Dentale Lachgassedierung

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Die dentale Lachgassedierung, also die zahnärztliche Verabreichung von Lachgas (die chemische Bezeichnung lautet Stickoxydul oder Distickstoffmonoxid), führt dazu, dass Patienten bei zahnärztlichen Eingriffen weniger Schmerzen empfinden, ruhiger und entspannter sind. Patienten, die unter Zahnbehandlungsangst leiden, kann auf diese Weise ein angenehmeres Behandlungserlebnis ermöglicht werden. Während der gesamten Behandlung bleiben die Patienten bei vollem Bewusstsein und sind bereits kurze Zeit nach der Behandlung wieder verkehrstüchtig. Die Lachgassedierung ist das älteste aller dentalen Sedierungsverfahren und hat seinen Ursprung bereits im 19. Jahrhundert.

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1 Anwendung

Bei der zahnärztlichen Lachgassedierung erhalten Patienten nie reines Lachgas, sondern eine Mischung aus Lachgas und Sauerstoff. Mit einer speziell entwickelten Mischvorrichtung kann der Zahnarzt das Verhältnis von Lachgas zu Sauerstoff genau regulieren. Nachdem das Lachgas mit Sauerstoff vermischt wurde, wird es dem Patienten anhand einer über der Nase platzierten Maske zugeführt. Während der gesamten Behandlung atmet der Patient das Lachgasgemisch über die Nasemaske ein. Eine versehentliche Überdosierung, also eine zu hohe Konzentration von Lachgas, wird bei neueren Geräten durch eine so genannte Lachgassperre verhindert.

2 Pharmakokinetik

Lachgas wird, wie andere inhalative Anästhetika (Medikamente zur Reduzierung des Schmerzempfindens), über die Lunge aufgenommen, im Blut gelöst und im zentralen Nervensystem absorbiert, wo es seine Wirkung entfaltet. Lachgas ist in Blut relativ unlöslich (Blut-Gas-Koeffizient 0,47), sodass es schnell zu einer Angleichung der alveolären Konzentration in der Lunge und der Konzentration im Blut kommt. Dieses Phänomen, gepaart mit einer hohen Lipidlöslichkeit, die für die Verteilung im zentralen Nervensystem notwendig ist, führt innerhalb von Minuten zum Wirkungseintritt. Die Tiefe der Sedierung kann durch eine Änderung der eingeatmeten Lachgaskonzentration schnell vom Zahnarzt variiert werden. Lachgas verdrängt Stickstoff, während es in der Blutbahn aufgenommen wird. Da Lachgas aber eine höhere Löslichkeit als Stickstoff ausweist, wird weniger Stickstoff im Blut abgegeben, als Lachgas aufgenommen wird. Es entsteht ein relatives Vakuum und führt zum so genannten Konzentrationseffekt oder „Second-Gas-Effect“ mit höher als erwarteten Lachgaskonzentrationen in den Alveolen.

Dieses Phänomen bedingt zwei weitere wichtige Eigenschaften von Lachgas: Erstens, es diffundiert rasch in abgekapselte Gastaschen und kann zu einer Hohlraumexpansion führen. Der im Hohlraum vorhandene Stickstoff kann nicht so schnell hinausdiffundieren, wie das Lachgas hineindiffundiert. Mastoidzellen oder Darmschlingen seien beispielhaft erwähnt. Zweitens, wenn Lachgas abgestellt wird, geschieht das Gegenteil vom Konzentrationseffekt. Das Lachgas wird rasch in Richtung Lunge eliminiert und verdünnt den verfügbaren Sauerstoff.

Dies geschieht innerhalb der ersten Minuten nach dem Abstellen des Lachgases und bedingt eine so genannte Diffusionshypoxie. Ein einfaches Ausweichmanöver ist die Gabe von 100-prozentigem Sauerstoff für einige Minuten am Ende der Lachgasinhalation. Diese Verfahrensweise wird allgemein als guter Standard akzeptiert, obwohl nachgewiesen wurde, dass bei zahnärztlichen Patienten auch ohne die abschließende Gabe von 100-prozentigem Sauerstoff keine Probleme auftreten.[1]

3 Wirkung

Lachgas wird seit mehr als 150 Jahren mit großem Erfolg in der Medizin eingesetzt. Patienten fühlen sich nach wenigen Atemzügen leicht und entspannt. Dabei verlieren sie jedoch nie das Bewusstsein und sind während der gesamten Behandlung ansprechbar.

