Bürgle (Gundremmingen)

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Bürgle bei Gundremmingen
Alternativname Pinianis, wahrscheinlicher aber Phoebiana/Febianis
Limes Donau-Iller-Rhein-Limes, Raetia secunda, (Strecke 5)
Datierung (Belegung) Ende des 3. Jahrhundert bis Angang des 5. Jahrhundert n. Chr.
Typ spätantike Grenzbefestigung
Einheit Cohors V Valeria Frygum
Größe 0,16 ha
Bauweise Stein und Fachwerk
Ort Gundremmingen
Geographische Lage: 48° 30′ 18,63″ N, 10° 24′ 53,36″ O7
Region-ISO DE-BY
Höhe 458 m ü. NHN
Vorhergehend Kastell Günzburg (Guntia)
Anschließend Kastell Burghöfe (Submuntorium/Submuntorio)
Rekonstruktionsversuch der Anlage.
Grundriß der Fortifikation.
Heutige Situation, Ansicht von Westen.

Das Bürgle bei Gundremmingen war ein spätrömisches Kastell des Donau-Iller-Rhein-Limes in der Provinz Raetia secunda. Die Fortifikation liegt auf einer kleinen Erhebung nordöstlich der heutigen Gemeinde Gundremmingen, Landkreis Günzburg an der Donau in Bayern.

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1 Lage

Zwischen den Ortschaften Gundremmingen und Aislingen befindet sich eine Böschung, die eine tertiäre Hochebene vom sumpfigen Donauried trennt und teilweise einen Höhenunterschied gegenüber der Donau von 70 Meter aufweist. An der Flur „Aschberg“ entspringt ein Bach, der sich in die Böschung einschnitt und eine längliche Kuppe hinterließ, die man im Volksmund das Bürgle nannte. An der Nordseite des Bürgle treten Quellen aus, die bewirkten, dass die umgebende Ebene sumpfig war. Somit war eine Annäherung nur über einen Bergrücken von Osten möglich. Die Kuppe lag in römischer Zeit 700 Meter südwestlich des zeitlich früheren Vicus (Siedlung) am Aschberg und 500 Meter abseits der römischen Donau-Südstraße. Sie fällt an allen Seiten bis zu 10 Meter ab, der Rücken schließt eine Fläche von 60 × 25 Meter ein.

Die Identifikation der kleinen Anlage mit einem in der Notitia dignitatum genannten Kastell[1] ist nicht vollständig gesichert. Es wird angenommen, dass sich der Name des nördlich der Donau gelegenen Faimingen (Phoebiana) auf das Bürgle übertragen hat.[2]

2 Forschungsgeschichte

Die Entdeckung der spätantiken Befestigung gelang dem bayerischen Landesarchäologen Paul Reinecke (1872–1958) zu Beginn der 1920er Jahre. Nachdem daraufhin von der Römisch-Germanischen Kommission Gelder zur Verfügung gestellt wurden, unternahm der Vorsitzende des zuständigen historischen Vereins, Paul Zenetti aus Dillingen, in den Jahren 1921/22 Ausgrabungen. 1925 untersuchte der Prähistoriker Gerhard Bersu (1889–1964) die Anlage. Er war es auch, der das Material 1964 publizierte. 1971 fand eine Nachuntersuchung unter der Leitung von Gerhard Pohl im Nordgraben der Befestigung statt.

Leider ist der Westteil des Bürgle durch Sandabbau in der Neuzeit verloren, wie auch sämtliche Steine zur Wiederverwertung herausgebrochen waren. Dennoch gelang es Bersu und Zenetti, den Grundriss fast vollständig zu rekonstruieren.

