Different Trains (Komposition von Steve Reich)
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Different Trains ist eine Komposition für Streichquartett und Tonband des jüdischen Komponisten Steve Reich aus dem Jahr 1988.
Inhaltsverzeichnis
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1 Entstehung
Reich stammte aus einer deutsch-jüdischen Familie, wurde jedoch nicht besonders religiös erzogen. Er hatte niemals Hebräisch gelernt, und auch nicht in der Tora gelesen. Bei seiner Bar Mitzwa sagte er nur einen auswendig gelernten Text auf. [2] Ab 1974 setzte er sich (nachdem er sich bereits u.a. mit der Kultur und Musik Afrikas und Balis auseinandergesetzt hatte) mit seiner eigenen ethnischen und religiösen jüdischen Herkunft auseinander. Er belegte Kurse in Hebräisch und der Tora an der Lincoln Square Synagoge in Manhattan. 1976 und 1977 befasste er sich dann in New York und Jerusalem mit traditioneller jüdischer Kantillation und den jüdischen Kantillationszeichen ta’amim. In New York arbeitete er dafür u.a. mit dem Kantor Edward Berman und in Jerusalem mit Avigdor Herzog sowie dem Musikwissenschaftler Israel Adler. Ein wichtiger Einfluss für Reich war dabei auch Abraham Zevi Idelsohns Buch Jewish Music - Its Historical Development. [3] Bei einem zweiwöchigen Besuch in Israel im Jahr 1977 nahm Reich Gesänge von aus Bagdad, dem Jemen, Kurdistan und Indien stammenden Juden auf. 1981 entstand mit Reichs Komposition Tehillim eine Vertonung der jüdischen Psalmen.- Während des 2. Weltkriegs machte der Komponist viele Zugreisen zwischen New York und Los Angeles. Jahre später bemerkte er, dass er - falls er ein Jude in Europa gewesen wäre - eventuell mittels Eisenbahntransporten in Konzentrationslager verbracht worden wäre. Reich meinte u.a.:
- "Die Idee zu dem Stück stammt aus meiner Kindheit. Als ich ein Jahr alt war, trennten sich meine Eltern. Seit dem einigten sie sich auf ein geteiltes, so dass ich begleitet von meiner Gouvernante zwischen 1939 und 1942 häufig mit dem Zug zwischen New York und Los Angeles hin und her reiste. Ich blicke heute zurück und denke, dass ich, wenn ich in dieser Zeit in Europa gelebt hätte, als Jude mit vielen verschiedenen Zügen hätte fahren müssen. In diesem Sinne wollte ich ein Stück machen, das genau diese Situation widerspiegelt. Das Stück präsentiert somit sowohl dokumentarische als auch musikalische Realität und ist der Anfang einer neuen musikalischen Richtung." [4]
- Das Stück wurde am 2. November 1988 vom Kronos Quartet in der Queen Elizabeth Hall in London uraufgeführt.
2 Musik
- Die Komposition besteht aus drei Teilen:
- America before the War
- Europe-During the War
- After the War
- In jedem Satz wird die Melodie zuerst von einem Einzelinstrument (Viola, Cello) gebracht. Eine Sprachaufnahme, von welcher die Melodie abgeleitet ist, wird eingeblendet. Dann wird die Melodie eine Zeit lang entwickelt, indem die Instrumente mit den Sprachaufnahmen zusammenspielen. Die Sprachaufnahmen sind aus Interviews mit Holocaustüberlebenden genommen. Steve Reich hat diese dann gesampelt und in ein Keyboard (Casio FZ-1) übernommen.
- Die Streichinstrumente machen ausgiebig Gebrauch von Paradiddle-Rhythmen mit abwechselnden Tonhöhen.
- Zusätzlich enthält das Stück Tonaufnahmen von Eisenbahnen, Sirenen, Alarmglocken und andere Aufnahmen von Musikinstrumenten.
3 Rezeption
- Different Trains gewann im Jahr 1989 den Grammy Award als Best Contemporary Classical Composition.
- Martin Klebes schreibt zu dem Werk u.a.:
- "Die Überblendung des semantischen Gehalts mit den auditiven "Merkzeichen" der Zuggeräusche verbindet beide Elemente durch die Rhythmisierung - sie gibt ihnen die Zeitstruktur des Verkehrens und Vergehens. Es bleibt dabei völlig offen, um wessen Gedächtnis es sich nun genau handelt." [5]
4 Links und Quellen
4.1 Siehe auch
- Hallo Hans, wo gehts denn hin? (Komposition von Boris F.)
- Music for Mallet Instruments, Voices and Organ (Werk von Steve Reich)
- It's Gonna Rain (Komposition von Steve Reich)
- Daniel Variations (Komposition von Steve Reich)
- Tehillim (Komposition von Steve Reich)
4.2 Weblinks
- Stephen Frosh: Different Trains - An Essay in Memorialising
- different trains (1988) narrative music: music as an imageconjuring sign
- www.ac-caen.fr
4.2.1 Bilder / Fotos
4.2.2 Videos
4.3 Literatur
- Sarah Lynn Fisher: "The Mind is Listening": Listening for Meaning in Steve Reich's "The Desert Music", University of Arizona, 2007, S. 23 ff.
- Christopher Fox: Steve Reich's ‘Different Trains’, Cambridge University Press, 1990
- Frieder von Ammon: "Züge des Leben, Züge des Todes" - Die Darstellung des Holocaust in Steve Reichs Komposition Different Trains; in Matías Martínez: Der Holocaust und die Künste - Medialität und Authentizität von Holocaust-Darstellungen in Literatur, Film, Video, Malerei, Denkmälern, Comic und Musik, Band IX von Schrift und Bild in Bewegung, Aisthesis, 2004, Seite 25 bis 50
4.4 Einzelnachweise
- ↑ Anm.: Das Denkmal erinnert an die Kindertransporte, mit denen 10.000 jüdische Kinder 1938/1939 per Eisenbahn von Berlin aus nach England ausreisen konnten, und an die jüdischen Kinder, die später in die Vernichtungslager deportiert wurden.
- ↑ Sabine Töfferl: Nicht-westliche Einflüsse in der Musik Steve Reichs, Diplomarbeit, Wien, 2010, S. 149
- ↑ Steve Reich: Writings on Music - 1965-2000, Oxford University Press, 2002, S. 107
- ↑ Im Original: "The idea for the piece comes from my childhood. When I was one year old, my parents seperated. Since the arranged divided custody, I traveled back and forth by train frequently between New York and Los Angeles from 1939 to 1942, accompanied by my governess. I now look back and think that, if I had been in Europe during this period, as a Jew I would have had to ride very different trains. With this in mind, I wanted to make a piece that would accuratley reflect the whole situation. The piece thus presents both a documantary and a musical reality, and begins a new musical direction." (zitiert nach Amy Lynn Wlodarski: Musical Witness and Holocaust Representation, Cambridge University Press, 2015, S. 126)
- ↑ Martin Klebes: Generatio aequivoca - Steve Reich und die richtige Mischung
5 Andere Lexika
Wikipedia kennt dieses Lemma (Different Trains (Komposition von Steve Reich)) vermutlich nicht.
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