hg.): Deutsches Regierungssystem. München/Wien 2001
  5. Schmidt: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. München 2005
  6. BVerfG, 2 BvE 2/09 vom 10. Juni 2014
  7. Marcus Höreth: Das Amt des Bundespräsidenten und sein Prüfungsrecht
  8. Seidel: Der Bundespräsident als Träger der auswärtigen Gewalt. Berlin 1972
  9. Katz: Staatsrecht. Grundkurs im öffentlichen Recht]
  10. Webseite des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland
  11. Seidel: Der Bundespräsident als Träger der auswärtigen Gewalt. Berlin 1972
  12. Webseite des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland
  13. Webseite des Bundespräsidalamtes
  14. Webseite des Präsidialamtes, Verfassungsrechtliche Grundlagen. Amtliche Funktionen
  15. Artikel 22 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland]
  16. Festlegung der Hymne im Jahre 1991
  17. Urteil des BVerfG vom 10. Juni 2014, 2 BvE 4/13

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