Maurice El Médioni
Achtung! Dieser Artikel wurde exklusiv für das Fernbacher Jewish Music Research Center geschrieben. Der Text oder Teile daraus dürfen ohne Quellenangabe nicht in anderen Projekten/Wikis verwandt werden. | |
Maurice El Médioni (* 18. Oktober 1928 in Oran) ist ein jüdischer Pianist und Komponist im Bereich des andalusisch-arabischen Musikstils nūbah, des algerischen Raï und der arabischen sowie sephardischen Musik. Er war einer der ersten, der das Klavier - eigentlich aufgrund seiner westlichen Stimmung in festen Halbtönen das für arabische Musik am wenigsten geeignete Musikinstrument - in der arabischen Musik etablierte.
Inhaltsverzeichnis
Übrigens: Die PlusPedia ist NICHT die Wikipedia. Wir sind ein gemeinnütziger Verein, PlusPedia ist werbefrei. Wir freuen uns daher über eine kleine Spende! |
1 Vita
Maurice El Médioni hatte drei Geschwister. Sein Vater Jacob El Mediouni, der zusammen mit seinem Bruder, dem als Saoud l`Oranais bekannten Musiker Messaoud El Médioni in Oran das Café Sultane Saoud betrieb, [1] [2] starb als Maurice sechs Jahre alt war. [3] Nach dem Tod des Vaters musste die Mutter ihre Kinder alleine durchbringen, so dass Maurice El Médioni in relativ ärmlichen Verhältnissen im jüdischen Viertel (Derb El Houde) von Oran aufwuchs. [4] Als er neun Jahre alt war kaufte sein Bruder ihm auf dem Markt ein gebrauchtes Klavier und Maurice El Médioni brachte sich selber durch Nachspielen von französischen Chansons aus dem Radio das Klavierspiel bei. Die Landung der US-Truppen in Oran am 8. November 1942 empfand Maurice El Médioni genauso wie die meisten anderen Juden des Landes als Befreiung von dem mit den Nazis kollaborierendem Vichy-Regime, unter dem er ab 1941 als Jude nicht mehr die Schule besuchen durfte. [5]
El Médioni übte dann verschiedene Jobs für die US-Armee aus und spielte unter anderem für die Amerikaner in deren Bars/Clubs Klavier. Dabei kam er in Kontakt mit amerikanischer Musik wie Jazz, Boogie-Woogie und Rumba, für die er sich dann zeitlebens begeisterte. Um nicht ausschließlich auf die oft unsicheren Einkünfte als Musiker angewiesen zu sein erlernte El Médioni den Beruf des Schneiders. [6] Eines Tages spielte er im Café Salva als drei junge arabische Musiker ihn ansprachen und fragten, ob er mit ihnen zusammen sein Jazzspiel mit arabischer Musik verbinden möchte. Später beschrieb El Médioni den Vorfall in einem Interview folgendermaßen:
- "1947, als ich erst 19 Jahre alt war, spielte ich Karten in einem Cafe, in dem ein Klavier stand. Meine Freunde meinten "Boogie, spiel uns etwas auf dem Klavier." Ich fing an zu spielen und drei junge Araber betraten das Cafe. Sie hatten eine Darbuka und einige andere Schlaginstrumente dabei. Sie sahen mir beim Spielen zu und fragten, ob ich sie für ein Lied begleiten könne. Ich sagte ihnen: "Ich kenne eure arabische Musik nicht." Darauf meinten sie: Das ist Rai-Musik, Rai ist einfach." Da ich nicht wusste, wie man Rai spielt, sangen sie den Rai und ich spielte dazu Rumba. Es funktionierte gut. Also fragten sie: "Können wir nicht eine Gruppe formieren?", und ich sagte ja." [7]
So gründete El Médioni zusammen mit Kadouri Bensmir, Amar Ben Amar und Guerbi Hamida ein Ensemble. [8] Dies Ensemble war dann auch an der Modernisierung der bislang eher ländlichen Musikform des Rai beteiligt. Später spielte El Medioni dann u.a. in den Ensembles von Blaouli Houari oder dem Trompeter Djelloul Bendaoud. El Médioni wurde auch in Orchestern, welche im in den 1950er-Jahren immer populärer werdenden Genre Chaâbi, in dessen modernisierter Form Jazz, Flamenco, lateinamerikanische Rhythmen, französischer Chanson und traditionelle arabische Musik fusioniert wurden, unentbehrlich. [9] So begleitete er bekannte arabische als auch jüdische Musiker wie z.B. Lili Boniche, Line Monty, El Hadj M'Hamed El Anka oder Lili Labassi. [10]
Im Alter von 22 Jahren heiratete El Médioni.
