Wolfgang Sellinger

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Wolfgang Sellinger (* 15. Februar 1949 in Eichstätt) ist ein deutscher Künstler und Galerist. Bekanntheit erlangte Sellinger durch die Galerie der Kirchenkritik. Seit 2010 unterhält er die Galerie der Kirchenkritik, einen öffentlichen Schauraum in Eichstätt. Hierbei werden die Besucher mit plakativen Bildtafeln konfrontiert, auf denen Sellingers eigene kirchenkritische Aussagen und Zitate bekannter Atheisten zum Nachdenken anregen sollen.

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1 Biographie

1.1 Kindheit, Jugend und Wehrdienst

Sellinger ist in der Domstadt Eichstätt in Oberbayern aufgewachsen. Nach der Grundschule besuchte er zunächst die Knabenrealschule Rebdorf, eine von den Herz-Jesu-Missionaren betriebene Internatsschule. Die Erfahrungen dort prägten maßgeblich seine spätere kirchenkritische Einstellung. Beispielsweise sollen die Schüler zu Sellingers Schulzeit im Internat körperliche Misshandlungen erfahren haben. So sollen einige der Patres ihn bei echten oder vermeintlichen Verfehlungen mit den Kordeln ihrer Kutten unter anderem auch ins Gesicht geschlagen haben.[1] Am schlimmsten empfand Sellinger dabei allerdings nicht den Schmerz an sich, sondern die demütigende Erfahrung, dass die Geistlichen bei der Züchtigung lachten.[2] An ähnliche disziplinarische Maßnahmen der damals an der Schule unterrichtenden weltlichen Lehrkräfte kann sich Sellinger nicht erinnern. Aufgrund dieser Erlebnisse wechselte er im Jahre 1963 an die konfessionsfreie Realschule in Brannenburg, wo er 1965 die Mittlere Reife erwarb. Nachfolgend schloss er eine Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann in der Schuhbranche ab. Es folgten kaufmännische Tätigkeiten.

1969 wurde er zum 18-monatigen Grundwehrdienst der Bundeswehr eingezogen, wo seine autoritätskritische Einstellung zunächst eine Überweisung in die Nervenklinik der Universität München zur Folge hatte und dann zu einer vorzeitigen Entlassung führte.[3] Seitdem ist Sellinger bei Anti-Militär-Aktionen aktiv.[4] In den Jahren ab 1970 war Sellinger im kaufmännischen Bereich im Groß- und Einzelhandel wie auch als Handelsvertreter tätig. Im Jahr 1987 wechselte er in die Bereiche Hausverwaltung, genauer in den Bereich Vermietung und Verpachtung.

1.2 Persönliche und politische Entwicklung

Im Jahr 1989 beantragte Sellinger die Staatsbürgerschaft der damaligen DDR. Diese wurde ihm am 6. August 1990 gewährt. Seit 1999 hatte Sellinger immer wieder massive Auseinandersetzungen mit der Verwaltung der Stadt Eichstätt. Dies begann mit einer eigenwilligen Werbemaßnahme Sellingers für das Sonnenstudio seiner Lebensgefährtin Ingrid Schnell. Diese Art der Werbung wollte die Stadtverwaltung nicht akzeptieren.[5][6] Am 6. Februar 2001 heiratete er seine langjährige Lebenspartnerin Schnell.

Des Weiteren engagiert sich Sellinger im Bereich der Pferdehaltung und der Disziplin des Distanzsportreitens. Mitte der 1990er Jahre errichtete er auf dem Hofgut Bergèr auf der Jurahöhe Eichstätts einen Pferdestall, der im Jahr 2000 von der LAG (Laufstall-Arbeits-Gemeinschaft e.V. für artgerechte Pferdehaltung) mit fünf Sternen ausgezeichnet wurde. Unter mehr als 370 Bewerbern erhielt Sellingers Stall den ersten Platz. Die Deutsche Meisterin im Distanzreiten, Belinda Hitzler, bezeichnete den Stall in ihrem Buch „Herausforderung Distanzreiten“ als „vorbildlichen Offenstall“.[7]

