Friedrich-Wilhelm Nuß

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Friedrich-Wilhelm Nuß (* 24. März 1878 in Nüggelnstück bei Altroggenrahmede; † 7. April 1945 in Schüttorf) war ein deutscher Kaufmann. Er wurde von einem Besatzungssoldaten ermordet.

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1 Leben

Die Vorfahren der Familie Nuß waren hugenottische Glaubensflüchtlinge und wanderten von Frankreich ins hessische Waldeck ein. Friedrich-Wilhelm Nuß wurde 1878 im sauerländischen Rahmedetal bei Altena geboren. Sein gleichnamiger Vater (1844–1920) war Werkführer einer Drahtzieherei. Seine Mutter Emma (geb. Horst, 1843–1895) betrieb eine Landwirtschaft. Die Großeltern waren Landwirte.[1]

Nach Besuch der Volksschule ging Nuß in Altena zur Realschule, wo er seine mittlere Reife erwarb. Es folgte eine kaufmännische Ausbildung im Eisenwarenhandel in Lüdenscheid. Dort fand er Beschäftigung als Handlungsgehilfe und wechselte als Kontorist zu einem eisenverarbeitenden Betrieb nach Hagen/Westf.

1899/1900 absolvierte Pferdeliebhaber Nuß als Einjähriger seinen Wehrdienst beim Garde-Ulanen-Regiment in Potsdam und brachte es zum Vizefeldwebel.

Danach fand er Beschäftigung in einem Osnabrücker Eisenhandel, der über Kundenkontakte nach Schüttorf verfügte.

2 Regenbogen und die niederländische Kolonie

Nuß weiteres Leben ist eng mit einem Schüttorfer Stadtteil verknüpft.

Am 18. 10. 1865 eröffnete die private niederländische Spoorweg-Maatschappij Almelo-Salzbergen ihre Bahnlinie. Im Süden der Stadt gebaut, trennte die Eisenbahn landwirtschaftlich genutzte Flächen vom bebauten Stadtgebiet.[2] Örtliche Textilfabriken warben niederländische Arbeiter an. Die Fa. Schlikker & Söhne baute z. B. für sie mehr als 90 Wohnungen und Häuser.[3] Vor den Toren der Kleinstadt - aus Sicht Einheimischer „Hinter der Bahn“ - entstanden so u. a. die niederländischen Kolonien „Krim“ (1877-1883) und „Straßburg“ (1885-1892).

Der Kaufmann Arnold Regenbogen (1848–1895) errichtete 1889 in dem neuen Stadtteil ein markantes Geschäft mit Kolonialwarenladen (Lebensmittel, Haushaltswaren, Textilien, Eisenwaren), Schankwirtschaft und Kohlenhandel.[4] Nachdem Arnold verstarb, führte seine Ehefrau Gysberta Egberdina (1852-1902) das Geschäft sechs Jahre allein weiter.

3 Engagement im Stadtteil

Am 7. Februar 1902 heiratete Nuß die älteste Tochter Christine Johanne Regenbogen (1880-1952) und übernahm das später im Volksmund „Nuß-Regenbogen“ genannte Geschäft. Aus der Ehe gingen zwei Kinder, Friedrich-Wilhelm (* 1903) und Elfriede (* 1919), hervor.

Schon bald nach der Hochzeit wurde der monarchistisch geprägte, eher national und sozial denkende frühere Ulan aktives Mitglied des örtlichen Kriegervereins und des bürgerlichenSchützenvereins Gilde von 1533. Im Stadtteil zeigte er sich solidarisch und hilfsbereit und kümmerte sich rege um Zuwanderer. Er wurde in der Stadt zunächst im bürgerlichen, später auch im bäuerlichen und im Arbeitermilieu integriert und akzeptiert.

1912 wurde er zum Initiator, Mitgründer und Mitglied des ersten Arbeitervereins, des Schützenvereins „Adler“, blieb aber auch Mitglied der "Gilde". Der neue Verein passte sich zwar den deutschen Schützentraditionen an. Mit ihm suchten die niederländischen Bewohner des Stadtteils ihre eigene Identität, wollten ihr „Hinter der Bahn“ aufwerten und die soziale Anerkennung erreichen, die ihr bisher versagt blieb. 1913 wurde Vizefeldwebel d. Res. Nuß Oberst und Kommandeur des Vereins.[5][6]

Nuß besaß mehrere Pferde und lieh seine Fuhrwerke unentgeltlich Nachbarn der niederländischen Kolonie. Die Beschlagnahme von Pferden im Ersten Weltkrieg veranlasste ihn, gemeinsam mit Bauern aus der Umgebung einen Pferdeversicherungsverein zu gründen und dessen erster Vorsitzender zu werden.

Der I. Weltkrieg führte zu politischen und sozialen Spannungen zwischen Einheimischen und Niederländern. Deshalb setzte sich Nuß nach dem Krieg für eine stadtteilübergreifende Kooperation der Menschen und Vereine ein. 1922 wurde er, obwohl auch Mitglied der konkurrierenden „Adler“, Schützenkönig der „Gilde“.

Während der Weimarer Republik wurde „Hinter der Bahn“ überwiegend links (SPD bzw. KPD) gewählt. Die niederländischen Zuwanderer machten einst (um 1900) den Fußballsport im Landkreis Grafschaft Bentheim populär.[7] 1926 gründeten sie ihren Arbeitersportclub „SC Borussia 26“ und grenzten sich damit vom bürgerlichen „Fußball Club 09“ (FC 09) ab. Nuß war Mitgründer und Förderer des Vereins.

