Oswald-Epos

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Das Oswald-Epos ist eine vermutlich im ausgehenden 12. Jahrhundert entstandene und in zahlreichen Handschriften des 15. Jahrhunderts überlieferte Dichtung. Ihr liegt vermutlich die legendäre Gestalt von König Oswald, einem der frühen christlichen Könige in England zugrunde. Oswald herrschte von 635 bis 642 in Northumbria, heiratete die Tochter eine getauften Nachbarkönigs, fand auf einem Kriegszug den Tod und wurde später zum Heiligen erhoben. Der Epos wird der Spielmannsepik zugerechnet.

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1 Entstehung und historischer Hintergrund

Darstellung von König Oswald auf einem Fenster der St. Chrysostom’s Church in Manchester
Wann der erste "Proto-Oswald" entstanden ist, ob im 12. Jahrhundert oder doch erst später, lässt sich historisch nicht mehr klären.[1] Die Dichtung liegt in mehreren stark voneinander abweichenden Fassungen vor. Die beiden wichtigsten bezeichnet die Forschung als Münchner Oswald und Wiener Oswald. Wie sich beide Texte aber zueinander verhalten und welcher von ihnen der ältere ist, hat sich bis heute nicht mit Sicherheit nachweisen lassen. Während es jahrzehntelang als erwiesen galt, das der Münchner Oswald dem wohl verlorenen Original am nächsten kommt und der Wiener Oswald eine klerikale Bearbeitung ist, stehen einige Forscher heute auf dem Standpunkt, dass der Wiener Oswald die ältere Fassung repräsentiert. Weder von der Münchner noch der Wiener Fassung her lässt sich das Original des Oswald-Epos rekonstruieren. Vermutlich entstand es im ausgehenden 12. Jahrhundert in der Gegend von Aachen. Die enge Beziehung zum Orendel deutet auf diese Zeit hin.

Über den Verfasser und den Bearbeiter ist nicht das geringste bekannt. Das Oswald-Epos, welches ebenso wie das Orendel-Epos häufig als Legendenroman bezeichnet wird, hat eine historisch-legendäre Gestalt zum Helden. König Oswald, einen der frühen christlichen Könige in England. Dessen Leben war bereits im frühen Mittelalter ein beliebtes Thema der kirchlichen Legende. Im 13. Jahrhundert war die Oswald-Verehrung vor allem in Oberdeutschland weit verbreitet.

Um das Unterhaltungsbedürfnis seiner Zeitgenossen ebenso zu befriedigen wie ihre Wundergläubigkeit, verband der Verfasser die Heiligenlegende mit einer Brautwerbungsgeschichte. Allerdings vertrug sich weltliche Thema nur schwer mit Oswalds Heiligkeit, und so ist der Autor eifrig bemüht, den Heiligen nicht zu kurz kommen zu lassen. Seitenweise erzählt er von Oswalds Heidenbekehrungen, berichtet von Gebets- und Taufwundern und helfenden Engeln, ja er lässt gegen Ende des Epos sogar Christus selber auftreten. [2]

Es stellt sich die Frage, was dieser Oswald aus Britannien mit den weit entfernt liegenden deutschen Gebieten zu tun hatte. Wie ist es erklärbar, dass dieser britische Herrscher in der deutschsprachigen Literatur, Kunst und Folklore solch eine große Rolle spielen konnte? Die Antwort liegt in der damaligen großen kulturellen Bedeutung der altbritischen Kirche auch auf dem europäischen Kontinent jenseits des Ärmelkanals. Nach der Eroberung von Britannien durch heidnische Angeln und Sachsen zog sich das Christentum in abgelegene Gebiete in Cornwall und Wales zurück, und in Irland und Schottland entfaltete es eine rege Missionstätigkeit. Diese iro-schottische Kirche war auch für die Verbreitung des Christentums auf dem Kontinent von größter Bedeutung. Im 7. Jahrhundert begann von dort aus eine intensive Missionstätigkeit in weiten Teilen Europas und auch auf deutschem Gebiet. So bestanden seit dieser Zeit über etliche Jahrhunderte enge kulturelle Beziehungen zwischen Nordengland, Irland, Schottland und Deutschland. Dies erklärt die Popularität des Oswald-Epos auch in Mitteleuropa. So berichtet der britische Theologe und Historiograph Beda Venerabilis in seiner Historia Ecclesiastica Gentis Anglorum über den Heiligen Oswald, dass sich dessen Ruhm und Geschichten über ihn über England hinaus auch in Irland sowie im Land der Franken verbreitet habe. [3] [4]

