Grundrechte und Völkerrecht
Grundrechte und Völkerrecht sind unterschiedliche Rechtsgebiete: Die Grundrechte beziehen sich auf den einzelnen Menschen, das Völkerrecht regelt die Beziehungen der Staaten und Völker untereinander. Insofern bezieht sich Völkerrecht immer auf ein Kollektiv wie ein Land oder ein Volk und nicht auf ein Individuum. Somit ist es auf konkrete Fälle des Privatrechts nicht anwendbar. Gleichwohl wird - oft von juristischen Laien - versucht, bestimmte Zusammenhänge herzustellen oder zu konstruieren, die sich aber nicht durch Fachliteratur belegen lassen.
Das deutsche Grundgesetz (GG) kennt auch den direkten Bezug zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts: Artikel 25[1] setzt das Völkerrecht über das Bundesrecht, so dass sich nach einhelliger Auffassung auch die weitere Gesetzgebung daran halten muss. Falsch ist jedoch, dass in Artikel 25 GG Bezug auf das Völkervertragsrecht genommen wird. Vielmehr dient die allgemeine Formulierung „für die Bewohner des Bundesgebietes“ als Rechtsgrundlage, damit Völkergewohnheitsrecht auch direkt im deutschen Staatsgebiet seine Wirkung entfalten kann. In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 1957 zum Reichskonkordat[2] wurde das wie folgt beschrieben:
„Weder zugunsten von Verträgen, deren Gegenstand der Bundesgesetzgebung unterliegt, noch zugunsten von Landesverträgen, deren Gegenstand nach dem Grundgesetz der Landesgesetzgebung unterliegt, erachtet das Grundgesetz eine verfassungsrechtliche Bindung der Gesetzgebung an das Vertragsrecht für erforderlich. Das Grundgesetz überläßt die Erfüllung der bestehenden völkerrechtlichen Vertragspflichten der Verantwortung des zuständigen Gesetzgebers. Art. 25 GG räumt nur den "allgemeinen Regeln des Völkerrechts" den Charakter innerstaatlichen Rechts und den Vorrang vor den Gesetzen ein. Diese Bestimmung bewirkt, daß diese Regeln ohne ein Transformationsgesetz, also unmittelbar, Eingang in die deutsche Rechtsordnung finden und dem deutschen innerstaatlichen Recht - nicht dem Verfassungsrecht - im Range vorgehen.“[3]
Diese Regeln umfassen neben den geltenden Gesetzen auch die in der UN Vollversammlung mitgebildete Resolution, die nach Artikel 38 im Statut des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zum Völkergewohnheitsrecht erwachsen können. Das Bundesverfassungsgericht hat die "Allgemeinen Regeln des Völkerrechts" als universell geltendes Völkergewohnheitsrecht bezeichnet. Das Urteil belegt, dass die in Artikel 25 GG genannten "allgemeinen Regeln des Völkerrechts" sich mit den "universell geltenden Völkergewohnheitsrechts" nach Art. 38 des IGH Statuts decken. Das in Artikel 25 GG bestimmte Recht geht den allgemeinen Gesetzen vor.
In einem Fall hat sich das BVerfG mit einem privatrechtlichen Streit befasst. Dabei ging es um eine Bank in Slowenien, die Rechtsnachfolgerin einer Bank in Jugoslawien ist, und eine Niederlassung Frankfurt am Main. Insoifern handelt es sich um Internationales Privatrecht. Hierzu führte das BVerfG 2008 zunächst aus: „Allgemeine Regeln des Völkerrechts können den Staaten bei der Ausgestaltung und Anwendung ihres Internationalen Privatrechts lediglich Grenzen setzen.“[4]
Allgemeines Völkerrecht ist so lange gültig, bis das GG etwas anderes sagt. Das bedeutet, dass Völkergewohnheitsrecht unter gewissen Umständen in Deutschland einklagbar ist.[5] Ausgeschlossen sind nur solche Bestimmungen, die eindeutig dem GG widersprechen, etwa bei religiösen Fragen. Das allgemeine Völkerrecht braucht eine gewisse Übung, damit es allgemeines anerkannt wird. Nur wenn ein Staat permanent Einspruch erhebt, kann es in diesem Staat ausgesetzt werden. Das allgemeine Völkerrecht, hier gemeint, dass Völkergewohnheitsrecht entwickelt sich meistens durch einen erfolgreichen Resolutionsbeschluss in der UN Vollversammlung, es kann laut Art. 38 des IGH-Statuts auch über den Internationalen Gerichtshof, der eine UN-Institution ist, eingeklagt werden.[6][7]
- Des Weiteren dürfen keine entgegengesetzte Akte existieren. Die Übung muss hinreichend einheitlich sein, das heißt die beteiligten Völkerrechtssubjekte müssen sich weitestgehend gleich verhalten. Vereinzelte Abweichungen von dieser Übung sind dann als Verstöße gegen das entstandene Gewohnheitsrecht zu qualifizieren, stellen aber nicht die Einheitlichkeit der Übung in Frage – so lange die Abweichungen nicht so zahlreich und schwerwiegend sind, dass von der Bildung neuen, abweichenden Völkergewohnheitsrechts auszugehen ist. Bei der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht kann ein Staat zwar nicht die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht verhindern, wohl aber die Geltung. Dadurch, dass ein Staat sich von Anfang an dagegen widersetzt, hat das entstandene Völkergewohnheitsrecht keine Geltung für ihn.
