Naturmentoring

Aus PlusPedia
Wechseln zu: Navigation, Suche

Naturmentoring ist ein in den USA entwickeltes „ganzheitliches“ Lehrsystem, das sich an natürlichen Zyklen orientiert. Dabei wird ein Umfeld zur Förderung „bedeutungsvoller“ Beziehungen zum eigenen Lebensraum und seinen Bewohnern geschaffen. Dies geschieht über die fünf Sinne, durch „innere Prozesse“, Kreativität und Intuition. Am Ende soll die Erfahrung stehen, als Individuum und Gesellschaft sowie darüber hinaus in der gesamten Natur geborgen zu sein.[1]

Coin Übrigens: Die PlusPedia ist NICHT die Wikipedia.
Wir sind ein gemeinnütziger Verein, PlusPedia ist werbefrei. Wir freuen uns daher über eine kleine Spende!

1 Geschichte des Naturmentoring

Naturmentoring bezieht sich zu großen Teilen auf die Zeit der Jäger und Sammler. Damals spielte sich das Leben im Wesentlichen in der natürlichen Umgebung ab. Dadurch sind die Menschen mit ihrer Umwelt tief verbunden gewesen.[2] Mit der Verbreitung der Sesshaftigkeit begannen die Menschen mehr Zeit in ihren Hütten zu verbringen. Diese Tendenz hat laut Manfred Spitzer in der Geschichte zugenommen, insbesondere seit der Mitte des 20. Jahrhunderts, mit dem Häufigerwerden von Bildschirmmedien.[3][4]

Jäger und Sammler waren darauf angewiesen ihr komplexes Wissen über ihre Umwelt effizient weiter zu geben. Sie taten dies ohne Institutionen wie Schulen oder Bildungszentren intuitiv mit der heute „Naturmentoring“ genannten Methode, die ihr Überleben sicherte.

1971 begegnete Jon Young[5], im Alter von 10 Jahren, einem Mann namens Tom Brown Jr.. Tom Brown hatte von einem alten Indianer aus dem Stamm der Apachen gelernt, der noch als Jäger und Sammler gelebt hatte. Damals begann eine 7-jährige später so genannte Mentoring-Beziehung, durch die Jon mit einem Stammbaum von Naturmentoren in Kontakt kam, den er selbst als: “viel älter und kraftvoller als alles was er bisher erlebt hatte“, beschreibt.[6] Wenige Jahre später 1978 begann Jon Young seine Universitätskarriere, die er auf das Studium von Jäger und Sammlerkulturen ausrichtete. 1983 schloss er sein Studium mit dem Bachelor of Science in „Environmental Science“ (Umweltwissenschaften)ab. Er gründete im selben Jahr die sogenannte „Wilderness Awareness School“ (Schule zur Wahrnehmung der Wildnis) [7]. In Amerika und Europa entstanden daraufhin weitere Wildnisschulen.[8] 1995 wurde von Wolfgang Peham der erste deutsche Kurs dieser Richtung angeboten. Seit 2003 gibt es in Deutschland schließlich eine auf Naturmentoring beruhende, berufsbegleitende Weiterbildung, die "Wildnispädagogik". Im Jahre 2007 wurde dann über den Verein Naturmentoring e.V. in Deutschland der erste Waldkindergarten auf der Basis von Naturmentoring gegründet, mit dem Ziel, schon Kleinkinder mit der Natur vertraut zu machen. 2009 wurde mit dem 8 Shields Institute[9] in den USA eine Organisation gegründet, die anstrebt u.a. eine internationale Infrastruktur für das weltweite Netzwerk zu etablieren.

Die Bewegung arbeitet mit anderen Netzwerken und Projekten wie Unschooling, gewaltfreie Kommunikation, informelles Lernen, Permakultur, Ökologische Landwirtschaft und der No Child Left Inside Coalition[10] zusammen.[11].

