Varusschlacht

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In der Varusschlacht (auch Schlacht im Teutoburger Wald oder Hermannsschlacht, von römischen Schriftstellern als lateinisch clades Variana = „Varusniederlage“ bezeichnet) erlitten in der zweiten Hälfte des Jahres 9 n. Chr. drei römische Legionen samt Hilfstruppen und Tross unter Publius Quinctilius Varus in dem von den Römern teilweise besetzten Germanien eine vernichtende Niederlage gegen ein germanisches Heer, wobei Arminius („Hermann“), ein Fürst der Cherusker, die entscheidende Rolle spielte. Dieser wurde von dem römischen Historiker Tacitus als „Befreier Germaniens“[1] bezeichnet.

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1 Hintergrund und Verlauf

Unter Varus wurde ein Feldzug gegen die germanischen Gebiete begonnen, um einerseits weitere Angriffe gegen das römische Reich zu verhindern, das von verschiedenen Seiten bedroht wurde, aber auch um den römischen Machtbereich auszudehnen. Zuvor waren die Feldzüge unter Führung des Germanicus eingestellt worden. Die germanischen Provinzen wurden erst unter Domitian um 85 n. Chr. eingerichtet. Die damalige Strategie der Römer war eine frühe Form des Kolonialismus. So soll es später in diesem Zusammenhang auch eine Völkerwanderung gegeben haben. Eingesetzt wurden dabei unter anderem die Legionen XVII, XVIII und XIX.

Arminius wurde vermutlich als Geisel von seinem Vater an Rom übergeben. Dort wurde er miltärisch ausgebildet und stieg zum Offizier in der römischen Fremdenlegion auf. Er war auch mit Varus persönlich bekannt und kannte dadurch die Kriegspläne der Römer. Er wurde sozusagen zum Doppelspion, indem er sowohl zu den Germanen als auch zu den Römern weiterhin Kontakt pflegte, und wurde bei den Cheruskern zum Anführer an der Spitze eines germanischen Stämmebundes. Ausgangspunkt der kriegerischen Auseinandersetzungen waren nach Berichten von Cassius Dio (163-235) offenbar auch Orte an der Weser. So gab es zum Beispiel ein Römisches Marschlager bei Wilkenburg in der Region Hannover und das Römerlager Hedemünden an der Weser. Zudem wurde 2017 ein Römisches Marschlager bei Bielefeld entdeckt.[2]

Dio schreibt: „Denn das Gebirge war voller Schluchten und Unebenheiten, und die Bäume standen so dicht und waren so übergroß, dass die Römer auch schon ehe die Feinde über sie herfielen, sich, wo nötig, abmühten, die Bäume zu fällen, Wege zu bahnen und Dämme zu bauen.“ Diese Ortsbeschreibung weist jedoch eher auf den Teutoburger Wald hin, der erst im Jahr 1616 durch den Geografen und Historiker Philipp Clüver so benannt wurde.[3]. Man geht davon aus, dass der Zug der Streitmacht, die drei Legionen XVII, XVIII, XIX, drei Alen (Reitereinheiten) und sechs Kohorten mit insgesamt 15.000 bis 20.000 Soldaten, dazu 4.000 bis 5.000 Reit-, Zug- und Tragtiere umfasste, wahrscheinlch 15 bis 20 km lang war. Die Zahl der germanischen Krieger war wesentlich geringer, da diese den Vorteil einer guten Ortskenntnis hatten. Für die Schlacht wird von Cassius Dio das Jahr 9 angegeben, von Sueton (70-122) das Jahr 10. Historiker wie zum Beispiel Theodor Mommsen vermuten, dass „der letzte Marsch des Varus offenbar der Rückmarsch aus dem Sommer- in das Winterlager“ war. Als Jahreszeit wird allgemein der Sommer oder Herbst des Jahres 9 angenommen. Insofern fällt die Ankunft der letzten römischen Truppen im Winterlager wahrscheinlich in das Jahr 10.

2 Rezeption

Römische Schutzmaske

Im Mittelalter besaß die Varusschlacht keine Bedeutung in der Geschichtsschreibung. Die Rezeptionsgeschichte der Varusschlacht begann erst in der Neuzeit mit der Wiederentdeckung der Schriften des Tacitus (1455 die Germania, 1507 die Annalen). Humanisten nördlich und südlich der Alpen interpretierten das Gefundene allerdings in unterschiedlicher Weise. Papst Pius II. stellte fest, dass es den Deutschen des 15. Jahrhunderts viel besser ging als den Menschen im „alten Germanien“. Er führte diese Verbesserung auf den Einfluss Roms und der römischen Kirche zurück und begründete damit die Legitimität von Abgaben an die Römische Kurie.[4] Deutsche Humanisten wie Konrad Celtis und Heinrich Bebel stellten dagegen Tacitus’ Beschreibung der Germanen als treu, gerechtigkeitsliebend, keusch, freigiebig, fromm, aufrichtig und freiheitliebend in den Vordergrund und schrieben diese Eigenschaften dem „deutschen Volkscharakter“ zu.[5] Gerade diese Eigenschaften waren für den ideologischen Streit mit Rom so geeignet, dass sie sich zu einem schon immer vorhandenen Gegensatz hochstilisieren ließen. Zugleich eigneten sie sich zur Interpretation der Varus-Schlacht als den Beginn der deutschen Geschichte. Für Ulrich von Hutten stand Arminius auf einer Ebene mit den größten Feldherren des Altertums. 1529 verfasste er den Arminius-Dialog, ein fiktives Gespräch zwischen Arminius, Alexander dem Großen, Hannibal und Scipio dem Älteren. Die Katholiken waren ganz im Sinne von Papst Pius II. froh, dass sie sich durch das Christentum gegenüber der „Arminischen Barbarey“ kulturell hochgearbeitet hatten. Unter den Protestanten gab es kritische Töne. Problematisch empfand man, dass Arminius sich gegen die Obrigkeit auflehnte. So schrieb der Lutherfreund und Humanist Georg Spalatin, der eine deutsche Ausgabe aller Arminius betreffenden römischen Quellen besorgte, Arminius habe „Glauben, Friede und Treue“ gebrochen.[6]

