Gratiskultur

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Gratiskultur (auch Umsonst- oder Kostenloskultur) ist ein wiederkehrendes und umstrittenes Schlagwort in den Medien, das in den Jahren entstand, als sich das Internet zum Massenmedium entwickelte. Es bezieht sich auf das über das Internet verfügbare umfassende Angebot kostenfreier bzw. sogenannter Gratis-Produkte oder Inhalte etwa in den Bereichen Journalismus, Literatur, Musik, Film und Bild sowie Software und Spiele ebenso wie auf eine generell ablehnende Haltung gegenüber kostenpflichtigen Inhalten im Bereich der Kultur überhaupt. So wird auch eine Gratismentalität unterstellt.

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1 Geschichte

Im 20. Jahrhundert entwickelte sich das Medium der kostenlosen Anzeigenzeitung, die neben Anzeigen auch redaktionelle Inhalte bietet. Der Begriff Gratiszeitung entstand jedoch erst später. Als erste Tageszeitung dieser Art gilt heute der Manly Daily, der erstmals im Juli 1906 in New South Wales (Australien) erschien. In den 1990er Jahren gehörten Zeitungen zu den ersten Medien, die das Internet als zusätzlichen Kommunikationskanal zu den Kunden nutzten. Da Internetzugänge zu dieser Zeit nicht sehr weit verbreitet waren, bestand durch das kostenlose Veröffentlichen von Zeitungsartikeln keine wirtschaftliche Gefahr für die gedruckten Ausgaben; es wurde in der Regel als Zusatzdienst angesehen. Erst Anfang bis Mitte der 2000er Jahre, als sich das Internet stärker verbreitete, begannen die Online-Ausgaben mit den Print-Ausgaben zu konkurrieren. Beinahe alle Zeitungen, einschließlich Qualitätsblätter, betrieben mittlerweile große Online-Portale, in denen neben den Artikeln der gedruckten Ausgabe auch noch zusätzliche, aktuelle Berichte zu finden waren. Zitiert wurde Chris Anderson (Journalist): „Wer im Netz präsent sein möchte, muss seine Inhalte kostenlos anbieten.“[1] Viele Versuche, Online-Artikel kostenpflichtig anzubieten, scheitern jedoch auf Dauer und können meist nur von großen Wirtschaftsunternehmen aufrechterhalten werden. Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel bietet bis heute ein Archiv vom ersten Heft an, das im Januar 1947 erschien.[2] Regelmäßig tauchte in den Medien bald der Satz „Das Ende der Gratiskultur“ auf[3][4] – etwa in Zusammenhang mit kostenpflichtigen Apps für Tabletcomputer. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema Zeitungssterben werden die Probleme einer „Gratiskultur“ wieder diskutiert.[5] Als „Beweise“ dafür dienen die Wikipedia und einzelne Aussagen des US-amerikanische Autors Jeremy Rifkin.

2 Kritik

Der Wirtschaftsjournalist und Blogger Thomas Knüwer bestritt 2009 die Existenz einer „Gratiskultur im Internet“ und nannte sie einen Mythos der Medienunternehmen. Seit jeher würden Zeitungen durch Werbung subventioniert, wie zum Beispiel die New York Sun im Jahr 1834: „Damals senkten Zeitungen ihren Preis von mehreren Cent auf einen einzigen um mehr Exemplare zu verkaufen – und so für Werbekunden attraktiv zu werden“. Heute würden „weite Teile der gedruckten Auflage“ verschenkt, „andere Teile spielen schon ihre Druck- und Vertriebskosten nicht mehr voll ein – geschweige denn die Redaktionskosten“. Die Gratiskultur sei „eine leichte Ausrede, um sich nicht kümmern zu müssen“ was bedeute, dass die Medienhäuser die Verweilzeit auf ihren Seiten erhöhen müssten. Dieses funktioniere „über Qualität, Originalität und Interaktivität“.[6] Ebenso nannte Kai Biermann den Begriff Kostenloskultur in seinem Blog Neusprech.org „eine Lüge“, da erstens die Inhalte durch Aufmerksamkeit bezahlt würden, „die wir dann beispielsweise in Preise umsetzen können“ und zweitens durch bezahlte Werbung finanziert wird. Dieses Prinzip werde im Privatfernsehen schon seit fast dreißig Jahren in Form des Free-TV umgesetzt.[7]