Während des Unabhängigkeitskrieges zwischen Algerien und Frankreich und auch nach der Unabhängigkeit des Landes nahm der Antisemitismus der arabischen Mehrheitsbevölkerung erschreckende, nie da gewesene Ausmaße an, so dass Maurice El Médioni wie die meisten im Maghreb lebenden Juden seine Heimat verließ. Er migrierte 1961 nach Israel, wanderte aber bereits wenige Monate später nach Frankreich aus, wo er in Paris und ab 1967 in Marseille lebte. El Médioni meinte zu seiner quasi erzwungenen Auswanderung aus seiner algerischen Heimat später:
- "Wir haben Algerien verlassen, obwohl wir dort ein sehr gutes Leben hatten. Wenn Sie einen marokkanischen oder tunesischen Juden fragen, werden Sie die gleiche Antwort erhalten: Wir hatten ein gutes Leben mit Brot, Butter und Honig. Wenn Sie ein Land aus eigenem Willen verlassen, um Ihr Glück zu suchen und sich selber sagen "Ich werde nach Amerika oder Kanada gehen", bereuen sie nichts, weil Sie sich entschieden haben, Ihr Glück zu finden. Aber wenn Sie sich in Ihrem Land wohl fühlen und Ihnen dann jemand sagt: "Geh weg! Du hast hier nichts mehr zu suchen! Wir wollen unsere Unabhängigkeit und für dich ist hier kein Platz mehr!", dann ist das eine Tragödie. Dies widerfuhr den Juden Algeriens. Dies erlebten alle Juden Nordafrikas." [11]
In Frankreich war El Médionis Musik weniger gefragt, so dass er sich auf den Handel mit Herrenbekleidung konzentrierte, und nur noch im kleineren Rahmen für Auswanderer aus Algerien musizierte. Nachdem er sich um das Jahr 1990 aus Altersgründen aus dem Bekleidungshandel zurückgezogen hatte, nahm er zu Hause einige seiner Lieder auf und sandte sie an den Produzenten Francis Falceto, der für das Label Buda Musique arbeitete, welches sich auf World Music konzentrierte. Falceto war von El Médionis Aufnahmen begeistert und organisierte eine 1995 stattfindende Tournee mit El Médioni, dem ebenfalls aus Algerien stammenden jüdischen Sänger Lili Boniche, der Band The Klezmatics und anderen Musikern. [12] 1996 erschien das von El Médioni zusammen mit den Klezmatics sowie dem US-amerikanischer Klarinettisten David Krakauer, dem amerikanisch-jüdischer Trompeter Frank Landauer und einigen Percussionisten eingespielte Album Maurice El Médioni Et Son PianOriental - Café Oran. [13] [14]
1998 wirkte El Médioni auf dem von Bill Laswell produzierten Album Alger Alger vom Lili Boniche mit. [15] Auf dem im Jahr 2000 beim israelischen Label Magda erschienen Album Samaï Andalou spielt El Médioni in Sextett-Formation mit dem israelischen Oudspeiler und Violinisten Yair Dalal, dem auf Holzblasinstrumente wie Klarinette, Flöte, Zorna und Duduk spezialisierten Israeli Eyal Sela, dem Percussionisten Avi Agababa, dem Musiker Sam Elfassi sowie dem Bassisten Noam Topelberg. [16] Im selben Jahr trat El Médioni in London mit Lili Boniche und Cheikha Rimitti auf. Ebenfalls 2000 erschien bei Buda Musique das Album Pianoriental, auf dem El Médioni mit dem Bassisten Jean-Marc Mattei, dem Schlagzeuger Marc Maimaran, Rafi Benchimal an Percussioninstrumenten und dem Tambourinspieler Sauveur Zekri musiziert. Die Aufnahmen zu diesem Album stammen allerdings bereits aus dem Jahr 1982. [17] Im Jahr 2002 trat El Médioni mit Oi Va Voi, einer experimentellen Rock-Gruppe aus London, die traditionelle osteuropäische und jüdische Musik mit Elementen des Rock oder der Elektronischen Musik mischt, in London und anderen Städten auf. [18]
2006 folgt El Médioni seiner jahrzehntelangen Liebe zu Jazz und lateinamerikanischer Musik und spielt mit dem kubanischen Percussionisten Roberto Rodriguez das Album Maurice El Médioni Meets Roberto Rodriguez / Descarga Oriental / The New York Sessions ein. Dabei spielt El Médioni neben Klavier auch Hammondorgel und singt. Das Album gewann den BBC Radio 3 Award Culture Crossing und erhielt gute Kritiken. Der Daily Telegraph lobte "Rodriguez pulsierenden Background für El Médioniis lebhaftes Spiel und Oscar Onoz krächzende lateinamerikanische Trompete", das "lockere Zusammenspiel über treibenden Rhythmen" und "El Médionis rollende