2 Inhalt

Das Epos beginnt in der Münchner Fassung mit folgenden, König Oswald vorstellenden Worten:

"Wellet ir herren stille gedagen, so wil ich iu kunden unde sagen von deme miltisten man, so er daz leben ie gewan: daz was sant Oswalt uz Engellant, also tout uns daz buoch bekant. Es war ain kunig rich / Nynert fant man sin glich / von herschafft und gewalt / Sein nam was osvalt genant / Der hat an sinem haff / Beid fürsten h'ezogn un groffen / Ritter und knecht / Die do im warn gerecht / Auff seinem hoff erczogen" [5]
Der mächtige König Oswald - dessen große Frömmigkeit und Gottesfurcht der Autor nicht müde wird zu preisen - sucht eine schöne, kluge und ihm an Adel ebenbürtige Frau als Gemahlin. Seine Berater kennen leider keine Frau, die seinen hohen Ansprüchen genügen würde. So fragt er den an seinen Hof kommenden und weit gereisten Pilger Warmund um Rat. Dieser kennt nur eine Frau, die Oswalds Ansprüchen genügen kann: Die jenseits des Meeres lebende Königstochter Pamige. Das Problem aber ist, dass ihr Vater König Aron nach dem Tode seiner Gemahlin selber seine Tochter ehelichen möchte und bislang jeden Brautwerber hat töten lassen. Auch eine gewaltsame Eroberung der als unbezwingbar geltenden Burg kommt nicht in Frage. Da rät Warmund dem König, einen angeblich sprechenden und am Hofe Oswalds lebenden Raben als Brautwerber einzusetzen. In der Münchner Fassung rät Warmund dem König mit folgenden Worten zum Einsatz des Raben:
Darstellung eines Raben im mittelalterlichen Bestiarium der Fountains Abbey im englischen North Yorkshire
"Herre nu volge der lere min / ich wil dir raten, obe ich kan, / rethe alse ein getriuwer man: / du hast uf dineme hofe erzogen, / des solt du got iemere loben, / du hast erzogen einen edeln raben, / den solt du ze eineme boten haben: / ez lebet uf erden niendert alse ein wiser man, / wan der rabe dir ez baz gewerben kan, / er ist dir nutzer über daz wilde mere, / danne obe du sandest ein ganzez here, / er hat von unserme herren daz gebot, / fas geloube mir herre ane allen spot, / daz din rabe ist redende worden, / daz geloube mir vurste hochgeboren" [6]

Der Rabe ist bereit als Brautwerber zu fungieren, bittet aber noch darum, dass ein Goldschmied ihm die Federn vergolde und ihm eine goldene Krone anfertige, damit man ihm am Hofe König Arons auch mit dem gebührenden Respekt begegne. Dann fliegt er mit einem unter seinem Gefieder befestigten Ring für die Königstochter los. Nach neun Tagen Flug ohne Rast noch Ruh landet der Rabe erschöpft auf einer kleinen Felseninsel im Meer. Da zieht ihn plötzlich eine Meerjungfrau gegen seinen Willen in ihr Reich auf dem Meeresgrund. Nach dem er dort fürstlich bewirtet wurde, soll er die Meerjungfrauen mit Kunststücken unterhalten. Er lenkt sie aber kurz ab und kann so entkommen. Sechs Tage später erreicht er dann endlich Arons Burg.