2 Thesen und Ziele des Naturmentoring

Ziel des Naturmentoring ist die Bildung „bedeutungsvoller“ Beziehungen eines Individuums zu:

  • Seiner Umwelt
  • Seinen Mitmenschen und
  • Sich Selbst

Kultur wird im Naturmentoring als unvermeidbar betrachtet. Sie entsteht mit und ohne bewusste Einflüsse, durch das Zusammenkommen von Individuen. Bewusst oder unbewusst kreieren alle Organisationen kulturelle Systeme. Das kann zu beabsichtigten oder unbeabsichtigten Konsequenzen führen. Das Konzept des Naturmentoring zielt in erster Linie darauf ab, bewusste Teilnahme an einer „lebenstüchtigen“ Kultur zu fördern.[12]

Zu diesem Zweck unterstützt Naturmentoring die Entwicklung von Neugier, Kreativität, Kommunikation und Aufmerksamkeit.

Umweltpsychologen[13] beginnen gerade Zusammenhänge zu entdecken, die für Naturvölker, so die Vertreter des Mentoring, selbstverständlich waren: das Eintauchen in die natürliche Welt bringe lebensbereichernde Freude, Frieden und die Fähigkeit den Herausforderungen des Lebens mit einer positiven Haltung entgegen zu treten. Es ermögliche zu sehen wie alles zusammenhängt. Die externe Wahrnehmung, die durch Verbindung mit der Natur entwickelt wird, führt demnach häufig zu Veränderungen der internen Wahrnehmung, die Menschen dazu bringen Entscheidungen über ihren Lebensstil und Lebensstandard zu treffen, die notwendig sind um ihren eigenen Ökologischen Fußabdruck, den ihrer Familien und ihrer Gemeinden zu hinterlassen.[14]

Die Natur biete eine hohe Komplexität sich ständig verändernder Muster. Die Formen und Texturen der natürlichen Welt sprechen nach dieser Auffassung die tiefsten Aspekte des menschlichen Bewusstseins an.[15] Auf der grundlegendsten Ebene sind auch Menschen Natur, d.h. ein Teil des Lebens auf der Welt.

Die menschlichen Sinne, Gedanken und Körper haben sich in der Natur entwickelt, und der direkte und kontinuierliche Kontakt mit Natur sei „wohltuend und notwendig“ für eine optimale Gesundheit. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass Fettleibigkeit, Depression und andere Zivilisationsprobleme direkt mit mangelnder Zeit in der Natur verknüpft sind.[16] Dieses Syndrom wird im amerikanischen Englisch Nature Deficit Disorder[17] genannt und ist von Richard Louv[18] beschrieben worden.

Es gibt einen Unterschied ob wir ÜBER die Natur lernen, oder ob wir uns MIT der Natur verbinden. Über die Natur kann auf einer rein intellektuellen Ebene gelernt werden. Dies kann durch Lesen oder in einem Labor passieren, ohne dass man auch nur ein einziges Mal raus in den Wald oder auf die Wiesen muss. Mit Sicherheit ist diese intellektuelle Ebene des Lernens wichtig und Naturmentoring beinhaltet sie, als einen Teil ganzheitlicher Verbindung zur Umwelt. Zudem wird im Naturmentoring noch ein anderer Weg benutzt, um etwas über die Natur zu erfahren – direkte, sinnliche Erfahrungen in der Natur. Wenn diese Form von Begegnungen Tag für Tag wiederholt wird, entstehen starke Beziehungen zwischen dem Individuum und seiner Umwelt.

3 Ursprung des Naturmentoring

Die Grundlagen vom Naturmentoring liegen in dem gesammelten und destillierten Wissen von Jäger- und Sammlerkulturen der ganzen Welt. Moderne Erkenntnisse der Neurobiologie ermöglichen es, die Wirkweisen dieses Wissens nachzuvollziehen. Kernelemente sind Neugier, Notwendigkeit, Lenken von Aufmerksamkeit, sinnliches Wahrnehmen und der „natürliche Energiefluss“.

3.1 Wahrnehmung

Mit dem Begriff Wahrnehmung ist im Naturmentoring das Bewusstmachen von Zusammenhängen durch kognitiven und emotionalen Input sowie durch den Vorgang der Rezeption, das heißt das Empfangen und Verkosten des Wahrgenommenen gemeint.[19]

Im Naturmentoring geht es darum, die Natur, so wie sie uns umgibt, bewusst wahrzunehmen und zu erfassen. Das „Verkosten“ der Wahrnehmungen verhilft zu einem sehr persönlichen Bezug zur Natur. Dies geschieht, indem die Erfahrungen zusammengetragen und veranschaulicht werden. Sie führen so zu neuen Erkenntnissen.