Im Jahr 2011 forderte Sellinger wie viele andere die Aufarbeitung der sexuellen Missbrauchskandale der katholischen Kirche und eine „klare Trennung zwischen Kirche und Staat“.[8] Mit 67 Jahren zog sich Sellinger schrittweise aus dem aktiven Berufsleben zurück, um sich vornehmlich der Aufgabenstellung seiner Galerie der Kirchenkritik zu widmen, die er im vormaligen Sonnenstudio seiner Frau aufbaute,[9] Er ist Mitglied der Wolfgang Sellinger beim Bund für Geistesfreiheit[10] und ist heute ein Galerist.[11]

2 Werke

Im Frühjahr 2010 eröffnete Wolfgang Sellinger die Galerie der Kirchenkritik in der Fuchsbräugasse 1 in Eichstätt.[12] Im Schauraum der Galerie wird der Besucher mit Plakaten und Skulpturen konfrontiert, die sich in provokanter Weise mit der christlichen Glaubensidentität auseinandersetzen. Auf seinen Schautafeln benutzt Sellinger neben eigenen Aussagen häufig auch Zitate bekannter kirchenkritischer Autoren wie Friedrich Nietzsche, Kurt Tucholsky,[9] Richard Dawkins und Karlheinz Deschner. Gegenständliche Ausstellungsstücke beinhalten beispielsweise einen gekreuzigten, ausgestopften Stallhasen als Anspielung auf das christliche Osterfest oder den „Nonnentröster“, ein Kruzifix mit einem an der Basis befestigten Dildo als Kommentar zur katholischen Sexualmoral.[13] Da Eichstätt als Bischofsstadt überwiegend katholisch geprägt ist, stieß die Galerie auf gemischte öffentliche Reaktionen, von ironisch-witzig bei Touristen bis zum Entsetzen bei Einheimischen, die teilweise Anzeige erstatteten.[9]

Nach eigenen Aussagen will Wolfgang Sellinger nicht vorrangig provozieren. Ihm ist daran gelegen seinen „Beitrag zu leisten, dass Kunst-, Rede-, und Pressefreiheit die hohen Güter bleiben, die eine Demokratie auszeichnen, ohne Ansehen von Person, Herkunft oder Glauben“.[14]

Am 2. August 2013 eröffnete Wolfgang Sellinger in der säkularisierten, ehemaligen Johanniskirche in Eichstätt als Erweiterung seiner Galerie eine zweiwöchige Sonderausstellung mit ausgewählten eigenen Exponaten sowie Werken anderer Künstler.[15] Die Nähe des Ausstellungsraumes zum Eichstätter Dom verstand Sellinger bewusst als zusätzliche Provokation. Es kamen etwa 2600 Besuchern innerhalb der zwei Wochen.

Trotz der teils negativen Kritik in Presse und Öffentlichkeit entschied sich Sellinger im Jahr 2014 zu einer zweiten Ausstellung in der Johanniskirche. Hierzu ermunterte ihn die große Anzahl positiver Rückmeldungen, die ihn in der Folgezeit erreichte. Die zweite Ausstellung des Künstlers wurde Anfang August 2016 eröffnet.[16]

Wolfgang Sellinger stellt regelmäßig auf dem Corso Leopold,[17] auf den Katholikentagen in mehreren deutschen Städten,[18] auf dem Christopher Street Day und auf dem Rebellischen Musikfestival in Truckenthal eine Auswahl seiner Werke zur Schau.

3 Rezeption

Gegen seine zweite Ausstellung sammelten der Eichstätter Dompfarrer Josef Blomenhofer und Pater Michael Huber vom Orden der Herz-Jesu-Missionare im Kloster Rebdorf zusammen mit Margret Weindl über 2000 Unterschriften,[19] die sie der Stadtverwaltung vorlegten. In wiederholten Schreiben hatte Sellinger bereits seit Oktober 2013 die Stadt Eichstätt um die erneute Anmietung der Johanniskirche als Ausstellungsort ersucht. Nachdem die Anfragen unbeantwortet blieben, leitete Sellinger eine Klage wegen Untätigkeit gegen die Stadtverwaltung ein. Nach einer Klage beim Verwaltungsgericht München kam es am 7. Oktober 2015 zur Gerichtsverhandlung. Dabei bekräftigte die Richterin gegenüber dem Vertreter der Stadt die Rechtmäßigkeit von Sellingers Anliegen und erklärte, dass eine „Schau nicht einfach abgelehnt“ werden dürfe, nur weil die Stadt um ihren Ruf fürchtet.[20] Die juristische Auseinandersetzung fand mediales Echo.[21][22][23]

