Transphobie

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Unter Transphobie wird die Diskriminierung gegenüber transsexuellen Menschen oder Transgendern verstanden, die auf einer Unkenntnis und damit Ablehnung der empfundenen Geschlechtsidentität basiert. Unabhängig davon, ob es sich um direkte oder indirekte Transphobie handelt, hat dies meist weitreichende negative Auswirkungen auf die Betroffenen. Neben direkten psychischen Problemen verlieren Menschen, die transphoben Angriffen ausgesetzt sind, oft auch Freunde, Beruf oder sogar ihr Leben.[1] Transphobie ist vor allem ein Problem heteronormativer Gesellschaften, in denen Menschen, die mit geschlechtlichen Abweichungen geboren werden, nicht zur herrschenden Weltanschauung passen. So haben alle Staaten, in denen stereotype Geschlechtsvorstellungen existieren, wie z. B. in den USA, aber auch Deutschland, hohe Zahlen von transphob motivierten Gewaltverbrechen zu beklagen.[2]

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1 Heteronormativität und Phallozentrismus als Motivation

Die Ursachen für den Hass gegen transsexuelle Menschen (oder Transgender) haben vor allem etwas mit heteronormativen Weltbildern zu tun und tauchen deswegen insbesondere in Gesellschaften auf, die von einer starken Mann-Frau-Dualität geprägt sind und zugleich phallozentrisch geprägt sind. Obwohl bekannt ist, dass in der Biologie geschlechtliche Abweichungen vorkommen und ca. bis zu 4% der Menschen davon betroffen sind (unter Berücksichtigung von Intersexuellen Menschen),[3] ist die transphobe Motivation dadurch gekennzeichnet, diese biologischen Normvarianten entweder abzustreiten, oder sie an eine dualistische Geschlechtervorstellung anzupassen. Meist wird in transphoben Gesellschaften versucht, Menschen auf wenige Geschlechtsmerkmale wie z. B. die Genitalien (manchmal auch die Chromosomen) zu reduzieren. So ist es trotz der Kenntnis um die Natürlichkeit geschlechtlicher Variationen beispielsweise auch bei großen Teilen der Medizin in Deutschland noch üblich, eine transsexuelle Frau als „Mann mit Identitätsstörung“ zu definieren (bzw. einen transsexuellen Mann als „Frau mit Identitätsstörung“).[4] Diese Definitionen werden mittlerweile von vielen Nichtregierungsorganisationen, die sich für die Menschenrechte von transsexuellen Menschen bzw. Transgendern einsetzen, stark kritisiert.[5]

2 Gewaltopfer transphober Handlungen

Es gibt Untersuchungen darüber, dass jedes Jahr weltweit mehrere hundert Menschen auf Grund von transphoben Handlungen ermordert werden. Im Jahr 2009 gab es beispielsweise über 150 Mordopfer,[6] meist transsexuelle Frauen. Diese wurden erschossen, erstochen, geköpft, erwürgt oder verbrannt. Selbst Europa hat eine große Zahl an transphoben Gewaltopfern zu beklagen, laut Transgender Day Of Remembrance 17 an der Zahl. In den USA wurde 2009 erstmals ein Mörder einer transsexuellen Frau wegen eines Hassverbrechens zu lebenslänglicher Haftstrafe verurteilt.[7] Allen Andrade hatte die 18-jährige Angie Zapata mit einem Feuerlöscher erschlagen, nachdem er beim Versuch, sich ihr körperlich zu nähern, ein männliches Genital entdeckte. Der Prozess hatte vor allem deswegen eine so große Medienpräsenz, da die Familie Angie Zapatas sich offen mit den Angehörigen, Freunden und Bekannten anderer Opfer transphober Gewalttaten solidarisierten, aber auch, weil dieser Fall verdeutlichte, dass transsexuelle Menschen meist unter Doppeldiskriminierung zu leiden haben und sich oft nicht nur mit Transphobie konfroniert werden, sondern in vielen Fällen auch mit Homophobie. So versuchte der Rechtsanwalt Andrades Angie Zapata als Mann darzustellen, der Andrade über „sein Geschlecht“ belogen habe.[8] Diese Strategie ging aber, vor allem aber auch, weil die Familie öffentlich immer wieder deutlich machte, eine Schwester bzw. Tochter verloren zu haben, nicht auf.

