Der Bettler von Jerusalem (Roman von Elie Wiesel)

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Buchcover von Elie Wiesels Roman Der Bettler von Jerusalem
Der Bettler von Jerusalem (französischer Originaltitel: Le Mendiant de Jérusalem) ist ein 1968 erschienener Roman des jüdischen Schriftstellers Elie Wiesel.
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1 Allgemeines

Der Rabbiner Shlomo Goren spricht nach der Befreiung Jerusalems am 7. Juni 1967 vor der Klagemauer ein Dankgebet
In dem kurz nach dem Sechstagekrieges spielenden und mit dem Prix Médicis ausgezeichneten Roman [1] geht es um den Holocaustüberlebenden David, der in das gerade von der israelischen Armee eroberte Jerusalem kommt.

Im Roman verweben sich reale Gegenwart, Vergangenheit, Phantasie und Fiktion, mythische Elemente, chassidische Erzählungen und Gleichnisse, geschichtliche Figuren und Traumwelt. Diese Elemente sind für den Leser häufig nicht eindeutig auseinander zu halten. So sind die im Roman auftretenden Bettler anscheinend weniger reale Bettler als auch teils religiöse Symbole, [2] und die als Verrückten vorgestellten Personen weniger psychisch kranke Personen, welche die Realität nur anders und häufig klarer wahrnehmen als die Mehrheit.

2 Inhalt

Der Bettler von Jerusalem beginnt mit einem dreiseitigen Auszug aus einem Reisetagebuch. Ob dies reale Aufzeichnungen von Elie Wiesel oder fiktive Aufzeichnungen des Protagonisten David sind bleibt offen. In diesem Auszug werden die historische Lage vor dem Sechstagekrieg, der Krieg selber und die Zeit danach, d.h. die Reaktionen der Sieger und Besiegten beschrieben. Der Auszug aus dem Reisetagebuch beginnt mit folgenden Worten:

Der Krieg ist zu Ende, und ich suche vergebens im lärmenden Treiben die Freude. Nur Menschen mit ernstem Gesicht und verwundetem Blick kreuzen meinen Weg. Erschüttert von der Erfahrung, die sie gemacht haben, gelingt es ihnen nicht, die Wirren in den Griff zu bekommen. Die Erfahrung scheint auf der Ebene der Legende wie der Geschichte zu liegen. Der Stau der Angst und des Zorns vor der Entfesselung, die verkehrten Rollen: alles hat sich zu schnell, zu plötzlich ereignet. Sieger und Besiegte brauchen Zeit, um wieder zu Atem zu kommen, um Sinn und Tragweite des Ereignisses abzustecken. David hat Goliath besiegt, und jetzt fragt er sich, wie er es zuwege gebracht hat: keiner weiß es, David am allerwenigsten. Mehr als sein Sieg müßte sein Staunen Bewunderung erregen und die Hoffnung nähren. Diese Zeilen datieren vom Juni 1967. Sie wurden im Heiligen Land niedergeschrieben, während die Menschen, fern vom heimischen Herd, ihre gefallenen Kameraden beerdigten. [3]
Der Protagonist beschreibt seine Motive, gerade in dieser angespannten Lage nach Israel zu gehen, seine Angst vor der Vernichtung Israels durch die Araber, die gleichgültige Haltung der Westlichen Welt und des Vatikans angesichts der erneuten Bedrohung von Juden durch Auslöschung, die Entschlossenheit der jungen Israeli ihr Land zu verteidigen, und ihre Verwunderung angesichts des überraschenden Sieges über die arabischen Streitkräfte.
Elie Wiesel am 29. November 1968 in Paris anlässlich der Verleihung des Prix Médicis für sein Roman Le Mendiant de Jérusalem

Nun beginnt die in Jerusalem angesiedelte Handlung. Der Protagonist David ist ein junger Mann, der sich zu den in der Stadt lebenden "Narren, Erleuchteten und Vagabunden" [4] gesellt. Öfters ist von seinem Kriegskameraden Katriel die Rede, der anscheinend im Kampf verschollen ist. Es tauchen viele Bettler wie Shlomo der Sehende, Jakob der Schüchterne oder Mosche der Säufer auf, die sich rund um die Klagemauer rumtreiben, und in verwirrenden Worten über Leben und Tod, Freude, Leid und Angst, Gott und die Propheten, Israel, Gerechtigkeit, jüdische Geschichte, Liebe und Hass, den Krieg, Sieg und Niederlage und Jerusalem philosophieren.

