Judith von Halle
Judith von Halle (* 1972 in Berlin) ist eine deutsche Autorin, Anthroposophin und Architektin. Sie behauptet, seit der Karwoche 2004 die Wundmale Christi zu tragen und sich ausschließlich von Wasser zu ernähren. Der behauptete Umstand der Nahrungslosigkeit wird vielfach angezweifelt.[1] Sie ist daher unter den Anthroposophen umstritten.[2]
Inhaltsverzeichnis
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1 Leben
Judith Behrend wurde als einziges Kind jüdischer Eltern geboren. Sie besuchte ein katholisches Gymnasium in Berlin und eine Schule in den USA. In Berlin studierte sie Architektur zunächst an der Hochschule der Künste, dann an der TU Berlin. Ihr Studium schloss sie 1998 als Diplom-Ingenieurin ab. 1997 kam sie mit der Anthroposophie in Kontakt. Sie arbeitete als Architektin, war Mitarbeiterin des Rudolf-Steiner-Hauses[3] in Berlin und hält dort und an anderen Orten seit 2001 Vorträge. 2002 heiratete sie den Berliner Anthroposophen und Architekten Carl-August von Halle, in dessen Büro sie zuvor gearbeitet hatte.[4]
Martin Kollewijn berichtet über das Auftreten der Wundmale bei Judith von Halle:
"An einer Mitarbeiterin des Rudolf-Steiner-Hauses in Berlin sind in der Passionszeit (...) des Jahres (2004) (in ihrem 33. Lebensjahre) die Stigmata, die Wundmale Christi, aufgetreten, die sich bis zum heutigen Tage nahezu unverändert erhalten haben. Nacheinander zeigten sich diese Wundmale zunächst an den Innenflächen der Hände, dann an den Handrücken einige Tage später an den Ober- und Unterseiten der Füße sowie unterhalb der rechten Brust. Sie entsprechen den Malen auf dem bekannten Auferstehungsbild von Matthias Grünewald (Isenheimer Altar). Die Wunden bluteten besonders in der Karwoche, insbesondere am Karfreitag und an den Freitagen zwischen Ostern und Pfingsten. (...) Durch das Ereignis der Stigmatisation ergab sich auch eine Umwandlung des gesamten physischen Organismus. Diese besteht in einer radikalen Verwandlung des Blutsystems, welches als physisch-geistiger Ausdruck des Ich alle Organe durchdringt und verbindet. Dadurch bedingt, zeigten sich eine Steigerung der Sensibilität der Sinneswahrnehmung und eine tief greifende Veränderung im Bereich der Ernährung. Nicht etwa als Ergebnis irgendeiner Askese, sondern durch eben jene leibliche Umgestaltung ergab sich die vollkommene Nahrungslosigkeit, die weder zu einem Gewichtsverlust noch zu anderen Einschränkungen oder körperlichen Beschwerden geführt hat. Der verwandelte physische Leib wehrt vehement jede irdische Nahrung ab. Nur Wasser kann in beschränktem Maß aufgenommen werden."
Judith von Halle stellt die Berichte über ihre mystischen Erlebnisse in den Dienst der Anthroposophie. Jedes Jahr hält sie einige Vorträge vor Mitgliedern der anthroposophischen Gesellschaft. Diese bilden die Grundlage für eine Reihe von Veröffentlichungen, so Und wäre er nicht auferstanden von 2006 und Vom Mysterium des Lazarus und der drei Johannes von 2009. Ihre in anthroposophischer Terminologie verfassten Bücher sind inzwischen in mehrere Sprachen übersetzt.
Ihr Werk enthält versteckte Hinweise auf ihre letzte Inkarnation als Edith Maryon.
2 Kritik
Helmut Kiene, anthroposophischer Arzt und Erkenntnistheoretiker, kritisiert:[5]
"Man kann davon ausgehen, dass v. Halle eine souveräne Geisteswissenschaftlerin ist. Das bedeutet gerade nicht, dass ihre Darstellungen gläubig entgegenzunehmen wären. Es können ja im Einzelnen auch Irrtümer dabei sein."