Die Bedeutung der Wahrnehmung verdeutlicht Gerald Hüther, Professor für Neurobiologie an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen, in einem Stufenmodell. Der Grad an Ausprägung der einzelnen Stufen bestimmt den Grad an Vernetzung im Gehirn und damit an Bewusstheit.[20] Oder anders ausgedrückt: Je höher die Wahrnehmungsstufe ist, die ein Mensch erreicht, desto tiefer wird seine Einsicht in zusammenhängende Abläufe und desto größer ist sein Empfinden für komplexe Wirkzusammenhänge.

3.2 Vernetzung im Gehirn

Die Hebbsche Lernregel des Psychologen Donald Olding Hebb besagt, dass je häufiger ein Neuron A gleichzeitig mit Neuron B aktiv ist, umso bevorzugter werden die beiden Neuronen aufeinander reagieren ("What fires together, wires together").[21] Dadurch entstehen Verbindungen (Synapsen), die in ihrer Komplexität unsere „Gehirnmuster“ bilden. Die Verbindungen werden stärker durch die häufige Anwendung. Das hat zur Folge, dass einige Verbindungen mit der Zeit wie „Autobahnen“ ausgebaut werden, während andere ungenutzt brach liegen. Es kommt zu einer Spezialisierung des Gehirns, es entstehen „Hauptverkehrsadern“, die nur schwer verlassen werden können.[22]

Das nachfolgende Modell verdeutlicht, wie die Weltsicht von den Gehirnmustern abhängt. Die jeweilige Weltsicht bestimmt das Verhalten, welches wiederum die Aufmerksamkeit lenkt. Die Aufmerksamkeit ist für alles verantwortlich, die diese Gehirnmuster beeinflussen. Das bedeutet, dass der Mensch in Bahnen denkt, die sich immer weiter verfestigen und die das Wahrnehmen und Handeln bestimmen.

Möglichkeiten außerhalb dieser eingefahrenen Weltsicht können unter gewöhnlichen Umständen nicht wahrgenommen werden. Das Individuum zieht sie nicht in Betracht. Es bedarf „besonderer Umstände“, damit der Mensch seine gewohnen Bahnen verlässt und damit die eigene Wahrnehmung und die davon abhängige Weltsicht verändern kann.

Die „besonderen Umstände“ veranschaulicht Richard Louv in seinem Buch Last Child in the Woods - Saving our Children from Nature-Deficit Disorder[23] 2005 mit der Geschichte eines 14-jährigen Jungen, der mit seinen Eltern den Grand Canyon besucht. Ihm bedeutet das nicht viel. Als Pubertierender hat er das Gefühl nicht dorthin zu gehören. Später besucht die Familie den kleineren Walnut Canyon. Vor neunhundert Jahren haben dort, in den Höhlen die Sinagua Indianer gelebt. Die Familie wird von einem plötzlichen Unwetter überrascht und muss unter einem Felsvorsprung Schutz suchen. Es blitzt und donnert, und der Regen legt einen nebeligen Schleier auf die Eindrücke. Während sie darauf warten, dass der Sturm vorüber zieht, unterhielten sich die Eltern mit ihrem Sohn über die Indianer, die hier einst lebten. Sie sprachen darüber, wie unter den Felsvorsprüngen gekocht und geschlafen wurde und wie die Indianer dort Schutz fanden – genauso wie der Junge und seine Familie es in dem Augenblick taten. Der Junge, versunken in der Atmosphäre dieses Augenblicks, hat plötzlich ein Zugehörigkeitsgefühl. In diesem Moment veränderte sich die Wahrnehmung des Jungen. Der plötzliche Regen und die Notwendigkeit einen Unterschlupf zu finden, die sinnliche Erfahrung des Gewitters, die Aufmerksamkeit auf die Lebensweise der Indianer und die Neugierde auf ihre Geschichte – all das hatte ihm eine Veränderung seiner Wahrnehmung ermöglicht.

