Mensch (Historisch)

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Der Mensch (Homo sapiens L.) ist der höchstentwickelte lebende Organismus.

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1 Naturgeschichtliches

Marie Auguste von Anhalt, Adoptivmutter von Frédéric von Anhalt, mit ihrem eigenen Baby Karl Franz Joseph von Preußen

Der Mensch ist nach dem anatomischen Bau und den funktionellen Leistungen seiner Organe von den Wirbeltieren nicht abzutrennen, sondern er muß als auf der höchsten Stufe der Säugetiere stehend betrachtet werden. Die ihm in körperlicher Beziehung am nächsten stehenden Tiere sind die Affen und zwar besonders deren höchste Abteilung, die Anthropoiden oder Menschenaffen. Mit ihnen hat er die Gesamtanlage der Organisation gemein; er unterscheidet sich von ihnen aber in der Bildung einzelner Organe, namentlich des Gehirns, und, hiervon abhängig, des Schädels, so wie der untern Extremitäten, von welchen letztern die Fähigkeit des aufrechten Ganges besonders abhängt. Von den Anthropoiden hat nur der Gibbon einen aufrechten Gang, der ihm aber nur ermöglicht wird, indem er mit den weit fortgestreckten langen Oberextremitäten den schwankenden Körper im Gleichgewicht hält. Die andern Anthropoiden gehen nicht vollständig aufrecht, sondern sie benutzen beim Gehen die Rückenfläche der Hände zur Stütze; somit gehen sie also auf allen Vieren.

Einem allgemeinen Gesetze zufolge liegt in der Teilung der Arbeit ein Prinzip der höhern Vervollkommnung, und es steht deshalb der Affe, bei dem alle vier Extremitäten in Händen endigen und gleichmäßig sowohl zum Greifen als zur Ortsbewegung benutzt werden, tiefer als der Mensch, obgleich Hände mit entgegenstellbarem Daumen an und für sich weiter entwickelte Organe sind als Füße, deren Großzehe mit den übrigen Zehen in derselben Ebene liegt. In zoologischer Hinsicht ist deshalb die Bildung der Füße für den M. charakteristisch und auszeichnendes Merkmal gegenüber den Affen. Der menschliche Fuß unterscheidet sich durch die Größe und Dicke der ersten Zehe, die Kürze der übrigen Zehen, die feste Verbindung der Knochen des Mittelfußes und der Fußwurzel, die ein elastisches Gewölbe bilden, durch die Größe und Ausbildung des Fersenbeins, das den hintern Stützpunkt des Fußgewölbes abgiebt. Bisweilen ist aber die zweite Zehe etwas länger als die erste. Mit dieser Bestimmung des Beins als Stütz- und Bewegungsorgan hängt auch zusammen die Größe und Festigkeit des Schienbeins und namentlich des Schenkelbeins, das beim M. allein den längsten Knochen des Skeletts bildet, während bei den Affen das Oberarmbein den Schenkel an Länge übertrifft oder ihm wenigstens gleichkommt; ferner die Breite und Ausdehnung des Beckens, besonders der Darmbeine, die großenteils das Gewicht der Eingeweide bei der aufrechten Stellung zu tragen haben; die doppelt S-förmige Krümmung der Wirbelsäule, sowie in den weichen Teilen namentlich die Konzentration der Muskeln des Unterschenkels zu einer Wade, des Oberschenkels und des Gesäßes zu abgerundeten Massen.

Weit geringer sind, abgesehen von ihrer weit beträchtlichern Länge und Stärke, die Unterschiede der Arme und Hände; doch ist bei dem Affen der Daumen weniger ausgebildet und namentlich der Ballenmuskel des Daumens weniger vorstehend, sowie der Oberarm bei dem M. im Verhältnis zu den übrigen Teilen, Vorderarm und Hand, länger. Endlich beruht in der aufrechten Stellung und der damit zusammenhängenden Balanzierung des Kopfes auf der Wirbelsäule die geringere Ausbildung der Dornen der Halswirbel und des Nackenbandes, das sich einerseits an diese Dornen, andererseits an das Hinterhaupt festsetzt. Der Unterstützungspunkt des Kopfes ist bei dem Affen an dem Hinterrande der Schädelbasis, bei dem Mensch sehr annähernd in der Mitte gelegen, was für die aufrechte Haltung des Kopfes beim Menschen von Wichtigkeit ist.