Auf verschiedene Kritk antwortet das Organ für Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft Ein Nachrichtenblatt:[6]:
„Ist in einer neuartigen, nicht-sinnliche Phänomene betrachtenden Forschungsrichtung [wie bei Judith von Halle, aber auch bei anderen] Irrtum möglich und wenn ja, wie? Wie wird bei der Überprüfung eines Zusammenhangs das Verhältnis von nicht-sinnlicher Wahrnehmung, Begriff und Wahrheitskriterium gesehen, was wird unter einer spezifischen Überprüfungstechnik verstanden?“
3 Aussagen über das Christentum
Judith von Halle schreibt im Zusammenhang mit den Versuchungen Christi (hier durch Ahriman): "Die Herausforderung Ahrimans war geradezu genial in ihrer Heimtücke. Ahriman fragte ihn nach dem Gewinn dieses Opfers. Er wies auf die Zukunft hin und entblätterte alles, was tatsächlich die Zukunft an Schlechtem bringen würde. Doch war es nicht die ganze Wahrheit, denn er zeigte Ihm die Zukunft nur von einer Seite, ließ die helle Seite der Entwicklung aus, so daß es im Grunde die Unwahrheit war. Und doch war all das, was er ihm zeigte, wahr. Ahriman zeigte Ihm den zukünftigen Undank der Menschheit, den Mißbrauch Seiner neuen Mysterien, die unchristlichen Taten der Menschen, die in seinem Namen Seine Lehre verkehren würden, Er musste die falschen Messiasse sehen. Er mußte die sich aus Resignation zurückziehenden Engelscharen schauen, Er nahm in seiner ganzen Tragik wahr, wie sich trotz Seines Opfers bei nur wenigen Menschen die notwendigen Geistorgane ausbildeten, wie der Christus-Impuls erst versank, dann willentlich ad absurdum geführt wurde. Er schaute die Irrlehren der Zukunft, wie sie sich wider den Geist kehrten und sah ganze Völker sich von ihm lossagen."[7]
In ihrem Buch Die sieben Mysteriendramen Rudolf Steiners stellt sie den Zusammenhang zwischen Christentum und der Esoterik im Werk von Rudolf Steiner wie folgt dar:
„So führt das Christus-gemäße Staunen zur Weisheit, das Mitleid oder Mitgefühl zur seelischen Schönheit, das Gewissen zur willenshaften Stärke - die Grundfesten des rosenkreuzerischen Geistestempels, in dessen "Innersten" eine besondere Wesenheit wohnt: Indem nämlich durch jene drei Seelenkräfte in ihnen Luzifer und Ahriman sowie damit auch ihr eigener Doppelgänger erlöst werden, weil ihre Eigentriebe verbrennen, senkt sich die Begegnung mit dem ätherischen Christus in ihre Seelen - die Schlussszene des siebenten und letzten Mysteriendramas und zugleich das Erreichen des heiligen Ziels des Initiationsschülers.“[8]
4 Werke (Auswahl)
- „Und wäre Er nicht auferstanden“... Die Christus-Stationen auf dem Weg zum geistigen Menschen (mit Peter Tradowsky). Verlag am Goetheanum, Dornach 2005, ISBN 3-7235-1255-0
- Das Vaterunser. Das lebendige Wort Gottes. Verlag am Goetheanum, Dornach 2006, ISBN 3-7235-1274-7
- Von den Geheimnissen des Kreuzweges und des Gralsblutes. Mysterium der Verwandlung. Verlag am Goetheanum, Dornach 2006, ISBN 3-7235-1287-9
- Das Abendmahl. Vom christlichen Kultus zur Transsubstantiation. Verlag am Goetheanum, Dornach 2006, ISBN 3-7235-1288-7
- Das Christliche aus dem Holze herausschlagen... Rudolf Steiner, Edith Maryon und die Christus-Plastik. Verlag am Goetheanum, Dornach 2007, ISBN 978-3-7235-1296-8
- Von Krankheiten und Heilungen und von der Mysteriensprache in den Evangelien. Verlag am Goetheanum, Dornach 2007, ISBN 978-3-7235-1314-9
- Der Abstieg in die Erdenschichten. Auf dem anthroposophischen Schulungsweg. Verlag am Goetheanum, Dornach 2008, ISBN 978-3-7235-1322-4
- Die Holzplastik des Goetheanum. „Der Menschheitsrepräsentant zwischen Luzifer und Ahriman“ (mit A. John Wilkes). Verlag am Goetheanum, Dornach 2008, ISBN 978-3-7235-1330-9
- Vom Mysterium des Lazarus und der drei Johannes: Johannes der Täufer, Johannes der Evangelist, Johannes Zebedäus. Verlag für Anthroposophie, Dornach 2009, ISBN 978-3-03769-014-7
- Vom Leben in der Zeitenwende und seinen spirituellen Hintergründen. Verlag für Anthroposophie, Dornach 2009, ISBN 978-3-03769-015-4
- Der Weihnachtsgedanke der Isis-Horus-Mythe. Vom monotheistischen Urverständnis der ägyptischen Mysterien. Verlag für Anthroposophie, Dornach 2009, ISBN 978-3-03769-016-1
- Die Christus-Begegnung der Gegenwart und der Geist des Goetheanum. Verlag für Anthroposophie, Dornach 2010, ISBN 978-3-03769-026-0
- Krise und Chance. Die Freie Hochschule und ihre Bedeutung für das Karma der Anthroposophischen Gesellschaft. Verlag für Anthroposophie, Dornach 2010, ISBN 978-3-03769-029-1