- Das Völkergewohnheitsrecht setzt sich aus den Elementen der langandauernden Übung (etliche Jahre, in einigen sich schnell verändernden Rechtsgebieten eventuell weniger) und der Überzeugung, dass diese Übung rechtens sei, zusammen (Völkervertragsrecht hat trotz seiner Schriftlichkeit keinen Vorrang vor Völkergewohnheitsrecht). Will ein Staat seine Bindung an im Entstehen begriffenes Völkergewohnheitsrecht verhindern, so muss er ihm ausdrücklich und, solange die anderen Staaten an ihrer Überzeugung festhalten, auch wiederholt widersprechen.
Das Bundesverfassungsgericht hat die "Allgemeinen Regeln des Völkerrechts" als universell geltendes Völkergewohnheitsrecht bezeichnet, das mit Bestandteilen des ius cogens angereichert ist. Das Urteil belegt, dass die in Art. 25 genannten "allgemeinen Regeln des Völkerrechts" sich mit dem "universell geltenden Völkergewohnheitsrecht" nach Artikel 38 des IGH Statuts decken.[8]
Artikel 25 GG regelt die Einbeziehung völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts in das deutsche Normgefüge. Völkergewohnheitsrechtliche Regelungen gehen nationalem Gesetzesrecht vor, stehen aber unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Der Artikel 25 GG ist zwar kein Grundrecht, es stützen sich gleichwohl viele Urteile, die auch anhand der UN-Vollversammlung erstellt wurden, darauf.[9] Anders als in anderen Staaten, in denen es nur eine Unterwerfungsklausel vor der UN gibt und gewissermaßen bei Verstößen nur andere Staaten gegen den verletzenden Staat vorgehen können, hat der Artikel 25 GG eine ganz direkte Wirkung, da nicht nur Staaten, sondern vielmehr die Organe des Staates ihre Rechte einklagen können. Art.93 GG Abs. 1 Nr. 4a GG).[10] Auch müssen sich einfache Gesetze, etwa BGB, StGB an die Richtlinien dieses Artikels halten.
„Die Normativität des Völkerrechts wurde von der Naturrechtslehre aus dem göttlichen Willen abgeleitet. Voluntaristische Theorien führen sie auf den Willen der Völkerrechtssubjekte zurück, die den jeweiligen Rechtsnormen zugestimmt haben. Teilweise wird dabei auf die Selbstbindung der Staaten (Hegel, Erich Kaufmann), teilweise auf den Konsens unter den Staaten abgestellt (Triepel, Rechtspositivismus). Hans Kelsen führte sie auf eine hypothetische Grundnorm zurück, die von anderen Autoren als reine Fiktion kritisiert wurde (Kelsen entgegnet in seiner letzten Veröffentlichung: sie ist reine Fiktion, denn die Geltung jeder Rechtsordnung beruhe auf einer praktischen Fiktion, die eben vom Willen der Teilnehmer abhänge[11]“
1 Literatur
- Bodo Pieroth, Hans Jarass: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Kommentar. 3. Auflage. C.H. Beck, München 1995.
2 Einzelnachweis
- ↑ § 25 GG
- ↑ BVerfGE 6, 309, 363 – Originaltext Abschnitt IV Nr. 1
- ↑ siehe auch Jarass/Pieroth, 3. Auflage 1995, Rdnrn 1a ff. zu Art. 25 GG
- ↑ - 2 BvR 1475/07 -
- ↑ Jarass/Pieroth, 3. Auflage 1995, Rdnrn 1a ff. zu Art. 25 GG
- ↑ IGH Statut, Kapitel II
- ↑ Allgemeine Übung, siehe Wikipedia
- ↑ - 2 BvR 1475/07 -
- ↑ Dejure, Urteilsssammlung
- ↑ UN Charta)
- ↑ Hans Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, 1979, S. 206.
3 Andere Lexika
Wikipedia kennt dieses Lemma (Grundrechte und Völkerrecht) vermutlich nicht.
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