Gerichtsbarkeit in Äthiopien

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Die Gerichtsbarkeit in Äthiopien basiert auf dem System des Zivilrechts und ist föderal gegliedert: Es ist eine Mischung aus dem nationalen Recht und dem jeweiligen Recht der neun einzelnen Regionen.

Dem äthiopischen Gerichtswesen mangelt es allerdings an Mitteln und vor allem an professionell qualifiziertem Personal. Die Richter, welche unter der Herrschaft des Derg bis 1987 ihres Amtes walteten, waren nahezu ausschließlich Lizentiate - aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur ehemaligen Arbeiterpartei Äthiopiens. Die neuen Juristen sind noch nicht zahlreich genug, was die Überlastung der Gerichte erklärt.

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1 Geschichte

Die erste juristische Kodifikation ist das Fetha Negest (Gesetz der Könige), welche aus dem Arabischen in der Mitte des 14. Jahrhunderts übersetzt wurde. Es stammte von einem ägyptischen Kopten des 13. Jahrhunderts, welcher seinerseits vom Pentateuch (den fünf ersten Büchern des alten Alten Testaments), den Neuen Testament, dem kanonischen Recht der ersten Christen, dem römischen Recht und den Prinzipien des islamischen Rechts inspiriert worden war. Auf jeden Fall sprach das Fetha Nagast nicht nur Christen an. Doch die Muslime setzten ihre alte Tradition fort, nur den Scharia-konformen Gerichten unterworfen zu sein. Doch es existierte inoffiziell auch weiterhin eine ordentliche Gerichtsbarkeit, in dem Clan-Gerichte und Stammesgerichte eine große Rolle spielten.

1.1 Reformen Kaiser Haile Selassies

Das Fetha Nagast und das Gewohnheitsrecht waren die Basis der strafrechtlichen Prozedur bis 1930, als Kaiser Haile Selassie I. dem Land ein eigenes Strafrecht vorstellte. Im Gegensatz zum seit antiker Zeit bestehenden System, sah der Code von 1930 ein Ensemble von spezifischen Sanktionen für präzise definierte Delikte vor. Der Code stellte das Prinzip, nachdem nur die vom Gesetz verbotenen Vergehen auch sanktioniert werden können, und somit auch das Primat des Rechts in den Vordergrund. Des Weiteren sah er vor, dass die Strafen im Untersuchungsausschuss der Situation, der Erziehung, der Bildung des Straftäters und den Motiven und der Schwere der Straftat entsprechen müssten. Der neue Code schaffte die Verstümmelung ab, hielt allerdings an der Todesstrafe fest und autorisierte auch die Geißelung.

Das moderne äthiopische Gerichtswesen erschien zunächst mit dem Militärischen und allgemeinen Akkord, welches im Januar 1942 vom abessinischen Kaiser Haile Selassie I. unterzeichnet wurde. Das Königreich Italien half Äthiopien dabei, eine effiziente Verwaltung des Gerichtswesens zu etablieren. Zur Zeit des Akkords war das italienische Königreich engagiert dabei, italienische Bürger als Berater der Richter, in Zollabfertigungsstellen und der Polizei zu entsenden.

Es ist in diesem Kontext, dass das Gesetz von 1942 vier Ebenen der Gerichte kreierte: Das Reichsgericht, der Staatsgerichtshof und die Gerichte der einzelnen Provinzen und Gemeinden. Das Reichsgericht und der Staatsgerichtshof waren die nationalen Jurisdiktionen, während die anderen mit begrenzten Attributionen im Bereich des minören Zivil- und Strafrechts in jeden einzelnen Regionen des Kaiserreichs etabliert wurden. In dieser Epoche waren die Richter unter der Autorität des Kaisers, da keine Gewaltenteilung zwischen der Exekutive und der Judikative vorherrschte. Die Institutionen der Judikative waren zentralisiert und unter der strengen Kontrolle des Kaiserhauses.

Im Jahre 1958 erarbeitete ein Schweizer Rechtsexperte ein revidiertes Strafrecht, um auf die Fragen der nationalen Entwicklungen Antworten zu finden. 1961 wurde eine andere Strafvollzugsordnung von einem Juristen redigiert.

1.2 Revolution und Umstrukturierung

Nach der äthiopischen Revolution von 1974 und der Machtübernahme der Militärjunta Derg führte ein Dekret das Standrecht ein. Die besonderen Militärgerichte wurden neben den ordentlichen Gerichten eingesetzt und ein neues besonderes Strafgesetzbuch wurde geschaffen. Die Militärgerichte wurden bevollmächtigt, die Todesstrafe neben der langen Gefängnisstrafe für jede politische Ordnungswidrigkeit anzusetzen. Die normale Gerichtsprozedur war theoretisch immer für Strafverstöße in Kraft, doch in der Praxis war es schwierig, zwischen kriminellen Akten und politischen Delikten zu unterscheiden. Das Land zählte ein Militärgericht in Addis Abeba und eins in jeder Provinz. Während der Diktatur des Derg wurden wenige Änderungen in der Struktur der ordentlichen Gerichte unternommen, welche ihre vorherige Funktion fortgesetzt haben.

