Bild, Film und Ton als Quellen historischer Wissenschaft

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Manche Bilder - wie hier das Foto von drei Indianern aus den 1930er Jahren - können einen falschen Eindruck von der Wirklichkeit erzeugen

Bild, Film und Ton sind für den Geschichtswissenschaftler, der sich mit der Neuzeit - insbesondere seit dem 19. Jahrhundert - befasst, ein zunehmend wichtiges Quellenmaterial. Genauso wie ältere Quellen (Manuskripte, archäologische Funde, usw.) müssen sie mit quellenkritischen Methoden und Werkzeugen untersucht, eingeordnet und interpretiert werden.

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1 Bedeutung audio-visueller Quellen

1.) Bild, Film und Ton können andere Quellen ergänzen, erweitern und verifizieren. Darüber hinaus haben diese Quellen aber auch einen einmaligen Wert, den andere Quellen nicht aufweisen. Mehr als jede andere Form der Mitteilung bieten sie uns die Ereignisse im erfahrbaren Kontext ihrer ganz eigenen Welt, in die sie gehören und die wir uns auf anderem Wege schwer rekonstruieren können: Wie man sich in den Trachten der Jahrhundertwende bewegte, wie sich ein Rennfahrer des Jahres 1913 benahm, wenn ihm bei der Siegerehrung der deutsche Kaiser die Hand reichte, das sind Eindrücke, die uns so direkt nur Bild und Ton und am authentischsten der Film bieten kann. Noch intensiver als die Presse vermittelt er uns die Atmosphäre, in der sich die historischen Ereignisse zutrugen. Auch von der bekannten Rede im Berliner Sportpalast, in der Joseph Goebbels 1943 den "totalen Krieg" verkündete, kann uns die schriftliche Wiedergabe nur ein unzulängliches Bild geben. Tonfall und Rhythmus der Sprache, die Geräuschkulisse der Zuhörerschaft, deren auf- und abschwellender Ton dem Redner gewissermaßen antwortet, können uns nur Tonaufnahmen vermitteln.

2.) Bild, Film und Tonaufnahmen können nach der von Ernst Bernheim entwickelten Systematik von Quellen je nach Einzelfall sowohl der Gruppe der Tradition, der Überreste als auch der Denkmäler zugeordnet werden.

2.1.) Liegt bei einem dieser Dokumente mit der Absicht zur Unterrichtung der Nachwelt eine Tendenz des Erstellers des Dokuments vor, die sich direkt auf den forschenden Historiker richtet, so nennen wir diese eine Traditionsquelle.
2.2.) Bezieht sich ein Dokument eher auf die Gegenwart seiner Entstehung und richtet sich somit primär an die Zeitgenossen, so wird es den Überresten zugeordnet.
2.3.) Dokumente, die weder der Gruppe der Tradition noch den Überresten eindeutig zuzuordnen sind, werden der bereits von Johann Gustav Droysen eingeführten Zwischenkategorie der Denkmäler subsumiert.

3.) Der Historiker muss sich bei der Beurteilung von Bild-, Film- und Tondokumente immer folgenden kritische Fragen stellen:

3.1.) Von welcher Person bzw. im Auftrag welcher Gruppe oder Organisation wurden die Dokumente erstellt?
3.2.) Für welches Publikum bzw. welche Zielgruppe wurden die Dokumente erstellt?
  • Welche Interessen und Ziele standen dabei im Hintergrund?
3.3.) Welche Aspekte der dokumentierten Ereignisse wurden dabei aus welchen Interessenlagen möglicherweise hervorgehoben, heruntergespielt oder gar ganz ausgeblendet?
3.4.) Wie hat die Zeit der Entstehung des Dokuments Einfluss auf dieses genommen. Welche Aspekte der Darstellung sind beispielsweise dem damaligen Zeitgeist oder anderen zeittypischen Faktoren geschuldet?

Es ist ein bei der Einordnung eines Films über Konzentrationslager der NS-Zeit nicht zu vernachlässigender Aspekt, ob dieser zum Beispiel 1938 im Auftrag des nationalsozialistischen Propagandaministeriums, 1945 im Auftrag der Alliierten, während des Krieges vom Roten Kreuz, 1960 von einer Forschungseinrichtung zwecks Dokumentation der NS-Verbrechen oder im 21. Jahrhundert von der Antifa gedreht wurde.

