Mi-Sinai niggunim

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Als mi-Sinai niggunim (hebr.: נִגּוּנִים, נִגּוּנֵי מִסִּינַי; dt.: Melodien vom Berg Sinai), [1] auch nigunim mi-Sinai, [2] mi-Sinai [3] [4] oder Missinai /Missinai-tunes, [5] bezeichnet man sehr alte, mittelalterliche Melodien (niggunim) der aschkenasischen Synagogalmusik, die in den verschiedenen Siedlungsgebieten des aschkenasischen Judentums eine identische bzw. sehr ähnliche Grundgestalt aufweisen, und nicht auf noch ältere Melodien zurückgeführt werden können. [6] [7]
Blick vom Berg Sinai auf dem Moses von Gott die Zehn Gebote erhalten haben soll - Obwohl der Begriff Mi-Sinai niggunim eine alttestamentarische Herkunft der Melodien nahelegt, stammen diese eher aus dem 11. bis 15. Jahrhundert und aus Europa und nicht aus Palästina
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1 Details

Die erstmalige Verwendung des Begriff niggunim mi-Sinai wird dem Talmudist und Posek Yaakov Ben Moshe Levi Mölin (1375-1427) zugeschrieben. Dieser schrieb u.a.: "Kol nigun k`mo she-hu m`tukan she-ha-kol halakkah l`-Moshe mi-Sinai she-ne`emar". [8] Dabei bezog er sich allerdings nicht auf Melodien sondern die Kantillation (ta`amei ha-mikra). [9]

Der jüdische Musikwissenschaftler Abraham Zevi Idelsohn war dann der erste, der den Begriff auf Melodien bzw. Gesänge bezog. Er ersetzte mit dem Begriff Missinai-tunes die Bezeichnung skarbove, eine Ableitung des lateinischen sacra, nach neuerer Erkenntnis eher aus dem polnischen Wort skarb abgeleitet, was eine Sammlung bzw. einen offiziellen Korpus bezeichnet [10] [11]), eine Bezeichnung von Kantoren für besonders alte liturgische Melodien. Idelsohn schreibt dazu u.a.:

"Diese Melodien wurden geheiligt und "heiligen Melodien" oder scarbove - eine Verballhornung des lateinischen sacra - genannt. Sie wurden auch Misinai-Melodien genannt, was "von Moses auf dem Berg Sinai erhalten" bedeutet. Der Geburtsort dieser Missinai-Melodien lag in Südwestdeutschland in den alten Gemeinden von Worms, Mainz, Speyer und dem Rheinland, den Orten, die mehrere Jahrhunderte das Zentrum des Judentums waren, und von denen aus sich das talmudische Judentum in Mittel- und Osteuropa verbreitete." [12]

Der Begriff von Idelsohn wurde bald allgemein akzeptiert.

Obwohl der Namensbestandteil mi-Sinai etwas anderes suggeriert, stammen die mi-Sinai niggunim nicht aus alttestamentarischer Zeit sondern dem Mittelalter. Kantor Bernard Beer, seit 1985 Leiter der Belz School of Jewish Music, meint dazu in einem Interview u.a.:

"Es gibt einige sehr alte Melodien, die wir als mi-Sinai-Melodien bezeichnen (Melodien vom Sinai). Viele dieser Melodien die wir an den Hohen Feiertagen singen fallen unter diese Kategorie. Melodien wie das Kol Nidrei, die verschiedenen Melodien für das Kaddisch, und die alljährlichen Segnungen für Tau und Regen. Diese Melodien werden nicht deshalb als mi-Sinai bezeichnet, weil wir mit absoluter Sicherheit wissen, dass sie bis auf die Zeit von Moses auf dem Berg Sinai zurückgehen. Wir behandeln sie eher so, als ob sie so heilig wären und auf diese alttestamentarischen Zeiten am Berg Sinai zurückgehen würden." [13]

Die mi-Sinai niggunim sind vom 11. bis 15. Jahrhundert in Südwestdeutschland und dem Rheinland (SCHUM-Städte) enstanden. Die meisten mi-Sinai niggunim sind mit den Hohen Feiertagen (Yamim Noraim) und den drei Festen Pessach, Schawuot und Sukkot verbunden. [14]

Es gibt circa zehn Melodien, die allgemein den mi-Sinai niggunim zugerechnet werden. Allerdings ist diese Zuschreibung nie definitiv festgelegt worden. Zu den mi-Sinai niggunim gehören unbestreitbar z.B. das Kol Nidre, das Alejnu leschabe'ach, das Tefilat HaAmidah und das Avodah. Erste Niederschriften der Melodiegestalten der mi-Sinai niggunim entstanden allerdings erst weit später. So erfolgte z.B. die erste Notation des Kol Nidre durch den deutschen Kantor Aaron Beer im Jahr 1765. [15]

Um zur Gruppe der mi-Sinai niggunim zu gehören werden i.A. folgende Anforderungen an eine Melodie gestellt:

- Sie muss zum gemeinsamen Erbe des aschkenasischen Ritus in West- und Osteuropa gehören.
- Die Melodie muss immer an der selben Stelle im liturgischen Ablauf eingesetzt werden.
- Sie muss eine unverkennbare musikalische Grundgestalt aufweisen, die nicht mehr auf noch ältere Melodien zurückgeführt werden kann. [16]

