Fragmentenstreit

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Der Begriff Fragmentenstreit bezeichnet die bedeutendste theologische Auseinandersetzung des 18. Jahrhunderts in Deutschland und den wohl wichtigsten Gedankenstreit zwischen der Aufklärung und der orthodoxen lutherischen Theologie. Auslöser war ein Manuskript mit dem Titel Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes, das von Hermann Samuel Reimarus verfasst worden war, aber zunächst nicht veröffentlicht wurde. Gotthold Ephraim Lessing gab in seiner Funktion als Leiter der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel die Zeitschrift Zur Geschichte und Litteratur. Aus den Schätzen der Herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel heraus, die nicht der Zensur unterlag. Unter der Bedingung, dass die Anonymität des Verfassers gewahrt bliebe, erhielt er Teile des Textes von Reimarus. Zwischen 1774 und 1778 veröffentlichte Lessing sieben Passagen aus der „Apologie“ in mehreren Beiträgen unter dem Titel Fragmente eines Ungenannten. Durch irreführende Andeutungen versuchte Lessing zusätzlich, den wahren Verfasser zu verbergen. Daraufhin erschienen mehr als 50, zum Teil sehr heftige Gegenschriften. Lessing wurde für den Inhalt der Fragmente verantwortlich gemacht, obwohl er die darin vertretenen Positionen nur teilweise teilte und die Publikation der Fragmente mit eigenen Einwänden und Gegenentwürfen begleitet hatte. Sein Hauptgegner war der Hamburger Pastor Johann Melchior Goeze. 1778 wurde Lessing vom Herzog die Zensurfreiheit für die „Beiträge“ aberkannt; gleichzeitig erhielt er ein generelles Publikationsverbot für das Gebiet der Religion. Er setzte die Diskussion mit dem Drama Nathan der Weise auf dem Gebiet der Literatur fort.

1 Inhalte

In der „Apologie“ von Reimarus bezogen sich die wichtigsten Aussagen auf Texte im Neuen Testament der Bibel:

  • Die Existenz von Wundern wird bestritten und Propheten, Apostel und auch Jesus Christus seien Betrüger, wenn sie behaupten, Wunder zu tun.
  • Die moralische Integrität der biblischen Personen wird bestritten, da „ihre Handlungen so vielfach von den Regeln der Tugend, ja des Natur- und Völkerrechts abweichen“
  • Die Apostel haben die Geschichte und Lehre Jesu verfälscht.
  • Die Berichte von der Auferstehung Jesu Christi sind widersprüchlich.
  • Die Auferstehung und die Gottessohnschaft Jesu selbst werden abgestritten.

2 Diskussion

Die Vordenker der Aufklärung Reimarus und Lessing wendeten sich gegen eine „Buchstabenhörigkeit“ gegenüber der Bibel und unterschieden zwischen den Texten der Bibel auf der einen Seite und dem Geist bzw. der Religion auf der anderen Seite. Nach Lessing konnten notwendige Vernunftwahrheiten nicht von zufälligen Geschichtswahrheiten abhängig gemacht werden. Die deistischen Positionen, mehr noch die radikale Bibelkritik in der „Apologie“ riefen starke Empörung hervor.

Lessings Hauptgegner Goeze hielt an der Verbalinspiration fest. Sein zentrales Anliegen war die Verteidigung der Bedeutung von historischen Ereignissen und deren Wahrheitsgehalt für den Glauben. Christlicher Glaube könne nicht bestehen, wenn wesentliche Inhalte der neutestamentlichen Geschichte geleugnet würden. Lessing stellte den durch die Vernunft begründeten Glauben über einen, der sich nur auf zufällige historische Begebenheiten beruft. Goeze wiederum brachte vor, dass Glaubenswahrheiten nicht unbedingt Vernunftwahrheiten sein müssen, und warf Lessing mehrfach vor, den Rahmen des christlichen Glaubens verlassen zu haben.

Zu einem echten Dialog zwischen Goeze und Lessing kam es indes nicht. Beide Kontrahenten steigerten sich immer stärker in eine auch von persönlichen Angriffen gekennzeichnete Polemik hinein. Die Orthodoxie hatte im Grunde nicht die Möglichkeit, auf Lessings Thesen zu reagieren, andersherum verstand es Goeze auch nicht, die Schwächen in Lessings Argumentation nachzuweisen. Für Goeze war der Streit eine ernste Herzensangelegenheit; Lessing bezeichnete ihn jedoch als „Katzbalgerei“ und betonte mehrfach, keine Dogmen formulieren zu wollen, sondern Diskussionsbeiträge vorzustellen. Obwohl Goeze ein geachteter Gelehrter war, konnte er doch mit seinen sprachlichen und argumentativen Fähigkeiten nicht gegen Lessing bestehen.

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