Danach erzählt David, wie er nach Ende des Zweiten Weltkrieges in seine Geburtsstadt in Osteuropa zurückkehrt. Das vor dem Krieg pulsierende jüdische Leben ist dort durch den Holocaust ausgelöscht worden. Er findet heraus, dass die drei einzigen Überlebenden der Deportationen aus dem Ort nun in einer Irrenanstalt leben und besucht sie dort. Die beiden älteren Überlebenden leben in der Wahnvorstellung, dass alles noch wie vor dem Krieg sie. Der dritte, jüngere Überlebende erkennt zwar die Realität, dass alle Juden und jegliches jüdische Leben aus der Stadt verschwunden sind, ist aber der Überzeugung, dass dies nur in seiner Vorstellung so sei. In der Realität und für alle anderen würde das jüdische Leben weiterhin blühen. In seinen Worten klingt das wie folgt:

Stellen Sie sich vor, daß ich meine Stadt ohne ihre Juden sehe. Ich weiß, das ist Ihnen unbegreiflich. Und doch sehe ich sie so, wie Sie mich sehen. Begreifen Sie es? Meine Stadt - diese vom Leben wimmelnde Stadt mit der jüdischen Seele, die jüdische Stadt zwischen Tissa und Donau - nun ja, stellen Sie sich vor, daß ich sie in meiner Phantasie auf absurde Weise verarmt, entartet und ohne Juden sehe. Sie ist von heute auf morgen, einfach so, von allem entblößt, was ihrer Schönheit und mehr noch ihrer Armut Ausstrahlung und Glanz verlieh. Die Schtibleks, diese Betzimmer, in denen sich Mitleid mit den Armen mit frommer Inbrunst der Weisen verband, sind verlassen, die Heiligtümer geplündert. Ich suche einen Funken, ein Lebenszeichen und finde nichts. Ich laufe zum Heder und treffe dort weder Lehrer noch Schüler an. In der Synagoge verschimmeln die heiligen Bücher unter dem Staub. Die Chassidim und ihre Gegner, die einen so fanatisch wie die anderen: wo sind sie geblieben? Wo sind die geschwätzigen Schneider, die würdevollen Ärzte, die Troubadours und die Mädchen im heiratsfähigen Alter, die Bettler mit den fiebrigen Bewegungen, die schweigenden, sinnenden Lehrer? (...) Sie sind da, ich spüre sie, aber sie entziehen sich meinen Augen, sie sind von Abwesenheit eingehüllt. Ich weiß genau, daß dies alles eine Ausgeburt meiner krankhaften Phantasie ist, ich weiß es und sage es mir den ganzen Tag hindurch. Schließlich bin ich nicht so verrückt und glaube, daß meine Visionen eine andere Realität widerspiegeln als die Realität in mir, eine objektiv wahre, in die Dauer eingefügte Realität. [5]
Ausgestorbene Straße im Jahr 1944 in Elie Wiesels Geburtsstadt Sighetu Marmației im Norden Rumäniens nach den Deportationen der jüdischen Bevölkerung

Danach wechselt die Zeitebene wieder ins Jerusalem nach dem Sechstagekrieg. David erinnert sich an seinen Freund Katriel. Danach taucht der Bettler Mosche auf. Er war ein mutiger Kriegsheld, der nun aber auf alles im Leben nur noch mit Lachen reagiert. In Mosches Worten klingt das folgendermaßen:

