Incastellamento

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Als incastellamento bezeichnet man eine im 9. Jahrhundert beginnende und im frühen 11. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichende Phase des intensiven Ausbaus von Burgen und Klöstern in Mittel- und Oberitalien, Spanien sowie West- und Mitteleuropa und in Italien auch den Ausbau von Stadtbefestigungen. [1][2] Der Begriff incastellamento als Terminus der Geschichtswissenschaften geht auf den französischen Historiker Pierre Toubert zurück, stammt ursprünglich aus der italienischen Sprache und wurde mit dem französischen Wort «enchâtellement» übersetzt. Die damaligen Zeitzeugen wie auch die ältere Forschung deuteten das incastellamento lange Zeit primär als Reaktion auf die Bedrohung durch fremde Eroberer (Magyaren, Wikinger und Sarazenen). Die neuere Forschung dagegen hat aufgezeigt, dass der Vorgang des incastellamento eher als Maßnahme zur Wiederansiedlung von Bevölkerung, einer Intensivierung der Landwirtschaft und als Folge lokaler Verschiebungen der Machtverhältnisse zu interpretieren ist.

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1 Italien

Der Prozess des incastellamento begann in Italien bereits Mitte des 10. Jahrhunderts und somit früher als in West- und Mitteleuropa. Das Phänomen des incastellamento ist für Ober- und Mittelitalien wissenschaftlich gut untersucht und wird hier weniger als Phase des intensiven Burgenausbaus sondern eher als Verstädterungsvorgang mit neuen Zentralorten auf dem Lande sowie der Verstärkung der Befestigungen bereits vorhandener Städte gedeutet. In Norditalien waren die Burgen ursprünglich Sitze der Barone und verbreiteten sich nach der Unterbrechung der königlichen Autorität Mitte des 10. Jahrhunderts in Folge sehr schnell. Mit dem Aufstieg der Stadtstaaten begannen die mächtigen und miteinander konkurrierenden Kaufmannsfamilien, Festungen und Türme als Residenzen in den Städten zu errichten.

Im Herrschaftsbereich des Kirchenstaates trieben eher kleine Adlige, die verschiedenen mit Rom verbundenen Familien und Fraktionen angehörten, den Ausbau von Burgen und Siedlungen voran. Die Patrizierfamilien der Crescentier und Tusculani errichteten in ganz Latium Festungen, um die Straßen zur Ewigen Stadt zu dominieren. Mit der im Abstieg befindlichen päpstlichen Macht im späten 10. und 11. Jahrhunderts gaben ihre Festungen auf den Hügeln den kleineren Herrschaften weit mehr Macht als vorher.

2 Spanien

In Spanien ist die Bewegung des incastellamento eng mit der Reconquista verbunden. Der Burgenbau fand hauptsächlich in der Mitte der Iberischen Halbinsel statt, wo das Königreich Kastilien sogar nach den vielen Burgen benannt wurde.

3 Frankreich

In Frankreich begann das incastellamento im Norden, besonders in der Normandie, Flandern und Anjou. Von dort aus breitete sich die Bewegung des Burgenbaus bis ins Loiretal aus. So gab es in Poitou an der Westküste Frankreichs im 11. Jahrhundert fast 40 Burgen, die überwiegend von lokalen Herrschern errichtet wurden. Im Languedoc und in Südfrankreich kam der Burgenausbau im Rahmen der Ketzerbewegungen und der Kriege gegen diese in Schwung.

4 Deutschland

In den deutschen Gebieten setzte das incastellamento später als in West- und Südeuropa ein. Den Anstoß hierzu gab die Schwächung der kaiserlichen Autorität. Während des Investiturstreits im 11. Jahrhundert und dem daraus resultierenden Niedergang der kaiserlichen Macht explodierte der Burgenbau, das lokale Herrscher Ansprüche auf ehemals kaiserliche Vorrechte in ihren Kleinstaaten erhoben und diese militärisch zu sichern suchten. Im Rahmen der Ostsiedlung des Deutschen Ordens wurde viele Burgen errichtet.

5 Britische Inseln

Wirkliche mittelalterliche Burgen kamen in auf den britischen Inseln etwas später auf als in Kontinentaleuropa. Der Prozess des incastellamento in Großbritannien untrennbar mit der Normannisierung verbunden. Unter der Herrschaft von Eduard dem Bekenner, dem letzten König vor der normannischen Eroberung, wurden in England etliche Burgen erbaut. Das incastellamento im größeren Stil begann dann unter Wilhelm dem Eroberer in den Jahren unmittelbar nach der Schlacht von Hastings. Burgen wurden eilig im ganzen Land errichtet, um die Einheimischen zu unterwerfen und fremde Invasionen durch rivalisierende Anwärter auf den Thron zu verhindern. Die meisten dieser Burgen gehörten dem König oder einem seiner Pächter. Der Bau zahlreicher Burgen durch niedere Herren war, wie an den meisten Orten, ein Merkmal der Herrschaft schwächerer Könige.

6 Literatur

  • Pierre Toubert: Dalla terra ai castelli - Paesaggi, agricoltura e poteri nell'Italia medievale, Turin, 1997
  • Alberto Sciascia: L'incastellamento nell'Europa occidentale - Fonti e dibattito storiografico, Marco Valerio, 2007
  • Pierre Toubert: Incastellamento; in LdM 5, 1991, Sp. 397-399
  • Jean-Marie Martin: Modalités de l'incastellamento et typologie castrale en Italie méridionale; in Castelli - Storia e archeologia, 1981, Seite 89-104

7 Weblinks

8 Andere Lexika

Wikipedia kennt dieses Lemma (Incastellamento) vermutlich nicht.

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9 Einzelnachweise

  1. Thomas F. Glick: From Muslim Fortress to Christian Castle - Social and Cultural Change in Medieval Spain, Manchester University Press, 1995, Seite 105 und 106
  2. Friedrich Prinz: Innovationen und Mentalitäten - die Dinge kommen in Bewegung; in Rainer Beck (Hrsg.): Deutschland - Ein historisches Lesebuch, C.H. Beck, München, 1990, Seite 49

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