Einige Autoren des 18. Jahrhunderts sahen die Varusschlacht als Antithese zu der vor allem in Frankreich vertretenen Position, Deutschland sei kulturunfähig, politisch zerrissen und ökonomisch rückständig: Arminius habe eine Nation angeführt, die sich geeinigt habe, dem übermächtigen Eroberer mutig entgegengetreten sei und ihn – im Gegensatz zu den Franzosen, die mit Vercingetorix und der Schlacht bei Alesia unterlagen – auch vernichtend geschlagen habe. Eine neue Dynamik gewann die Deutung der Varusschlacht im Zuge der Besetzung Deutschlands durch Napoleon Bonaparte und der Befreiungskriege. Der Schriftsteller Ernst Moritz Arndt verglich 1805 Napoleon mit den Feldherren des alten Rom und forderte einen „neuen Hermann“ als Heilsbringer. Friedrich Ludwig Jahn bezeichnete Arminius 1810 als „Volksheiland“ und wollte das Datum der Varusschlacht als Nationalfeiertag eingesetzt wissen. Nach dem Wiener Kongress wurde Arminius von der preußischen und österreichischen Obrigkeit eher als Bedrohung wahrgenommen. Die Burschenschaften, die sich Namen wie „Germania“, „Arminia“ oder „Teutonia“ gegeben hatten, wurden verboten. Ein Denkmal wurde der Varusschlacht in der 1842 fertiggestellten Walhalla gesetzt. Nach der Reichsgründung 1871 wurde das Hermannsdenkmal errichtet. 1927 nutzte der Chefideologe der Nationalsozialisten Alfred Rosenberg den 150. Geburtstag Heinrich von Kleists, um dessen „Hermannschlacht“ für die „Bewegung“ zu vereinnahmen. Nicht mehr die Römer, sondern „Juden, Polen und Franzosen seien heute die ganze Brut, die in den Leib Germaniens sich eingefilzt wie ein Insektenschwarm“.[7]

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Wissenschaft für einige Zeit auf Distanz zu Themen, in denen die Germanen oder Arminius das Zentrum bildeten. Für eine erneute Beschäftigung mit der Varusschlacht war die Zeit erst in den 1960er Jahren reif. 1961 veröffentlichte Otto Höfler die Abhandlung Siegfried, Arminius und die Symbolik mit einem Anhang über die Varusschlacht. Dieter Timpe näherte sich 1970 in seinen Arminiusstudien dem Cherusker auf Grundlage der antiken Quellen und formulierte seine Hypothese, dass der Angriff auf das Heer des Varus politisch als Meuterei zu werten sei.[8] Die Bedeutung der Varusschlacht als „Wendepunkt der Geschichte“ ist bis heute umstritten. Reinhard Wolters behauptete 2008, dass „die Varuskatastrophe weder militärisch noch politisch einen Einschnitt darstellte und somit keine epochale Wende bewirkte.“[9] Nach dem Archäologen Peter S. Wells veränderte die Varusschlacht den Verlauf der Weltgeschichte.[10] Neuere Diskussionen unter Althistorikern und Archäologen behandeln vor allem den Ort der Varusschlacht, die Ziele der römischen Germanienpolitik in augusteischer Zeit und ob im rechtsrheinischen Germanien unter der Statthalterschaft des Varus bereits eine römische Provinz entstanden war. Aufschluss gaben schließlich die Ausgrabungen, die im Museum Kalkriese dargestellt sind. Das Bild zeigt die Maske eines römischen Soldaten, die in dem Museum zu sehen ist.

Eine heute wissenschaftlich überholte und diskriminierende Sichtweise, die zeitweise auch noch in der Schule gelehrt wird, zeigt ein Zitat von Gerhard Schröder (SPD) aus dem Jahr 1996: Das „ruhmreiche römische Heer" sei damals „von einer Horde ungebildeter Mitteleuropäer" besiegt worden.[11]

3 Weblinks

 Commons: Varusschlacht – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

4 Vergleich zu Wikipedia




5 Einzelnachweise

  1. Tacitus: Annalen 2,88, 2.
  2. http://www.logistik-des-varus.de/?p=740
  3. Philipp Clüver: Germaniae antiquae libri tres. Leiden 1616.
  4. Ralf-Peter Märtin: Die Varusschlacht. Rom und die Germanen. Frankfurt am Main 2008, S. 286.
  5. Ralf-Peter Märtin: Die Varusschlacht. Rom und die Germanen. Frankfurt am Main 2008, S. 287.
  6. Ralf-Peter Märtin: Die Varusschlacht. Rom und die Germanen. Frankfurt am Main 2008, S. 291.
  7. zitiert nach Ralf-Peter Märtin: Die Varusschlacht. Rom und die Germanen. Frankfurt am Main 2008, S. 342.
  8. Dieter Timpe: Arminius-Studien. Heidelberg 1970, S. 49.
  9. Reinhard Wolters, Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius Varus und das römische Germanien. München 2017, S. 125 ff.
  10. Peter S. Wells: Die Schlacht im Teutoburger Wald. Düsseldorf u. a. 2005, S. 7.
  11. Störenfriede im Nebelland, in: Der Spiegel, Heft 44 (1996), S. 203.

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