Boogie-Woogie-Schnörkel und arabisch-andalusischen Ornamente". [19] Die Zeitschrift All about Jazz lobt die Musik des Albums als "freudig, heiß, beat-getrieben und wunderbar melodisch". Die Aufnahmen hätten "das Feuer und den Geist einer spontanen Session", [20] und der Evening Standard schreibt über das Album:- "In schwarzem Anzug und Krawatte wie ein pensionierter Bankmanager wirkend ist er dennoch eine Klavierlegende. Wenn er beginnt und das Verhältnis zwischen Klavier, Schlagzeug, Bass und arabischer Darbuka-Trommel geklärt ist, zeigt Medioni mit leichtfüßigen und zarten Ornamenten und Verzierungen sein Können." [21]
Im Jahr 2011 zog El Médioni nach Israel um näher bei seinen Kindern zu leben. Dort hat er viele Konzerte in Jerusalem und Tel Aviv gegeben, und ist u.a. anderem auch mit dem Mediterranean-Andalusian Orchestra Ashkelon aufgetreten. [22]
Am 9. August 2012 erlitt Maurice El Médioni einen Schlaganfall nachdem er im Rahmen des Nuits du Sud Festival im französischen Vence ein Konzert gegeben hatte. [23]
Im Jahr 2013 erschien das Live-Album Maurice El Medioni - Oran-Oran, welches bei einem Konzert von El Médioni im Musée d'art et d'histoire du Judaïsme in Paris am 27. Januar 2013 aufgezeichnet wurde. <ref>www.discogs.com
2 Literatur
- Maurice El Médioni: Maurice El Médioni - A Memoir / From Oran to Marseilles (1936-1990), Watkins Media Limited, 2017
- Ruth F. Davis: Musical Exodus - Al-Andalus and Its Jewish Diasporas, Scarecrow Press, 2015, Seite 150 ff.
- Christopher Benno Silver: Jews, Music-Making, and the Twentieth Century Maghrib, Dissertation an der University of California, 2017
3 Weblinks
- Maurice El Medioni - The legendary pianist with one Western hand and one Eastern hand
- www.musique.rfi.fr
- www.womex.com
- www.allmusic.com
- Aufnahmen von El Médioni auf www.discogs.com
- www.maariv.co.il
- עליכ יא מאסטרו: תום יוגב על ההופעה של מוריס אל-מדיוני עם נטע אלקיים במרכז ענב
4 Andere Wikis
- Artikel in der englischsprachigen Wikipedia
- Artikel in der französischen Wikipedia
- Artikel in der hebräischen Wikipedia
5 Video und Audio
- Maurice el Medioni Oran Oran live 2013
- Maurice El Medioni et Lili Boniche
- Maurice El Medioni & "Dialna"
- Maurice el Medioni Ahla Sahla-Official Clip
- Oh! Ma belle vom Album Maurice el Medioni meets Roberto Rodriguez
- Maurice El Médioni התזמורת האנדלוסית הישראלית
- Notes of Exile - Maurice El Medioni documentary movie
- Maurice El Médioni - La légende du pianoriental
6 Einzelnachweise
- ↑ Tony Langlois: Jewish Musicians in the Musique Orientale of Oran Algeria; in Ruth F. Davis: Musical Exodus - Al-Andalus and Its Jewish Diasporas, Rowman & Littlefield Publishers, 2015, S. 150
- ↑ www.musique.rfi.fr
- ↑ Maurice El Médioni: Maurice El Médioni - A Memoir / From Oran to Marseilles (1936-1990), Watkins Media Limited, 2017
- ↑ Tony Langlois: Jewish Musicians in the Musique Orientale of Oran Algeria; in Ruth F. Davis: Musical Exodus - Al-Andalus and Its Jewish Diasporas, Rowman & Littlefield Publishers, 2015, S. 150
- ↑ Christopher Benno Silver: Jews, Music-Making, and the Twentieth Century Maghrib, Dissertation an der University of California, 2017, S. 158
- ↑ Maurice El Médioni: Maurice El Médioni - A Memoir / From Oran to Marseilles (1936-1990), Watkins Media Limited, 2017
- ↑ Im Original: "In 1947, when I was only 19 years old, I was playing cards in a coffee bar, where there was a piano. Meine Freunde meinten " Boogie, play us something on the piano." I started to play and three young arabs came in. The hab a Darbuka and some other percussion in their hands. The watched me play and asked if I could accompany them for one song. I told them, "I don`t know your arab music." They told me, This is Rai music, Rai is easy." Since I didn`t know how to play Rai, they sang the Rai and I played Rumba.It came out very good. So they asked, "Why can`t we form a group together? And I said, "Why not?"" '; eigene Übersetzung nach Notes of Exile - Maurice El Medioni documentary movie
- ↑ Christopher Benno Silver: Jews, Music-Making, and the Twentieth Century Maghrib, Dissertation an der University of California, 2017, S. 158