Ich habe die Gefängnisse, die Asyle und Paläste der Armen kennengelernt. Dort habe ich meine Tränen gelassen. Freudentränen, Tränen der Verbitterung, Tränen ohnmächtiger Wut, Kindertränen und Greisentränen. Ich habe keine mehr. Mir bleibt nur das Lachen. [6]

Dann werden weitere Bettler vorgestellt: Dan erzählt von seiner Wahnwelt eines von den zehn ausgestorbenen Stämmen errichtetes jüdischen Königreiches hinter dem mystischen Fluss Sambatyon, der sechs Tage die Woche Steine hochschleudert, so den Zugang zum Königreich verwehrt und nur am siebten Tag passierbar ist. Von dort aus korrespondiert er mit den Führern der realen Welt, bis ihn der König seines fiktiven Reiches wieder in die reale Welt aussendet um die Bedrohungslage für die Juden zu sondieren. Itzig, Schlomo und Velvel diskutieren darüber, ob Angst im Kampf hilfreich oder hinderlich sei, und Mosche berichtet wie er einst als jüdischer Vertreter an einem theologischen Streitgespräch mit christlichen Priestern teilgenommen habe. [7] Der Bettler Salmen berichtet dann, wie er mit Judas Makkabäus am jüdischen Aufstand gegen die Seleukiden teilgenommen habe und Simon bar Kochba, der Anführer eines jüdischen Aufstandes gegen die Römer ihn in sein Hauptquartier gerufen habe. Danach erzählt David eine Geschichte von drei Patriarchen, welche den Auftrag erhielten, das ganze Land zu durchstreifen um über das Leiden des Auserwählten Volkes zu berichten. Wieder vor Gott berichten sie über die Lage der Juden. Jedoch wird der Messias vermisst. Gott lässt nach ihm schicken und als er gefunden wird, muss er sich vor Gott rechtfertigen, dass er sich wieder zu ungeduldig in die menschlichen Belange eingemischt hat. Er war in Jerusalem, weil er Angst um die Juden hatte und ihnen helfen wollte. Da ergreift Schlomo das Wort und berichtet in folgenden Worten, dass er sogar Jesus Christus persönlich begegnet sei:

Ich würde euch gerne meine Begegnung mit Jeoschua erzählen. Erinnert ihr euch an ihn? Der unschuldige Fischer, dem nur ein Wort
Ein Bettler im Jerusalem der 1950er-Jahre
über die Lippen kam: Liebe. Ich habe ihn an dem Tag gesehen, an dem er gekreuzigt wurde. Nicht weit von hier. Ich ging zu im und sagte: auf dich werde ich nicht warten. Er schien heiter zu sein, in Frieden mit seiner Seele und der Schöpfung. Ich versuchte ihm verständlich zu machen, daß nicht zum erstenmal ein Jude für seinen Glauben sterbe, doch waren die anderen Märtyrer weinend und unter Schmerzensschreien in den Tod gegangen. Für sie wie für uns ist kein Tod würdig, angerufen und geheiligt zu werden. Alles Leben ist geheiligt, und es ist unmenschlich, sich von ihm in der Freude zu lösen. "Bist du zornig?" fragte er mich. "Auf wen?" - "Nein", gab ich zur Antwort. "Zornig bin ich nicht, nur traurig." - "Wegen mir?" - "Ja, meinetwegen. Du glaubst für mich und meine Brüder zu leiden, während wir für dich und wegen dir leiden werden." Da er es nicht glauben wollte, malte ich ihm aus, was seine Anhänger in seinem Namen und um das Wort zu verbreiten sich zuschulden kommen lassen würden. Und ich entwarf ein Bild der Zukunft, das ihm die unendliche Zahl der unter dem Zeichen seines Glaubens verfolgten und aufgeriebenen Opfer vor Augen führte.
[8]