4 Weblinks

5 Vergleich zu Wikipedia



6 Einzelnachweise

  1. Andreas Salch: “Besser bisexuell als bigott”. In: Süddeutsche Zeitung. sueddeutsche.de, 2015-10-07. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  2. Carsten Frerk: “Der Sellinger”. In: YouTube. youtube.com, 2016-06-18. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  3. Schamlose Art. In: Der Spiegel. spiegel.de, 1970-01-26. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  4. Auf, auf zum gesegneten Sterben!. In: Bund für Geistesfreiheit. bfg-muenchen.de, 2012-07-28. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  5.  Eva Chloupek: Eine quietschgelbe Rikscha-Armada rollt auf die Stadt zu. In: Eichstätter Kurier. 5. November 1999
  6.  57 Rikschas sollen bald eine Stadt überrollen. In: Nürnberger Nachrichten. 15. Dezember 1999
  7.  Belinda Hitzler: Herausforderung Distanzreiten. 1 Auflage. BLV Verlag, München 2001, ISBN 3405161118, S. 34–35.
  8. Papst ruft Katholiken auf, zu ihrer Kirche zu stehen. In: Die Welt. welt.de, 2011-09-22. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  9. 9,0 9,1 9,2  Richard Auer, Gerhard von Kapff: 111 Orte im Altmühltal und in Ingolstadt, die man gesehen haben muss. 3 Auflage. Emons Verlag, Köln 3. September 2015, ISBN 3954516160, S. 36–37.
  10. nr: Neuwahlen beim Bund für Geistesfreiheit. In: Augsburger Allgemeine. augsburger-allgemeine.de, 2016-07-20. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  11. Dieter Klug: „Mut zum Hut“ – nicht nur für Weibsbilder. In: Münchner Merkur. merkur.de, 2015-11-30. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  12.  kno: Anti-Klerus-Kampagne: Hochwürden wird handgreiflich. In: Donaukurier. 21. Mai 2010, S. 25.
  13. Wolfgang Sellinger: Fotogalerie. In: Galerie der Kirchenkritik. galerie-der-kirchenkritik.de. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  14.  Jürgen Knopp: Klage gegen Stadt wegen „Untätigkeit“. In: Donaukurier. 29. Januar 2015, S. 19.
  15. andrasch: Unsere Veranstaltungstipps für 3.-5.8.. In: LORA München. lora924.de, 2013-08-02. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  16. Eva Chloupek: Religionsfreie Zone?. In: Donaukurier. donaukurier.de, 2016-08-07. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  17.  Wolfgang Görl: Griechen und Götter. In: Süddeutsche Zeitung (München City). 11. Juni 2012, S. R3.
  18. Spaghetti-Monster und drohende Götter. In: Bayerischer Rundfunk. br.de, 2014-05-31. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  19. “Stört Frieden”. In: Donaukurier. donaukurier.de, 2015-03-03. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  20. Provokant, verachtend, umstritten. In: Sat.1. sat1bayern.de, 2015-10-15. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  21. Susanne Pfaller: Stadt blitzt vorm Verwaltungsgericht ab. In: Bayerischer Rundfunk. br.de, 2016-04-12. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  22. Karin Derstroff: Der Kreuzzügler. In: Donaukurier. donaukurier.de, 2016-08-08. Abgerufen am 16. Oktober 2016.
  23. jot: Erbitterter Kirchenstreit um religionskritische Comics. In: Abendzeitung. abendzeitung-muenchen.de, 2015-10-08. Abgerufen am 16. Oktober 2016.

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