Requiem Ebraico (Komposition von Erich Zeisl)

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Das Requiem Ebraico ist eine Komposition des jüdischen Komponisten Erich Zeisl aus dem Jahr 1945. Es ist heute Zeisls bekannteste Komposition, und gilt als eines der wichtigsten musikalischen Werke der Holocausterinnerung. [1]
Erich Zeisl schrieb das Requiem Ebraico für seinen Vater Siegmund Ziesl und andere Verwandte und Freunde, die in Treblinka (hier im Bild Gräber der Treblinka-Gedenkstätte) ermordet wurden
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1 Entstehung und Uraufführung

  • Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich floh Zeisl über Paris nach New York, und ging später nach Kalifornien. Dort machte er sich als Komponist für Soundtracks von Hollywood-Filmen einen Namen. Er unterrichtete auch am Los Angeles City College, instrumentierte als Auftragsarbeit Werke anderer Komponisten und schrieb weiterhin eigene Kompositionen für den Konzertsaal.
  • Anfang 1945 bekam er den Auftrag, Psalm 92 für ein interkulturelles Konzert, bei dem sich die drei abrahamitischen Religionen musikalisch vorstellen sollten, als jüdischen Beitrag zu vertonen. Als er kurz darauf die Nachricht bekam, dass sein Vater Siegmund Ziesl und andere Verwandte und Freunde in Treblinka und anderen Vernichtungslagern ermordet worden waren, beschloss er, die geplante Komposition als Requiem zu vertonen. [2]
    Notenbild 1: Anfang des Requiem Ebraico
  • Er schrieb im Juli 1945 zu seiner Motivation zu dem Werk u.a.:
"Ich schrieb das Werk in Erinnerung an meinen Vater, ein Opfer der Nazis. Seine Trauer und Stimmung ist heute - dies kann ich mit vollster Überzeugung aussprechen - in jedem jüdischen Herz vorhanden. Dies mag Aufführungen auch außerhalb der Synagoge sichern." [3]
  • Das Werk wurde dann am 8. April 1945 in der Hollywood First Methodist Church in Los Angeles mit großem Erfolg vor über 2.000 Zuhörern ohne Orchester und mit Orgelbegleitung uraufgeführt. Es sang dabei der Fairfax Temple Choir unter Leitung von Hugo Strelitzer. [4] [5]
  • Zeisls Verleger wolte das Requiem Ebraico anfänglich nicht drucken, weil er weder im Konzertsaal noch in der Synagoge große Erfolgsaussichten für die Komposition sah. Im Jahr 1946 wurde das Requiem Ebraico dann doch bei der Transcontinental Music Corporation herausgebracht.