- ↑ Maurice El Médioni: Maurice El Médioni - A Memoir / From Oran to Marseilles (1936-1990), Watkins Media Limited, 2017
- ↑ Francois Bensignor: Musique Maurice L`Enchanteur; in Hommes et Migrations, No. 1225, 2000
- ↑ Im Original: "We left Algeria even though we had a very good life there. Ask any Moroccan or Tunisian Jew, and you will get the same answer: We had a good life of bread, butter and honey. When you leave a country by your own will, in order to change your luck, and you tell yourself, "I`ll go to America or Canada", you regret nothing because it`s you who chose to change your luck. But when you are feeling good in your country, and then someone tells you, "Go away! You have nothing more to do here! We want our independence, and you have no place here anymore!", this is a tragedy. This is what happened to the Jews of Algeria. This is what happened to all the Jews of North Africa."; eigene Übersetzung nach Notes of Exile - Maurice El Medioni documentary movie
- ↑ Maurice El Médioni: Maurice El Médioni - A Memoir / From Oran to Marseilles (1936-1990), Watkins Media Limited, 2017
- ↑ Maurice El Médioni: Maurice El Médioni - A Memoir / From Oran to Marseilles (1936-1990), Watkins Media Limited, 2017
- ↑ Eintrag zu Maurice El Médioni Et Son PianOriental - Café Oran auf www.discogs.com
- ↑ Eintrag zu Lili Boniches Album Alger Alger auf www.discogs.com
- ↑ Eintrag zu Maurice El Medioni - Samaï Andalou auf www.discogs.com
- ↑ Eintrag zu Maurice El Medioni – Pianoriental auf www.discogs.com
- ↑ Maurice El Médioni: Maurice El Médioni - A Memoir / From Oran to Marseilles (1936-1990), Watkins Media Limited, 2017
- ↑ Im Original: "Rodriguez sets up a throbbing backdrop for El-Medioni's busy plinking and Oscar Onoz's rasping Latin trumpet, their light interplay turning serious over the kicking rhythms of Mais je t'aime toujours. Rolling together boogie-woogie flourishes and Arab-Andalusian ornamentations, EI-Medioni is like a North African Ruben Gonzalez. He isn't a great singer, but his world-weary tones are perfect for this louche evocation of a vanished world."; im Daily Telegraph vom 03. April 2006 nach www.piranha.de
- ↑ Eigene Übersetzung nach dem Oroiginaltext "The music is the thing—joyous, hot, beat-driven and wonderfully melodic. (...) it has the fire and spirit of a spur-of-the-moment blowing session." von Chris May: Maurice El Medioni meets Roberto Rodriguez - Descarga Oriental: The New York Sessions in All about Jazz vom 6. Juni 2006
- ↑ Im Original: "Looking like a retired bank-manager in his black suit and tie, Maurice el Medioni is an unlikely piano legend. But once he launched into his Bienvenue welcome song and the balance of piano over drum kit, bass and Arabic darbuka drum was sorted, Medioni showed his prowess with his light-fingered melodies flowered with delicate ornaments and grace notes."; in Evening Standard vom 13. März 2006 auf www.piranha.de
- ↑ Maurice El Médioni: Maurice El Médioni - A Memoir / From Oran to Marseilles (1936-1990), Watkins Media Limited, 2017
- ↑ Le pianiste El Médioni a été hospitalisé in Le Figaro vom 10. August 2012
7 Hinweis zur Verwendung
Dieser Artikel wurde exklusiv für die Pluspedia geschrieben und darf ausdrücklich und unter Strafandrohung nicht in anderen Projekten/Wikis verwandt werden.
Hast du einen Löschwunsch oder ein anderes Anliegen? Dann nutze bitte unser Kontaktformular
PlusPedia Impressum
Bitte Beachte:
Sämtliche Aussagen auf dieser Seite sind ohne Gewähr.
Für die Richtigkeit der Aussagen übernimmt die Betreiberin keine Verantwortung.
Nach Kenntnissnahme von Fehlern und Rechtsverstößens ist die Betreiberin selbstverständlich bereit,
diese zu beheben.
Verantwortlich für jede einzelne Aussage ist der jeweilige Erstautor dieser Aussage.
Mit dem Ergänzen und Weiterschreiben eines Artikels durch einen anderen Autor
werden die vorhergehenden Aussagen und Inhalte nicht zu eigenen.
Die Weiternutzung und Glaubhaftigkeit der Inhalte ist selbst gegenzurecherchieren.