Erste Türken in Hannover

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Offiziell kamen die ersten Türken in Hannover ab 1961 in die niedersächsische Landeshauptstadt, und zwar über das Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei.

Dokumente aus dem Leben dieser ehemaligen „Gastarbeiter“ hat das Historische Museum Hannover in bisher eineinhalbjähriger Sammlung zu einer ersten Ausstellung vom 2. Februar bis 27. März 2011 zusammengetragen.[1]

Doch schon vor mehr als drei Jahrhunderten, in der Zeit der Zweiten Wiener Türkenbelagerung, erreichten - pauschal als „Türken“ benannte Menschen aus den von den Osmanen eroberten Gebieten - einzelne Personen als Gefangene ab 1683 Hannover. Über diese Menschen, ihre Namen und Schicksale in Hannover berichtete Johann Heinrich Redecker ab 1723 in seiner Handschrift „Historische Collectanea...“.

Unter den beschriebenen Personen befanden sich auch die auf dem Neustädter Friedhof nach muslimischen Ritus bestatteten Hammet und Hasan (türkisch: Memet ve Hasan).

1908 erschienen unter dem Titel „Türkische Gefangene in Hannover“ zwei Artikel in den Hannoverschen Geschichtsblättern. Der folgende Text gibt keinerlei Meinung oder gar Wertung ab, sondern dient der Förderung des freien Wissens und der weiteren Forschung. Ein Großteil ist eine buchstabengetreue Abschrift der nicht immer leicht zu entziffernden Handschrift. Der leichteren Findbarkeit halber sind einzelne Namen fett hervorgehoben:

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1 Abschriften aus „Historische Collectanea“

Ein anonymer Autor schrieb auszugsweise folgende Stellen ab:[2]
"1683. Am 15. Julii ließ der türkische Sultan Mahomet IV. eine große Macht vor Wien rücken und selbige Stadt belagern. Den 12. Sept. war der Entsatz glücklich bewerkstelliget, und der Großvezier Kara Mustapha ward mit seinen in 200 000 Türken und Tartaren bestandenen Schwarm weggeschlagen.

Von denen Gefangenen ward einer, Nahmens Hammet, unserer Landes=Fürstinne geschenket, welcher Ihro Laquayen=Dienste that, bey seinem türkischen Aberglauben blieb und A. 1691 starb. Auch war um diese Zeit ein Türke, welcher gefangen, in Hannover, nahmens Hassan, der auch im türkischen Unglauben blieb und circa A. 1691 starb. (Red. S. 712.)

Bey dem Entsatze der Stadt selbst ward ein Türke von ansehnlicher Statur, Saly benahmt, gefangen und dem Herzog geschenket. Selbiger wartete als Kammerdiener nur damit auf, daß er für den Herzog Caffeh und Schokelate kochte. Er blieb auch bei seinem Unglauben, begab sich im Jahr 1695 wieder in die Türkey, wozu der Herzog ihm Geschenk und Vorschub thun ließ.

1686. Im Aug. war der Erbprintz, Georg Ludwig, mit in der Belagerung und Eroberung der Stadt Ofen. Sein Bruder, Printz Maximilian Wilhelm, ward Venetianischer Generalmajor und commandirete in der Belagerung Napoli di Romania und Novarino. Am 2./12. Sept. ward die Stadt Ofen denen Türken, im Gesicht ihrer Armee, mit Sturm weggenommen. Währender Belagerung bekam der Erbprintz Georg Ludwig eines Bassa Sohn, Nahmens Mehemet, gefangen, welcher die christliche Religion annahm und ein großer Liebling des Printzen wurde. Er bekam den Nahmen Ludwig Maximilian Mehemet.1)Der Kurfürst Georg Ludwig erhob ihn später unter dem Namen Mehemet v. Königstreu in den Adelstand; vgl. d. J. 1726 (Red. S. 718.)

1690 ward im Rencontre in Morea Mustapha, eines türkischen Offiziers Sohn, durch den General Klincoström gefangen und dem Erbprintze Georg Ludwig geschenket. Er ließ sich taufen, bekam den Nahmen Ernst August Mustapha de Misitri und ward zuerst fürstlicher Kammer-Laquay, hernach Kammerdiener. (Red. S. 726.)

1691 starb der Turke Hammet, welcher der Herzoginne Laquayen=Dienste gethan. Er ward bey dem vor der Stadt liegenden Neustädter Kirchhofe, außen an dessen Mauer, auf der Seite nach dem Schützen=Plan hin, begraben, das Grab mit 4 Steinen, eine Elle hoch über der Erde eingefasset, selbige mit Erde gefüllet, und an den beyden Enden wurden zweene etwas höhere Steine, einer mit türkischer, der ander mit deutscher schlecht gefasseter Schrift in lateinischen Buchstäben, so nebenst dem Zierrath erhöhet gehauen, gesetzet, deren Abbildung hie zu sehen:

"Nachdem die grosse turksche Macht Anno 1683 nach Wien gangen und dieselbe durch die Deutschen wieder voraus getrieben, die Turken aber sich wieder bey Berkan in Ober-Ungarn mit 12 000 Mann gesetzet, bey welcher Action, so bey den genannten Berkan geschehen, sich mit unter den Turken befunden der bey diesem Steine begrabene Turcke Hammet, alwo er an einen Capite gefangen worden, welcher aber denselben an Ihro Durchl. die Hertzogin gegeben, welcher dan auch derselben gedienet bey die 8 Jahr, darauf gestorben und alhie begraben. Anno 1691."