Nuß, der dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberstand, wurde 1942 bei der Gestapo denunziert. Er hatte russischen Zwangsarbeitern Brot zugesteckt und angeblich in seiner Gastwirtschaft Zweifel am „Endsieg“ geäußert. Die Gestapo drohte mit dem Sondergericht Hannover, beließ es jedoch bei einer Vernehmung.

4 Ermordung

Nach heftigen Kämpfen besetzten britisch-kanadische Truppen am 5. April 1945 die Stadt. Das Geschäftshaus wurde beschlagnahmt, ca. 30 Soldaten einquartiert. Nachdem einige den Panzerschrank plündern wollten - der ohnehin leer war - quartierte Nuß Schwiegermutter, Tochter, ein Enkelkind und die Hausangestellte auf einen Bauernhof in Samern ein, die Restfamilie bei den Eltern seiner Schwiegertochter (Busch). So glaubte er Ruhe zu haben. Sein neues Domizil wurde jedoch zwei Tage später von marodierenden britischen Soldaten aufgesucht. Sie verlangten Alkohol, Wertgegenstände, stellten der Schwiegertochter nach, stahlen ihr die Ringe und versuchten sie zu vergewaltigen.[8]

Der 67-jährige stellte sich schützend vor die Frau, widersetzte sich den Soldaten und vereitelte die Vergewaltigung. Er wurde auf der Stelle erschossen. In der Sterbeurkunde heißt es dazu: „am 7. April 1945 gegen 23 Uhr in Schüttorf, Gartenkamp 7, verstorben ... Todesursache: Von einem Angehörigen der alliierten Truppen ermordet“.[9]

Die Nachricht von der Ermordung des stadtbekannten, geachteten Kaufmanns verbreitete sich rasch in der Stadt und löste erhebliche Unruhe aus. Die Briten reagierten. Um die Täter zu identifizieren, trat zwei Tage nach dem Mord eine Kompagnie Soldaten im Innenhof der Burg Bentheim (Kommandantur) an. Die Gegenüberstellung ergab widersprüchliche Zeugenaussagen. Zwei der Zeugen hielten im Geschäftshaus einquartierte Soldaten für die Täter

Nuß wurde am 10. April 1945 in aller Stille beerdigt. Um Proteste zu vermeiden, ordnete die britische Kommandantur an: Keinen Gottesdienst, kein Kirchenglockengeläut, keinen Leichenzug durch die Stadt, keine Benutzung des Leichenwagens, Beerdigung im kleinsten Kreis.

Die Besatzungsmacht nahm weitere Ermittlungen auf, exhumierte die Leiche, ermittelte die Täter, nahm sie fest, stellte sie in Steyerberg bei Nienburg vor ein Militärgericht und lud im Juni und Juli 1945 Verwandte und andere Zeugen zum Strafprozess. Die Täter wurden wegen Mordes verurteilt. Das Strafmaß blieb deutschen Zeitzeugen jedoch unklar.[10]

5 Literatur

  • Boermann, Heinz / Boermann, Giesbert (1987): Festschrift 75 Jahre Schützenverein Adler Schüttorf von 1912 e. V.. Selbstverlag Schüttorf. (S. 25ff.)
  • Grafschafter Nachrichten (Hg. / 1995): Vor 50 Jahren. 1945 – Kriegsende, Neubeginn und Gegenwart in der Grafschaft Bentheim und in der Twente, Nordhorn. (S. 53ff.)
  • Brake, Hendrik ter: Nachbarschaft der Niederländischen Kolonie Schüttorf um die Jahrhundertwende. S. 153ff., in: Heimatverein Grafschaft Bentheim (Hg. / 1972): Jahrbuch des Heimatvereins Grafschaft Bentheim 1973, Das Bentheimer Land Bd. 76. Nordhorn.
  • Heimatverein der Grafschaft Bentheim (Hg. / 2003): Bentheimer Jahrbuch 2004, Das Bentheimer Land Bd. 165. Bad Bentheim. (Möhring, S. 167ff.)
  • Heinze, Helga (geb. Regenbogen) (1960): Familienchronik Regenbogen. Bad Oldesloe.
  • Bohlin, Wilhelmine: Sonderbericht über den in der Nacht vom 7. auf den 8. April 1945 begangenen Mord an dem Kaufmann Friedrich Wilhelm Nuß aus Schüttorf durch einen englischen Soldaten vom 26. Juli 1945 (repro.). S. 29 – 31, in: Landkreis Grafschaft Bentheim / Volkshochschule und Museumskoordination (Hg. / 2004): Heute noch erzählt – morgen schon vergessen. Erinnerungen an Schüttorf nach 1945. Das Bentheimer Land Bd. 164. Nordhorn.
  • Stadt Schüttorf (Hg. / 1995): 700 Jahre Stadtrechte Schüttorf 1295 – 1995. Beiträge zur Geschichte, Verlag des Heimatvereins Grafschaft Bentheim, Das Bentheimer Land Bd.134. Bad Bentheim. (Hienz, S. 167ff.; Lensing, S. 333ff.; Titz, S. 439ff.)

6 Einzelnachweise

  1. N. N.: Ahnentafel der Familie Nuß. o. O. /o. J.
  2. Hienz, S. 170f.
  3. Möhring, S. 168.
  4. Heinze, S. 3–7.
  5. Boermann / Boermann, S. 25ff.
  6. Chronik des Schützenvereins Adler
  7. Ter brake, S. 156.
  8. Bohlin, S. 29.
  9. Sterbeurkunde Standesamt Schüttorf Nr. 50 vom 2. Mai 1945.
  10. Bohlin, S. 30.

Bilder: Friedrich-Wilhelm Nuß: [[1]]

Geschäftshaus Nuß-Regenbogen (ca. 1949): [[2]]

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