Lachgas wirkt gleichzeitig

  • beruhigend,
  • angstreduzierend und
  • schmerzlindernd.

Nach der Behandlung verschwindet die Wirkung nach kurzer Zeit und Patienten sind wieder verkehrstüchtig.

Wirkung auf das zentrale Nervensystem (ZNS)

Lachgas entfaltet seine therapeutische und toxische Wirkung im ZNS. In der Zahnmedizin übliche Konzentrationen von 30 bis 50 Prozent rufen einen Bewusstseinszustand hervor, der gekennzeichnet ist von tiefer Entspannung, die mit einer hypnotischen Trance verglichen werden kann.[2]

Kardiovaskuläre Wirkung

Die Wirkung von Lachgas auf das Herz-Kreislauf-System ist vernachlässigbar. Studien haben gezeigt, dass es zu einer geringen Abnahme der Herzfrequenz und des Schlagvolumens kommt und zu einer leichten Erhöhung des peripheren Widerstands.[3] Die Beobachtung ist ähnlich wie bei der Inhalation von 100-prozentigem Sauerstoff und beruht wahrscheinlich auf der hohen Konzentration von Sauerstoff, die gleichzeitig mit dem Lachgas verabreicht wird.

Wirkung auf die Atmung

Die Beeinträchtigung der Atmung durch Lachgas ist gering und im klinischen Alltag bei gesunden Patienten nicht von Bedeutung.[4] Lachgas verursacht eine deutliche Dämpfung der peripheren Chemorezeptoren und bedingt dadurch eine Unterbindung der Gegenregulation der Atmung im Falle einer Hypoxie.[5] In der Frühphase der Lachgasanwendung, als zum Teil noch hohe Konzentrationen von bis zu 80 Prozent angewendet wurden, führte dies zu einer hohen Morbidität und Mortalität. Heute wird dies jedoch verhindert, da lediglich Konzentrationen von bis zu 50 Prozent verabreicht werden und die kommerziell erhältlichen Geräte so konstruiert sind, dass der Zahnarzt sogar nur bis zu 30 Prozent Lachgas applizieren kann.

Metabolisierung

Lachgas ist weitgehend inert mit einer minimalen Metabolisierung. Es wird unverändert über Lunge und Haut wieder ausgeschieden.

Psychomotorische Wirkung

Bei zahnärztlichen Patienten bewirken bereits geringe Lachgas-Konzentrationen von 10 bis 20 Prozent eine signifikante Veränderung der Psychomotorik.[6] Dies hat klinische Relevanz, da es zeigt, dass therapeutische Konzentrationen von Lachgas die psychomotorische Leistungsfähigkeit reduzieren kann und folglich sichergestellt werden muss, dass die normale Psychomotorik zurückkehrt, bevor die Patienten entlassen werden können. So konnte Moyers zeigen, dass Patienten, die eine Lachgaskonzentration von 50 Prozent über einen kurzen Zeitraum erhielten, erst nach 30 Minuten wieder die volle Fahrtüchtigkeit wiedererlangten.[7] Andere Autoren fanden eine vollständige Normalisierung der Psychomotorik bereits nach 15 Minuten.[8]

4 Indikationen und Kontraindikationen

Lachgas eignet sich zur Anxiolyse (Verminderung von Angstzuständen) in jedem Lebensalter in Kombination mit einer Lokalanästhesie (lokalen Betäubung) bei Patienten mit leichter bis mäßig ausgeprägter Zahnbehandlungsangst. Für die Methode eignen sich ebenfalls Patienten, die wegen eines störenden Würgereflexes schwierig zu behandeln sind, da die Empfindlichkeit der oberen Atemwege einschließlich der Mundhöhle reduziert wird.[9]

Längere Eingriffszeiten lassen sich mit der Lachgassedierung sowohl für den Patienten als auch für das zahnärztliche Team besser bewältigen. Kinder sind besonders dankbare Patienten, wobei sie besonders ab dem „Gameboy-Alter“ von etwa sechs Jahren gut zu führen sind. Nach oben gibt es keine Altersbegrenzung, und gerade betagte Patienten profitieren von den hohen Sauerstoffkonzentrationen, die bei der Methode Anwendung finden.