Da die Königstocher ständig unter Bewachung steht, beschließt der Rabe zuerst beim König vorstellig zu werden. Weil er ein kluges Tier ist, fragt er den König zuerst, ob man ihm als Bote auch kein Leid antuen werde, was der König ihm versichert. Nachdem er seine Brautwerbung vorgetragen hat, ist der König dennoch sehr erbost, lässt ihn fesseln und will ihn hängen lassen. Da erhebt Pamige ihre Stimme, wirft ihrem Vater Wortbruch vor und droht ihm die Burg zu verlassen wenn er den Rabe nicht schone. Daraufhin wird dieser freigesetzt und Pamige nimmt ihn mit auf ihre Kemenate. Nachdem dieser ihr von König Oswalds Liebe zu ihr erzählt hat, stimmt sie nach neun Tagen Bedenkzeit zu ihn zu heiraten. Sie trägt dem Rabe vor seinem Rückflug noch auf, dass Oswald mit 72 Schiffen mit je 1000 Mann besetzten und mit am Mastbaum mit Edelstein besetzten Schiffen sowie einem Hirsch in ihr Land kommen solle. Auf jeden Fall müsse er auch den Raben auf die Reise mitnehmen. Auf dem Rückflug fällt dem Raben leider der Ring der Königstochter ins Meer. Er bittet einen Einsiedler um Hilfe und dieser betet inbrünstig zu Gott, dass dieser dem Raben den Ring zurückgebe. Da kommt alsbald ein Fisch ans Ufer geschwommen, welcher den Ring im Maul trägt. Sechs Tage später erreicht der Rabe die Burg König Oswalds. Nachdem er dem König Bericht erstattet hat lässt dieser alles nach Pamiges Anweisungen vorbereiten. Doch bei all dem Trubel vor der Abfahrt denkt er nicht mehr an den Raben und vergisst ihn mit auf die Fahrt zu nehmen. Erst kurz vor Ankunft bei König Aron fällt das Fehlen des Tiers überhaupt auf. Verzweifelt beten und flehen Oswald und seine Männer daraufhin zu Gott und allen Heiligen. Und der Herr erhört ihr Flehen und sendet einen Engel zu dem Raben, der noch gekränkt ist, dass man ihn einfach vergessen hatte.

3 Literatur

  • Gretel und Wolfgang Hecht (Hrsg.): Deutsche Spielmannsdichtungen des Mittelalters / Nacherzählt und herausgegeben von Gretel und Wolfgang Hecht, Insel-Verlag Anton Kippenberg, Leipzig, 1977
  • Claudia Bornholdt: Engaging Moments / The Origins of Medieval Bridal-Quest Narrative, De Gruyter, 2012
  • Sarah Bowden: Bridal-quest Epics in Medieval Germany, Modern Humanities Research Association, 2012
  • Walter Johannes Schröder: Spielmannsepik, Sammlung Metzler, 2. Aufl., Stuttgart, 1969

4 Weblinks

5 Einzelnachweise

  1. Sarah Bories, Jill Helder u.a.: Der Heilige im Schemalabyrinth / Strukturen der Handlungsmotivierung im ›Münchner Oswald‹, Universität Freiburg
  2. Gretel und Wolfgang Hecht (Hrsg.): Deutsche Spielmannsdichtungen des Mittelalters / Nacherzählt und herausgegeben von Gretel und Wolfgang Hecht, Insel-Verlag Anton Kippenberg, Leipzig, 1977. S. 264 bis 266
  3. Karl Heinz Göller: König Oswald von Nordhumbrien / Von der Historia Ecclesiastica bis zur Regenburger Stadtsag, Universität Regensburg
  4. Claudia Bornholdt: Engaging Moments / The Origins of Medieval Bridal-Quest Narrative, De Gruyter, 2012, S. 148
  5. Der Münchener Oswald / Text und Abhandlung von Georg Baesecke, 1907
  6. Der Münchener Oswald / Text und Abhandlung von Georg Baesecke, 1907

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