3 Baugeschichte

Lediglich geringe frührömische Spuren lassen auf eine mögliche erste Nutzung des Platzes schließen. Das älteste Münzmaterial aus den Grabungen von 1925 und 1971 sowie aus ehemaligen Privatsammlungen stammt noch aus republikanischer Zeit bzw. aus der Übergangszeit zum Kaiserreich (As, 155/27 v. Chr.). Daran schließt sich ein As (Münzmeisterprägung) aus der Regierungszeit des Kaisers Augustus (30 v. Chr. bis 14 n. Chr.) sowie ein As (22/37 n. Chr.) aus der Regierungszeit des Kaisers Tiberius (14–37) an.[3] Diese spärliche Münzreihe der Prinzipatszeit ist mit Lücken bis in die Regierungszeit des Kaisers Septimus Severus (193–211) verfolgbar. Aus dessen Zeit stammt ein Denar, der 194/195 n. Chr. geprägt wurde. Der nächste Einzelfund wurde 253 n. Chr. geprägt.[4] Die weitere Auswertung der Fundmünzen belegt in der Folge eine Gründung des Kastells gegen Ende des 3. nachchristlichen Jahrhunderts. Das Münzmaterial nimmt dabei deutlich zu.[5]

Der Plan der Ausgrabungen zeigt ein langgezogenes rechteckiges Lager mit hervorspringenden Türmen im Nordosten und im Westen. Die Größe beträgt 28 × 65 Meter bei einer ummauerten Innenfläche von 0,16 Hektar. Die etwa 3 Meter breite Außenmauer war zum Teil mit Spolien mittelkaiserzeitlicher Steindenkmäler fundamentiert, die aus Faimingen stammen. Das Haupttor befand sich im Osten. Von dort führte die Lagerstraße entlang der Längsachse durch das Lager und endete im Westen in einem kleinen Innenhof. Dieser wurde vermutlich von einem großen, turmartigen Bauwerk dominiert. Daran anschließend wird eine kleinere Schlupfpforte im Nordwesten angenommen.

Der Fuß der Kuppe war von einem bis zu 4 Meter breiten Graben umgeben, der teils als Spitz-, teils als Sohlgraben ausgeführt war.

3.1 Innenbebauung

Entlang der drei bis vier Meter breiten Lagerstraße befanden sich beidseitig Mannschaftsunterkünfte, die in Holz- oder Fachwerkbauweise errichtet waren. Darin wurden 18 Herdstellen nachgewiesen. Etwas komfortabler war lediglich der vermutliche Wohntrakt des Kommandanten im Westen ausgeführt. Er besaß einen Raum mit Hypokaustenheizung sowie daran anschließend mehrere Räume mit Estrichfußboden (Opus signinum).

3.2 Ende

Das Bürgle wurde im späten 4. Jahrhundert durch eine Brandkatastrophe zerstört. Anscheinend waren kurz zuvor die Gräben wieder instand gesetzt worden, was einen Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen nahelegt. Die Münzreihe endet abrupt mit acht recht prägefrischen Stücken, die zwischen 378 und 383 n. Chr. unter Gratian, Valentinian II. und Theodosius I. in Aquileia geprägt worden sind.

4 Truppe

Wie die bereits erwähnte Notitia dignitatum besagt, ist für das Kastell die Cohors V Valeria Frygum schriftlich belegt. Gegenüber den Kohorten der mittleren Kaiserzeit dürfte die Einheit aber eine wesentlich geringere Sollstärke besessen haben. Selbst Überlegungen einer Kastellbesatzung von 150 Mann dürften zu hoch gegriffen sein.[2] Durch Funde von Pferdegeschirr, Trachtbestandteilen und Keramik werden germanische Foederaten als Besatzung fassbar. Spinnwirtel und Webgewichte legen zumindest die zeitweilige Anwesenheit von Frauen nahe.

Als Bewaffung fanden sich neben den Spitzen von Pfeilen, Lanzen und Wurfspießen auch Geschoßbolzen mit Vierkantspitze, wie sie für Torsionsgeschütze typisch sind.[6]

5 Haustierhaltung und Ernährung

Die Untersuchung des 1971 aus dem Nordgraben geborgenen Knochenmaterials übernahm der Osteologe Joachim Boessneck (1926-1991):[7]

Tierart Anteil Fundzahl Mindestanzahl der Individuen Bemerkung
Rind (bos) 61,2 % 320 Knochen bzw. Knochenteile mindestens 11 Stier, Kühe sowie Kuh und Kalb
Hausschwein (sus od. porcus) 12,2 % 64 Knochen bzw. Knochenteile mindestens 9 weibliche Tier (adult), männliche Tiere (juvenil und adult)
Pferd (equus) 10,7 % 56 Knochen bzw. Knochenteile mindestens 4 mindestens eine Stute und ein Hengst
Schaf/Ziege (ovis/capra) 4 % 21 Knochen bzw. Knochenteile; davon 13 sicher bestimmte Schafknochen mindestens 4 mindestens ein Neugeborenes und drei annähernd adulte Tiere
Geflügel (gallina) 1,1 % 6 Knochen bzw. Knochenteile mindestens 3 mindestens ein juveniles Tier und zwei adulte Tiere