2 Text und Musik

  • Das circa 22-minütige Werk ist besetzt für Solostimmen (Sopran, Alt und Bariton), vierstimmigen gemischten Chor, Orgel und Orchester. Man kann es wahlweise auch ohne Orchester mit Klavier- oder Orgelbegleitung aufführen. [6]
  • Das Werk beruht auf dem jüdischen Text von Psalm 92 (bekannt als Mizmor Shir L'yom HaShabbat und besonders dem Sabbat zugeordnet), und ist in fünf Abschnitte gegliedert [7]:
    Notenbild 2: Baritonsolo ab Takt 133 von Erich Zeisls Requiem Ebraico
    • Tov l'hodos l'Adonay
    • Alëyosor vaalëy novel
    • Mah godlu maasecho, Adonay
    • Tzadik katomor yifroch
    • L'hagid ki yoshor Adonay [8]
  • Die Verwendung von Psalm 92 (eher ein fröhliches Lob Gottes) für ein Requiem zum Gedenken an die Toten scheint widersprüchlich, was auch Zeisl selber bewusst war. Dazu schrieb er u.a.:
"Ich weiß, dass in Tov l`hodos (dem 92. Psalm) sehr gerne ein festlicher Sabbatgesang gesehen wird, aber ich könnte genauso gut damit argumentieren, dass es bis an die Grenze der Geschmacklosigkeit ginge, wenn die Juden heutzutage einen Festgesang anstimmen würden. Mit dem Herz voller Tränen halten sie an Gott fest und hören nicht auf, ihm zu danken und hören nicht auf zu hoffen. Dies ist die Botschaft und die Tröstung, die ich im Psalm 92 gefunden habe." [9]
  • Das Requiem Ebraico ist von der Musiksprache der Spätromantik beeinflusst, verwendet aber auch modale Skalen und melodische Figuren jüdischer Volksmusik. Kurze melodische Motive werden konsequent weiterentwickelt. Der Chorsatz ist stark polyphon gehalten, und das Werk endet mit einer vierstimmigen Fuge. [10]
  • Der 1. Teil des in h-Moll stehenden Requiem Ebraico beginnt (siehe Notenbild 1) mit einem Motiv, welches im weiteren Verlauf immer wieder auftaucht und quasi als Leitmotiv des Werkes fungiert. Es steigt mittels eines Quartsprungs und zweier Sekundschritte in gleichmäßigen Vierteln zur Sexte auf. Über eine Achteltriole wird dann die Oktave erreicht. Takt 1 stellt das Thema in Orgel und Cello vor. Dann bringen es die vier Chorstimmen in kanonisch imitierendem Einsatz: Sopran und 1. Violinen beginnen und in Takt 3 setzen Tenor und Cello ein. In den Takten 5 und 7 folgen dann Alt und Bass. Die Harmonik ist konven-tionell: Über h-Moll - hmsus4/6 - Gmaj7 - hm - hmsus-4/6 - em7 und em6 wird D-Dur, und dann über die Doppeldominante Cis-Dur schließlich die Dominante Fis-Dur (Takt 5) erreicht.
    Der österreichisch-jüdische Komponist Erich Zeisl
    In den Takten 10 bis 18 setzen Bass, Alt, Tenor jeweils dreimal hintereinander ein. Ab Takt 12 wird mit h-Moll - e-Moll - a-Moll - D-Dur - g-Moll - C-Dur und Fis-Dur das gängige Mittel der Quintfallseqeunz (eine Akkordfolge deren Grundtöne in Quintschritten abwärts gehen) eingesetzt. Die Takte 21 bis 26 bilden dann mit gemein-samem Chorsatz im crescendo den Höhepunkt des ersten Teils. Die Dynamik wird wieder auf pp zurückgefahren und Oboe und Bassklarinette greifen ab Takt 26 das Hauptthema in einem instrumentalen Zwischenspiel auf. Nachdem die Streicher das Thema in Takt 35 und 36 aufgenommen haben verebbt die Musik dann bis zum pppp.
  • Der Anfang des 2. Teiles (Takt 41 ff.) wirkt weniger ernsthaft und schwer: Der Alt bringt ein in Dur stehendes, an Bachkantaten oder italienische Opernarien erinnerndes Solo. Der Melodieanfang ist eine Umkehrung des Hauptthemas mit allerdings veränderten Intervallschritten. Die Orgel begleitet mit einem durchgehaltenen Quintintervall g - d und die 1. Violine steuert Figuration in Achtelwerten bei. Flöte und Bassklarinette legen ab Takt 42 im Wechsel das Thema der Altstimme darüber. Ab Takt 49 setzt das auf D-Dur startende Hauptthema im Chor und Orchester ein. Es folgt ab Takt 58 erneut ein instrumentales Zwischenspiel, in dem Zeisl gegen Ende von h-Moll nach gis-Moll moduliert.
  • Der dritte Teil (Takt 70 ff.) beginnt mit einem in der Partitur Baritone-Solo (Cantor) überschriebenen Abschnitt. Hier begegnet der Hörer erstmalig Elementen jüdischer Musik: Der synagogale Charakter des Gesangs wird durch rhythmisch freie Gestaltung, Tonwiederholungen und verzierende Melismen (Achtel- und 16-Triolen sowie 16-Quintolen bzw. 16-Sextolen) unterstrichen. In einem kurzen instrumentalen Zwischenspiel ab Takt 107 taucht das Hauptmotiv nacheinander in Cello und Bassklarinette auf, bevor ab Takt 113 der Höhepunkt des dritten Teils vorbereitet wird: Der Chor bringt unisono und im forte ein rhythmisch markantes, vom a zum eine Oktave darüber liegenden a aufsteigendes Motiv, dessen rhythmische Kontur von Hörnern, Trompeten und Kleiner Trommel lautstark unterstützt wird. Der dynamische Höhepunkt ist dann mit vollem Orchestersatz im ff in Takt 125 erreicht. Dynamik und Instrumentationsdichte werden danach wieder zurückgefahren und der Baritonkantor setzt (siehe Notenbild 2) zu einem erneuten, noch "orientalisch-jüdischer" wirkenden, klagenden Solo an. Zeisl hat diesen Abschnitt mit Lamento überschrieben und die Baritonstimme mit dem Zusatz free psalmoding versehen.
  • Der Sopran eröffnet den vierten Abschnitt (Takt 150 ff.) mit einem nicht im "Kantorialstil" stehenden, wieder das Hauptmotiv des Werkes verwendenden Solo. Ab Takt 166 tritt der Alt hinzu und es entwickelt sich ein Duett, bei dem die beiden Solisten sich in der Motivführung abwechseln und dabei immer mehr in die Höhe "schrauben". Die Dynamik wird gesteigert (Takt 200 ff.), und das anfangs eher an Johann Sebastain Bach erinnernde Requiem Ebraico geht zu einer mehr spätromantischen, an Richard Wagner oder Anton Bruckner erinnernden Tonsprache über. Nachdem Zeisl noch nach h-Moll zurück moduliert hat beginnt ab Takt 246 der letzte Teil der Komposition.
  • Beim fünften Teil handelt es sich um eine vierstimmige Chorfuge mit den anfänglichen Themeneinsätzen Bass - Tenor - Alt - Sopran. Das Fugenthema beruht auf dem bekannten Hauptmotiv, welches Zeisl allerdings rhythmisch umformt indem er zwei Achtelnoten integriert und die Achteltriole weglässt, wodurch es forscher und zupackender wirkt. Anfänglich begleiten nur Streicher und Orgel. Ab Takt 89 treten dann sukzessive Posaune, Horn, Holzbläser, Trompete und Flöte hinzu, steigern die Drama-tik und verlassen dann wieder das Geschehen. Ab Takt 368 legt Zeisl noch ein Baritonsolo in lang ausgehaltenen Notenwerten über den vierstimmigen Chorsatz. Klangfülle und Dynamik steigern sich (ab Takt 400 zusätzlich mit Becken, Pauke und tiefen Glocken) und das Werk endet schließlich in strahlendem D-Dur.