Zu den gut dokumentierten Fällen von Opfern transphober Gewalt gehört auch Brandon Teena, der 1993 vergewaltigt und schließlich ermordet wurde. Die Geschichte wurde unter dem Titel Boys Don’t Cry verfilmt.

Die Zahl von verbalen Angriffen sind laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2009 von Press for Change einer Organisation aus Großbritannien sechsmal häufiger als körperliche Gewalterfahrungen.[9] So gehört beispielsweise Deutschland zu den Staaten Europas, in dem verbale Angriffe am meisten verbreitet sind (ca. 25 Prozent der Befragten in Deutschland gaben an, bereits einmal Opfer von verbaler Gewalt geworden zu sein). Auch der Verlust des Arbeitsplatzes gehört heute noch zum Alltag transsexueller Menschen.

3 Doppeldiskriminierung

Vor allem transsexuelle Frauen leiden häufig auch unter Homophobie. So werden transsexuelle Frauen von Tätern oft erst als Männer bezeichnet, um daraus eine Rechtfertigung für eine Gewalttat oder Pöbelei abzuleiten. Damit werden diese Frauen einerseits ihrer Geschlechtsidentität beraubt, und in Folge Opfer homophober Handlungen.[10] Gerade aufgrund der mangelnden medizinischen Versorgung in den öffentlichen Gesundheitssystemen sind insbesondere die transsexuellen Frauen verstärkt der direkten Doppeldiskriminierung ausgesetzt, deren körperliches Erscheinungsbild von dem Erscheinungsbild abweicht, das in stereotypen Gesellschaften als weiblich angesehen wird. So sehen sich insbesondere Frauen, die sich keine geschlechtskorrigierenden Maßnahmen wie z. B. Korrekturen der durch hohe Testosteronwerte männlicher wirkenden Gesichtszüge leisten können, verstärkt sowohl direkter verbaler transphober als auch homophober Diskriminierung ausgesetzt. Dagegen werden die transsexuellen Frauen, die bereits von Natur aus als Frau wahrgenommen werden, häufiger Opfer von körperlichen Angriffen, da die Täter sich hier nach Entdeckung der genitalen Realität betrogen fühlen und diesen angeblichen Betrug als Angriff auf ihre sexuelle Orientierung sehen.

4 Formen von Transphobie

4.1 Institutionelle Transphobie

Staaten, in denen auf Grund religiöser Überzeugungen (wie z. B. die Idee von Adam und Eva in monotheistischen Weltanschauungssystemen) heteronormative Geschlechtsvorstellungen zur Weltanschauung gehören, finden sich auch verstärkt Gesetze und medizinische Regelungen, die mehr die Herstellung einer phallozentrierten und heteronormativen Mann-Frau-Vorstellung zur Absicht haben, anstatt die biologische Geschlechtervielfalt anzuerkennen.[11] So sind hier die Menschenrechtsverletzungen gegen Menschen, die mit geschlechtlichen Abweichungen geboren werden höher, als in Kulturen, die keine einfache Mann-Frau-Dualität kennen. Im Vergleich zu matriarchalen Kulturen wie beispielsweise auf Samoa[12] oder bei indigenen Völkern[13], in welchen die Geschlechter oft nicht auf die Genitalien reduziert werden, kommt es in den Gesellschaften, die den Phallus in den Mittelpunkt der Geschlechtsbestimmung setzen, oft zu medizinischen und gesetzlichen Normierungsversuchen, die zum Ziel haben, die geschlechtliche Vielfalt zu beschränken. So existieren in Deutschland z. B. Regelungen, die vorschreiben, dass sich transsexuelle Menschen ihre Genitalien umwandeln lassen und damit sterilisieren müssen um gesetzlich im anderen Geschlecht anerkannt zu werden (siehe: Transsexuellengesetz). Ebenso wird transsexuellen Frauen ihr rechtlicher Status als Frau solange nicht anerkannt, solange sie nicht bereit sind, sich zu Männern mit Identitätsstörung erklären zu lassen (bei transsexuellen Männern umgekehrt).

