Kastensystem im Heiligen Römischen Reich
Im Heiligen Römischen Reich wurde die Gesellschaft ähnlich wie in einem Kastensystem organisiert. Diese Organisationsform wird als Ständesystem bezeichnet. Wesentliches Kennzeichen war, dass die Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich in zwei herrschenden Kasten organisiert war.
Inhaltsverzeichnis
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1 Grundlagen
Das Kastensystem war eine Organisationsform, die eine langfristige gesellschaftliche Stabilität in einer bäuerlichen Gesellschaft garantieren konnte. Neben dem Hinduismus[1] unterteilt auch das Jesidentum die Gesellschaft traditionell in Kasten: die geistlichen Führer, die weltlichen Führer und die Laien. Des Weiteren unterteilt das historische Judentum die Gesellschaft in Leviten und Nicht-Leviten.
Genauso wie bei den Hindus und den Jesiden kann nur derjenige Priester werden, der zum Stamm der Priester gehört. Diese Zugehörigkeit wird in der Regel durch die Geburt festgelegt.
Erste Formen von Gewaltenteilung tauchen sehr früh in der Geschichte der Zivilisation auf. Das Kastenwesen übertrug die Führung der Gesellschaft Priestern und Fürsten. In einigen islamischen Ländern wurde die geistliche Position durch einen Qādīs mit richterlichen Aufgaben übernommen. Im europäischen Raum finden sich Ansätze zu einer Gewaltenteilung in der von Polybios, Cicero, Thomas von Aquin und James Harrington vertretenen Theorie der Mischverfassung, somit der Teilung in eine religöse und weltliche Macht.
2 Historische Gründe für das Kastenwesen
Der Vorteil der Einteilung einer Gesellschaft in Kasten war, technologisches und kulturelles Wissen optimal zu bewahren. Durch die Zuteilung von fest definierten Aufgaben an eine Kaste, wie zum Beispiel die Bewirtschaftung von Wassersystemen, erlaubte eine optimale Weitergabe von technologischem Wissen. Des weiteren verhinderte das Kastensystem, dass die politischen Führerschaft und die gesellschaftliche Stabilität in Frage gestellt wurde. Somit erlaubte erst eine Gliederung einer Gesellschaft in Kasten, dass eine Gesellschaft den Grad der Stabilität erreichen konnte, um sich in komplexere Strukturen zu organisieren.
Des weiteren sollte das Kastensystem verhindern, dass Psychopathen die Führerschaft übernehmen könnten. Die Anforderungen zur Erlangung einer moralischen geistlichen Autorität z. B. im Judentum sind extrem hoch.[2]
Die Einteilung einer Gesellschaft in Kasten ist in nomadischen Kulturen weniger häufig. Bei der Organisation von Städten und Staaten mit sesshafter Bevölkerung ist es historisch gesehen die Regel gewesen.
3 Kastensystem im Mittelalter
Im Mittelalter wurde die Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich zunächst wie bei den Jesiden in drei Kasten (Stände) eingeteilt. Dies war besonders in Frankreich charakteristisch:
- Der Erste Stand umfasste die Gruppe aller Geistlichen, das heißt Angehörige der hohen Geistlichkeit wie auch des niederen Klerus (Lehrstand).
- Der Zweite Stand bestand aus Mitgliedern des Adels, sei es aus dem Hochadel, dem niederen Adel oder auch aus dem oft verarmten Landadel (Wehrstand).
- Der Dritte Stand umfasste nominell alle Bauern (Nährstand) und somit den überwiegenden Teil der Bevölkerung.
Das ständische System galt den Menschen des Mittelalters und der frühen Neuzeit als feste, von Gott gegebene Ordnung, in der jeder von Geburt an seinen unveränderlichen Platz hatte. Für den Adel und den dritten Stand galt, dass jeder zunächst den Stand seines Vaters übernahm. Ein Wechsel zwischen Ständen war fast unmöglich. Verdienst oder Reichtum hatten kaum Einfluss auf die Ständezugehörigkeit. So konnte etwa ein Bürger, der als Kaufmann an viel Geld gekommen war, wesentlich vermögender sein als ein armer Adliger.
In der mittelalterlichen Theorie waren den drei Hauptständen bestimmte Aufgaben zugewiesen. Der erste Stand hatte für das Seelenheil zu sorgen, der zweite Stand sollte Klerus und Volk gegen Feinde verteidigen, Aufgabe des dritten Standes war die Arbeit. Entsprechend der Stellung in der Gesellschaft hatte man sich einer standesgemäßen Lebensweise zu befleißigen.
