Paul Frédéric Gauckler

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Paul Frédéric Gauckler (* 16. April 1866 in Colmar; † 6. Dezember 1911 in Rom) war ein französischer Klassischer Archäologe und ein Archäologiepionier in Tunesien.

1 Leben

Gaucklers Vater, Philippe Gaspard, stammte gebürtige aus Wissembourg und übte den Beruf eines Tiefbauingenieurs aus. Im Jahr 1872 zog die Familie nach Épinal. Seinen bereits in jungen Jahren gesundheitlich angeschlagenen Sohn erzog der Vater sehr autoritär. 1882 beendete er den Besuch einer Oberschule in Nancy. Trotz anderer beruflicher Neigungen wurde Gauckler von seinem Vater gezwungen, Naturwissenschaften zu studieren. Im Oktober 1882 wurde er am Lycée Louis-le-Grand in Paris aufgenommen und machte dort 1883 einen naturwissenschaftlichen Abschluss. 1884 wurde er Gewinner des landesweiten Hochschulwettbewerbs am Lycée Louis-le-Grand. Aufgrund einer chronischen Bronchienerkrankung überwinterte Gauckler aus therapeutischen Gründen 1884/85 erstmals in Algier, Algerien. Während dieses Aufenthalts offenbarte sich ihm seine eigentliche Berufung für Geschichte und Archäologie. Er besuchte die Ecole supérieure des Lettres d'Alger, eine Vorläuferinstitution der Universität Algier. Dort motivierte ihn Paul Monceaux (1859–1941) zu archäologischen Studien. Als Eléve begann Gauckler ab 1886 ein Studium der Geschichte und Geographie an der École normale supérieure (Paris) und wurde dort stark von Paul Vidal de la Blache (1845–1918) beeinflusst. 1887 schloss er dieses Studium erfolgreich ab. 1889 absolvierte er eine Agrégation für Geschichte und Geograpie.

Im Jahr 1890 kehrte er im Auftrag des französischen Bildungsministeriums nach Algerien zurück, um Ausgrabungen zu leiten. Zudem sollte er dort und in Tunesien Inventarisierungsarbeiten für Bibliotheken und Museen leisten. Nahe der algerischen Stadt Philippeville, heute Skikda, grub er eine Nekropole der antiken Stadt Thapsus aus. Nach seiner Zeit an den algerischen Museen in Constantine und Cherchell wurde Gauckler 1892 zum Chefinspektor des Amtes für tunesische Altertümer und Kunstobjekte, des heutigen Institut national du patrimoine berufen und war ab 1896 dessen Direktor. 1897 veröffentlicht er den ersten Katalog zum Inventar des Museums Alaoui, heute das Nationalmuseum von Bardo und 1902 legte er für das archäologische Museum von Sousse ebenfalls eine erste Inventarisierung vor. Der Posten als Chef der Antikenverwaltung blieb für Gauckler trotz aller Erfolge konfliktbeladen. In einer Zeit, in der noch häufig amateurhafte Archäologie betrieben wurde, der keine Grenzen gesetzt werden konnten, stand er mit seinen hohen Ansprüchen und trotz seiner Position vielfach im Abseits. Herausstechend waren die Auseinandersetzungen und Konkurrenzen mit Alfred Louis Delattre (1850–1932) einem katholischen Missionar. Der Beichtvater des bereits seit 1875 in Algerien lebenden Priesters war der damalige Erzbischof von Algier, Charles Martial Lavigerie (1825–1892). Im Auftrag seines an Christlicher Archäologie interessierten Bischofs, grub und sammelte Delattre in Karthago und Umgebung nach christlichen Hinterlassenschaften und brachte sie in das von seinem Orden neugeschaffene, nach dem Heiligen Ludwig benannte Museum auf dem antiken Burghügel von Byrsa, heute Archäologisches Nationalmuseum von Karthago. Neben Lavigerie war es auch der französische Militärarzt Louis Benjamin Charles Carton (1861–1924), der Gauckler zu schaffen machte. Carton betätigte sich in seiner Freizeit ebenfalls als Hobbyarchäologe und wurde insbesondere durch Ausgrabungen in Dougga bekannt. Als Gerüchte über eine Homosexualität Gaucklers öffentlich werden, stürzen sich die Gazetten auf ihn. Am 10. Oktober 1905 trat er infolge seiner gesellschaftlichen Demontage und einer schweren Herzkrankheit von seinem Posten als Chefinspektor zurück. Ab 1907 war er erneut im Auftrag des Bildungsministeriums unterwegs. Der Weg führte ihn nach Rom. Dort war er Mitglied der École française de Rome und leitete die Ausgrabung eines syrischen Tempels auf dem Gianicolo. Aufgrund seiner anhaltenden Leiden wählte Gauckler 1911 den Freitod.