Der Kopf des Menschen unterscheidet sich wesentlich durch die sehr beträchtliche Ausbildung des Gehirnschädels und des Gehirns im Verhältnis zum Gesicht. Zwar hat der M. weder das absolut größte Gehirn in der Tierwelt (Elefant, Walfisch übertreffen ihn in dieser Hinsicht), noch auch das größte Gehirn im Verhältnis zum Körper (einige kleine Affen und Singvögel stehen ihm hierin voran), auch steht er nicht in Bezug auf die Ausbildung aller einzelnen Teile des Gehirns höher als die übrigen Tiere (der Hund z. B. übertrifft ihn durch die große Ausbildung des Riechlappens); aber die für die geistigen Funktionen allerwichtigsten Teile des Gehirns, die Großhirnhemisphären, sind in ihrem Verhältnis zu den übrigen Teilen des Gehirns bedeutend größer als bei allen Tieren, auch übertreffen sie die tierischen Großhirnhemisphären ganz wesentlich durch bedeutend größere Zahl und Ausbildung der sog. Gehirnwindungen, und hiermit durch eine erhebliche Vergrößerung der Großhirnrinde und durch eine Vermehrung der in der letztern liegenden Ganglienzellen. Die Hinterhauptslappen der Großhirnhemisphären ragen nur bei dem M. über die Hemisphären des Kleinhirns hinaus und verdecken dieselben gänzlich; bei den Tieren bleiben die letztern teilweise unverdeckt, und zwar sind sie um so weniger verdeckt, je niedriger die Stufe ist, auf welcher die Tierart steht. Man hat sich über die Frage gestritten, ob der M. besondere Hirnteile besitze, die andern Tieren und namentlich auch den menschenähnlichen Affen nicht zukämen, und es war namentlich der Vogelsporn oder kleine Seepferdefuß (siehe Gehirn), dessen Anwesenheit für das Affengehirn geleugnet wurde. Dieser Streit ist jetzt durch genaue Erörterung der Tatsachen dahin entschieden, dass nur quantitative, aber keine qualitativen Unterschiede existieren; dass die Affen alle wesentlichen Hirnteile besitzen, welche der M. auch hat; dass ihre Windungen des Großhirns im ganzen nach demselben Plane angelegt sind; dass sich der M. aber unterscheidet durch die größere Komplikation der Windungen, durch die Ausbildung der auf dem Augendache ruhenden untern Vorderhirnwindungen und durch die größere Masse, Höhe und Breite des Großhirns, das überhaupt als Organ der Intelligenz zu bezeichnen ist. Dieser Ausbildung des Gehirns entsprechend, ist die knöcherne Kapsel desselben, der Schädel, über das Gesicht herübergewölbt und namentlich über die Augen herübergeschoben, so dass eine wirkliche, mehr oder minder senkrecht stehende Stirn gebildet ist, die den Tieren entweder ganz fehlt oder nur eine stark geneigte Fläche darstellt. Die Schädelkapsel ist dabei rundlich, harmonisch gewölbt, und es sind keine vorspringenden Leisten zur Anheftung der Muskeln an ihr ausgebildet. Hiermit in Übereinstimmung sind das Gesicht und ganz besonders die Kiefer weit weniger entwickelt, nicht schnauzenförmig vorstehend, die Nase dagegen vorragend und auch ein vorspringendes Kinn gebildet, während bei allen Affen der Unterkiefer von den Schneidezähnen an zurückweicht, ohne eine vordere oder untere Ecke zu bilden, ein Kinn also bei ihnen nicht zur Entwicklung kommt. Hinsichtlich der Zahl und Bildung der Zähne stimmt der M. mit den Affen der Alten Welt überein. Von allen Affen aber unterscheidet er sich dadurch, dass die Kronen seiner Eckzähne nicht über die der andern Zähne hervorragen und also auch keine Lücken in der Zahnreihe sich finden, in welche diese vorspringenden Eckzähne eingreifen.