Die geringe Anzahl der Schaf- und Ziegenknochen überraschte.[8] Die Tabelle macht deutlich, daß Rindfleisch bei der Ernährung der Soldaten eine überragende Bedeutung gespielt hat, obwohl das Fleisch dieses Vielzwecktieres nicht sehr geschätzt war. Doch da es als Arbeitstier und Rohstofflieferant für Leder, Leim und Horn in großen Mengen benötigt wurde und sein Mist für die Düngung Verwendung fand, fielen bei der Schlachtung große Fleischmengen an, die nicht ungenutzt bleiben konnten.[9]

In der folgenden Tabelle sind die im Fundgut vertretenen Wildtierknochen aufgezählt:

Tierart Anteil Fundzahl Mindestanzahl der Individuen Bemerkung
Rothirsch (cervus) 5,6 % 29 Knochen bzw. Knochenteile mindestens 3 alle Tiere annähernd adult oder adult
Wildschwein (aper) 3,9 % 20 Knochen bzw. Knochenteile mindestens 3 alle Tier adult
Braunbär (ursus) 0,9 % 5 Knochen bzw. Knochenteile mindestens 2 Altersangaben nicht ermittelt bzw. fehlen
Biber (castor, fiber) 0,2 % 1 Knochen bzw. Knochenteil mindestens 1 Altersangaben nicht ermittelt bzw. fehlen
Krähe (cornix) 0,2 % 1 Knochen bzw. Knochenteil mindestens 1 Rabenkrähe oder Saatkrähe, Altersangaben nicht ermittelt bzw. fehlen

Die prozentual hohe Anzahl der Rothirschknochen ist nicht untypisch für römische Siedlungsplätze in Rätien. Alle wesentlichen Waldsäugetiere, darunter – in sehr geringem Maße – heute verschwundene wie Elch und Braunbär wurden bejagt, einige Arten wie Biber sicher in der Hauptsache aufgrund ihres Pelzes. Bei dem aufgefundenen einzelnen Krähenknochen ist es ungewiß, ob es sich um eine Jagdbeute gehandelt hat.[10]

6 Fundverbleib

Zahlreiche Stücke aus den Grabungen sowie Funde von Privatsammlern befinden sich heute in der Archäologischen Staatssammlung in München.

7 Denkmalschutz

Das Kastell ist ein eingetragenes Bodendenkmal im Sinne des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes (BayDSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind erlaubnispflichtig, Zufallsfunde sind den Denkmalbehörden anzuzeigen.

8 Siehe auch

Liste der Kastelle des Donau-Iller-Rhein-Limes

9 Literatur

  • Helmut Bender (Hrsg.): Das „Bürgle“ bei Gundremmingen. Die Grabung 1971 und neue Funde. Marie Leidorf, Espelkamp 1996, ISBN 978-3-89646-170-4, (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 3).
  • Gerhard Bersu: Die spätrömische Befestigung „Bürgle bei Gundremmingen“. Beck, München 1964, (Bayerische Akademie der Wissenschaften. Kommission zur Archäologischen Erforschung des Spätrömischen Raetien Veröffentlichungen 4), (Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 10).
  • Wolfgang Czysz: Bürgle, Gde. Gundremmingen, Lkr. Günzburg, Schw. In: Wolfgang Czysz u. a.: Die Römer in Bayern. Theiss, Stuttgart 1995. Lizenzausgabe Nikol, Hamburg 2005, ISBN 3-937872-11-6, S. 430f.
  • Jochen Garbsch: Der spätrömische Donau-Iller-Rhein-Limes. Gesellschaft für Vor- u. Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern e.V., Stuttgart 1970 (Kleine Schriften zur Kenntnis der römischen Besetzungsgeschichte Südwestdeutschlands 6).
  • Paul Zenetti: Die Ausgrabungen auf dem Bürgle bei Gundremmingen. In: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen an der Donau. Band 36, Dillingen 1923, S. 65–73, online.
  • Paul Zenetti: Die Ausgrabungen des Historischen Vereins Dillingen a. D.. In: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen an der Donau. Band 37, Dillingen 1924, S. 151–163, online.
  • Paul Zenetti: Die Ausgrabungen des Historischen Vereins Dillingen 1925/26. In: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen an der Donau. Band 38, Dillingen 1925, S. 130–149, online.
  • Paul Zenetti: Die Ausgrabungen des spätrömischen Kastells auf dem Bürgle bei Gundremmingen. In: Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen an der Donau. Band 39/40, Dillingen 1926/27, S. 245–264, online.