Neugier und Notwendigkeit sind nach Ansicht der Anhänger des Mentoring die Motivatoren für einen erfolgreichen Lernprozess. Aufmerksamkeit und Sinneseindrücke sind für die gewonnenen Daten verantwortlich. Sie entscheiden darüber, was gelernt wird.

3.2.1 Neugier

Die Neugier ist den Menschen angeboren. Am intensivsten ausgeprägt und zu beobachten ist sie bei Kindern, die noch keinem Lern- und Leistungsdruck unterworfen sind und bestimmten Erwartungen noch nicht standhalten müssen. Fangen Kinder an, ihre Mitwelt zu entdecken, geht es dabei nicht nur um analytisches Lernen, sondern auch um ein ästhetisches und emotionales Erfahren. Kinder erschließen sich ihre Mitwelt durch „ Wachheit“ und „Hingabe“. Sie versenken sich ganz in ihr Tun. Sie lernen gleichzeitig auf körperlicher, emotionaler, seelischer und kognitiver Ebene. Und sie lernen zu Beginn ihres Lebens so, wie die Menschen in der Vergangenheit ihr ganzes Leben lang gelernt haben - im alltäglichen Lebensvollzug. Jedes Tun hat eine sinnvolle Bedeutung. Es gibt keine Unterteilung in Lernen, Spielen, Arbeiten und Freizeit. Leben und Lernen sind eins.

Der Psychotherapeut und Arzt Eckhard Schiffer nennt diese ursprüngliche Form des Lernens „leibhaftige Welterfahrung“, die gleichzeitig mit Selbsterfahrung verknüpft ist.[24] Im Naturmentoring ist diese natürliche Neugier der Katalysator zum Tun. Sie initiiert den Erfahrungs- und damit den Lernprozess.

3.2.2 Notwendigkeit

Notwendigkeiten sind ein starker Auslöser für Lernprozesse. In Momenten, in denen wir herausgefordert sind, wenn wir unsere Komfortzone verlassen haben, werden Stresshormone ausgeschüttet und die Lernfähigkeit verändert sich. Informationen werden leichter erinnert und schneller mit einander verknüpft.[25] Solche Situationen helfen dabei,

  • unbekannte und ungewohnte Lösungsstrategien zu entwickeln,
  • persönliche Grenzen zu überwinden, dazu gehören physische Kräfte ebenso wie die Auseinandersetzung mit allgemeinen Berührungsängsten,
  • uns dadurch mit unserer eigenen Natur und unserer inneren Wildheit vertraut zu machen (Entwicklung von Eigen-Sinn und Identität),
  • Handlungsmuster zu entwerfen, die uns lebenstüchtig machen.

3.2.3 Lenken der Aufmerksamkeit

Worauf jemand seine Aufmerksamkeit richtet, bestimmt, worüber er Informationen bekommt. Im Naturmentoring wird das „Lenken von Aufmerksamkeit“ genannt. Ein Junge, der sich schon von klein auf für Schlagzeug spielen begeistert, wird, wenn er dieser Begeisterung nachgeht und gefördert wird, irgendwann wahrscheinlich ein sehr guter Schlagzeug Spieler werden.

Joscha Grolms von der Wildnisschule Wildniswissen sagt dazu:

„Wenn du etwas über die Natur lernen möchtest, sagen wir über Wildkatzen, dann musst du deine Aufmerksamkeit darauf richten. Wenn im Fernseher eine Doku über Wildkatzen läuft schaust du sie dir an, du bestellst Bücher über Wildkatzen und organisierst einen Familienausflug in den nächstgelegenen Zoo. Natürlich willst du dort als erstes zu den Wildkatzen gehen. Deine Aufmerksamkeit ist auf Wildkatzen gerichtet, also bekommst du auch Daten über Wildkatzen.“

Menschen lenken generell ihre Aufmerksamkeit auf Etwas. Worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten hängt zu einem Teil von unseren Gehirnmustern ab. Der andere Teil ist eine Frage dessen, worauf unsere Aufmerksamkeit gelenkt wird. Dafür spielt das Umfeld, die Kultur in der wir leben eine bedeutende Rolle. Im Naturmentoring wird die Aufmerksamkeit auf Dinge in der Natur gelenkt, die sich außerhalb der Wahrnehmung der Teilnehmer befinden. Es kommt zu einer Wahrnehmungs-Erweiterung.