Über das Verhältnis der Ordnung und Gattung Menschen zu den Affen besteht noch immer heftiger Streit. Die Darwinianer sehen im Menschen die Vollendung des in den Affen begonnenen Typus und betrachten den Dryopithecus Fontani als das Missing Link, den "Vormenschen" oder Proanthropos. Eugen Dubois hat in den von ihm in Trinil auf Java gefundenen Resten des Pithecanthropus erectus den Übergang vom Affen zum Menschen erkennen wollen. Andere sehen in diesen Resten nur Teile eines riesigen fossilen Gibbon. Eine Anzahl von Naturforschern nimmt für den M. einen besondern Schöpfungsakt an.

Über die Lage der lebenswichtigen Organe des menschlichen Körpers giebt die beigefügte Tafel: Der Körper des Menschen (Durchschnitt) Aufschluß, die nach dem Durchschnitt in der Mittellinie einer gefrorenen männlichen Leiche angefertigt ist. Der Kopf des Menschen zerfällt in den Schädel und das Gesicht; von den einzelnen Schädelknochen ist auf dem Durchschnitt das Stirnbein mit der Stirnhöhle sowie das Hinterhauptsbein zu erkennen. In der geräumigen Schädelhöhle liegt, von den Gehirnhäuten umschlossen, das Gehirn mit den beiden Großhirnhemisphären, dem Hirnbalken, der Zirbeldrüse und den Vierhügeln, darunter das Mittelhirn mit der Varolsbrücke und dem verlängerten Mark, sowie das Kleine Gehirn mit dem Lebensbaum. Unterhalb der Schädelhöhle befinden sich die Nasenhöhle, von der man auf dem Durchschnitt nur die Nasenscheidewand erblickt, sowie die Mundhöhle mit ihrem knöchernen Dach, dem harten Gaumen, mit dem beweglichen weichen Gaumen und dem Zäpfchen, die die Grenze zwischen Mund- und Rachenhöhle bilden, mit der Zunge, dem Unterkiefer und dem Schließmuskel des Mundes. Der Hals, dessen knöcherne Grundlage die sieben Halswirbel bilden, vermittelt die Verbindung zwischen dem Kopf und dem Rumpf und enthält außer zahlreichen wichtigen Nerven und Blutgefäßen das Zungenbein, den Kehlkopf, von dem man auf der Tafel den durchschnittenen Schild- und Ringknorpel sieht, die Luftröhre mit der vorgelagerten Schilddrüse, dahinter die Speiseröhre, die Halswirbelsäule mit dem eingeschlossenen Rückenmark, die Zwischenwirbel- und Nackenmuskeln sowie das starke Nackenband. In der von dem Brustbein, den Rippen und den Rückenwirbeln umschlossenen und durch das Zwerchfell von der Bauchhöhle getrennten Brusthöhle liegen das Herz mit seinen beiden Kammern und Vorkammern, die Lungen, von denen in der Mittellinie nur ein kleiner Teil der rechten Lunge sichtbar ist, der untere Teil der Luftröhre mit dem rechten und linken Bronchus, die Speiseröhre und die großen Blutgefäße, von denen auf der Tafel die Schlüsselbeinschlagader, die unbenannte Blutader (s. Anonyma), die aufsteigende und die absteigende Brustschlagader sichtbar sind; an der hintern Wand der Brusthöhle liegen die Wirbelsäule mit ihren Wirbelkörpern und Dornfortsätzen, das Rückenmark und die Rückenmuskulatur. (S. Brust.) Die vom Bauchfell fast allenthalben ausgekleidete Bauchhöhle enthält die Leber mit der Gallenblase und Pfortader, den Magen, den Darmkanal mit dem Zwölffingerdarm, dem Dünndarm und Grimmdarm sowie die Bauchspeicheldrüse. Milz und Nieren sind auf der Tafel nicht sichtbar, weil sie nicht in der Mittellinie liegen; nur die linke Nierenblutader ist erkennbar.

