Griechische Bildende Kunst nach der nationalen Unabhängigkeit von 1828
Die traditionelle byzantinische Malerei und Skulptur war vor allem sakraler Natur. Die Ikone wurde und wird nach einem strengem Kanon gemalt. Die Abbildung der Wirklichkeit oder der Ausdruck der Subjektivität des Künstlers sind dabei nicht das Ziel. Die allmähliche Ablösung der abendländischen Malerei vom religiösen Sujet, die Entdeckung der Perspektive, des Individuums - all dies fand in Byzanz nicht statt. Die traditionelle sakrale Kunst wurde auch unter der osmanischen Herrschaft gepflegt. Eine weltliche bildende Kunst gab es nur in Ansätzen.
Im neu gegründeten griechischen Staat war daher die Orientierung an westlichen Vorbildern stark. Etliche Künstler reisten zur Aus- und Weiterbildung nach München, aus welchem der junge König Griechenlands sowie viele seiner Beamten stammten. Die Münchener Kunsthochschule wurde zum Mekka griechischer Maler. Es entstand die sogenannte Münchner Schule, deren bedeutendste Vertreter Theodoros Wrysakis, Nikolaos Gysis und Nikiforos Lytras wurden. Sie studierten den reichlich akademischen Malstil des 19. Jahrhunderts und schufen bayerische Genrestücke von Qualität. Die Nationalpinakothek von Athen verfügt über eine ansehliche und sehenswerte Sammlung ihrer Werke. Am interessantesten sind diese, wenn sie sich griechischen Themen zuwenden und den Alltag des 19. Jahrhunderts festhalten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Zuge der allgemeinen kulturellen Dominanz Frankreichs München als Orientierungpunkt griechischer Künstler durch Paris abgelöst.
Daneben entwickelte sich in bescheidenem Umfang und relativ unbeachtet auch eine Volkskunst, deren wichtigste Vertreter Panagiotis Zografos, der Illustrator des griechischen Freiheitskampfes gegen die Osmanen und Theophilos Hatzimihail waren. Zweiter malte im Stil der Naiven Kunst auf Lesbos und im Pilion Häuser mit Geschichten aus dem Alltag und der überlieferten Mythologie.Allmählich entwickelte sich die Suche nach einer kulturellen griechischen Identität und das Bemühen um einen griechischen Charakter der Bildenden Kunst: Bahnbrechend war hierbei der Schriftsteller und Maler Fotis Kondoglu, der Verständnis für die künstlerischen Werke der Ikonenmalerei zu wecken versuchte und sich selbst in seinen Werken um eine Wiederbelebung der byzantinischen Maltradition bemühte. Er war der Erste, der sich nicht nur wissenschaftlich mit byzantinischer Malerei beschäftigte, sondern sie als Vorbild für zeitgenössische Malerei pries. Schließlich wandte er sich gänzlich von der westlichen Maltradition ab. Sein bedeutendster Schüler war Giannis Tsarouchis, der versuchte, einen Ausgleich zu finden zwischen westlicher und byzantinischer Maltradition. Dieser hat sich von der genrehaften Darstellungsweise gelöst und überzeugt durch eine realistische wie auch abstrahierende und surrealistische Malweise.
Mit der Annäherung von Kondoglu an die byzantinische Malweise erfolgt auch eine Entdeckung der Werke von Zografos und Hatzimihail durch griechische Intellektuelle wie Giorgos Seferis und Odysseas Elytis. Besonders Hatzimihail wurde zum Symbol einer eigenständigen griechischen Kunst erhoben.