4 Entwicklung des Kastensystems im Heiligen Römischen Reich
Berücksichtigt man die machtpolitischen Auseinandersetzungen im Mittelleralter mit den Fürsten im Heiligen Deutschen Reich, wie zum Beispiel den Gang nach Canossa von König Heinrichs IV., wird das Prinzip des Kastensystems im Heiligen Römischen Reich deutlich:
- Geistliche Kaste, mit richterlichen Funktionen und eine eigenen Hierarchie
- Weltliche Kaste, die von der geistlichen Kaste kontrolliert werden sollte und eine ähnliche Hierarchie hatte
König Heinrichs IV. begegnete im Dezember 1076 bis Januar 1077 während seines Italienfeldzuges dem Papst Gregor VII. in Canossa. Er wollte durch sein symbolisches Auftreten im Büßerhemd sich dem Papst unterwerfen und dadurch das Bündnis des Papstes mit den deutschen Fürsten (Fürstenopposition) verhindern. Papst Gregor VII. befand sich auf dem Weg nach Augsburg, wohin er für Februar 1077 zur Entscheidung über den Konflikt eingeladen war. Im Investiturstreit ging es um die Frage, wer die Bischöfe einsetzen und den König bzw. Kaiser krönen darf. Der Streit erreichte seinen Höhepunkt mit dem Disput, ob die weltliche Kaste die geistliche Kaste absetzen darf. Als Zeit des Investiturstreites gelten für gewöhnlich die Jahre ab 1076 (Hoftag in Worms) bis zur Kompromisslösung des Wormser Konkordates im Jahre 1122.
Der Grund dieser Spannungen war das Machtstreben der Priesterkaste (Papst, Kardinäle und Bischöfe) und der Wunsch einer Wiedererrichtung des weströmischen Reiches. Das Volk der Germanen gliederte sich nach den Quellen in Freie, Halbfreie (Knechte) und Rechtlose (Kriegsgefangene, Sklaven). Zu bestimmten Zeitpunkten fanden Versammlungen der freien Männer (Volksthing) statt, bei denen wichtige Entscheidungen besprochen und getroffen wurden, so z. B. die Wahl eines Anführers. Nur diese und die Gaufürsten hatten beim Volksthing das Vorschlagsrecht. Die Gesellschaft war patriarchalisch organisiert und die Hausgemeinschaft hatte eine besondere Stellung in ihr. Die Macht der Anführer reichte nur bis zum Hausherrn, aber alle im Haus Lebenden unterstanden diesem, wobei die Aufsicht der Sippe einen Schutz vor Willkür bot.
Durch die Christianisierung wurde zudem die lokale Priesterkaste der Germanen entmachtet und durch eine nicht lokale Priesterschaft ersetzt. Dieses wird auch ein Grund des Machtkampfes der neuen Priesterkaste mit den Fürsten im Heiligen Römischen Reich gewesen sein. Unter der weltlichen Kaste der Bauern und Handwerker entstanden als weitere Kaste die Leibeigenen, welche im Gegensatz zu den Bauern kein eigenes Land hatten. Im Unterschied zu den weltlichen Kasten war es in der geistlichen Kaste möglich, in der Hierarchie aufzusteigen; der Weg dorthin musste jedoch frühzeitig beschritten werden und setzte meist den Besuch einer Klosterschule und die Aufnahme in einen Mönchsorden voraus.
Das Kastensystem des Heiligen Römischen Reiches war nicht statisch. Eine Möglichkeit z. B. Teil der geistlichen Kaste zu werden, war der Eintritt in ein Kloster. Der Ritterstand war erst ab dem 13. Jahrhundert ein erblicher Stand.[3]
5 Auflösung des Kastensystem im Mittelalter
Das System der Kasten wurde durch die Ständegesellschaft abgelöst. Für eine Person bestand zum Beispiel die Möglichkeit einen Adelsstatus zu erwerben oder diesen auch zu verlieren. Später konnte eine Person mehr als einem Stand gleichzeitig angehören beziehungsweise in unterschiedlichen Situationen als Vertreter unterschiedlicher Stände auftreten. Beides trifft insbesondere auf den Gelehrtenstand zu, in den man nicht hineingeboren wurde, sondern in den man erst durch Ausbildung und die Tätigkeit als Lehrer eintrat. In diesen Punkten unterscheidet sich die europäische Ständegesellschaft deutlich zum Beispiel vom indischen Kastensystem. Durch Städtegründungen entwickelten sich die Zünfte, die verhältnismäßig eigenständig waren. Die Städte versuchten das alte System zu durchbrechen, indem sie sich unmittelbar dem Kaiser unterstellten und damit in Konkurrenz zum Stand der Landesfürsten gerieten.
Die Idee eine Gesellschaft in Kasten zu gliedern, wurde in Europa endgültig durch die Aufklärung im 18. Jahrhundert überwunden. Als wichtige Kennzeichen der Aufklärung gelten die Berufung auf die Vernunft als universelle Urteilsinstanz, mit der man sich von althergebrachten, starren und überholten Vorstellungen und Ideologien „auch gegen den Widerstand von Tradition und Gewohnheitsrecht“ befreien will. Zur Aufklärung gehört der Kampf gegen Vorurteile und die Hinwendung zu den Naturwissenschaften, das Plädoyer für religiöse Toleranz und die Orientierung am Naturrecht. Gesellschaftspolitisch zielte die Aufklärung auf mehr persönliche Handlungsfreiheit (Emanzipation), Bildung, Bürgerrechte, allgemeine Menschenrechte und das Gemeinwohl als Staatspflicht. Allerdings blieb die Leibeigenschaft teilweise noch bis ins 19. Jahrhundert bestehen.
6 Siehe
7 Literatur
8 Weblinks
9 Einzelnachweise
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