Dieses Phänomen beschreibt Joscha Grolms im Folgenden:

„Mir persönlich ist es einmal mit Südafrika so ergangen. Ich wusste kaum etwas über Südafrika. Ich wusste weder etwas über die Größe, seine genaue geographische Lage, geschweige denn über die verschiedenen Kulturen seiner Bewohner. Selbst das Wort „Südafrika“ klang irgendwie fremd in meinen Ohren und ich hörte es nur sehr selten. Südafrika war nahezu nicht existent. Eines Tages erzählte mir ein guter Freund, dass er eine Ausbildung in Südafrika gemacht hatte und dass er dachte, diese Ausbildung könnte etwas für mich sein. Tatsächlich interessierte ich mich dafür und auf einmal war Südafrika überall! Einer meiner früheren Lehrer kam aus Südafrika, meine Freundin hat Bekannte in Südafrika und auf dem Werbeschild vor meiner Wohnung steht „entdecke den Zauber Südafrikas“. Dieses Schild habe ich vorher nie bemerkt, aber jetzt war Südafrika überall. Meine Wahrnehmung wurde um Südafrika erweitert und ich richtete meine Aufmerksamkeit darauf. Ein paar Jahre später habe ich einen Vortrag über Südafrika gehalten.“[26]

Naturmentoring dehnt konstant unsere Wahrnehmung, so dass immer höhere Wahrnehmungsstufen erlangt werden können.

3.2.4 Sinneseindrücke

Verschiedene Sinne geben uns verschiedene Informationen. Je sinnlicher eine Erfahrung, desto reichhaltiger ist der Informationsgewinn. Durch Sinnliche Wahrnehmung werden Informationen gesammelt, die rein kognitiv nicht erlangt werden können. Dies wird in einer Broschüre der Wildnisschule Wildniswissen verdeutlicht:

„Verbundenheit zu empfinden ist wesentlich eine Angelegenheit von Gefühlen. Unsere Sprache verdeutlicht das wenn wir sagen, wir fühlen uns einer Sache oder jemandem sehr verbunden. Dies zeigt, dass ein solcher Prozess nicht allein kognitiv vonstatten gehen kann. Das heißt auch, dass wir uns nur mit der Umgebung verbinden können, wenn wir uns in unmittelbaren Kontakt mit ihr begeben. Ein Ahornblatt kann im Klassenzimmer untersucht werden, aber die Wirkung und die Stimmung, die von einem Ahornbaum ausgehen, kann nur draußen an seinem Standort wahrgenommen werden. Wir benötigen all unsere Sinne, um in unsere Umgebung ganz eintauchen zu können.“[27]

In R. Louv´s Geschichte kamen diese vier Faktoren zusammen. Der Junge konnte mit seinen Sinnen ganz in die Umgebung eintauchen. Die Notwendigkeit Schutz zu suchen und das, durch die Erfahrung des Unwetters ausgeschüttete Adrenalin, haben die Geschichte der Indianer lebendig werden lassen. Erfüllt von Spannung und Neugier wurde für einen Moment die Aufmerksamkeit voll und ganz auf diese komplexe Situation gelenkt und der Junge konnte dadurch eine neue Wahrnehmung erlangen. Auf einmal hat er das Gefühl dazu zu gehören.

3.3 Der natürliche Energiefluss

Als natürlicher Energiefluss wird im Naturmentoring ein roter Faden verstanden, der durch natürliche Zyklen definiert wird. Um diesen Energiefluss zu veranschaulichen wird ein Modell (Abb. 4) benutzt, das den vier Himmelsrichtungen verschiedene Eigenschaften (Archetypen) zuordnet. Das Modell basiert auf Beobachtungen von Mustern, die in der Natur gemacht werden können. Es ist in mehreren Schichten aufgebaut und als ein im Osten beginnender Kreislauf zu verstehen.

