Dogmatismus-Quotient

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Der Dogmatismus-Quotient ist ein vom Psychologen und Linguisten Suitbert Ertel entwickelter Messwert um das Verhältnis von prägnanzstarken und eher dogmatischen zu prägnanzschwachen und eher undogmatischen Ausdrücken und Aussagen in Reden und Texten zu bestimmen. Ertel geht dabei von zwei Denkstilen aus, die er als A- und B-Stil bezeichnet:

Der A-Stil ist durch eindeutige, strenge und andere Ansichten ausschließende Begriffe gekennzeichnet. Man erkennt ihn an typischen Ausdrücken wie immer, beständig, niemals, ausnahmslos, einzig, absolut, grundsätzlich, restlos, notwendig, entweder oder, fraglos oder müssen. Der Aussagende schafft damit auf der Bühne des Denkens eine strenge Ordnung, die ihm unpassend erscheinendes aussondert und die Aussage klar und polarisierend gegen andere abgrenzt. Beispiele für den A-Stil sind folgende Aussagen von Mao Zedong und Adolf Hitler:

„Die Welt schreitet vorwärts, die Zukunft ist glänzend, und niemand kann diese allgemeine Tendenz der Geschichte ändern.“
„Sie werden uns weder militärisch besiegen noch wirtschaftlich vernichten oder gar seelisch zermürben. Unter keinen Umständen mehr werden sie irgendeine deutsche Kapitulation erleben.“

Der B-Stil ist durch weniger eindeutige und einprägsame, auch Ambivalenz, Zweideutigkeiten und Einschränkungen zulassende Begriffe gekennzeichnet. Man erkennt diesen Stil an typischen Ausdrücken wie ab und zu, mitunter, größtenteils, einigermaßen, relativ, dem Anschein nach, denkbar, möglich, einerseits/andererseits, dürfen oder können. Der Text lässt damit Raum für Ausnahmen, Einwände, Bedenken und andere Sichtweisen. Die Aussagen des B-Stils stehen meist in besserer Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, sind aber weniger einprägsam und klar. Beispiele für den B-Stil sind folgende Abwandlungen der obigen Aussagen von Mao Zedong und Adolf Hitler:

„In einigen Gebieten der Welt ist ein gewisser Fortschritt feststellbar, der sich voraussichtlich in der Zukunft fortsetzen wird, auch wenn es zu Beeinträchtigungen durch Konflikte zwischen den Staaten kommen sollte.“
„Sie werden uns - zumindest im Anfang - militärisch kaum besiegen. Wirtschaftlich können wir ihnen auch einige Zeit standhalten, auch seelisch scheint mir das deutsche Volk sehr widerstandsfähig zu sein. An eine Kapitulation brauchen wir - solange die Lage sich nicht wesentlich ändert - kaum zu denken.“

Nachdem man die Ausdrücke eines Textkorpus den Stilen A und B zugeordnet hat, ermittelt man die Gesamthäufigkeit des Vorkommens der jeweiligen Ausdrücke dann über den Quotienten DQ = A / (A+B). Ein Wert von 1 entspricht dabei dem absoluten Vorherrschen des A-Stils. Unterhalb eines Wertes von 0,5 dominiert dagegen der B-Stil über den A-Stil.

Die Auswertung von Schriften und Parteiprogrammen nach dem Dogmatismus-Index zeigt einen U-förmigen Verlauf von der Linken über die Liberalen zur Rechten. So kamen Texte der DKP auf Höchstwerte um die 0,8, die SPD auf auf etwas weniger und die FDP sowie CDU markieren Tiefstwerte des Spektrums. Danach schießen die Werte für die CSU und noch stärker die extrem Rechten wieder auf hohe Werte wie bei der DKP.[1] Messungen anhand von Parteien der Weimarer Republik (KPD, SPD, Deutsche Demokraten, Zentrum, Deutschnationale und NSDAP) ergeben ein ähnliches U-förmiges Bild. Dies bestätigt die Alltagserfahrung, dass sich extreme Linke und extreme Rechte im Maß ihres Dogmatismus und ihrer Intoleranz sehr nahe stehen. Des weiteren konnte ermittelt werden, dass der Dogmatismus-Index sensibel auf menschliche Affekte reagiert. Furcht, Ärger, Aggression, Euphorie, Verliebtheit oder Triumphgefühle bewirken eine Tendenz zum A-Stil.

1 Literatur

  • Suitbert Ertel: Erkenntnis und Dogmatismus; in Psychologische Rundschau 23, 1972, Seite 241 bis 269
  • Irenäus Eibl-Eibesfeldt: Die Biologie menschlichen Verhaltens - Grundriß der Humanethologie, Piper GmbH & Co. KG, München, 1984, Seite 68 bis 73
  • Ullrich L. Günther: Sprachstil, Denkstil und Problemlöseverhalten - Inhaltsanalytische Untersuchungen über Dogmatismus und Abstraktheit; in P. Vorderer und N. Groeben (Hrsg.): Textanalyse als Kognitionskritik? - Möglichkeiten und Grenzen ideologiekritischer Inhaltsanalyse, Tübungen, 1987, Seite 22 bis 45

2 Anmerkungen

  1. Anm.: Diese Auswertung bezieht sich auf das deutsche Parteienspektrum der 1970er-Jahre.

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