2 Bilder

"Überreichung der Pandekten an Kaiser Justinian", Gemälde von Hermann J. W. Knackfuß im Treppenhaus des Kasseler Justiz- und Regierungspalastes.

Zu den ältesten historischen Dokumenten gehören Bilder. Viele Herrscher der Neuzeit ließen sich auf Gemälden darstellen. Dadurch entstanden die Porträt- und Historienmalerei. Im Zuge der technologischen Weiterentwicklung wurde seit dem 19. Jahrhundert mit der Fotografie die Möglichkeit einer fast 1:1-Darstellung der Wirklichkeit erreicht. Aber jeder, der selber einmal fotografiert hat, weiß aus Erfahrung, dass selbst Fotografien nicht immer einfach nur ein Abklatsch der Wirklichkeit sein können. Je nach Lichtverhältnissen, Blende und Belichtungszeit kann man vom gleichen Gegenstand ganz verschiedene Aufnahmen machen. Auch die Wahl des Standortes der Kamera beeinflusst das Bild. Bei einer Person kann eine Zehntelsekunde darüber entscheiden, ob man den ruhigen Gesichtsausdruck des Aufgenommenen wiedergibt oder in einem Schnappschuss den möglichweise karikierenden Eindruck einer "Zwischenzeit" festhält, einer Übergangsphase des wechselnden Mienenspiels von der Dauer eines Sekundenbruchteils, in der das Gesicht sich fratzenhaft verzieht. Diese Aspekte muss der Historiker bei der Bewertung der Aussagekraft einer Fotografie immer kritisch mit einbeziehen. Dafür dient ihm hauptsächlich der Vergleich mit anderen Fotos desselben Objekts oder Ereignisses. Auch die kritische Betrachtung der Person des Fotografen, seiner Auftraggeber sowie des Entstehungskontextes hilft dem Historiker bei der Einordnung eines Fotos.

Ein Problem stellen unvollständige, falsche oder gar ganz fehlende Informationen zu einem Bild dar. Dem Historiker stellt sich hier die Aufgabe, das Bild räumlich und zeitlich einzuordnen. Bei Porträts hilft hier oft der Vergleich mit anderen identifizieren Abbildungen der dargestellten Person. Kommt man damit nicht weiter, können Informationen im Bildhintergrund Hinweise zur Einordnung liefern: Bauten können beispielsweise anhand erkennbarer örtlicher Details eine zeitliche Einordnung ermöglichen. So kann man z.B. bei einem undatierten Foto einer Silhouette von Manhattan anhand des Vorhanden- oder Nichtvorhandensein des nach 1951 erbauten Hochhauses der Vereinten Nationen folgern, ob das Bild vor oder nach diesem Datum gemacht wurde. Unbekannte Mitglieder von Personengruppen lassen sich oft von den bekannten her erschließen, etwa bei einer Gruppenaufnahme einer Regierung, bei der in der Unterschrift nur die wichtigsten Minister mit Namen genannt sind. Uniformen und Orden sind auch wichtige Hilfsmittel, um Personen zu identifizieren und Aufnahmen zu datieren. Über die Entstehungszeit eines Fotos können aber auch abgebildete Einzelheiten der Damenmode oder Dinge technischer Art wie Fahrzeugtypen Auskunft geben.

Nachträglich coloriertes Foto von 1917

Ein weiterer, vom Historiker zu beachtender Punkt ist die Möglichkeit der bewussten Manipulation von Fotos durch Zeitgenossen oder spätere Generationen. Diese Fälschungen werden häufig aus politischen Gründen vorgenommen. Zeitweise wurde in Fotos relativ aufwendig retuschiert, mit nachträglicher Colorierung wurden sie aufgehübscht. Mit dem Siegeszug der digitalen Bilderstellung und Bildbearbeitung sind solche Manipulationen leider viel leichter, zeitsparender und auch umfassender möglich geworden. Bei Verdacht auf Bildmanipulationen sollte der Historiker deshalb einen versierten Bildtechniker zu Rate ziehen, der anhand von selten vermeidbaren Manipulationsrelikten in den Bildern den Verdacht auf Fälschungen veri- oder falsifizieren kann. Ein bekanntes Beispiel für Bildfälschungen sind Gruppenfotos sowjetischer Politiker. Fiel einer der dargestellten Personen später in Ungnade und galt nicht mehr als poltisch erwünscht, so wurde er meist aus Fotos wegretuschiert.