Direkte Auswirkungen hat diese institutionelle Transphobie vor allem in Rechtsbereichen, in denen es um geschlechtliche Fragen geht, wie z. B. in der Anerkennung der geschlechtlichen Abweichung vor den Sozialgerichten. So hat zum Beispiel das Landessozialgericht Baden-Württemberg 2010 die Folgen einer genitalangleichenden Operation nicht als Behinderung anerkannt,[14] obwohl der Gesetzgeber bislang diese Operation zwingend für die Änderung der Papiere vorschreibt.

4.2 Indirekte Transphobie

Weit häufiger als die direkte Transphobie ist die indirekte Diskriminierung transsexueller Menschen. Oft wird transsexuellen Menschen ihre Geschlechtszugehörigkeit auch über Umwege aberkannt, z. B. durch tolerant wirkende Äußerungen, wenn diese Transsexualität zum Thema haben. So ist es auch in Deutschland nicht selten, dass z. B. angebliches Verständnis gegenüber Frauen geäußert wird, die „einmal Männer waren“. Da diese Frauen aber nie Männer gewesen sind, zeigt sich in solchen Äußerungen eine Zuschreibung in toleranter Verpackung. Genauo häufig kommt es vor, dass Feministinnen transsexuelle Männer als ihresgleichen vereinnahmen, und bei Veranstaltungen, die sich nur an Frauen richten (wie z.B. Ladyfeste) als Zielgruppe mitgenannt werden.

Oft wird transsexuellen Menschen vorgegaukelt, dass eine Neuklassifizerung in den Diagnosesystemen wie dem DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) und dem ICD (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) nicht möglich wären (Beier, Bosinski, Loewit in: Sexualmedizin, S.368, 2008 Elsevier). In letzter Zeit gibt es immer mehr Mediziner, die sich von diesen Normierungsversuchen distanzieren, und dafür eintreten, dass geschlechtliche Abweichungen als Normvarianten menschlichen Lebens anerkannt werden.

4.3 Transphobie in Sprache und Medien

Transphobe Sprache zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass Worte verwendet werden, welche die geschlechtliche Besonderheit transsexueller Menschen als Phantasie, Wunsch oder Einbildung erscheinen lassen. So sind Begriffe wie Geschlechtsumwandlung oder Geschlechtsidentitätsstörung transphobe Begriffe. Ebenso sind Sätze wie „früher, als sie noch ein er war“, „sie ist als Junge geboren worden“, „sie wollte schon immer ein Mann sein“ Ausdrücke einer phallozentrierten Weltanschauung, in der so getan wird, als seien die Genitalien das primäre Geschlechtsorgan. Auch Formulierungen wie "er fühlt sich als Frau" oder "sie fühlt sich als Mann" sind transphob, da hier die Geschlechtsidentität eines Menschen mit geschlechtlicher Abweichung auf ein Gefühl reduziert wird, anstatt die Abweichung direkt anzuerkennen. Auch der indirekte Halbsatz – nämlich ein „ist es aber nicht“ – steht im Gegensatz zur Anerkennung der geschlechtlichen Variation und ist damit direkt transsexuellenfeindlich.

5 Transphobie in Zahlen

2008 veröffentlichte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine von ihr in Auftrag gegebenen Fallstudie „Forschungsprojekt Diskriminierung im Alltag. Wahrnehmung von Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik in unserer Gesellschaft.“[15]. Die Zahlen dieser Studie sind die einzigen offiziellen Zahlen, die es zum Thema Transphobie in Deutschland gibt. Die Studie kommt dabei zu dem Schluss: „Das Thema Diskriminierung und die Gleichbehandlung bzw. die Förderung benachteiligter Gruppen in unserer Gesellschaft brennen der Mehrheit der Deutschen nicht wirklich auf den Nägeln. Die Aufmerksamkeit gegenüber dem Thema … [ist] eher gering. “ (S. 8). „Verbreitet ist eine Haltung des ‚Jeder ist sich selbst der Nächste‘, … Lediglich 15 Prozent der Bevölkerung können als harter Kern der Gleichbehandlungsbefürworter gelten. Das sind diejenigen, die die Aussage ‚Antidiskriminierungspolitik halte ich für überflüssig‘ entschieden ablehnen (insgesamt 40 Prozent stimmen der Aussage zu).“ (S. 9) Die Frage „Für transsexuelle Menschen sollte nichts oder weniger getan werden", beantworteten insgesamt 71% mit „Ja“, nur 5% waren der Meinung, für transsexuelle Menschen sollte mehr getan werden (S. 50). Wahrnehmung von Diskriminierung: Obwohl 71% meinen, man solle gar nichts oder weniger für transsexuelle Menschen tun, sagen nur 49% dass sie keine Diskriminierung transsexueller Menschen erkennen können, 18% der Bevölkerung sehen eine Diskriminierung (S. 56). Generelle Ablehnung transsexueller Menschen: Entsprechend überrascht es auch nicht, dass im Schnitt 45% der Deutschen sagen, dass sie keinerlei Verständnis für transsexuelle Menschen haben (40% der Frauen, 50% der Männer) (S. 65).

