Peter Paul Rubens (Historisch)

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Selbstbildnis, 1638-1639

Peter Paul Rubens (* 29. Juni 1577 in Siegen, wo sein Vater, ehemals Schöffe in Antwerpen, wegen Ehebruchs mit der Gemahlin des Prinzen Wilhelm von Oranien gefangen gehalten wurde, war ein niederländer Maler und das Haupt der belgischen Malerschule.

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1 Leben

Rubens mit seiner ersten Frau Isabella Brant

Nach des Vaters Tod 1587 zog die Witwe mit ihren Kindern nach Antwerpen zurück, und R. fungierte einige Zeit als Page, widmete sich aber seit 1592 der Kunst und hatte nacheinander Tobias Verhaegt, van Noort und namentlich Otto van Veen zu Lehrern. 1598 wurde er in die Malergilde zu Antwerpen aufgenommen. Im Mai 1600 ging er nach Italien und verweilte zunächst in Venedig, um daselbst Tizian, Veronese u. a. zu studieren. Hier wurde der Herzog Vincenzo Gonzaga von Mantua auf ihn aufmerksam gemacht, der ihn als Hofmaler nach Mantua berief. Die Kunstschätze des Herzogs, die Fresken Giulio Romanos, die Arbeiten Mantegnas in Mantua boten ihm die reichste Anregung.

Nach längerem Aufenthalt in Rom begab sich R. 1603 als Überbringer kostbarer Geschenke des Herzogs an den spanischen Hof nach Madrid. 1604 zurückgekehrt, malte er ein Triptychon mit der heiligen Dreifaltigkeit für die Jesuitenkirche in Mantua. 1605 ging er nach Rom, wo er ein Altarbild für Santa Maria in Vallicella (Madonna mit sechs Heiligen) zu malen begann (1608 vollendet). 1607 besuchte er mit dem Herzog Genua, wo er die Marchesa Spinola malte, und Mailand. Die Nachricht von der Krankheit seiner Mutter rief ihn im Herbst 1608 nach Antwerpen zurück; und die Trauer über ihren Tod sowie die Versprechungen des Erzherzogs Albert, des Statthalters der Niederlande, der ihn zu seinem Hofmaler ernannte, hielten ihn dort fest.

Im J. 1609 vermählte er sich mit Isabella Brant und 1611 gründete er sich ein eignes prächtiges Heim, in dem er seine reichen Sammlungen unterbrachte. Sein Atelier füllte sich bald mit Schülern. Die ersten Bilder dieser Periode sind: die Anbetung der Könige (1610, Museum zu Madrid), der Altar des heil. Ildefonso (Wien), ein Werk von wunderbarer Feinheit der Ausführung und zartem Dufte der Farbe (damals begonnen, aber erst nach 1630 vollendet) und das berühmte Bild in der Pinakothek zu München, welches ihn und seine Frau Isabella vorstellt, in einer Laube sitzend. Welche Meisterschaft R. damals schon in dramatisch bewegten Darstellungen entfalten konnte, zeigen die Kreuzaufrichtung von 1610 und die Kreuzabnahme von 1611 (beide in der Kathedrale zu Antwerpen), in welchen noch am meisten die Erinnerungen an Michelangelo und Caravaggio nachklingen. Von Jahr zu Jahr mehrte sich der Ruhm Rubens wie sein Reichtum, seine Ehren und die Zahl seiner Schüler.

1622 rief ihn Maria de Medici nach Paris, um ihren dort erbauten Luxembourgpalast mit Darstellungen der merkwürdigsten Begebenheiten ihres eigenen Lebens zu schmücken. R. entwarf die Skizzen (Münchener Pinakothek) und ließ danach von seinen Schülern die Gemälde ausführen, die er überging und 1625 selbst nach Paris brachte (jetzt im Louvre). Nachdem R. schon seit 1623 als diplomatischer Agent in den Diensten der Erzherzogin Isabella zum Zweck von Friedensunterhandlungen tätig gewesen, sandte ihn 1628 die Erzherzogin in gleicher Absicht nach Spanien. R. gewann das Vertrauen des Königs, wurde Sekretär des Geheimen Rats und führte während seines Aufenthalts in Madrid mehrere Werke aus.