3 Rezeption

  • Colin Sabiston von der Zeitung Toronto Globe and Mail lobte das Werk anlässlich einer Aufführung in Toronto am 25. März 1947 u.a. mit folgenden Worten:
"Dies ist eines der ergreifendsten Stücke elegischer Musik in der gesamten Musikgeschichte. Es ist eher große Musik, als ein soziales Dokument. (...) Es reduziert die Reaktion des Hörers auf eine einzige Emotion, die so tief ist wie einen das Herz tragen kann." [11]
  • Die Orchesterpremiere des Werkes in den USA am 23. Januar 1948 wurde weniger gut rezensiert. Alfred Price Quinn schrieb in der jüdischen Zeitung B`nai B´rith Messenger u.a.:
"Komponisten von Zeisl`s Kaliber wachsen in Wien wie Bananen. (...) Dies Requiem ist nicht besonders bedeutsam. Die Vielzahl von übermäßigen Sekunden offenbart eine beschränkte Erfahrung des Komponisten beim Schreiben von Chormusik. Die Schlussfuge ist der mit Abstand beeindruckendste Teil des Werkes." [12]

4 Links und Quellen

4.1 Siehe auch

4.2 Weblinks

4.2.1 Bilder / Fotos

4.2.2 Videos auf Youtube

4.3 Literatur

4.4 Einzelnachweise

  1. Malcolm S. Cole und Barbara M. Barclay: Armseelchen - The Life and Music of Eric Zeisl, Greenwood Press, 1984, S. 50 und 51
  2. Gertrude Susanne Zeisl: Eric Zeisl - His life and music / Gertrude Susanne Zeisl interviewed by Malcolm S. Cole, University of California, 1978, S. 246 bis 248
  3. Manuela Schwartz im CD-Booklet der Einspielung des Werkes unter Decca 460 211-2 aus dem Jahr 1998
  4. www.milkenarchive.org
  5. Kenneth H. Marcus: Schoenberg and Hollywood Modernism, Cambridge University Press, 2016, S. 173
  6. Robert Chase: Dies Irae - A Guide to Requiem Music, Scarecrow Press, 2003, S. 506
  7. Kenneth H. Marcus: Schoenberg and Hollywood Modernism, Ca,bridge University Press, 2016, S. 173
  8. www.zeisl.com
  9. Christian Heindl im Vorwort der Partitur Requiem Ebraico - Der 92. Psalm für Soli, gemischten Chor, Orgel und Orchester, Doblinger Stp. 740
  10. Robert Chase: Dies Irae - A Guide to Requiem Music, Scarecrow Press, 2003, S. 506
  11. Im Original: "This is one of the most gripping pieces of elegiac composition in the history of music. It ist great music, rather (than) a social document. (...) It reduces all one`s reactions to a single emotion about as deep as the heart can bear." (nach Malcolm S. Cole und Barbara M. Barclay: Armseelchen - The Life and Music of Eric Zeisl, Greenwood Press, 1984, S. 53)
  12. Im Original: "Composers of Zeisl`s calibre grow in Vienna like bananas. (...) This Requiem is not especially significant. Its multitude of augmented seconds discloses a limited experience in writing for chorus. The final fugue is by far the most impressive section of the work." (nach Malcolm S. Cole und Barbara M. Barclay: Armseelchen - The Life and Music of Eric Zeisl, Greenwood Press, 1984, S. 53)
  13. Im Original: "I know that the Requiem (Ebraico) was played over the radio, and the person who arranged these concerts where the Requiem was played was a composer by the name of JUlius Toldi, who was a student of Schoenberg and who later was completely flustered and flabbergasted about the fact that Schoenberg had liked the Requiem very, very much. He couldn't understand, because it was tonal music. But Hanns Eisler, who was a Schoenberg student and atonal, also was very fond of Eric's music, had a great deal of admiration for him and told him so." (nach Gertrud Zeisl's Oral History)

5 Hinweis zur Verwendung

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6 Andere Lexika

Wikipedia kennt dieses Lemma (Requiem Ebraico (Komposition von Erich Zeisl)) vermutlich nicht.




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