Sascha Lobo fasste die Kritik zur Gratismentalität der Internetbenutzer wie folgt zusammen: „Gratismentalität“ sei keine Mentalität, da unter anderem eine Reihe unterschiedlicher Studien darauf hinweise, dass Filesharer vermutlich mehr Geld für Kulturprodukte ausgeben als Nicht-Filesharer. Zudem erreiche der Verkauf digitaler Güter jedes Jahr neue Rekorde. Kostenloser Kulturkonsum sei zudem ein sehr altes Phänomen, da sich schon mit der Erfindung von Büchereien Bücher kostenlos lesen ließen: „Es scheint, als wäre es ein wiederkehrendes Phänomen des Kulturmarkts: Jede erfolgreiche Produktgattung entwickelt wirtschaftlich betriebene, kostenlose, legale Varianten. Bei der Beschreibung der vorhandenen Probleme der Kulturindustrie stimmt beim Begriff Gratismentalität also weder Mentalität noch gratis.“ Letztlich würde der Begriff Gratismentalität das Problem verschleiern, da das Problem „doch bitteschön bei den ungezogenen Kunden“ läge und nicht im eigenen Angebot. „Dabei ist der Kauf digitaler Güter auch zweihundert Jahre [sic!] nach Erfindung des Internets noch eine bizarre Zumutung.“ Musik lasse sich oft nicht ohne weiteres auf allen Geräten abspielen. Als Beispiel nannte Lobo die Digitale Rechteverwaltung (DRM), die keinen einzigen illegalen Download verhindere, sondern nur zum Verdruss des Kunden führe.[8]

Die deutsche Wirtschaftswissenschaftlerin Gisela Schmalz kritisiert in ihrem Buch No Economy die Gratiskultur im Internet.[9] Nach ihrer Ansicht führen die Gepflogenheiten der Gratisangebote und -nachfrage auf lange Sicht zu Qualitätsverlusten. Der Handel zum „Nulltarif“ habe eine unfaire ökonomische Verteilung zur Folge. Es würden Daten von Onlineunternehmen gespeichert, verarbeitet und verkauft, diese also nur von einigen Unternehmen monetarisiert.

Für viel Aufsehen sorgte ein Radiointerview des Künstlers Sven Regener von der Band Element of Crime im März 2012. Im Bayerischen Rundfunk wetterte Regener gegen die Kostenlos-Kultur im Musikgeschäft und setzte sich vehement für eine Stärkung des Urheberrechts und für die GEMA ein Regener sagte: „Die GEMA sind wir, die Komponisten und Textdichter“. Urheberrechtsverweigerern warf er vor, den Wert von Kunst zu untergraben.[10] Auch an YouTube, dem Videoportal des Internetkonzerns Google, übte er Kritik. Google verdiene Milliarden, sei aber nicht bereit, den Künstlern etwas von seinem Gewinn abzugeben.[11]

Jaron Lanier ruft dazu auf, man möge sich neben den „Gratis-Verlockungen“ der neuen Netzwelt auch die Kehrseiten vor Augen führen: „Wir kommunizieren regelmäßig mit Menschen, von deren Existenz wir vor dem Netzwerkzeitalter nicht einmal gewusst hätten. Wir können jederzeit Informationen zu fast jedem Thema finden. Aber wir haben auch erfahren, dass unsere Geräte und die aus idealistischen Motiven entstandenen digitalen Netzwerke von ultra-mächtigen, fernen Organisationen genutzt werden, um uns auszuspionieren. Wir werden stärker analysiert als wir analysieren.“[12]

Entgegen der Behauptung einiger Anbieter wie Pixabay kann ein Missbrauch[13] infolge mangelnder Kontrolle nicht ausgeschlossen werden. Letztlich wird dahinter nur eine Kapitalismuskritik versteckt.

3 Siehe auch

4 Weblinks

5 Vergleich zu Wikipedia




6 Einzelnachweise

  1. Medienkonzerne: Das Ende der Gratiskultur im Internet ist gekommen, Wirtschaftswoche vom 9. November 2011
  2. https://www.spiegel.de/spiegel/print/index-1947-1.html
  3. Das Ende der Gratiskultur. Wiener Zeitung Online. Abgerufen am 7. April 2011.
  4. Medienkonzerne: Das Ende der Gratiskultur im Internet ist gekommen. Handelsblatt. Abgerufen am 7. April 2011.
  5. Urs Meier: 100 Jahre Riepl’sches Gesetz. Besichtigung einer originellen und langlebigen Hypothese. In: Journal 21, 23. Januar 2013
  6. Der Mythos von der Gratiskultur, Thomas Knüwer im handelsblatt.blog vom 27. Juli 2009
  7. Kostenloskultur, Kai Biermann in neusprech.org vom 23. September 2011
  8. Warum der Begriff "Gratismentalität" Unsinn ist, Spiegel Online vom 19. Dezember 2012
  9. Gisela Schmalz: No Economy – Warum der Gratiswahn das Internet zerstört. Frankfurt am Main, Eichborn Verlag 2009
  10. so bei Wikipedia
  11. Fehlender Parameter „zugriff“, oder „zugriff-jahr“ (Hilfe) Element of Crime: Rockmusiker Sven Regener rechnet mit Piratenpartei ab. In: golem.de. 2012-03-23..
  12. Jaron Lanier: "Wem gehört die Zukunft?" 3. Aufl., Hamburg 2014, S. 22 f.
  13. Zusammenfassung der Pixabay-Lizenz, abgerufen am 1. Juni 2022

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