Im nächsten Abschnitt berichtet David von seinem Freund Gad, den er im Europa der Nachkriegszeit kennenlernte, und mit dem er nun im Sechstagekrieg kämpft, in welchem Gad fällt. Dann schweifen seine Gedanken zurück zu seinen Eltern und seiner Jugendzeit vor dem Holocaust. David wie auch seine Mutter wären gerne vor den Nazis geflüchtet und nach Palästina ausgewandert. Der Vater allerdings meint, dass alles schon nicht so schlimm werden würde und bleibt mit der Familie in Europa:

Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Heute sind die Juden ein integrierender Teil der Gesellschaft und Zivilisation, gleichermaßen gehört unsere Familie zu dieser Stadt und ihrer Geschichte, und das seit drei Jahrhunderten. Warum sollten wir Hab und Gut und unsere Freunde verlassen, da nichts und niemand uns dazu zwingt?" Das Feuer loderte bereits, der Henker dezimierte die jüdischen Gemeinden, mein Vater, ein aufgeklärter und bis zum Übermaß optimistischer Geist, behauptete weiterhin, daß sich die Menschheit im zwanzigsten Jahrhundert nicht so erniedrigen und einmal mehr die Juden an den Pranger stellen könnte. Auf der Straße forderten Redner die Einwohner auf, die Söhne des vermeintlich gottesmörderischen Volkes, diese Parasiten und Fremden, zu vertreiben. Der Ruf wurde laut: die Juden nach Palästina. Vater stellte sich stumm. [9]
Die Juden einer in den Karpaten gelegenen Kleinstadt werden von einer deutschen Einheit in den Wald geführt. Sie wissen nicht wo man sie hinführt und was man mit ihnen vor hat. Am Rand eines Tales müssen sie dann mit Pickel und Schaufel tiefe Gräben ausheben. Der chassidische Rabbi erkennt als erster die schreckliche Wahrheit. In einer bewegenden Ansprache an seine Gemeinde fordert er diese auf, den sicher bevorstehenden Tod als Wille Gottes klaglos anzunehmen. Doch in seine Rede mischen sich vermehrt Töne des Zweifels an Gottes Wille, ja an Gott selber. Zwischen dem Rabbi und dem Anführer der deutschen Einheit kommt es zu einem befremdlichen Disput über die Frage, ob ihr Tod der Wille Gottes oder der Wille der deutschen Besatzer sei:
Angehörige des Sonderkommandos 4a der SS-Einsatzgruppe C im Jahr 1941 bei Massenerschießungen von Juden in einer Schlucht nahe Kiew
"Der Wille Gottes geschehe", erwidert der Hirte der Gemeine. Der Offizier schüttelt nachsichtig den Kopf. "Du täuschst dich, Alter. Es geht nicht um seinen, sondern um unseren Willen." "Nein!" schreit der Rabbi, plötzlich entschlossenen Blickes. "Nein?" "Ihr seid nur das Beil, das uns niederschlägt. Wir allein werden entscheiden, wem wir unseren Tod darbieten." Der Offizier blickt ihn einen Augenblick prüfend an und zuckt die Schultern, bereit, darüber hinwegzugehen, doch er will das letzte Wort behalten: "Dummkopf" Hast du noch nicht begriffen, daß wir Gott sind?" "Niemals!" schreit der Rabbi. "Niemals!" [10]

Da bringt ein junger Jude den deutschen Offizier in seine Gewalt und fordert die Juden auf, die Deutschen zu entwaffnen. Doch ein deutscher Soldat erschießt ihn aus dem Hintergrund. Dann beginnt die Erschießung der Juden. Der Rabbi betet das Kaddisch, singt chassidische Lieder und die Gefangenen werden nacheinander in Gruppen erschossen.