Von sonstigen Blutgefäßen erblickt man die große Bauchschlagader, die obere und untere Gekrösblutader sowie die linke Hüftblutader. In der Beckenhöhle endlich, die vorn vom Schambein, hinten vom Kreuzbein und Steißbein begrenzt wird, liegen beim Manne die Harnblase mit dem Anfangsteil der Harnröhre und der Vorsteherdrüse sowie der Mastdarm, der nach außen durch einen kräftigen Schließmuskel verschlossen wird. Über die Extremitäten siehe Arm und Bein. - Vgl. auch die Artikel Bänder, Bauch, Blutgefäße, Brust, Gehirn, Gehör, Herz, Muskeln, Nerven, Schädel und Skelett.

In Bezug auf seine Entwicklung im Mutterleibe weicht der Mensch durchaus nicht von dem für die übrigen Wirbeltiere gültigen Plane ab. (Siehe Embryo) Die Differenzierung in zwei verschiedene Geschlechter scheint nach neuen Untersuchungen, namentlich von Nagel, schon in der ersten Keimanlage vor sich zu gehen. Es entwickeln sich, abgesehen von der Verschiedenheit der Geschlechtsteile, eine große Anzahl sog. sekundärer Geschlechtscharaktere, unter denen Geschlechtsunterschiede in dem Bau des Schädels, des Gehirns, des Beckens, des Hautsystems mit seinem Zubehör, der innern Organe u. s. w. zu nennen sind. Auch in Bezug auf die Wachstumsverhältnisse, auf die Größe und das Körpergewicht finden sich Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern, ebenso in der Sterblichkeit.

Im erwachsenen Zustande scheint bei allen Menschenrassen das Weib kleiner zu bleiben als der Mann, die Größenverhältnisse des letztern zeigen aber sehr erhebliche Schwankungen, welche teils individueller Natur, teils durch den Rasseneinfluss bedingt werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Körpergewicht. Auch die Entwicklung von den kindlichen zu den erwachsenen Zuständen, der Eintritt der Pubertät, findet bei verschiedenen Völkern in verschiedenem Lebensalter statt. Im allgemeinen tritt die Pubertät bei dem weiblichen Geschlecht früher ein als bei dem männlichen, und bei beiden Geschlechtern in tropischen und subtropischen Gegenden frühzeitiger als in der kalten Zone. Das Studium des Menschen hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer besonderen Wissenschaft herausgebildet, zu der Anthropologie.