6 Der Menschenrechtskommissar des Europarates zu Transphobie

Der Menschenrechtskommissar des Europarates Thomas Hammarberg hat sich im Jahr 2009 erstmals zu Transphobie in Europa geäußert und forderte die Staaten Europas dazu auf, sowohl zur rechtlichen Anerkennung des Identitätsgeschlechts notwendige Sterilisationen, als auch die Diagnosestellung Geschlechtsidentitätsstörung abzuschaffen.[16]

7 Aktionen gegen Transphobie

Im Jahr 2009 hat das Komittee von IDAHO, dem Internationalen Tag gegen Homophobie, der jeweils am 17. Mai begangen wird, eine Kampagne zum Thema Geschlechtsidentität durchgeführt. Das Motto lautete Transphobie ablehnen, Respekt vor der geschlechtlichen Identität. Dem Aufruf folgten 300 Verbände aus 75 Ländern. Zu den bekanntesten Unterzeichnern zählen: Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, Judith Butler, Jacques Delors, der ehemalige Präsident der EG-Kommission, sowie Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Zu den Hauptforderungen gehörte auch der Appell an die Vereinten Nationen, die Menschenrechtsverletzungen zu prüfen, die transsexuelle Menschen und Transgender weltweit erleiden müssen, und Maßnahmen zu ergreifen, um diese Missbräuche zu beenden.[17]

8 Einzelnachweise

  1. http://www.transrespect-transphobia.org/en_US/tvt-project/publications.htm Transrespect vs. Transphobia
  2. [1] Hate Violence against Lesbian, Gay, Bisexual, and Transgender People in the United States, 2008
  3. Lynn Conway - Transsexualität, Prävalenz ca. 0,2 Prozent
  4. [2] DSM IV, Gender Identity Disorders
  5. [3] UN-Menschenrechtsbericht "Transsexuelle Menschen" Aktion Transexualität und Menschenrecht e.V., 2010
  6. [4] International Transgender Day Of Remembrance, 2009
  7. New York Times, Murder and Hate Verdict in Transgender Case, 22.04.2009
  8. The defense attorneys refer to her by her male name, and always refer to her by male pronouns, Pams House Blend, 2009
  9. [5] Press For Change - Transphobic Hate Crime in the European Union, 2009
  10. Trans-Etiquette der Metropolitan Community Church
  11. Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen
  12. Samoa Faafafine Association
  13. "Kathoey, tobelija, xanith = transgender, butch, schwul? Lassen sich indigene Phänomene mit westlichen Kategorien erfassen?", Susanne Schröter, 2004, Münster, Germany
  14. LSG Baden-Württemberg Urteil vom 23.7.2010, L 8 SB 3543/09
  15. Forschungsprojekt Diskriminierung im Alltag. Wahrnehmung von Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik in unserer Gesellschaft. Abschlussbericht. Eine sozialwissenschaftliche Untersuchung von Sinus Sociovision für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Heidelberg, Juli 2008.pdf
  16. Thomas Hammarberg, Discrimination against transgender persons must no longer be tolerated, 2009
  17. International Day Against Homophobia & Transphobia, Artikel ILGA, 14.05.2009


Erster Autor: Schwertträgerin angelegt am 30.10.2010 um 16:23,

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