Philosophische Anthropologie

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Die philosophische Anthropologie ist das Fachgebiet der Philosophie, das sich mit dem Wesen des Menschen befasst.[1] Als eigene Fachrichtung ist sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden.[2] eine vergleichsweise junge Disziplin; Gegenstand und Fragestellungen, mit denen sie sich befasst, wurden aber auf unterschiedliche Weise großteils bereits in früheren Abschnitten der Menschheitsgeschichte reflektiert. Dennoch erzeugte Max Scheler als Mitbegründer der modernen Philosophischen Anthropologie beträchtliche Resonanz mit der Feststellung:

„Wir sind in der ungefähr zehntausendjährigen Geschichte das erste Zeitalter, in dem sich der Mensch völlig und restlos problematisch geworden ist: in dem er nicht mehr weiß, was er ist; zugleich aber auch weiß, dass er es nicht weiß.“[3]

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1 Allgemeines

Die Anthropologie ist die Wissenschaft vom Menschen. Die Philosophische Anthropologie sucht vom einzelnen Menschen und den einzelnen Fachwissenschaften zu abstrahieren. Sie zielt auf Allgemeingültigkeit von Aussagen. Die tatsächliche Bindung jedes menschlichen Individuums an die jeweils zeitspezifischen, ortsspezifischen und kulturellen Daseinsbedingungen wird dabei vorausgesetzt.[4] Indem die Grundsituation der philosophischen Anthropologie davon bestimmt ist, dass der Mensch nach dem Menschen fragt, geht es einerseits um Selbstreflektion (Selbstbetrachtung) als Anliegen und Auftrag. Das ist aber andererseits nur möglich in der dem Menschen gegebenen Verbindung der Innenperspektive des Subjekts mit der Außenperspektive des Beobachters.

Um die Lebenssituation des Menschen generell zu erfassen, bedient sich die philosophische Anthropologie vielfältiger einzelwissenschaftlicher Erkenntnisse. Umgekehrt ergeben sich für Erkenntnistheorie und Einzelwissenschaften verschiedene Schlussfolgerungen und Anregungen. Zum Umfeld der philosophischen Anthropologie gehören die sogenannten Humanwissenschaften, zu denen insbesondere die Biologie, die Primatologie, die Neurowissenschaften, die Psychologie, die Sprachwissenschaften, die Ethnologie, die Paläontologie, die Soziologie und auch die Geschichtswissenschaften sowie eine Vielzahl von Variationen aus diesen Fächern wie die Soziobiologie oder die Evolutionäre Psychologie gehören. Zu jeder dieser Fachrichtungen gibt es auch eine spezifische Anthropologie wie etwa eine medizinische, eine pädagogische, eine historische oder eine theologische Anthropologie.

Wo Menschen in der Selbstbetrachtung sich selbst befragen oder in Frage stellen und die eigene Existenz betreffende Annahmen oder Antworten entwickeln, berühren sie stets das Feld der Philosophie. Die Spannbreite menschlicher Handlungsfelder und Möglichkeiten wirft unter anderem Fragen nach dem ethisch richtigen oder guten Leben, nach dem Sinn des Lebens überhaupt, nach dem Stellenwert von Egoismus und Altruismus, nach dem „Wesen“ von männlichem und weiblichem Geschlecht, nach sozialen Anpassungszwängen und individuellen freien Willen auf. Für Michael Landmann entspringt die philosophische Anthropologie „der Notwendigkeit desjenigen Wesens, das sich selbst schaffen muß und daher eines Bildes bedarf, auf das hin es sich schaffen soll. Beides greift ineinander.“[5]

2 Literatur

2.1 Einführungen

  • Gerhard Arlt: Philosophische Anthropologie. Metzler, Stuttgart 2001, ISBN 3-476-10334-X.
  • Alwin Diemer: Elementarkurs Philosophie. Philosophische Anthropologie. Econ, Düsseldorf 1978, ISBN 3-430-12068-3.
  • Gerd Haeffner: Philosophische Anthropologie. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2000, ISBN 3-17-016688-3.
  • Gerald Hartung: Philosophische Anthropologie. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-020323-1.
  • Wilhelm Kamlah: Philosophische Anthropologie, Sprachkritische Grundlegung und Ethik. Bibliographisches Institut, Mannheim 1972. (Nachdruck 1984, ISBN 3-411-00238-7)
  • Kuno Lorenz: Einführung in die philosophische Anthropologie. 2. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1992, ISBN 3-534-04879-2.
  • Odo Marquard: Anthropologie. In: Joachim Ritter u. a. (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1971, ISBN 3-7965-0115-X, S. 362–374.
  • Wilhelm E. Mühlmann: Geschichte der Anthropologie. Athenäum Verlag, Frankfurt am Main/ Bonn 1968
  • Josef Speck (Hrsg.): Grundprobleme der großen Philosophen. In: Philosophie der Gegenwart. Teil 2: Max Scheler, Richard Hönigswald, Ernst Cassirer, Helmuth Plessner, Maurice Merleau-Ponty, Arnold Gehlen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1991, ISBN 3-525-03304-4.
  • Christian Thies: Einführung in die philosophische Anthropologie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-15470-3.
  • M. Tiles: Philosophical Anthropology. In: Encyclopædia Britannica. 1989.
  • Christoph Wulf: Anthropologie. Geschichte, Kultur, Philosophie. Reinbek 2004.