- Rudolf Steiner - Meister der Weißen Loge. Zur okkulten Biographie, Verlag für Anthroposophie, Dornach 2011, ISBN 978-3-03769-030-7
- Die Templer, 2 Bände, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2012-2013, ISBN 978-3-03769-041-3 und ISBN 978-3-03769-046-8
- Die Jünger Christi. Vom Mysterienhintergrund der zwölf Apostel, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2013, ISBN 978-3-03769-038-3
- Anna Katharina Emmerick. Eine Rehabilitation, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2013, ISBN 978-3-03769-043-7
- Stoffes-Sterben und Geist-Geburt. Kosmische Aspekte zur Todesstunde auf Golgatha, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2014, ISBN 978-3-03769-049-9
- Schwanenflügel. Eine spirituelle Autobiographie, EM Edition Morel, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2016, ISBN 978-3-906891-00-2
- Die sieben Mysteriendramen Rudolf Steiners, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2016, ISBN 978-3-03769-053-6
- Die Apokalypse des Johannes. Bindeglied zwischen jüdischer Mystik und christlich-anthroposophischer Geisteswissenschaft, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2018, ISBN 978-3-03769-56-7
- Meditation und Seelenprüfungen in der Anthroposophie und in den Evangelien, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2019, ISBN 978-3-03769-058-1
- Die Coronavirus-Pandemie. Anthroposophische Gesichtspunkte, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2020, ISBN 978-3-03769-059-8
5 Literatur
- Mieke Mosmuller: Stigmata und Geist-Erkenntnis. Judith van Halle versus Rudolf Steiner. Occident Verlag, Baarle Nassau 2008, ISBN 978-3-00-023291-6
- Sergej O. Prokofieff: <<Zeitreisen>> - ein Gegenbild anthroposophischer Geistesforschung, Verlag am Goethenaum, Dornach 2013, ISBN 978-3-7235-1500-6
- Helmut Kiene: Wer war Johannes der Evangelist? Judith von Halles Beitrag zur Johannesforschung. In: Anthroposophie. Vierteljahresschrift zur anthroposophischen Arbeit in Deutschland Nr. 263, Ausgabe I/2013 (Ostern), S. 14 - 25
- Helmut Kiene: Phantomleib, Stigmatisation und Geistesforschung. Judith von Halle und die anthroposophische Christologie, Verlag für Anthroposophie, Dornach 2013
- Helmut Kiene: Zur Diskussion um Judith von Halle. In: Ein Nachrichtenblatt, vom 14. September 2014, 4. Jahrgang, Nr. 17, S. 13 - 15
- Wolfgang Garvelmann: Sie sehen Christus. Erlebnisberichte von der Passion und der Auferstehung Christi. Anna Katharina Emmerich, Therese Neumann, Judith von Halle. Eine Konkordanz. Verlag am Goetheanum, Dornach 2008
- Martin Kollewijn: Stigmatisation - Eine Mitteilung des Arbeitszentrums Berlin der Anthroposophischen Gesellschaft, Dezember 2004
- Wolfgang Gädeke: Stigmatisation und Erkenntnis. Anmerkungen zu Evangeliendarstellungen und Schicksal Judith von Halles , Urachhaus, 2015, ISBN 978-3-8251-7918-2
6 Weblinks
- Martin Kollewijn: Stigmatisation - Eine Mitteilung des Arbeitszentrums Berlin der Anthroposophischen Gesellschaft (2004)
- Das Nachrichtenportal der katholischen Kirche zu Judith von Halle
- Ein Kommentar von Jostein Saether zu den Ereignissen um Judith von Halle und ihre Stigmatisation
- Bericht der Urteilsfindungskommission der Anthroposophischen Gesellschaft
- Bericht über eine Veranstaltung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland mit Judith von Halle in der Waldorfschule in Essen
- Ingrid Haselberger über eine Lesung von Judith von Halle aus "Schwanenflügel"
- Interview mit Judith von Halle
7 Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Peter Tradowsky: Stigmatisation - Ein Schicksal als Erkenntnisfrage, Vlg. am Goetheanum, Dornach 2009, S. 47 ff
- ↑ Frank Thadeusz: Vier Jahre Nulldiät. In: Der Spiegel. 2008-07-28. Abgerufen am 5. März 2020.
- ↑ http://www.agberlin.de/material/veranstaltungsplan_rsh/Veranstaltungsplan.pdf
- ↑ Kurzbiografie bei Anthro-Buch
- ↑ Helmut Kiene: Phantomleib, Stigmatisation und Geistesforschung, Vlg. für Anthroposophie, Dornach 2013, S. 113
- ↑ Roland Tüscher: "Was ist Geisteswissenschaft, was nicht?", Initiative Entwicklungsrichtung Anthroposophie (Website), Nachrichtenblatt für Mitglieder, Nr. 9, 11. Mai 2014, S. 7
- ↑ Judith von Halle: Und wäre er nicht auferstanden..., Verlag am Goetheanum, Dornach 2005, S. 131-132
- ↑ Judith von Halle, Die sieben Mysteriendramen Rudolf Steiners, S. 231
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