Es gibt nur wenige Kontraindikationen, und die meisten davon sind relativ beziehungsweise vorübergehender Natur. Patienten mit ausgeprägten Gesichtsdeformitäten oder einer Verlegung der nasalen Atemwege sind kontraindiziert, da sie das Gas nicht nasal inhalieren (über die Nase einatmen) können. Geistig Behinderte und Patienten mit schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankungen sind ebenfalls ungeeignet, da eine gewisse Kommunikation mit dem Patienten und dessen Kooperation für die erfolgreiche Anwendung unabdingbar sind. Schwangere, insbesondere im ersten Trimester, dürfen wegen der potenziell fruchtschädigenden Wirkung nicht behandelt werden. Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) sollten mit Vorsicht behandelt werden.

Seltene absolute Kontraindikationen sind kürzlich stattgefundene Augenoperationen mit intraokularem Gas, Pneumothorax, Drogenabhängigkeit, Ileus, Otitis media und Mastoiditis. Allergien sind seit 160 Jahren nicht beobachtet worden.

5 Verbreitung

In Deutschland derzeit noch selten eingesetzt, ist die dentale Lachgassedierung in den USA, Großbritannien, Skandinavien oder Australien dagegen sehr verbreitet. In einigen Ländern hat die vom Zahnarzt durchgeführte Lachgassedierung bereits die Vollnarkose aus der zahnärztlichen Praxis verdrängt[10].

6 Einzelnachweise

  1. Dunn-Russell T, Adair SM, Sams DR, Russell CM, Barenie JT: Oxygen saturation and diffusion hypoxia in children following nitrous oxide sedation.Pediatr Dent. 1993 Mar-Apr;15(2):88-92
  2. Barber J et al : The relationship between nitrous oxide conscious sedation and hypnotic state. J Am Dent Assoc 99:624-626, 1979
  3. Everrett GB, Allen GD: Simultaneous evaluation of cardiorespiratory and analgesic effects of nitrous oxide-oxygen inhalation analgesia. J Am Dent Assoc 83:129, 1971
  4. American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD). Clinical guideline on appropriate use of nitrous oxide for pediatric dental patients. Chicago (IL): American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD); 2005. 4 p
  5. Yacoub O, et al: Depression of hypoxic ventilatory response by nitrous oxide. Anesthesiology 45:385-389, 1976
  6. Moore PA: Psychomotor impairment due to nitrous oxide exposure. Anesth Prog 30:72-75, 1983
  7. Moyers D, Cleaton-Jones P, Lelliot J: Evaluation of driving skills after brief exposure to nitrous oxide. S Afr Med J 1000-1002, 1979
  8. Hering LD, Milam SB, Jones DL: Time course of recovery following nitrous oxide administration. Anesth Prog 31:133-135, 1984
  9. Packer ME, Joarder C, Lall BA: The use of relative analgesia in the prosthetic treatment of the 'gagging' patient. Dent Update. 2005 Nov;32(9):544-6, 548-50
  10. Department of Health. A Conscious Decision: A Review of the Use of General Anesthesia and Conscious Sedation in Primary Dental Care. Report of a Group Chaired by the Chief Medical and Chief Dental Officer. 2000

7 Weblinks

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8 Andere Lexika

  • Dieser Artikel wurde in der Wikipedia gelöscht.



Erster Autor: Parker81 angelegt am 19.06.2010 um 19:52, weitere Autoren: TJ.MD, Phoni, Andante, Reinhard Kraasch, Christian2003, Pelz,

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