Danach befinden wir uns wieder an der Klagemauer und David berichtet, wie einst ein jüdischer Wanderprediger (Maggid) in das Haus seiner Eltern kam und die Liebe zu und Sehnsucht nach Jerusalem in ihm weckte. Danach erblicken die Bettler alle eine Frauengestalt, die sich dann zu ihnen setzt. Es ist nicht ganz klar, ob es sich nur um eine Vision oder eine reale Erscheinung handelt. Die Gestalt entpuppt sich als Marva, die Frau von Katriel. Der Roman führt den Leser weiter zu Katriel, der gerade seine Sachen packt um in den Sechstagekrieg zu ziehen. Er ist optimistisch, weil er noch glaubt, dass es nur eine Mobilmachung sei und es nicht wirklich zum Krieg kommen würde. Er und seine Frau Marva haben sich seit dem tragischen Tod ihres Sohnes Sascha innerlich entfremdet. In Katriel hat der sinnlose Tod des Sohnes starke Zweifel an Gott und dessen Hilfe für die Menschen geweckt. Dann verabschiedet er sich von seiner Frau um sich bei seiner militärischen Einheit einzufinden.

In der nächsten Szene befindet sich David mit Katriel und vielen Kameraden kurz vor Ausbruch der ersten Kriegshandlungen in einem Feldlager der israelischen Armee. Die Soldaten bekräftigen ihre Entschlossenheit, sich diesmal nicht wie in der NS-Zeit ohne Widerstand zu leisten zur Schlachtbank führen zu lassen. Es wird geschildert, wie eine Welle der Solidarität und Aktivität gegen den drohenden arabischen Angriff Juden in Israel und der Diaspora ergreift, aber auch wie die meisten Staaten nur halbherzig zu Israel halten und die arabischen Länder mit Unterstützung der Sowjetunion die Messer wetzen um die Juden endgültig zu vernichten. Es wird berichtet, wie ein Zaddik im fernen Kiew sich in sein Gemach einschließt und folgende Worte an seinen Gott richtet:
Avner Lorbeerbaum (1876-1941), Zaddik von Safed
Ich habe deine Gerechtigkeit und deine Güte niemals in Zweifel gezogen, obwohl ihre Wege mir oft entgangen sind. Ich habe alles erduldet, alles mit Liebe und Dankbarkeit, nicht mit Resignation auf mich genommen. Ich habe die Strafen, das Absurde und das Blutbad angenommen, ich habe schweigend sogar den Tod einer Million Kinder übergangen. Im Schatten des unerträglichen Geheimnisses von Auschwitz habe ich den Wutschrei in mir unterdrückt und das Verlangen, ein für alle Mal Schluß zu machen, abgetötet. Ich habe das Gebet und andächtige Ergebenheit gewählt. (...) Ich fand Gründe und Freuden, um sie Dir beimessen zu können. Aber das ist vorüber! "Hörst du mich?" Das ist vorüber, sag ich dir! Ich bin am Ende, ich kann nicht mehr. Wenn du auch diesmal Dein Volk verläßt, wenn du auch diesmal dem Mörder erlaubst, Deine Kinder zu morden und ihre Treue zum Bündniss zu beflecken, wenn du jetzt Dein Versprechen verhöhnst, dann wisse, o Herr von allem das atmet, daß du die Liebe Deines Volkes nicht mehr verdienst und nicht seine Leidenschaft, Dich zu heiligen und Dich gegen alles und gegen Dich selbst zu rechtfertigen; ... [11]
Hochrangige israelische Politiker und Militärs nach der Befreiung Jerusalems im Jahr 1967 vor dem Felsendom

An diesem Tag ist die sonst fast leere, letzte Synagoge von Kiew sehr voll. Viele junge Juden sind gekommen um ihrer Solidarität mit Israel Ausdruck zu verleihen. Es erhebt sich sogar Protest gegen den immer anwesenden staatlichen Spitzel der kommunistischen Partei.