3 Film

Die für Fotografien genannten Punkte gelten auch für den Film. Bei Filmen unterscheiden wir zwischen Spielfilmen und Dokumentarfilmen. Spielfilme interessieren den Historiker, wenn überhaupt, nur im Zusammenhang mit der Kulturgeschichte ihrer Entstehungszeit. Zu den Traditionsquellen kann man dagegen mit Recht die Dokumentarfilme aller Art rechnen, da bei diesen die Kamera wirkliche Begebenheiten festgehalten hat, um Mit- und Nachwelt darüber zu informieren.

Bei Dokumentarfilmen muss man unterscheiden zwischen solchen, die aus der bewussten Absicht entstanden sind, Ereignisse für die Nachwelt festzuhalten, und solchen, die nachträglich entstanden sind. Ein Beispiel für die erste Gruppe sind die im Erster Weltkrieg von der Obersten Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff in großen Mengen in Auftrag gegebenen Filmaufnahmen über die Kämpfe an allen Fronten, welche der späteren Militärgeschichte Material bereitstellen sollten. In diesem Zusammehang entstand 1917 die Ufa. Ein weiteres Beispiel sind die vom Göttinger Institut für den wissenschaftlichen Film laufend erstellten kurzen Dokumentarfilme über Persönlichkeiten des geistigen Lebens, welche deren Bild für die Zukunft festhalten sollen. An das Zielpublikum der Zeitgenossen gerichtete Dokumentarfilme finden wir bereits im frühen 20. Jahrhundert. Schon in den Anfängen des Films um die Jahrhundertwende zeigte sich neben der Unterhaltung auch die Information der Zuschauer als lohnende Aufgabe. Dadurch entstand die periodische Berichterstattung in Gestalt der Wochenschau. Der Tonfilm stellt dabei eine neue Qualität dar. Daneben bediente sich aber bald auch die Propaganda des Mediums.

Nachträglich entstandene Dokumentarfilme enthalten oft Filmausschnitte oder Einzelbilder mit Kommentaren, teilweise aber auch von Schauspielern nachgestellte Situationen. Dabei ist der Übergang zum Spielfilm fließend.

4 Tonträger

Bei der Erforschung von historischen Tondokumenten kommt nur das in Frage, was die Zeiten überdauert hat. Dies sind Schallplatte, Magnettonband und später auch auf Festplatte, Compact Disk Tonaufzeichnungen. Nicht festgehaltene Audioereignisse wie Radiosendungen, Gespräche oder politischen Rede, die uns nur über Schilderungen damals beteiligter oder anwesender Personen bekannt sind, sind nicht der Kategorie historisches Tondokument zugehörig. Sie fallen für den Historiker unter die Gruppe Zeugenberichte als Quellen historischer Wissenschaft, soweit nicht das Manuskript vorliegt..

Bei Tonaufnahmen sind zunehmend die weiter oben beim Thema Bild und Film bereits besprochenen Möglichkeiten einer nachträglichen Veränderung der Aufnahme bis hin zur bewussten Manipulation gegeben. Die Möglichkeiten reichen vom Löschen, Schneiden sowie Überspielen mit einer Geräuschkulisse, akustischen Effekten wie z.B. großem Hall, bis zu den noch größeren Möglichkeiten der digitalen Tonbearbeitung. Manchmal sind diese Veränderungen erwünscht, um technisch bedingte Nebengeräusche bei älteren Aufnahmen zu beseitigen.

5 Siehe auch

6 Literatur

  • Irmgard Wilharm (Hrsg.): Geschichte in Bildern - Von der Miniatur bis zum Film als historische Quelle, Centaurus Verlag & Media, Pfaffenweiler, 1995
  • Ernst Opgenoorth: Einührung in das Studium der Neueren Geschichte, Georg Westermann Verlag, Braunschweig, 1969, Seite 43 bis 50
  • Jens Jäger und Martin Knauer (Hrsg.): Bilder als historische Quellen? - Dimension der Debatten um historische Bildforschung, Verlag Fink, 2009
  • Gerhard Ploetz (Hrsg.): Bildquellenhandbuch, Verlag Chmielorz, Wiesbaden, 1961
  • Erich Keyser: Das Bild als Geschichtsquelle, in Historische Bildkunde, Diepembroik-Grüter & Schulz, Hamburg, 1935

7 Weblinks

8 Andere Lexika

Wikipedia kennt dieses Lemma (Bild, Film und Ton als Quellen historischer Wissenschaft) vermutlich nicht.




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