Turbokapitalismus

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Turbokapitalismus und Raubtierkapitalismus sind abwertende politische Bezeichnungen für bestimmte Formen des Kapitalismus. Das Wortschatzbuch Neologismen der 90er Jahre im Deutschen sieht darin einen Begriff, der auf den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Edward Luttwak zurückgeht.[1] Karl Bachinger und Herbert Matis ordnen ihn als politisches Schlagwort ein, dem oft wenig präzise Bedeutungsinhalte unterlegt sind.[2] Das seit Mitte der 1990er Jahre belegbare Synonym „Killerkapitalismus“ setzte sich hingegen nicht durch.

Der Wortbestandteil Turbo- soll eine Beschleunigung in der kapitalistischen Entwicklung, insbesondere auf dem Finanzmarkt deutlich machen. Die Wortbestandteile Raubtier und Killer werden mit dem Ausspruch „Fressen und gefressen werden“ in Verbindung gebracht, der manchmal auch dem Darwinismus zugeschrieben wird. Der Vergleich von Menschen, die zu ihrem eigenen ökonomischen Vorteil auf Kosten anderer handeln, mit Raubtieren, die ihrer Natur folgend schutzlose Lebewesen erbeuten, findet sich schon in einigen Übersetzungen der Bibel:

„Der Wildesel in der Wüste ist die Jagdbeute des Löwen: So sind auch die Armen die Beute der Reichen.“

– (Sir 13,23 EU)

Andere Schlagwörter sind Casino-Kapitalismus oder Wildwest-Manieren.[3]

Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) warnte 2003 in der Wochenzeitung Die Zeit vor „Raubtierkapitalismus“, der die Gesellschaft gefährde. Er bezog den Ausdruck auf den rücksichtslosen Gebrauch der Macht einiger Manager großer Verbände, Konzerne, Geldinstitute und Medienunternehmen.[4] 2007 sprach er von Raubtierkapitalismus im Zusammenhang mit Hedgefonds und Private-Equity-Häusern.[5] In seiner Autobiografie Außer Dienst. Eine Bilanz (2008) führte er die Anfänge auf die frühen siebziger Jahre zurück, „in die Zeit der Wechselkurs-Unordnung nach dem Zusammenbruch des Bretton Woods-Systems“. Aus den Spekulanten, die aus der Freigabe der Wechselkurse Profite gezogen hätten, seien Zehntausende geworden, die international auf alle nur denkbaren künftigen Ereignisse spekulierten.[6]

Auch die Digitale Revolution wird von Kritikern in diesem Zusammenhang genannt.[7]

1 Vergleich zu Wikipedia




2 Einzelnachweise

  1. Stichwort „Turbokapitalismus“ in: Dieter Herberg, Michael Kinne, Doris Steffens, Elke Tellenbach, Doris Al-Wadi: Neuer Wortschatz: Neologismen der 90er Jahre im Deutschen, Band 11 von Schriften des Instituts für Deutsche Sprache, Verlag Walter de Gruyter, 2004, ISBN 978-3-11-017750-3, S. 346
  2. Karl Bachinger, Herbert Matis: Sozioökonomische Entwicklung: Konzeptionen und Analysen von Adam Smith bis Amartya K. Sen. Band 3074, UTB 2008, ISBN 978-3-8252-3074-6, S. 75.
  3. Wirtschaft: Fressen, bevor man gefressen wird in Der Tagesspiegel am 17. August 1997
  4. Helmut Schmidt warnt vor dem "Raubtierkapitalismus". In: presseportal.de. 3. Dezember 2003 (Pressemitteilung der Zeit).
  5. Helmut Schmidt geißelt "Raubtierkapitalismus" der Hedgefonds und ist froh, dass es die Deutsche Bank (gibt). In: Die Welt. 1. Februar 2007.
  6.  Helmut Schmidt: Raubtierkapitalismus – was kann dagegen getan werden?. In: Außer Dienst. Eine Bilanz. Siedler, München 2008, ISBN 978-3-88680-863-2, S. 255–268 (Zitat S. 255).
  7. Ausbeutung in der digitalen Welt: Fressen und gefressen werden in junge world am 19. September 2019

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