2.2 Weiterführende Literatur

  • Philosophische Anthropologie. Erster und Zweiter Teil. (= Neuen Anthropologie. Band 6 u. 7). hrsg. von Hans-Georg Gadamer und Paul Vogler. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1974/1975, ISBN 3-13-476601-9 u. ISBN 3-13-476701-5. (auch Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1974/1975, ISBN 3-423-04074-2 u. ISBN 3-423-04148-X)
  • Reinhard Brunner u. a. (Hrsg.): Anthropologie, Ethik und Gesellschaft. Campus, Frankfurt am Main 2000, ISBN 3-593-36636-3.
  • Joachim Fischer: Philosophische Anthropologie. Eine Denkrichtung des 20. Jahrhunderts. Alber, Freiburg/ München 2009, ISBN 978-3-495-48369-5.
  • Gunter Gebauer (Hrsg.): Anthropologie. Reclam, Leipzig 1998, ISBN 3-379-01637-3.
  • Anton Grabner-Haider: Kritische Anthropologie. Echter, Würzburg 1993, ISBN 3-429-01523-5.
  • Klaus Hammacher: Rechtliches Verhalten und die Idee der Gerechtigkeit. Nomos, 2011, ISBN 978-3-8329-5477-2.
  • Brian Jacobs, Patrick Kain (Hrsg.): Essays on Kant’s anthropology. Cambridge University Press, Cambridge 2003, ISBN 0-521-79038-7.
  • Fabian Johannes: Anthropology with an Attitude. Critical Essays. Stanford University Press, Stanford 2001.
  • Gerd Jüttemann (Hrsg.): Wilhelm Wundts anderes Erbe. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-49087-9.
  • S. Karotemprel (Hrsg.): Philosophical Anthropology. Sacred Heart College, Shillong 1984.
  • Hans-Peter Krüger: Zwischen Lachen und Weinen. Band 1: Das Spektrum menschlicher Phänomene. Akademie Verlag, Berlin 1999, ISBN 3-05-003414-9.
  • Hans-Peter Krüger: Zwischen Lachen und Weinen. Band 2: Der dritte Weg Philosophischer Anthropologie und die Geschlechterfrage. Akademie Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-05-003515-3.
  • Hans-Peter Krüger: Philosophische Anthropologie als Lebenspolitik. Deutsch-jüdische und pragmatistische Moderne-Kritik. Akademie Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-05-004605-1.
  • Hans-Peter Krüger: Gehirn, Verhalten und Zeit. Philosophische Anthropologie als Forschungsrahmen. Akademie Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-05-004480-4.
  • Hans-Peter Krüger, Gesa Lindemann (Hrsg.): Philosophische Anthropologie im 21. Jahrhundert. Akademie Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-05-004052-1.
  • Jörg-Johannes Lechner: Anthropologie des Todes. Philosophisch-anthropologische Analyse der grenzwissenschaftlichen Phänomene Sterben, Tod und Jenseits. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2019, ISBN 978-3-339-10600-1
  • Jörg-Johannes Lechner: Anthropologie der Mystik. „Mystik“ und „mystisches Erleben“ im Kontext einer philosophischen Anthropologie. Verlag Dr. Kovač, Hamburg 2020, ISBN 978-3-339-11410-5.
  • Gesa Lindemann: Das Soziale von seinen Grenzen her denken. Velbrück, Weilerswist 2009, ISBN 978-3-938808-61-0.
  • B. Mondin: Philosophical Anthropology. TPI, Bangalore 1985.
  • Thomas Rentsch: Die Konstitution der Moralität. Transzendentale Anthropologie und praktische Philosophie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-29021-5.
  • Marc Rölli: Kritik der anthropologischen Vernunft. Matthes & Seitz, Berlin 2011, ISBN 978-3-88221-539-7.
  • Christian Sternad, Günther Pöltner (Hrsg.): Phänomenologie und Philosophische Anthropologie. Königshausen & Neumann, Würzburg 2011, ISBN 978-3-8260-4729-9.
  • Robert Spaemann: Das Natürliche und das Vernünftige, Essays zur Anthropologie. Piper, München, ISBN 3-492-10702-8.
  • Thomas Sturm: Kant und die Wissenschaften vom Menschen. Mentis Verlag, Paderborn 2009, ISBN 978-3-89785-608-0.
  • Leslie Stevenson, David L. Haberman: Ten Theories of Human Nature. Oxford University Press, Oxford 2008, ISBN 978-0-19-536825-3.
  • Ernst Tugendhat: Anthropologie statt Metaphysik. Beck, München 2007, ISBN 978-3-406-55678-4.
  • Christian Thies: Philosophische Anthropologie auf neuen Wegen. Velbrück, Weilerswist 2018.
  • Stephen P. Turner: Philosophy of anthropology and sociology. Elsevier, Amsterdam 2007.