Von Madrid wurde er unmittelbar 1629 nach London gesandt, um mit dem König wegen des Friedens zu verhandeln, und diesen Vorbesprechungen wurde es verdankt, daß der Friede 1630 unterzeichnet wurde. Der König von England schlug ihn zum Ritter. Auch in London war er als Maler tätig. In der Folge ward er noch zu mehreren Staatsgeschäften gebraucht, die ihm jedoch geringere Ehren einbrachten.

Nach dem Tod seiner ersten Gattin (1626) vermählte er sich 1630 mit der schönen Helene Fourment, welche ihm häufig als Modell diente. In den spätern Jahren seines Wirkens entwarf er, da sich die Aufträge zu sehr häuften, fast nur noch die Skizzen selbst; die Ausführung mußte er seinen Schülern überlassen, und nur einzelnes, besonders die Hauptteile, überging er bisweilen. Bei Übernahme von Arbeiten wurde häufig ausgemacht, von welchen Schülern er sich helfen lassen dürfe. R. lebte jetzt bald in der Stadt, bald auf seinem Landsitz Steen bei Mecheln. Seit 1635 malte er meist Staffeleibilder von feinerer Ausführung. Er starb nach längerm Leiden an der Gicht 30. Mai 1640 in Antwerpen.

Die Stelle, wo seine Gebeine in der St. Jakobskirche zu Antwerpen ruhen, bezeichnet ein vortreffliches Werk seiner Hand, die Madonna mit dem Kind und mehreren Heiligen darstellend. Der Erlös aus dem Verkauf seines Nachlasses belief sich auf 1,010,000 Gulden. 1840 wurde R. zu Antwerpen eine von Geefs modellierte Bronzestatue gesetzt und 1877 sein 300jähriger Geburtstag in Antwerpen und Siegen feierlich begangen. Rubens Hauptstreben ging auf höchste Lebendigkeit der Darstellung und auf das höchste Maß von koloristischer Wirkung.

2 Rubens vielseitiges Werk

Die erloschene religiöse Begeisterung suchte R., ohne sich jedoch in den Dienst einer fanatischen kirchlichen Richtung zu stellen, dadurch wieder anzufachen, daß er selbst Gegenstände, deren Natur eine ruhige Darstellung erforderte, in lebhaft bewegter Weise auffaßte. Seine Werke tragen mehr als die jedes andern Malers das Gepräge des ursprünglichen, frischesten, lebendigsten Ergusses der Phantasie. Wie Rembrandt der Maler des Helldunkels, so ist R. der Maler des Lichts und der Farbenglut. Seine Kunst umfaßte den gesamten Kreis des Darstellbaren. Hinsichtlich des Reichtums seiner Erfindungen sind ihm von den größten Malern unter den neuern nur Raffael und Albrecht Dürer zu vergleichen.

Seine Gestalten, besonders die weiblichen, leiden bisweilen unter einem Übermaß von Fleischesfülle und Muskelreichtum; aber dieser üppige Reichtum bildet einen Bestandteil seiner über menschliches Maß hinaus gesteigerter mit Michelangelo verwandten Formensprache. Seine Freude an der sinnlichen Erscheinung bildet einen scharfen Gegensatz zu der weltentrückten Frömmigkeit der Andachtsbilder der ältern Schule; aber die sinnliche Glut seiner Farbe und das berauschende Fortissimo seiner religiösen Kompositionen kamen den katholischen Reformbestrebungen, die in erster Linie durch die Jesuiten vertreten wurden, sehr entgegen, weshalb ihn auch die Jesuiten 1620 mit der Ausschmückung ihrer Kirche in Antwerpen betrauten und er bis an sein Lebensende der bevorzugte Kirchenmaler der katholischen Welt blieb.

