Kalte und heiße Kulturen

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Die Begriffe kalte und heiße Kulturen gehen auf den französische Ethnologen Claude Lévi-Strauss zurück, der in seinem Werk Das wilde Denken unterschiedliche Einstellungen zum Kulturwandel untersuchte. Dabei gelten Jäger und Sammler wie die afrika­nischen Hadza oder die wenigen isolierten Ethnien, die es noch gibt, als kalte Kulturen, die modernen Zivilisationen dagegen als heiße Kulturen. Diese Sichtweise erweiterten insbesondere Jan Assmann und Mario Erdheim später zu einem fließenden Spektrum zwischen zwei Polen. Das Modell von kalt und heiß wurde in strukturalistischen Studien der Kulturpsychologie, der Ethnologie (Völkerkunde) und der Anthropologie (Menschenkunde) angewendet sowie in abgewandelter Form auch in den Medienwissenschaften.[1][2]

Das Modell von kalt und heiß wird in strukturalistischen Studien der Kulturpsychologie, der Ethnologie (Völkerkunde) und der Anthropologie (Menschenkunde) angewendet sowie in abgewandelter Form in den Medienwissenschaften.[1][2]

„Kalte“ Gesellschaften haben in Jahrtausenden gelernt, dass vom Menschen herbeigeführte (anthropogene) Veränderungen ihrer Lebensweise unvorhersehbare Risiken bergen. Entsprechend sind sie bestrebt, den kulturellen Wandel ihrer Gesellschaft so gering wie möglich zu halten und sich den langsamen und gleichbleibenden Zyklen in der Natur anzupassen. Dazu haben sie eine Vielzahl von Riten, Mythen, Traditionen und beständigen Wertvorstellungen entwickelt, um die stabilen Abläufe ihres Alltages weitgehend unverändert zu bewahren. Lévi-Strauss hat diese Verarbeitung menschlicher Geschichte als „besondere Weisheit“ bezeichnet,.[3] da es sich nicht um ein Unvermögen vermeintlich primitiver Kulturen handelt, sondern um das bewusste „Einfrieren“ des Wandels in einer speziellen Form kollektiver Erinnerung.[4] Solche Kulturen misstrauen grundsätzlich der menschlichen Erfindungs- und Erneuerungskraft (Innovation).

„Heiße“ Gesellschaften dagegen vertrauen auf die Kreativität des Menschen und versuchen mit Hilfe eines sich zunehmend beschleunigenden Fortschritts, die Natur immer stärker an ihre Bedürfnisse anzupassen. Reflexion ersetzt die Riten, eine chronologische Aufzeichnung der Geschichte ersetzt die Mythen und eine Modernisierung ersetzt die überlieferte Tradition.[5] Das naturwissenschaftlich, technologisch und wirtschaftlich orientierte Denken wird zur Sinn gebenden Leitlinie und zum „Motor“ dieser Entwicklung.

Nach Lévi-Strauss muss diese Unterscheidung wertfrei verstanden werden: Die kalten Kulturen sind demnach nicht „unterentwickelt“. Lévi-Strauss stellte fest, dass kalte Kulturen sich nicht automatisch zu heißen Kulturen entwickeln müssten. Er ging allerdings davon aus, dass ein Kulturwandel nur zur „Erhitzung“ führen kann und eine „Abkühlung“ nicht möglich ist.[5]

Als Beispiel wird folgende Aussage eines Häuptlings der Nez-Percé-Indianer aus dem nordöstlichen Oregon verwendet:

„[…] Wir waren zufrieden, die Dinge so zu lassen, wie der Große Geist sie gemacht hatte. Die Weißen sind nicht zufrieden und ändern sogar den Lauf der Flüsse, wenn er ihnen nicht gefällt.“

Chief Joseph[6]

1 Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Arnold Groh: Kulturwandel durch Reisen: Faktoren, Interdependenzen, Dominanzeffekte. In: Christian Berkemeier (Hrsg.): Begegnung und Verhandlung. Möglichkeiten eines Kulturwandels durch Reise. Lit, Münster 2004, ISBN 3-8258-6757-9, S. 17.
  2. 2,0 2,1 Marshall McLuhan: Die magischen Kanäle. Understanding Media. Verlag der Kunst, Dresden/Basel 1994, ISBN 3-364-00308-4, S. 45 (erstveröffentlicht 1964).
  3. Jan Assmann: Religion und kulturelles Gedächtnis. Zehn Studien. 3. Auflage. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-56590-8, S. 23 (erstveröffentlicht 2000).
  4. Claude Lévi-Strauss: Das wilde Denken. 4. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt 1981, ISBN 3-518-07614-0, S. 270.
  5. 5,0 5,1 Dietmar Treichel, Claude-Hélène Mayer (Hrsg.): Lehrbuch Kultur. Lehr- und Lernmaterialien zur Vermittlung kultureller Kompetenzen. Waxmann, Münster u. a. 2011, ISBN 978-3-8309-2531-6, S. 36.
  6. Teri C. McLuhan (Hrsg.): …Wie der Hauch eines Büffels im Winter. 4. Auflage. Hoffman & Campe, Hamburg 1984, ISBN 3-455-08663-2, S. 125 (erstveröffentlicht 1979).

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