2.3 Literatur zu Plessner und seiner Wirkungsgeschichte

  • Joachim Fischer: Exzentrische Positionalität. Studien zu Helmuth Plessner, Weilerswist 2016, ISBN 978-3-95832-093-2.
  • Gerhard Gamm, Mathias Gutmann, Alexandra Manzei (Hrsg.): Zwischen Anthropologie und Gesellschaftstheorie. Zur Renaissance Helmuth Plessners im Kontext der modernen Lebenswissenschaften. Transcript, Bielefeld 2005, ISBN 3-89942-319-4.
  • Jan Beaufort: Die gesellschaftliche Konstitution der Natur' Helmuth Plessners kritisch-phänomenologische Grundlegung einer hermeneutischen Naturphilosophie in Die Stufen des Organischen und der Mensch. Königshausen & Neumann, Würzburg 2000, ISBN 3-8260-1937-7.
  • Stephan Pietrowicz: Helmuth Plessner. Genese und System seines philosophisch-anthropologischen Denkens. Alber, Freiburg i. Br./ München 1992, ISBN 3-495-47720-9.
  • Hermann Braun: Die Anfälligkeit des Prinzipiellen. Existenzphilosophie und philosophische Anthropologie vor und nach 1933. In: Perspektiven der Philosophie. Neues Jahrbuch 1991, S. 345–383.

2.4 Biologische Anthropologie

  • Hans-Georg Gadamer, Paul Vogler (Hrsg.): Biologische Anthropologie (= Neue Anthropologie. Band 1 u. 2). Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1972, ISBN 3-13-476101-7 u. ISBN 3-13-476201-3. (auch Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1972, ISBN 3-423-04069-6 u. ISBN 3-423-04070-X)
  • Zeno Bucher: Die Abstammung des Menschen als naturphilosophisches Problem. Koenigshausen & Neumann, Würzburg 1992, ISBN 3-88479-721-2.
  • Richard Dawkins: Und es entsprang ein Fluß in Eden. Das Uhrwerk der Evolution. Goldmann, München 1998, ISBN 3-442-12784-X.
  • Stephen Jay Gould: Illusion Fortschritt. Die vielfältigen Wege der Evolution. Fischer, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-14642-9.
  • Christian Illies: Philosophische Anthropologie im biologischen Zeitalter. Zur Konvergenz von Moral und Natur. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-518-29343-5.
  • Gerhard Medicus, Was uns Menschen verbindet: Humanethologische Angebote zur Verständigung zwischen Leib- und Seelenwissenschaften. 3. Auflage. VWB, Berlin 2015, ISBN 978-3-86135-585-4; auf Englisch: Being Human – Bridging the Gap between the Sciences of Body and Mind. VWB, Berlin 2015, ISBN 978-3-86135-584-7.

3 Weblinks

4 Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Zur Etymologie heißt es bei Gerd Haeffner: „Philosophie ist das Streben (philía) nach solide begründetem Orientierungswissen (sophía). Der Gegenstand der ‚Philosophischen Anthropologie‘ ist der Mensch (ánthropos), von ihm will man klar und allgemeingültig sagen, was er als solcher ist (lógos).“ Haeffner 2000, S. 17.
  2. Die Großschreibung folgt der häufigen Praxis in der Sekundärliteratur und insbesondere dem Ansatz Joachim Fischers, der zwischen philosophischer Anthropologie als Disziplin und Philosophischer Anthropologie als Denkrichtung in der Theoriegeschichte des 20. Jahrhunderts unterscheidet; siehe Fischer 2008, S. 595; siehe unter Rezeption und Kritik.
  3. Max Scheler: Die Sonderstellung des Menschen im Kosmos. In: Der Leuchter. Weltanschauung und Lebensgestaltung. Achtes Buch: Mensch und Erde. Darmstadt 1927, S. 162.
  4. Haeffner 2000, S. 87 f.; Christoph Wulf: Anthropologie. Geschichte, Kultur, Philosophie. Reinbek 2004, S. 266 f.
  5. Michael Landmann: Philosophische Anthropologie. Menschliche Selbstdeutung in Geschichte und Gegenwart. 4. Auflage. Berlin 1976, S. 10; zitiert nach: Werner Schüßler (Hrsg.): Philosophische Anthropologie. Freiburg / München 2000, S. 10.

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