Völkerwanderung

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Völkerwanderung war ein Begriff für die Migration vor allem germanischer Gruppen in Mittel- und Südeuropa im Zeitraum vom Einbruch der Hunnen nach Europa um 375/376 n. Chr. bis zum Einfall der Langobarden in Italien im Jahr 568.[1][2][3] Die Völkerwanderungszeit bildete für die Geschichtsschreibung des nördlichen Mittelmeerraums sowie West- und Mitteleuropas ein Bindeglied zwischen der Antike und dem Beginn des Mittelalters.

Der Begriff Völkerwanderung tauchte im Deutschen zuerst am Ende des 18. Jahrhunderts auf.[4] Als feste Epochenbezeichnung benutzt ihn 1790/92 der deutsche Dichter Friedrich Schiller in seinem Aufsatz „Ueber Völkerwanderung, Kreuzzüge und Mittelalter“.[5] Problematisch ist, dass der Terminus Völkerwanderung einerseits eine Epochenbezeichnung ist, andererseits aber bestimmte Entwicklungen kennzeichnet, die sich in dieser Zeit vollzogen haben sollen. Im Kern geht die Begriffsbildung auf den Wolfgang Lazius zurück, der 1557 sein Werk De gentium aliquot migrationibus veröffentlichte.[6]

In einem Buch von 1833 hieß es: „Wenn man es als ausgemacht und bestimmt annehmen dürfte, daß die Urbewohner Nord-Deutschlands vor der großen Völkerwanderung von Norden oder Osten her, Celten, Kelten oder Gaelier waren, und daß die Hünengraber, - Todten-Hügel, - Ehrengänge, - und Riesenbetten nur ihnen angehörten, so würde ein solcher Celte mit seiner Lanze, - seinem Haarringe, - seiner Heftnadel in der Barenhaut, - und seinem Schwert [...] dargestellt seyn.“[7]

Felix Dahn (1834-1912) beschäftigte sich mit dem Thema, eine seiner Veröffentlichungen bekam jedoch erst später den Titel Völkerwanderung. Über den Beginn der Völkerwanderungszeit schreibt er: „Wenige Jahre nach den durch einen Frieden zwischen Athanarich und Fridigern beigelegten Händeln traf der Stoß der hunnischen Völkerwoge die Goten.“[8] Dahn sieht den Ansturm der Hunnen als Ursache für weitere Vorgänge in dieser Zeit. Es flüchteten unterschiedliche Gruppen in das Römische Reich und wurden dort bis nach Thrakien in anderen Gebieten wieder angesiedelt: „... im ganzen eine Million Köpfe, sollten in Thrakien gegen Kriegsdienst angesiedelt werden.“[8] Insofern war es sicher nicht immer eine freiwillige „Wanderung“.

Außerhalb des deutschen Sprachraums wird bis heute hingegen eher der kriegerische Aspekt dieser Epoche, verbunden mit einem „Einfall der Barbaren“, hervorgehoben (barbarian invasions – nun verstärkt aber auch migration period –, invasion(s) barbare(s), invasioni barbariche).[9] Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Theorie von „wandernden Völkern“ allerdings für die meisten damaligen Bewegungen und Wanderungen nicht mehr haltbar,[10][11][12] zumal der Begriff Volk für die damalige Zeit Sicht oft nicht zutreffend ist. Zudem hat es solche Wanderungen zu vielen Zeiten und in verschiedenen Gebieten gegeben. Gleichwohl wird der Begriff Völkerwanderungszeit in der Archäologie noch verwendet.[13] Als Ursache wurde jedoch schon bald das Bevölkerungswachstum angesehen, teilweise auch als Überbevölkerung bezeichnet.[14] Weitere Ursachen wie Klimawandel wurden erst ab Ende des 20. Jahrhunderts untersucht.[15]

1 Literatur

  • Die Völkerwanderung, gekürzte und bearbeitete Fassung des vierbändigen Werkes von Felix Dahn Urgeschichte der germanischen und romanischen Völker (=Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen. Geschichte des Mittelalters, Band 2, Grote, Berlin 1881–1889), Safari-Verlag, Berlin 1977

2 Einzelnachweise

  1. Matthias Springer: Völkerwanderung. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 32, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2006, ISBN 3-11-018387-0, S. 509–517.
  2. Stefan Krautschick: Zur Entstehung eines Datums. 375 – Beginn der Völkerwanderung. In: Klio 82, 2000, S. 217–222
  3. Stefan Krautschick: Hunnensturm und Germanenflut: 375 – Beginn der Völkerwanderung? In: Byzantinische Zeitschrift 92, 1999, S. 10–67.
  4. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Bd. 26, Sp. 514, hier online.
  5. Ueber Völkerwanderung, Kreuzzüge und Mittelalter auf www.lexikus.de
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/Völkerwanderung#Der_Begriff_Völkerwanderung
  7. Fußnote auf S. 208 in: Der Holsteinische Tourist oder Wegweiser für Fußreisende in der Umgegend von Hamburg von Peregrinus Pedestris. Bei Perthes & Besser, Hamburg 1833
    Siehe auch Casper Danckwerth's neue Landbeschreibung.
  8. 8,0 8,1 Die Völkerwanderung, Berlin 1977, Seite 88
  9. Klaus Rosen: Die Völkerwanderung. 2. Auflage. C. H. Beck, München 2003, ISBN 3-406-47980-4, S. 28 ff.
  10. Walter Pohl: Die Völkerwanderung. 2. Auflage. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2005, ISBN 3-17-018940-9.
  11. Philipp von Rummel, Hubert Fehr: Die Völkerwanderung. Theiss, Stuttgart 2011.
  12. Mischa Meier: Wandernde Völker? In: Damals 7 (2016), S. 16–19.
  13. https://de.wikipedia.org/wiki/Völkerwanderungszeit
  14. so bei Felix Dahn, siehe Seite 14, 16, 179, 186, 188, 253, 263, 276, 291, 298 und 324 der gekürzten Ausgabe von 1977
  15. W. J. Beckers: Teutonen und Kimbern in der neueren Forschung. (PDF; 5,1 MB) rhm.uni-koeln.de; abgerufen am 4. Juli 2019 (PDF; 5,1 MB).

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