Grundlegende Zyklen, wie die vier Tages- und Jahreszeiten, sind einfach zu beobachten. Wir können viel von ihnen lernen und die Lehren können in verschiedensten Bereichen angewandt werden, um unser Verständnis über Lernen, Lehren, Kultur und deren effektive Anwendung zu erhöhen. Wir können z.B. beobachten, wie die Sonne jedes Lebewesen und jede natürliche Kraft auf unserem Planeten beeinflusst. Wenn die Sonne aufgeht singen die Vögel. Der Sonnenaufgang trägt außerdem eine besondere Stimmung, oder Archetyp, in sich. Der Sonnenaufgang fühlt sich anders an, als der Mittag oder der Sonnenuntergang. Wenn wir die Stimmung der aufgehenden Sonne und die Zeit des Morgens in ein Wort fassen könnten, wäre es „Inspiration“. Die Sonne geht im Osten auf. Das inspirierende Prinzip der aufgehenden Sonne wird zur archetypischen Energie des Ostens und bildet das Fundament für das, was in diesem Modell dem Osten zugeordnet wird.

Es gibt verschiedene Bereiche in diesem Modell, wobei jeder Bereich mit einer Tageszeit und mit den Phasen vieler anderer natürlicher Prozesse korrespondiert. Jeder Bereich hat seine eigene archetypische Energie, die im Zusammenhang zu natürlichen Phänomenen und dem Lern- und Lehrprozess steht. Dadurch wird es möglich Phasen und Beziehungen, die in der Natur auftreten, aufzuzeichnen. Das gilt für natürliche Phänomene im großen Rahmen genauso, wie für Nuancen von menschlichem Lernen und Kultur. Im Naturmentoring wird dieses Modell benutzt, um Lernprozesse zu kartographieren und um einen Werkzeugkoffer an Methoden zu erschaffen, mit dem diese Lernprozesse verstärkt werden können.[28]

Das folgende Beispiel zeigt, wie der natürliche Energiefluss beim Lernen aussehen kann.

Während eines Workshops sieht ein Teilnehmer, wie mit nur einem Streichholz Feuer gemacht wird. Vorher hat er eine faszinierende Geschichte darüber gehört, wie der Naturmentor zum ersten Mal selber Feuer gemacht hat und wie besonders das Gefühl für ihn dabei gewesen ist.

Beflügelt durch die Geschichte und seine Neugier beginnt der Teilnehmer Material zu sammeln und aufzuschichten. Jetzt muss er etwas tun, wenn er wirklich Feuer haben will. Sein Wissen wächst während er übt und seine Fähigkeit verbessert sich durch jede Wiederholung. Wenn er am Ball bleibt, besitzt er irgendwann genügend Informationen und Können, um erfolgreich ein Feuer machen zu können.

Nach einer Zeit des Übens und der Erfahrung trägt die Energie der Inspiration Früchte und der Mann kann mit einem Streichholz ein Feuer entzünden. Die anderen Teilnehmer kommen dazu und wollen wissen wie es ihm ergangen ist. Während sie gemeinsam um das Feuer sitzen erzählt der Mann seine Geschichte. Die harte Arbeit ist vorbei und sie macht sich bezahlt. Das gemütliche Feuer, die Kameradschaft und die Fähigkeit, selbstständig Feuer machen zu können, sind bereichernd.

Abends, vor dem Einschlafen, lässt er den Tag Revue passieren. Dass er das Feuer mit nur einem Streichholz anbekommen hat, verschafft ihm ein sattes Gefühl von Zufriedenheit. Er nimmt sich vor, das unbedingt auch noch im Regen auszuprobieren und er überlegt, das jährliche Osterfeuer in Zukunft etwas anders aufzuschichten.