2 Leistung

Während Gaucklers Tätigkeit in Tunesien galt sein Interesse besonders den Ausgrabungen von Karthago und Oudna. Auch in Dougga, Gigthis, Bulla Regia, Sousse und Medenine war er archäologisch tätig. Insbesondere das Nationalmuseum von Bardo profitierte von seinen Forschungen, denn es erhielt über 90 römische Mosaikfußböden. Außerdem organisierte er dort eine neue Abteilung für islamische Kunst. Gauckler widmete einen maßgeblichen Teil seiner Arbeit der Erforschung der antiken Wasserwirtschaft Tunesiens. Viele seiner Untersuchungen waren nur durch die Mithilfe der französischen Armee möglich. Insbesondere die archäologischen Expeditionen und Ausgrabungen bis an den Rand der Sahara konnte damals logistisch und kalkulierbar nur das Militär bewältigen.

Neben vielen anderen Auszeichnungen trug Gauckler den Ordre des Palmes Académiques (1892 Offizier), den Nischan el Iftikhar (1895 Kommandeur, 1899 Großoffizier) sowie den Ordre du Mérite agricole (1895). 1901 wurde er zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.

Sein Privatarchiv gelangte über den Archäologen Louis Poinssot (1879–1967) an das Institut national d'histoire de l'art (Nationales Institut für Kunstgeschichte) in Paris.

3 Veröffentlichungen (Auswahl)

  • * Enquêtes sur les installations hydrauliques romaines en Tunisie. 2 Bände, 9 Lieferungen. Direction des antiquités et beaux-arts. Tunis 1897–1912
  • mit Louis Poinssot, Alfred Merlin, Louis Drappier, Louis Hautecceur: Catalogue du Musée Alaoui, Supplement. Catalogue des musées et collections archéologiques de l'Algerie et de la Tunisie. Ernest Leroux, Paris 1910
  • Afrique proconsulaire (Tunisie) (= Inventaire des mosaïques de la Gaule et de l'Afrique Band 2), Ernest Leroux, Paris 1910
  • Rapport sur des inscriptions latines découvertes en Tunisie de 1900 à 1905. (= Nouvelles archives des missions scientifiques et littéraires. Band 15, Teil 4), Imprimerie nationale, Paris, 1907
  • mit Ernest Gouwet, Gustave Hannezo: Musée et collections archéologiques de l'Algérie et de la Tunisie. Musées de Sousse. Ernest Leroux, Paris, 1902
  • mit Henri Saladin: La mosquée de Sidi Okba à Kairouan (= Les monuments historiques de la Tunisie Bd. 2). Ernest Leroux, Paris 1899
  • Le domaine des Laberii à Uthina. In: Monuments et mémoires publiés par l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres. Bd. 3, Ernest Leroux, Paris 1896. S. 177–229.
  • L'archéologie de la Tunisie. Berger-Levrault, Paris/Nancy, 1896
  • Guide du visiteur au musée du Bardo. Extrait de la Revue Tunisienne, organe de l'Institut de Carthage. Tunis, 1896
  • Musee de Cherchel. (= Musées et collections archéologiques de l'Algérie et de la Tunisie Bd. 4). Ernest Leroux, Paris 1895.
  • mit René Cagnat: Les temples païens (= Les monuments historiques de la Tunisie Bd. 1). Ernest Leroux, Paris 1898
  • mit Georges Doublet: Musée de Constantine (= Musées et collections archéologiques de l'Algérie et de la Tunisie Bd. 2). Ernest Leroux, Paris 1892.

Aus dem Nachlass erschienen:

  • Nécropoles puniques de Carthage. 2 Bände. Auguste Picard, Paris 1915
  • Basiliques chrétiennes de Tunisie (1892–1904). Auguste Picard, Paris 1913
  • Le sanctuaire syrien du Janicule. Auguste Picard, Paris 1912

4 Weblinks

  • Paul Frédéric Gauckler, Webseite des Le comité des travaux historiques et scientifiques, abgerufen am 13. Januar 2015
  • Paul Frédéric Gauckler, Dokumente zur Aufnahme in die Ehrenlegion; Webseite des französischen Nationalarchivs, abgerufen am 13. Januar 2015

5 Literatur

  • Jacques Alexandropoulos: Paul Gauckler (1866–1911): une évocation de son passage à Tunis d’après le fonds des Archives départementales de l’Ariège. In: Pallas 56, 2001. S. 119–137.
  • Clémentine Gutron: L'archéologie en Tunisie (XIXe-XXe siècles). Jeux généalogiques sur l'Antiquité. Hommes et sociétés. Karthala, 2010, ISBN 978-2-8111-0396-5. S. 266–267.
  • * Clémentine Gutron: Gauckler, Paul. In: François Pouillon (Hrsg.): Dictionnaire des orientalistes de langue française. Karthala, Paris 2008, ISBN 978-2-84586-802-1. S. 425.
  • Salomon Reinach: In Paul Gauckler. In Revue archéologique Serie 4, 18, 1911. S. 458–459
  • Alessandro Teatini: Paul Gauckler. In: Stefan Heid, Martin Dennert (Hrsg.): Personenlexikon zur Christlichen Archäologie. Forscher und Persönlichkeiten vom 16. bis zum 21. Jahrhundert. Bd. 1, Schnell & Steiner, Regensburg 2012, ISBN 978-3-7954-2620-0. S. 556–557.
😃 Profil: Gauckler, Paul
Namen Gauckler, Paul-Frédéric (vollständiger Name)
Beruf französischer Archäologe
Persönliche Daten
6. Dezember 1866
Colmar
6. Dezember 1911
Rom


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