Die gleiche Kraft leidenschaftlicher Darstellung widmete er aber auch mythologischen Gegenständen. In der Darstellung des Nackten, in der wunderbaren Leuchtkraft der Fleischfarbe ist er unübertroffen. Er war der erste, der nicht nur ausgekleidete Modelle nachbildete, sondern Gestalten schuf, welche, wie die der Griechen und Römer, an Nacktheit gewöhnt waren. R. hat etwa 1500 Bilder hinterlassen, von denen freilich ein großer Teil von Schülerhänden ausgeführt und nur von ihm übergangen worden ist. Neben den bereits genannten religiösen Bildern ist das jetzt im Belvedere zu Wien befindliche Bild des heil. Ignatius von Loyola, der den Teufel austreibt, als eins derjenigen Werke auszuzeichnen, woraus die eigentümliche Größe von R. besonders hervorleuchtet. Am herrlichsten kommt diese letztere aber zur Entfaltung in solchen Bildern, die eine dramatische Behandlung erfordern, wie die Bilder: der Sturz der rebellischen Engel, der Sturz der Verdammten, das große und kleine Jüngste Gericht, das apokalyptische Weib, die Niederlage Sanheribs und der bethlehemitische Kindermord (sämtlich in der Münchener Pinakothek).

Von anderen biblischen Darstellungen sind zu nennen: das Urteil Salomos, Samson und Delila, Christus und die bußfertigen Sünder, Lot mit Frau und Töchtern von zwei Engeln aus Sodom geleitet (bei Mr. Butler zu London), zahlreiche Darstellungen der Anbetung der Könige und der Himmelfahrt Mariä (letztere zu Antwerpen, Brüssel, Düsseldorf, Wien), die Kreuzigung Petri (Peterskirche zu Köln), die Kreuzigung Christi (coup de lance, Antwerpen), die Kreuztragung Christi (Brüssel) und die heil. Cäcilia (Berlin).

Ganz frei und eigentümlich erscheint der Künstler in der Behandlung des klassischen Altertums, dem er eine große Zahl von Bildern entnahm, zum Teil aus der Göttergeschichte, besonders aus dem bacchischen Kreis (zahlreiche Bacchanalien), zum Teil aus der Heroengeschichte (Decius Mus in Wien). Hervorzuheben sind: der Raub der Töchter des Leukippos, die Amazonenschlacht und der sterbende Seneca (München), das Venusfest und Boreas und Oreithyia (Wien), Jupiter und Kallisto (Kassel), Neptun und Amphitrite, die gefesselte Andromeda und Bacchanal (Berlin), das Urteil des Paris (Madrid) und Neptun auf dem Meer (Dresden, ein Teil der unter Rubens Leitung ausgeführten Dekorationen zum Einzug des Kardinal-Infanten Ferdinand zu Antwerpen, 1635).

Mit gleicher Wärme und Liebe umfaßte R. die Darstellung des Naturlebens und des fröhlichen Treibens der Kinder. Das vortrefflichste Bild letzterer Art sind die sieben Kinder in der Pinakothek zu München, welche einen mächtigen Fruchtkranz tragen. In seinen Tierbildern, die zum Teil in Gemeinschaft mit F. Snyders entstanden sind, entfaltet R. ebenfalls das höchste Maß von Lebendigkeit und dramatischer Kraft. Es sind zumeist Jagden, unter denen die Löwenjagd in München, die Wolfsjagd bei Lord Ashburton, die Wildschweinjagd in Dresden und die Hirschjagd der Diana in Berlin in erster Reihe stehen.

Auch für die Landschaftsmalerei war R. bahnbrechend, weil er Größe der Auffassung mit Tiefe und Kraft der Stimmung verband. Es gibt sowohl solche Landschaften von ihm, welche, mit Zuziehung einiger Motive aus der Natur aus freier Phantasie hervorgegangen, die Elemente in ihrem Aufruhr zeigen (Odysseus an der Küste der Phäaken in Florenz, Überschwemmung mit Philemon und Baucis in Wien), als solche, die den idyllischen Charakter von Rubens reichgesegnetem Heimatland darstellen (Landschaft mit dem Regenbogen in München, Abendlandschaft in Petersburg).