Die Nationalisierung der landwirtschaftlichen Böden im April 1975, danach die urbanen Terrains und die Immobilien am 26. Juli 1975 wurde von der Schaffung neuer Gerichte in den ländlichen Zonen und den städtischen Zentren begleitet.

Im Juli 1976 modifizierte die Regierung das Strafrecht, indem sie die Todesstrafe für anti-revolutionäre Aktivitäten und Wirtschaftsverbrechen einführte. Die Strafverfolgung politischer Delikte wurden unter der Führung eines Koordinationskomittees der Revolution in jeder Awrajja (der administrativen Untereinheit einer Provinz) geleitet. Die Regierung übertrug die Kompetenz der Militärgerichte an Bauernvereinigungen und die Gerichte der Kebeles (Kommunen), mit einer Möglichkeit, die Gerichte der Woredas (Distrikte) anzurufen. Das Strafrecht von 1976 führte neue Kategorien der sogenannten Wirtschaftsverbrechen wie zum Beispiel der Anhäufung oder der überzogenen Rechnungsstellung, genauso wie die schlimmeren Vergehen wie die Sabotage im Arbeitsleben, die Zerstörung von Fahrzeugen oder Allgemeingut.

Im Jahr 1981 wurde das besondere Strafrecht erneut modifiziert und schloss neue Verbrechen wie die Verbrechen gegen den Staat selbst, die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität, Fahnenflucht, Vertrauensmissbrauch von Beamten genauso wie diverse ökonomische Delikte, darunter das Zurückbehalten von Getreide, illegale Geldtransaktionen, Korruption und Machtmissbrauch. Dieses neue Strafrecht schaffte die besonderen Militärgerichte ab und erschuf neue Sondergerichte, welche aus drei zivilen Richtern bestanden. Die Angeklagten hatten das Recht auf einen Anwalt und das Recht, ein Berufungsgericht anzurufen.

1.3 Übergangszeit

Nach dem Sturz des Regimes von Mengistu Haile Mariam und dem verbot der Nachfolgepartei der Arbeiterpartei Äthiopiens, die Demokratische Einheitspartei Äthiopiens, wurde der äthiopische Staat komplett neu strukturiert. Das Land nahm eine föderale Struktur an und kraft der Übergangscharta von 1991 wurden zahlreiche Regionen errichtet, die jeweils eigene Rechtsgebiete besaßen.

Die Übergangscharta von 1991 wurde durch die Verfassung der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien von 1995 ersetzt, welche ihrerseits bis heute besteht. Die dezentralisierte Staatsstruktur beinhaltet einen föderativen Staatsaufbau und neun äthiopische Regionen, die jeweils den Grenzen der Volksgruppen, Sprachen und Kulturen entsprechen. Jede Region hat seither ein eigenes Legislativ, Exekutiv- und Judikativsystem.

2 Organisation

Das äthiopische Gerichtswesen basiert auf der Dezentralisation der Gewalten, sowohl auf nationaler Ebene (die Gewaltenteilung mit Exekutive - dem Ministerrat - und Legislative - dem Parlament), als auch auf regionaler Ebene, so hat jede einzelne Region ein eigenes Justizwesen. Es gibt somit die Bundesgerichte und die regionalen Gerichte, welche jeweils ihre eigenen Strukturen haben und unabhängige Verwaltung und Organisation besitzen.

2.1 Ordentliche Gerichtsbarkeit

2.1.1 Bundesgerichte

  • Der Oberste Bundesgerichtshof, welcher sich in Addis Abeba befindet, ist die höchste Instanz des Landes. Er ist die Berufungsinstanz aller verhandelten Angelegenheiten für das Oberste Bundesgerichtshof, aber er spielt auch die Rolle des Kassationsgerichts für die Entscheidungen aller Gerichte. Das Oberste Gericht ist die erste Instanz für die Angelegenheiten, welche die Verantwortung der Regierungsmitglieder (Ministerrat), der Botschafter, der Konsuln und der Vertreter der internationalen Organisationen betreffen.
  • Das Obere Bundesgericht ist zuständig für Zivilverfahren mit einem Streitwert über 500.000 Birr. Es ist auch die Berufungsinstanz für Entscheidungen des Bundesgerichts der ersten Instanz. Es interveniert vor allem in Bereichen wie das internationale Privatrecht, die Staatsbürgerschaft oder die Wiedererkennung der auswärtigen richterlichen Entscheidungen (Exequatur). Im Bereich der Strafen ist es dazu befähigt, die Verfassungsordnung, die innere Sicherheit und die aeronautische Sicherheit wiederherzustellen. Auch beim Drogenhandel darf es einschreiten.
  • Das Bundesgericht der ersten Instanz ist zuständig für zivilen Streitigkeiten mit einem Streitwert unterhalb 500.000 Birr. Es kennt vor allem die zivilen Angelegenheiten in Addis Abeba und Dire Dawa, die das Gesetz nicht an anderen Jurisdiktionen zuschreibt. In Strafsachen befasst es sich mit den wirtschaftlichen und fiskalischen Interessen des Landes, wie Geldfälschung, Fälschung von Dokumenten des Bundes und Straftaten im Zusammenhang mit der Sicherheit und Freiheit der Kommunikation im Betrieb in mehr als einer Region oder international.