2 Links und Quellen

3 Siehe auch

4 Weblinks

5 Literatur

  • Adele Berlin: The Oxford Dictionary of the Jewish Religion, Oxford University Press, 2. Aufl., 2011, Seite 504
  • Mark Kligman: Jewish liturgical music; in Joshua S. Walden (Hrsg.): The Cambridge Companion to Jewish Music, Seite 92
  • Abraham Zevi Idelsohn: Der Missinai-Gesang der deutschen Synagoge in Zeitschrift für Musikwissenschaft, Nr. 8, 1926, Seite 449 bis 472
  • Abraham Zevi Idelsohn: Jewish Music - Its Historical Development, Henry Holt and Company, New York, 1929, Seite 136 und 177
  • Encyclopaedia Judaica, Band XIV / (Mel-Nas), 2. Aufl., Keter Publishing House Ltd., 2007, Seite 363 und 364
  • Eric Werner: A Voice Still Heard - The Sacred Songs of the Ashkenazic Jews, Pennsylvania State University Press, 1976, Seite 26 ff.
  • Irene Heskes: Passport to Jewish Music - Its History, Traditions, and Culture, Greenwood Press, 1994, Seite 70
  • Sholom Kalib: The Musical Tradition of the Eastern European Synagogue, Band I, Syracuse University Press, 2002, Seite 21 bis 23
  • Jonathan L. Friedmann: Songs from Sinai - The Origins of a Musical Category; in European Journal of Jewish Studies 13, 2019, Seite 28

bis 42

6 Einzelnachweise

  1. Encyclopaedia Judaica, Band XIV / (Mel-Nas), 2. Aufl., Keter Publishing House Ltd., 2007, S. 363
  2. Mark Kligman: Jewish liturgical music; in Joshua S. Walden (Hrsg.): The Cambridge Companion to Jewish Music, S. 92
  3. Adele Berlin: The Oxford Dictionary of the Jewish Religion, Oxford University Press, 2. Aufl., 2011, S. 504
  4. Irene Heskes: Passport to Jewish Music - Its History, Traditions, and Culture, Greenwood Press, 1994, S. 70
  5. Abraham Zevi Idelsohn: Jewish Music - Its Historical Development, Henry Holt and Company, New York, 1929, S. 136
  6. Encyclopaedia Judaica, Band XIV / (Mel-Nas), 2. Aufl., Keter Publishing House Ltd., 2007, S. 363 und 364
  7. Adele Berlin: The Oxford Dictionary of the Jewish Religion, Oxford University Press, 2. Aufl., 2011, S. 504
  8. Anm.: Dieser Text bedeutet ungefähr: "Jede Melodie die akzeptiert worden ist, kann so behandelt werden, als ob sie Moses am Berg Sinai gegeben worden ist." (Eigene Übersetzung aus dem Englischen nach Avraham H. Feder: The Problems a Modern Jew Faces in Prayer; in Journal of Synagogue Music, Vol. 30, Nr. 1, 2006, S. 145)
  9. Boaz Tarsi: How Music Articulates Liturgical Structure, Meaning, and Perception - The Kaddish; in Debra Reed Blank: The Experience of Jewish Liturgy - Studies Dedicated to Menahem Schmelzer, Koninklijke Brill, Leiden, 2011, S. 324 und 325
  10. Boaz Tarsi: How Music Articulates Liturgical Structure, Meaning and Perception - The Kaddish; in Debra Reed Blank: The Experience of Jewish Liturgy - Studies Dedicated to Menahem Schmelzer, Koninklijke Brill, Leiden, 2011, S. 324
  11. Jewish Language Review, Band VI, Association for the Study of Jewish Languages, 1986, S. 302 und 303
  12. Im Original: "These tunes were sanctified and were called "sacred melodies" or scarbove - a corruption of the Latin sacra. They were also called Missinai-tunes, which means "received by Moses on Mt. Sinai". The birth-place of these Missinai-tunes was Southwestern germany in the old communities of Worms, Mayence, Speyer, and the Rhineland, those places which were for several centuries the center of Judaism, and from which Talmudic Judaism was spread throughout Central and Eastern Europe." (Abraham Zevi Idelsohn: Jewish Music - Its Historical Development, Henry Holt and Company, New York, 1929, S. 136)
  13. Im Original: "There are some tunes, whose origins are very old, which we refer to as mi-Sinai tunes (melodies from Sinai). Many of the tunes that we sing during the high holidays fall under this category. Melodies such as Kol Nidrei, the various tunes for Kaddish, and the annual blessings for dew and rain. These melodies are referred to as mi-Sinai not because we absolutely know that they go back to the time of Moshe on Har Sinai. Rather, we treat the melodies as if they are so sacred that they go back to the days of Sinai." (An Interview with Cantor Bernard Beer, Head of the Belz School of Jewish Music)
  14. Adele Berlin: The Oxford Dictionary of the Jewish Religion, Oxford University Press, 2. Aufl., 2011, S. 504
  15. Abraham Zevi Idelsohn: Jewish Music - Its Historical Development, Henry Holt and Company, New York, 1929, Seite 154 und 160
  16. Encyclopaedia Judaica, Band XIV / (Mel-Nas), 2. Aufl., Keter Publishing House Ltd., 2007, S. 363

7 Andere Lexika

Wikipedia kennt dieses Lemma (Mi-Sinai niggunim) vermutlich nicht.




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