2 Anthropometrie

Die Forschungen über die Naturgeschichte des Menschen (somatische Anthropologie und Rassenanatomie) haben besonders in der neuesten Zeit einen sehr bedeutenden Aufschwung genommen, teils durch die Entdeckung des größten und menschenähnlichsten Affen, des Gorillas, teils durch die sich immer häufiger bietende Gelegenheit, Vertreter fremder Rassen in Europa oder in ihrer Heimat durch anthropologisch geschulte Forscher untersuchen zu können. Dafür wurden exakte Meßmethoden der Anthropometrie (Menschen- oder Körpermessung) ausgebildet, die nicht nur den Schädel in allen seinen Teilen, sowie seinem Innenraum nach, in Betracht ziehen (Kraniometrie), sondern ebenso genau jeden einzelnen Knochen des Skeletts und vor allem auch eine exakte vergleichende Aufnahme lebender M. gestatten. Wesentlich sind diese Forschungen gefördert worden durch die Stiftung anthropol. Gesellschaften (Berlin, Wien, München, Paris, London, Brüssel, Rom, Petersburg u. a.), die in ihren Gesellschaftspublikationen die wichtigsten Forschungsmethoden und -Ergebnisse mitteilen. In Frankreich (Paris) arbeiteten in dieser Richtung vor allem Broca und seine Schule, Topinard, Manouvrier u. a. und bildeten die Methoden der Technik namentlich für die Messung der einzelnen Knochen (Osteometrie) auf das feinste aus. Die von Göttingen ausgegangene, von Retzius (Menschenrassen) zuerst ausgebildete Schädelmessung wurde auch in Deutschland hauptsächlich fortgebildet, in der neuesten Zeit namentlich durch Virchow und seine anthropol. Schule, der es gelang, 1882 eine Verständigung über ein gemeinsames kraniologisches Verfahren (die von Virchow, Kollmann und Ranke ausgegangene Frankfurter Verständigung) zwischen der Mehrzahl der hervorragendsten Kraniologen des Kontinents zu stande zu bringen, der sich 1886 eine "Internationale kraniologische Vereinigung" anreihte, an der sich auch die Franzosen und Engländer, welche letztern die Anregung dazu gegeben hatten, beteiligten. Neue, sehr ins Einzelne gehende kraniometrische Methoden stellten Benedict und von Török auf. Für die messende Bestimmung der Haut- und Haarfarben dient die Farbentafel in Brocas "Instructions générales de la Société d'anthropologie" (2. Aufl., Par. 1879) und Raddes "Farbentafeln". - Vgl. P. Topinard, Éléments d'anthropologie générale (Par. 1885); (E. Schmidt, Anthropol. Methoden (Lpz. 1888); Bertillon, Das anthropometrische Signalement (deutsch von Surg, Bern und Lpz. 1895).

Für die anthropologische Aufnahmen und Messungen lebender Menschen wird von den deutschen Forschern ein von der Berliner Anthropologischen Gesellschaft herausgegebenes, von Rudolf Virchow entworfenes Schema benutzt, das alle Körperverhältnisse bis ins Einzelnste in Betracht zieht.

3 Kulturgeschichtliches

Die niedrigste Kulturstufe der sogenannten Wilden entspricht etwa der der prähistor. Bewohner Europas in der Steinzeit und der beginnenden Metallperiode: Jäger-, Krieger- und Fischervölker mit dem Übergang zu Viehzucht und Ackerbau, mit den für diese Kulturformen nötigen Künsten und Handwerken, Waffen und Geräten, die überall die größte Übereinstimmung erkennen lassen. Die Kunst des Feuerschlagens, Feuerreibens oder Feuerbohrens fehlte keinem der historisch bekannten oder der heutigen Kulturvölker. Ebenso finden sich überall irgend welche Gefäße aus Stein, Holz, Geflecht, Fruchtschalen, Ton u. a. Die Kunst der Tontöpferei ist jedoch nicht allgemein verbreitet; trotzdem werden die Speisen, namentlich Fleisch, überall, wenn auch oft in der primitivsten Weise, gekocht oder gebraten. Man kennt auch kein Naturvolk, das neben der freilich bei vielen sehr vorwiegenden Fleischnahrung (über Anthropophagie siehe Kannibalismus) nicht auch Vegetabilien verzehrte. Dabei finden sich aber auch bei Naturvölkern auffallende Speiseverbote teils für alle, teils für bestimmte Familien, teils nur für Mutter oder Vater vor. Auch nervenreizende Genussmittel und namentlich auch Alkoholika scheinen nirgends zu fehlen (Tabak, Sirih, Betel, Kaffee, Tee, Bier, Kawa u. s. w.). Kein Naturvolk entbehrt der Kunst des allerdings oft sehr primitiven Wohnungsbaues, wenn auch mehrfach namentlich für die ungünstige Jahreszeit Höhlen benutzt werden.