Aber auch die Strömungen der westlichen Kunst hielten mit einiger Verzögerung nun Einzug in Griechenland: Nikos Hadjikyriakos-Ghika lebte lange Jahre in Paris und kam unter dem Einfluss von Pablo Picasso und Georges Braque zum Kubismus, dem er nach seiner Rückkehr nach Griechenland 1938 eine ganz eigene griechische Färbung verlieh. Eine originelle Anknüpfung an byzantinische Stilelemante auf impressionistischer und pointillistischer Basis bietet das Werk von Kostas Parthenis. Ein eher unbekannter griechischer Expressionist internationalen Formats war Jorgos Busianis, der von 1907 bis 1934 in Deutschland lebte und dort Mitglied der Münchner Neuen Sezession war sowie zum Kreis um Edvard Munch, Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff gehörte. Seine Kunst blieb relativ unbeachtet und er verstarb arm und vergessen in Athen. Erst eine große Ausstellung in der Athener Pinakothek im Jahr 1985 brachte ihn ins Bewusstsein der griechischen Öffentlichkeit.
Der Kontakt mit der westeuropäischen Malerei erfolgte fast immer über einzelne Künstler, die zur Weiterbildung ins Ausland gingen. Werke zeitgenössischer ausländischer Künstler wurden bis in die 1970er-Jahre nur sporadisch gezeigt. Damals erst eröffnete die Nationalpinakothek gegenüber dem Athener Hilton ihre Pforten. Durch ihre Wechselausstellungen brachte sie das Athener Publikum erstmalig mit der Malerei des deutschen Expressionismus, dem Kubismus und anderen wichtigen Stilrichtungen in Kontakt. Ihr Fundus an Werken abendländischer Kunst ist aber als Folge der langen osmanischen Fremdherrschaft gering. Die reichlich vorhandene griechische Malerei und Plastik des 19. und 20´. Jahrhunderts jedoch vermittelt vielfältige Erkenntnisse über das neugriechische Bewusstsein und dessen kulturelles Schaffen.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Szene unüberschaubarer: Die über 30 Athener Galerien zeigen heutzutage von biederer Dekorationskunst bis Happenings und Video-Art fast alle Stilrichtungen. Besonders beliebt ist der Neo-Surrealismus in der Nachfolge des Spätsurrealisten und Lyrikers Nikos Engonopulos. Als weiteren Surrealisten muss man auch Nikos Chuliaras erwähnen.
Der dem Kritischen Realismus nahestehende Jannis Psychopedis hat sich in seinem Werk mit der griechischen Militärjunta und dem Gastarbeiterproblem auseinander gesetzt. Die farbigen Siebdrucke von Alekos Fassianos sind sehr beliebt und zieren die Wände vieler Athener Mittelstandswohnungen. Sein hervorstechendstes Merkmal ist die farblich Verfremdung und der etwas monotone Einsatz griechischer Profile.
Eigenwillig und sozialkritisch sind die Figuren von Wlassis Kaniaris, der sich völlig vom Tefelbild gelöst hat und gesichtslose Puppen zu eindringlichen Bildern zusammenstellt. Ideenreich sind die Arrangements von Kostas Tsoklis, der häufig mit den Dimensionen spielt, indem er Bildelemente aus der Zweidimensionalität in den Raum heraustreten lösst. Kritische Auseinanderetzung mit der Existenz des Großstadtmenschen und der griechischen Tradition spiegelt sich im Werk von Dimitris Mytaras. Ein moderner Klassiker ist dagegen Iannis Moralis, der in Umkehrung der üblichen Stilentwicklung über den Neo-Realismus zu einer kubistischen bis konstruktivistischen Sprache gefunden hat. Markantestes Beispiel seines Konstruktivismus ist die von ihm gestaltete Seitenfront des Athener Hilton.
Die Auseianandersetzung mit der byzantinischen Tradition zeigt sich auch im Schaffen von Anastasios Alevizos und Vaso Katraki: Alevizos hat zahlreiche Holzschnitte geschaffen, die bewusst die strenge byzantinische Formensprache aufnehmen. Mit plakativer Strenge und starker Stilisierung schildert er die Leiden des Volkes durch die fremde Besatzung sowie die Gräuel des Bürgerkriegs. Man kann fast von Ikonen des Widerstands sowie des kommunistischen Aufstands sprechen. Vaso Katrakis Stärken sind mit kräftigen Schwarz-Weiß-Kontrasten arbeitende Lithografien, die eine Stilisierung bis hin zum Manierismus aufweisen.
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