10 Weblinks

 Commons: Bürgle Gundremmingen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

11 Vergleich zu Wikipedia




12 Anmerkungen

  1. Notitia dignitatum, Occ. XXXV 29.
  2. 2,0 2,1 Wolfgang Czysz: Bürgle, Gde. Gundremmingen, Lkr. Günzburg, Schw. In: Wolfgang Czysz u.a.: Die Römer in Bayern. Nikol, Hamburg 2005, ISBN 3-937872-11-6, S. 430.
  3. Hans-Christoph Noeske, David G. Wigg: Die Fundmünzen des „Bürgle“ bei Gundremmingen. In: Helmut Bender (Hrsg.): Das „Bürgle“ bei Gundremmingen. Die Grabung 1971 und neue Funde. Marie Leidorf, Espelkamp 1996, ISBN 978-3-89646-170-4, (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 3). S. 49–104; hier: S. 49.
  4. Hans-Christoph Noeske, David G. Wigg: Die Fundmünzen des „Bürgle“ bei Gundremmingen. In: Helmut Bender (Hrsg.): Das „Bürgle“ bei Gundremmingen. Die Grabung 1971 und neue Funde. Marie Leidorf, Espelkamp 1996, ISBN 978-3-89646-170-4, (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 3). S. 49–104; hier: S. 50.
  5. Hans-Christoph Noeske, David Wigg: Die Fundmünzen des „Bürgle“ bei Gundremmingen. In: Helmut Bender (Hrsg.): Das „Bürgle“ bei Gundremmingen. Die Grabung 1971 und neue Funde. Espelkamp 1996 (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 3), S. 49–102.
  6. Helmut Bender: Katalog der mit Metallsonden entdeckten Kleinfunde. In: Helmut Bender (Hrsg.): Das „Bürgle“ bei Gundremmingen. Die Grabung 1971 und neue Funde. Marie Leidorf, Espelkamp 1996, ISBN 978-3-89646-170-4, (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 3). S. 105–132; hier: S. 114–115.
  7. Gerhard Pohl: Die Nachuntersuchungen im Nordgraben der spätrömischen Befestigung, Kleinfunde und Tierknochen. In: Helmut Bender (Hrsg.): Das „Bürgle“ bei Gundremmingen. Die Grabung 1971 und neue Funde. Marie Leidorf, Espelkamp 1996, ISBN 978-3-89646-170-4, (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 3). S. 9–47; hier: S. 30.
  8. Gerhard Pohl: Die Nachuntersuchungen im Nordgraben der spätrömischen Befestigung, Kleinfunde und Tierknochen. In: Helmut Bender (Hrsg.): Das „Bürgle“ bei Gundremmingen. Die Grabung 1971 und neue Funde. Marie Leidorf, Espelkamp 1996, ISBN 978-3-89646-170-4, (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 3). S. 9–47; hier: S. 21.
  9. Marcus Junkelmann: Panis militaris – Die Ernährung des römischen Soldaten oder der Grundstoff der Macht, von Zabern, Mainz 1997, ISBN 3-8053-2332-8, S. 156.
  10. Gerhard Pohl: Die Nachuntersuchungen im Nordgraben der spätrömischen Befestigung, Kleinfunde und Tierknochen. In: Helmut Bender (Hrsg.): Das „Bürgle“ bei Gundremmingen. Die Grabung 1971 und neue Funde. Marie Leidorf, Espelkamp 1996, ISBN 978-3-89646-170-4, (Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 3). S. 9–47; hier: S. 22.

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