Bürokratie

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Bürokratie bezeichnet den in zahlreiche Zuständigkeitsbereiche (z.B. Ministerien, Gerichte und Ämter) und Handlungsebenenen (Bund, Länder und Gemeinden) gegliederten Verwaltungsapparat eines Staates. In einem abwertenden Sinn zielt der Begriff auch auf das als unbeweglich und kleinkariert empfundene oder nicht nachvollziehbare Verhalten von Behörden der öffentlichen Verwaltung ab. Literarisch wurde das Thema u.a. von Franz Kafka in seinem Roman Das Schloss verarbeitet.

Das Wort Bürokratie geht etymologisch auf das französische bureau zurück, welches sich aus dem Begriff bure entwickelte: Als bure bezeichnete man ein groben Wollstoff, mit dem die Schreibtische in französischen Amtsstuben bespannt waren. Auf diese Konnotation zielt dann auch gleich die erste Verwendung des französischen Wortes bureaucratie. So regte sich Mitte des 18. Jahrhunderts der französische Physiokrat Vincent de Gournay, der den Merkantilismus durch den Freihandel ersetzen wollte, über die Reglementierungssucht der Regierung auf, die er bureaumanie oder bureaucratie nannte. Der Begriff bureaucratie war also ursprünglich ein Kampfbegriff des Wirtschaftsliberalismus, der gegen jeden staatlichen Eingriff opponierte. [1] Der Begriff Bürokratie erfuhr im Vormärz, der Zeit der Restauration vor 1848 mit starken Spannungen zwischen demokratischen Forderungen und Obrigkeitsstaat, eine große Verbreitung. Ganz im Sinne der Kritik des Wirtschaftsliberalismus an der Reglementierungssucht der Regierungen umschrieb der Freiherr von Stein im Jahr 1818 den Begriff so: „... daß wir fernerhin von besoldeten, buchgelehrten, interessenlosen, ohne Eigentum seienden Buralisten regiert werden. Das geht solange es geht. Diese vier Worte enthalten den Geist unserer und ähnlicher geistloser Regierungsmaschinen; besoldet, also Streben nach Erhaltung und Vermehrung der Besoldeten; buchgelehrt, also lebend in der Buchstabenwelt und nicht in der wirklichen; interessenlos, denn sie stehen mit keiner der den Staat ausmachenden Bürgerklasse in Verbindung, sie sind eine Kaste für sich, die Schreiberkaste; eigentumslos, also alle Bewegungen der Eigentums treffen sie nicht, ...“[2]

Der Volkswirt und Politiker Friedrich List kritisierte 1821 die Bürokratie in ähnlich scharfen Worten, als er den Beamten vorwarf, sie kännten die Bedürfnisse des Volkes nicht und kreisten nur in endlosem Formwesen. Dafür wurde er dann wegen Beamtenbeleidigung zu einer Haftstrafe verurteilt. Besonders seit 1830 wurde für den Liberalismus der Begriff Bürokratie dann zum Gegenbegriff ihrer Ziele wie Volksfreiheit, Selbstverwaltung und Demokratie. [3]

Innerhalb der nächsten 100 Jahre erfuhr der Begriff einen Bedeutungswandel um 180 Grad: Seiner kompromisslosen Verdammung im Vormärz folgte seine kritiklose Bewunderung in der Vorkriegszeit. Aus der Unterdrückung des Volkes durch die Bürokratie wurde die Fürsorge für das Volk und die Daseinsvorsorge, die Sonderstellung und Trennung des Staatsapparates von der Gesellschaft zur selbstlosen Hingabe an den Dienst für das Allgemeinwohl und der Formalismus zum gesetzmäßigen Handeln. [4] Der Soziologe Max Weber nahm dann eine Versachlichung und Neubestimmung des Begriffs Bürokratie vor und bezeichnete „bürokratische Herrschaft“ gar als effizienteste und modernste Herrschaftsform überhaupt. Er schreibt dazu: „Vor allem aber bietet die Bürokratisierung das Optimum an Möglichkeit für die Durchführung des Prinzips der Arbeitszerlegung in der Verwaltung nach rein sachlichen Gesichtspunkten, unter Verteilung der einzelnen Arbeiten auf spezialistisch abgerichtete und in fortwährender Übung immer weiter sich einschulende Funktionäre. Sachliche Erledigung bedeutet in diesem Fall in erster Linie Erledigung ohne Ansehen der Person nach berechenbaren Regeln. Ohne Ansehen der Person aber ist auch die Parole des Marktes und aller nackt ökonomischen Interessenverfolgung überhaupt. Für die moderne Bürokratie hat das zweite Element, die berechenbaren Regeln, die eigentlich beherrschende Bedeutung.“[5]

Weber stellt die Überlegenheit bürokratischer Verwaltung in folgenden Worten dar: „Der entscheidende Grund für das Vordringen der bürokratischen Organisation war von jeher ihre technische Überlegenheit über jede andere Form. Ein voll entwickelter bürokratischer Mechanismus verhält sich zu diesen genau wie eine Maschine zu den nicht mechanischen Arten der Gütererzeugung Präzision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit, Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion, Einheitlichkeit, straffe Unterordnung, Ersparnisse an Reibungen, sachlichen und persönlichen Kosten sind bei streng bürokratischer Verwaltung durch geschulte Einzelbeamte gegenüber allen kollegialen oder ehren- und nebenamtlichen Formen auf das Optimum gesteigert.“[6]

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1 Literatur

2 Weblinks

3 Andere Lexika





  • Duden - Wirtschaft von A bis Z. Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag. 2. Auflage, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, Mannheim 2004

4 Einzelnachweise

  1. Bernd Wunder: Geschichte der Bürokratie in Deutschland, Suhrkamp, Frankfurt a. M., 1986, Seite 7
  2. nach Klaus Türk, Thomas Lemke, Michael Bruch: Organisation in der modernen Gesellschaft: Eine historische Einführung, Springer Fachmedien, Wiesbaden, 2002, Seite 124
  3. Heinz Abels: Einführung in die Soziologie, Band I / Der Blick auf die Gesellschaft, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2. Aufl., 2004, Seite 218
  4. Heinz Abels: Einführung in die Soziologie, Band I / Der Blick auf die Gesellschaft, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2. Aufl., 2004, Seite 219
  5. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Teil III, 1922, Seite 661
  6. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Teil III, 1922, Seite 660

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