4 Literatur

5 Weblinks

 Commons: Naturmentoring – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

6 Einzelnachweise

  1. Peham, Wolfgang. (2009)Naturmentoring
  2. Manfred Spitzer.DVD Vortrag Entwicklungsneurobiologie. Fünfteiliges Seminar der Lindauer Psychotherapiewochen 2002.
  3. Manfred Spitzer. (2006) Vorsicht Bildschirm!: Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft. Klett Lerntraining GmbH. 303 Seiten, ISBN 3120101702
  4. For more children, less time for outdoor play: Busy schedules, less open space, more safety fears, and lure of the Web keep kids inside by Marilyn Gardner, The Christian Science Monitor, June 29, 2006
  5. Jon Young
  6. Young, Jon. (2008) The History of a Movement
  7. Wilderness Awareness School
  8. Vgl. Einheimisch werden in der Natur Diplomarbeit von Anja Erxleben, S. 40 Geschichte und Entstehung von Wildnisschulen, FH Eberswalde, April 2008
  9. 8shields.org
  10. No Child Left Inside Coalition
  11. Young, Jon. (2008) The History of a Movement
  12. Young, Jon. (2008) Council for Regenerative Culture
  13. Vgl. Norbert Jung, Forschung: „Psychotope als Gegenstand der Mensch-NaturBeziehung“
  14. Young, Jon. (2008)
  15. Einführung in die Neurobiologie Original-Aufzeichnung einer Vorlesung von Prof. Dr. Gerald Hüther vom März 2006.
  16. Are your kids really spending enough time outdoors? Getting up close with nature opens a child's eyes to the wonders of the world, with a bounty of health benefits. by Tammie Burak, Canadian Living.
  17. Nature Deficit Disorder Wikipedia engl.
  18. Richrad Louv Wikipedia engl.
  19. Duderstadt, Matthias(Hrsg.): Kunst in der Grundschule Frankfurt am Main, 1996, S.14
  20. Prof. Dr. Gerald Hüther.Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen (Sammlung Vandenhoeck; 6. Aufl. 2006) ISBN 978-3-525-01464-6
  21. Donald Olding Hebb. The organization of behavior. A neuropsychological theory. Erlbaum Books, Mahwah, N.J. 2002, ISBN 0-8058-4300-0 (Nachdruck der Ausgabe New York 1949)
  22. Gerald Hüther. Biologie der Angst - Wie aus Stress Gefühle werden. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2005, ISBN 3-525-01439-2
  23. Louv, Richard. (2005) Last Child in the Woods: Saving Our Children from Nature-Deficit Disorder (Gebundene Ausgabe). Algonquin Books. 336 Seiten ISBN 1565123913
  24. Schiffer, Eckhard. Vortrag (2004) Warum Huckleberry Finn kein Ritalin braucht Vortrag
  25. Prof. Dr. Hebb Reymond. Zum Einfluss der Amygdala auf das Gedächtnis Einführung in die Neurophysiologie II - Einflüsse von Adrenalin
  26. Joscha Grolms, persönliche Mitteilung in einem Interview vom 26.10.2009
  27. Wildnisschule Wildniswissen. (2005) Wildniswissen macht Schule
  28. Young, Jon (2008) What is the 8 Shields Mentoring Model?

7 Andere Lexika

  • Dieser Artikel wurde in der Wikipedia gelöscht.



Diesen Artikel melden!
Verletzt dieser Artikel deine Urheber- oder Persönlichkeitsrechte?
Hast du einen Löschwunsch oder ein anderes Anliegen? Dann nutze bitte unser Kontaktformular

PlusPedia Impressum
Diese Seite mit Freunden teilen:
Mr Wong Digg Delicious Yiggit wikio Twitter
Facebook




Bitte Beachte:
Sämtliche Aussagen auf dieser Seite sind ohne Gewähr.
Für die Richtigkeit der Aussagen übernimmt die Betreiberin keine Verantwortung.
Nach Kenntnissnahme von Fehlern und Rechtsverstößens ist die Betreiberin selbstverständlich bereit,
diese zu beheben.

Verantwortlich für jede einzelne Aussage ist der jeweilige Erstautor dieser Aussage.
Mit dem Ergänzen und Weiterschreiben eines Artikels durch einen anderen Autor
werden die vorhergehenden Aussagen und Inhalte nicht zu eigenen.
Die Weiternutzung und Glaubhaftigkeit der Inhalte ist selbst gegenzurecherchieren.


Typo3 Besucherzähler - Seitwert blog counter
java hosting vpn norway