2.1.2 Regionale Gerichte

Es existieren weiterhin ordentliche Gerichte auf zwei administrativen Ebenen:

  • Die « Woreda-Gerichte » (Tribunale der Woredas) haben jeweils einen einzelnen Richter, die sich um strafrechtliche Angelegenheiten von geringerer Wichtigkeit kümmern.
  • Die « Awraja-Gerichte » (Gerichte auf Ebene der Zonen) bestehen aus drei Richtern und verfügen über eine Zivil- und eine Strafkammer.

2.2 Ausnahmetribunale

  • Militärgerichte: Der Oberste Bundesgerichtshof verfügt auch über Kammer für Militärgerichtsbarkeit.
  • Islamische Tribunale (Scharia): Diese Gerichte sind für Muslime reserviert. Sie behandeln hauptsächlich Streitfragen des Familienrechts. Die beiden Parteien müssen ihre Zustimmung geben, dass sie ihre Differenzen vor einem islamischen Gericht austragen.

2.3 Verfassungsgericht

Hält ein Richter ein Gesetz oder die Anwendung eines Gesetzes für verfassungswidrig, so kann der diese dem Council of Constitutional Inquiry vorlegen. Dieses prüft den Vorgang und kann ihn entweder verwerfen oder an den Oberste Bundesgerichtshof weiterleiten, der die Entscheidung trifft. Ein gesondertes Verfassungsgericht besteht nicht.[1]

3 Richter und Staatsanwälte

3.1 Ernennung

Das Bundesparlament ernennt die Richter der Bundesgerichte, während die Richter der Regionalgerichte von den regionalen Parlamenten der Regionen ernannt werden.

Der Vorsitzende des Bundesgerichts legt und präsentiert eine Liste von Kandidaten an die Bundesgerichtsbarkeitskomission vor. Sie legt diese dem Parlament vor, das sie billigt oder ablehnt. Die Richter der Bundesgerichte sind grundsätzlich auf Lebenszeit ernannt.

3.2 Ausbildung und Bezahlung

In Äthiopien haben die Richter nicht unbedingt eine besondere Ausbildung. Einige erhielten einen hohen Bildungsgrad im Bereich Recht der Universität von Addis Abeba, während die anderen nur eine praktische Ausbildung für ein paar Monate haben. Einige Nichtregierungsorganisationen organisieren auch Ausbildungskurse für Richter.

Richtergehälter sind viel niedriger, als sie es in der Vergangenheit waren, denn trotz hoher Inflation, haben sie sich kaum entwickelt.

3.3 Unabhängigkeit

Die Frage der Unabhängigkeit der Justiz stellt das Land vor ein großes Problem in Äthiopien. Die Richter werden von politischen und parteipolitischen Ideologien beeinflusst und diejenigen, die sich widersetzen, bleiben selten lange im Amt.

Zusätzlich zu ihrer Ernennung durch den Gesetzgeber unterliegen die Richter einer "Überprüfung" durch Regierungsbeamte. Diese Überwachung dient theoretisch zur Vermeidung von Korruption und Vetternwirtschaft, aber in Wirklichkeit bestrafen die Richter in der Regel gerade diejenigen, die nicht der Regierung oder der Linie der herrschenden Partei Volksbefreiungsfront von Tigray folgen.

4 Weblinks

5 Einzelnachweise

  1. Heinrich Scholler: Recht und Politik in Äthiopien: Von der traditionellen Monarchie zum modernen Staat, 2008, ISBN 3825877892, Seite 185 ff., Online


6 Andere Lexika

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Erster Autor: Vlaam angelegt am 31.10.2009 um 06:51, weitere Autoren: AlterWolf49, Karsten11, Xenos, WWSS1, Koenraad, UHT, Normalo, Inkowik, Johnny789, KureCewlik81, Hopdiridaddaradiridod, Atamari, Hopdiridaddaradiridod/Gerichtsbarkeit in Äthiopien, Leithian, ZetudBot

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