3 Rezeption

Französische Kritiker bezeichneten Der Bettler von Jerusalem als Wiesels bestes Werk. [12]

Die Washington Post sah das Buch als "a spiritual adventure so profound that it demands to be judged in terms of world literature" und meinte auf The Washington Post Book World:

"Perhaps the first major novel to bring to bear on the destiny of the Jew all the resources of modern European literary experience combined with the storytelling techniques of the Hasidic masters." [13]

V.S. Pritchett bezeichnete das Werk 1970 in New York Review of Books als "a story of tragic power". [14]

Der Spiegel schrieb 1970 über Wiesels Buch:

"Die einfache Vertracktheit der Gleichnisse versucht den Aporien ungewollten, doch unabwendbaren Tötens beizukommen; in überhöhter Sprache spiegeln die weisen Paradoxa die Zweifel des orthodox Gläubigen angesichts der Unbeweisbarkeit des Geglaubten wider: Im Hintergrund stehen Talmud und Midrasch. Aber Wiesels Weisheit geniert es auch nicht, gelegentlich den Übertritt ins Banale zu unternehmen. Der Berichter, ein mehrfach gespaltenes Ich, das seiner Identität nicht sicher wird, erzählt vorwiegend als Bettler unter anderen Bettlern an der Klagemauer des eroberten und von neugierigen Touristen und emphatischen Gläubigen überlaufenen Jerusalem." [15]

Gundula van den Berg schriebt über Wiesels Roman:

"In diesem sechsten Roman Wiesels sind fast alle Figuren seiner vorherigen Romane enthalten, er ist jedoch gleichzeitig der bis dahin komplexeste und dichteste Text. Wiesel verläßt die traditionelle Form des Romans mit einer Erzähltechnik, in der er den Protagonisten David (in Erinnerung an den König David und der Vorahnung des Messias) zwischen die Bettler, Verrückten und Mystiker Jerusalems platziert, wo er ihre Geschichten anhört und damit einer von ihnen wird. Diese Geschichten reflektieren mystische Aspekte jüdischer Erfahrungen und enthalten Betrachtungen über den in dieser Zeit ausgefochtenen Sechs-Tage-Krieg." [16]

Mona Berman meint in ihrer Studie Elie Wiesel`s Fictional Universe - The Paradox of the mute Narrator zu dem Buch:

"A Beggar in Jerusalem is the most demanding of Wiesel's novels because of its narrative structuring, the interweaving of themes, the excursions into the past, the impinging of the past on present e vents, the deliberate fragmentation, the stories within stories, and the lack of a cohesive and unifying plot. As in most of his fiction, the characters are not defined and cannot be individually identified as they are invariably interchangeable with one another. They are mysterious and mythical night figures who haunt the Wall and exist only in relation to it, to each other and to the stories they tell. (...) Nowhere in Wiesel's fictional universe are his narrators portrayed as more enigmatic, mysterious and shadowy than in a A Beggar in Jerusalem." [17]

4 Literatur

  • Simon P. Sibelman: The Mystical Union - A Re-Examination of Elie Wiesel`s Le Mendiant De Jerusalem, Journal of Literature & Theology, Vol. 7, No. 2, Juni 1993, Seite 186 bis 197
  • Sanford Sternlicht: Student Companion to Elie Wiesel, Greenwood Publishing Group, 2003, Seite 79 ff.
  • Rosemary Horowitz (Hrsg.): Elie Wiesel and the Art of Storytelling, McFarland, 2014, Seite 186 ff.

4.1 Werkausgaben

  • Le Mendiant de Jérusalem, roman, Éditions du Seuil, Paris, französisch 1968, ISBN 2020011123
  • Der Bettler von Jerusalem: Roman. Aus dem Französischen von Christian Sturm. Bechtle, München/Esslingen 1986, ISBN 3-548-20809-6.
  • Mona Berman: Fictional Universe - The Paradox of the mute Narrator, Rhodes University, Grahamstown, 1985, Seite 100 ff.