Nacktheit bei einem oder bei beiden Geschlechtern scheint in tropischen Klimaten bei Erwachsenen als Volkssitte nur ausnahmsweise, dagegen bei Kindern relativ häufig vorzukommen; aber dann fehlt fast niemals wenigstens Schmuck der verschiedensten Art, der ebenso bis zu einem gewissen Grade als Ersatz für die Kleidung angesehen werden kann, wie die über die ganze Welt, auch unter den Kulturvölkern verbreitete Sitte des Tätowierens. Die ursprünglichste Kleidung ist die Tierhaut oder das Feder- oder Blätterkleid. Die Gerberei, aber auch die Künste des Flechtens, Nähens und Webens gehören zu den Urkünsten der Menschheit; doch findet man in der Südsee wie in Zentralafrika, Südamerika u. s. w. auch vielfach Stoffe aus geklopfter Rinde (Tapa). Im allgemeinen zeigt sich die Kleidung, wo sie sich findet, wie die Wohnung dem Schutz gegen Witterungseinflüsse angepasst. Kein Naturvolk läßt das Bestehen der Familie vermissen, welche sich wie schon im Altertum so auch heute noch teils auf die Zugehörigkeit zur mütterlichen (Matriarchat), teils auf die zur väterlichen (Patriarchat) Familie gründet. Auch die Ehe (s. Monogamie und Polygamie) fehlt nirgends, und gerade bei sonst in der Kultur sehr tief stehenden Stämmen, z. B. den Wedda auf Ceylon u. s. w., ist sie monogam und wird sehr streng von beiden Ehegatten gehalten.

Nirgends fehlen die ersten Grundzüge eines öffentlichen oder staatlichen Lebens mit feststehenden Rangunterschieden, meist sich anschließend an die Familie. Ebenso sind bestimmte gesetzliche Vorschriften vorhanden. Auch primitive religiöse Anschauungen und Kulthandlungen mit Symbolen, sehr oft im Zusammenhang mit der Ausübung der Medizin, finden sich, wie es scheint, ausnahmslos, ebenso Tänze, die nicht selten zum Gottesdienste geboren, und Musik mit einfachsten oder höher entwickelten Musikinstrumenten. Die Bezeichnung der zivilisierten Völker als Schriftbesitzende und der unzivilisierten als schriftlose Völker ist nicht mehr streng richtig, da man auch bei den in der Kultur am tiefsten stehenden Australiern Schriftsurrogate an Botenstöcken u. s. w. aufgefunden hat; eine Bilderschrift scheint keinem Volke zu fehlen. Auch zur Zählkunst sind alle Stämme fortgeschritten, indem sie zur Bildung des Mehrheitsbegriffes, zunächst zur Zahl Zwei (die beiden Redenden), nächstdem zur Zahl Drei (die beiden Redenden und noch ein Anderer) und dann zur Zahl Fünf (entsprechend den Fingern einer Hand) u. s. w. gelangten. Das geistige und Gemütsleben zeigt überall auf der Erde die überraschendsten Analogien und Übereinstimmungen ("Völkergedanke"), das Gleiche gilt für die primitiven Künste und Industrien; die Ornamente sind überall teils Bilderschrift oder wenigstens aus solcher entstanden, teils der veredelte Ausdruck der Spuren der Herstellungstechnik.

4 Literatur

  • Prichard, Naturgeschichte des Menschengeschlechts (4 Bde., Lpz. 1840-48)
  • Nott und Gliddon, Types of Mankind (Philad. 1857)
  • Karl Vogt, Vorlesungen über den M., seine Stellung in der Schöpfung und der Geschichte der Erde (2 Bde., Gießen 1863-65)
  • Charles Darwin, Die Abstammung des M. (übersetzt von V. Carus, 5. Aufl., Stuttg. 1890)
  • Lyell, Das Alter des Menschen-geschlechts aus der Erde (deutsch von L. Büchner, 2. Aufl., Lpz. 1874)
  • Diefenbach, Vorschule der Völkerkunde (Frankf. 1864)
  • H. Ploß, Das Weib in der Natur- und Völkerkunde (4. umgearbeitete Aufl., von M. Bartels, Lpz. 1895)
  • Ellis, Man and Woman (Lond. 1894; deutsch Lpz. 1894)

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