Seine wenigen Genrebilder zeichnen sich durch eine geistreiche Auffassung und eine freie Behandlung aus (Bauernkirmes und Turnier im Louvre, Bauerntanz in Madrid). Von den Konversations- und Schäferstücken existiert der Liebesgarten in vielen Exemplaren, von denen aber das Bild in Madrid, nicht das in Dresden, als das Original zu betrachten ist. Ein andres Konversationsstück befindet sich unter dem Namen "der Schloßpark" im Belvedere zu Wien.

Unter seinen zahlreichen Bildnissen gehört das Bild im Palast Pitti zu Florenz, bekannt unter dem Namen der vier Philosophen, welches Justus Lipsius, Hugo Grotius, Philipp Rubens und den Künstler selbst vorstellt, seiner frühsten Zeit an. Ausgezeichnet sind auch die Bildnisse von R. und seiner Frau im Schloß zu Windsor, bedeutender aber noch sind dessen Familienporträt in der Nationalgalerie zu London, das Bild seiner Frau mit Kind in München und das Doppelbildnis seiner Söhne in der Galerie Liechtenstein zu Wien. Eins seiner vollendetsten Bildnisse ist das des Doktors van Tulden in der Pinakothek zu München; ausgezeichnet durch sein magisches Helldunkel ist das unter dem Namen des Strohhuts bekannte Bildnis eines Mädchens in der Nationalgalerie zu London und meisterhaft in der Modellierung des Fleisches das Bildnis der nur mit einem Pelz bekleideten Helene Fourment in Wien. Wenige Künstler haben auf ihre Zeit einen so mächtigen, unwiderstehlichen Einfluß geübt wie R.; es gibt keinen Zweig der niederländischen Malerei, auf den er nicht bestimmend eingewirkt hätte.

3 Schüler

Die Zahl seiner Schüler war außerordentlich groß. Die bedeutendsten sind: van Dyck, Soutman, Th. van Tulden, M. Pepyn, A. Diepenbeek, C. Schut, E. Quellinus, J. ^[Justus] van Egmont, J. ^[Jan] van Hoeck etc. Außerdem aber hat er auch eine Schule von ausgezeichneten Kupferstechern herangezogen, wie Vorsterman, S. a Bolswert, Pontius etc., die seine Werke auf seine Kosten für den Verkauf in Kupfer stachen, während Chr. Jegher sie in Holz schnitt. Auch war er selbst der Radierkunst mächtig, und überdies hat er eine große Zahl von Zeichnungen für Büchertitel, Bücherverzierungen u. dgl. angefertigt. Er hat zahlreiche Handzeichnungen hinterlassen (in London, Paris und Wien). R. war ein Mann von universeller gelehrter Bildung, welcher mit zahlreichen Zeitgenossen in Briefwechsel stand.

4 Literatur

Michel, Histoire de la vie de R. (Brüssel 1771); Waagen, Kleine Schriften (Stuttg. 1875); Sainsbury, Original unpublished papers illustrative of the life of R. (Lond. 1858); Bakhuizen van den Brink, Les R. à Siegen (Haag 1861); Michiels, R. et l'école d'Anvers (4. Aufl., Par. 1877); Gachard, Histoire politique et diplomatique de R. (Brüssel 1877); Génard, P. P. R. (Antw. 1877); Hymans, Histoire de la gravure dans l'école de R. (Brüssel 1879); Rosenberg, Rubensbriefe (Leipz. 1881); Goeler v. Ravensburg, R. und die Antike (Jena 1882); Rooses, R. en Balth. Moretus (Antwerp. 1884); Derselbe, L'œuvre de R. (das. 1887 ff., 4 Bde.); Rosenberg, Die Rubensstecher (Wien 1888 ff.); Ruelens, Correspondance de R. (Antwerp. 1888 ff.).

5 Quelle

6 Weblinks

 Commons: Peter Paul Rubens – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien


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