5 Weblinks

6 Siehe auch

7 Andere Wikis

8 Einzelnachweise

  1. Israel Shenker: The Concerns of Elie Wiesel - Today and Yesterday, in The New York Times vom 10. Fabruar 1970
  2. Anm.: Das Wort "Bettler" bedeutet in diesem Zusammenhang auch "Suchender." So erklärt Adin Steinsaltz: "Indem sie ihr Leben der Suche nach Funken der Heiligkeit widmen, die der Welt immanent sind und dennoch aus ihr verbannt werden, suchen die Bettler eine Verbindung zur Göttlichkeit". (Adin Steinsaltz: Beggars and Prayers - Adin Steinsaltz Retells the Tales of Rabbi Nachman of Bratslaw, Basic Books, New York, 1979, S. 174: "By devoting their lives to the quest for sparks of holiness that are immanent in the world yet exiled from it, the beggars are seeking a connection to divinity") Die jüdische Tradition, insbesondere die chassidische Literatur, zeigt, dass der Bettler der verkleidete Prophet Elia, ein Hirte des Messias, sein kann. (Mona Berman: Fictional Universe - The Paradox of the mute Narrator, Rhodes University, Grahamstown, 1985, S. 101 und 102
  3. Zitiert nach Elie Wiesel: Der Bettler von Jerusalem, Ullstein Buch Nr. 20809, aus dem französischen Original übersetzt von Christain Sturm, Verlag Ullstein GmbH, 1987, S. 5
  4. Zitiert nach Elie Wiesel: Der Bettler von Jerusalem, Ullstein Buch Nr. 20809, aus dem französischen Original übersetzt von Christain Sturm, Verlag Ullstein GmbH, 1987, S. 11
  5. Zitiert nach Elie Wiesel: Der Bettler von Jerusalem, Ullstein Buch Nr. 20809, aus dem französischen Original übersetzt von Christain Sturm, Verlag Ullstein GmbH, 1987, S. 28 und 29
  6. Zitiert nach Elie Wiesel: Der Bettler von Jerusalem, Ullstein Buch Nr. 20809, aus dem französischen Original übersetzt von Christain Sturm, Verlag Ullstein GmbH, 1987, S. 34
  7. Anm.: Solche religiösen Dispute zwischen Juden und Christen fanden (siehe Religionsgespräch von Tortosa, Religionsgespräch von Barcelona oder Religionsgespräch von Paris) im Mittelalter tatsächlich statt.
  8. Zitiert nach Elie Wiesel: Der Bettler von Jerusalem, Ullstein Buch Nr. 20809, aus dem französischen Original übersetzt von Christain Sturm, Verlag Ullstein GmbH, 1987, S. 56 und 57
  9. Zitiert nach Elie Wiesel: Der Bettler von Jerusalem, Ullstein Buch Nr. 20809, aus dem französischen Original übersetzt von Christain Sturm, Verlag Ullstein GmbH, 1987, S. 66
  10. Zitiert nach Elie Wiesel: Der Bettler von Jerusalem, Ullstein Buch Nr. 20809, aus dem französischen Original übersetzt von Christain Sturm, Verlag Ullstein GmbH, 1987, S. 73 und 74
  11. Zitiert nach Elie Wiesel: Der Bettler von Jerusalem, Ullstein Buch Nr. 20809, aus dem französischen Original übersetzt von Christain Sturm, Verlag Ullstein GmbH, 1987, S. 115 und 116
  12. Manes Sperber: David, like Elie Wiesel, survivrd and must constantly justify his survival, in The New York Times vom 25. Januar 1970
  13. www.penguinrandomhouse.com
  14. Sanford Sternlicht: Student Companion to Elie Wiesel, Greenwood Publishing Group, 2003, S. 80
  15. Tritt ins Banale / Elle Wiesel: „Der Bettler von Jerusalem“; in Der Spiegel vom 17. August 1970
  16. Gundula van den Berg: Gebrochene Variationen - Beobachtungen und Überlegungen zu Figuren der Hebräischen Bibel in der Rezeption von Elie Wiesel, LIT Verlag Münster, 2001, S. 232 und 233
  17. Mona Berman: Fictional Universe - The Paradox of the mute Narrator, Rhodes University, Grahamstown, 1985, S. 100

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