Die türkische Schrift heißet zu Deutsch: "Circa hunc annum starb auch der Türke Hassan und ward bey obigem in einem eben solchen Grabe beerdiget. (Red. S. 728.)

1695. Der bisher am Hofe als Churfürstl. Kammerdiener gestandene Türke Saly, welcher 1683 vor Wien gefangen war, und bey seinem Unglauben blieb, ob er wohl sonst gutthätigen sittsamen Gemüths zu seyn erachtet, gut deutsch redete, in guter Gnade stund und weiter keine Dienste that, als daß er Serenissimo Caffeh, Theh und Schokolate kochte, trug nunmehr großes Verlangen nach seinem Vaterlande, erhielt auch dazu so gnädige Bewilligung, daß er sich dazu anschickete.

Am 8. Dec. geschahe der Auszug der Modenesischen Printzessin Braut mit großem Pomp. In der Printzessin Gefolg ging der Türke Saly mit fort, von Modena nach Venedig und so ferner zu seinen ungläubigen Landesleuten. Der Churfürst hatte ihm 300 Thaler Reisegeld zahlen und an seinen Agenten zu Venedig recommendiren lassen. (Red. S. 740.)

1696. Der Gräfinne von Platen, Gemahlinne des Premier Ministre, Grafen Franz Wilhelm von Platen und Hallermünde, Waschmägde eine, eine geborne im Türkischen Glauben erzogene Mohrin, ward in der Schloßkirche aufm Chor durch den Consistorialrath und Hofprediger Herm. Billerbek getaufet. Nach der Sonntags=Predigt hielt der Hofprediger einen kurzen Sermon über die Worte: Kann auch ein Mohr seine Haut wandeln, oder ein Parder seine Flecken? Jerem. 13, 23.

Darauf ging das Examen an. Auf die Frage: wie heißet das fünfte Gebot? antwortete sie: Du sollst nicht todtschlage; und der Hofprediger entschuldigte sie, daß man ihr das Wort "tödten" nicht beybringen können, ihr also vergönnen müssen, gehörter maaßen zu antworten. (Red. S. 741.)

1697. Circa hunc annum waren folgende in Ungarn gefangene Türken in Hannover:

Ibrahim, den der Hauptmann von Weihe gefangen bekommen, ward getauft, hielt sich zuletzt auf einem Garten vor der Stadt auf und starb circa 1723.

Seemann, eigentlich Seimen, der von der Mutterbrust gefangen, ward getauft und lernete das Peruquenmacher=Handwerk.

Aly, der als ein Knabe von 16 Jahren gefangen, ward unter die fürstl. Pagen gegeben, bekam in der Taufe den Nahmen Johann Braunsweig Aly, und ward Jagd=Bereiter.

Umy, jenes Schwester, noch jünger, ward getauft und der Herzoginne Kammerfrau, danegst sie einen Feld-Trompeter geheyrathet.

Aly Bascha, behielt in der Taufe seinen Nahmen, ward bey die Soldatesque gethan und gar bald Unter=Officier. 1743 war er Obrist=Lieutenant, 1744 Obrister, und 1745 starb er in der Garnison zu Löven, in Brabant, ungefehr 60 Jahre alt. (S. 743.)

1726 starb in London der königliche Kammerdiener und große Liebling Ludwig Maximilian Mehemet von Königstreu,1) Ueber seine Gefangennahme ist z. J. 1686 berichtet. Er besaß in Hannover das Haus Schmiedestr. 30. Von seinen Söhnen starb der jüngere, Georg Ludwig Mehemet von Königstreu, 1752, der ältere, Johann Ludwig M. v. K., 1775. Mit letzterem, dessen Grabstein sich in der Kirche zu Döhren befindet, starb die Familie aus. Nähere Angaben über ihn sind von H. Ahrens in der Deutschen Volkszeitung v. 9. Mai 1886 und im Hannov. Anzeiger v. 2. Juni 1900 veröffentlicht. und hatte dem Waysenhause in Hannover 500 Thaler legiret. (S. 858.)

1738 starb der königliche Kammerdiener emeritus Ernst August Mustapha de Misitri2) Er war 1690 gefangen genommen. zu Hannover."

2 Mustapha und Ibrahim

Ebenfalls unter der Überschrift Türkische Gefangene in Hannover folgt der Nachweis "Von Rektor F. Haase I, Linden", daß Constantin Voge Haramissa identisch sei mit dem zuvor genannten Ibrahim. Hase bezog sich ausdrücklich auf den vorherigen Aufsatz auf S. 243ff. und gestattete sich folgende Zusätze, die er "dem Lindener Kirchenbuch entnehmen durfte":[3]

1. Mustapha, der 1690 durch General Klincoström gefangen und Erbprinz Georg Ludwig geschenkt wurde, sei "1695 zu Linden auf dem damals von Platenschen Schlosse durch den Pastor Hermann Balthasar Bietken getauft. Dieser" habe wörtlich berichtet:

"Den 11. post trin. hor. 6. vespertina bin Ich von der Frau Gräfinnen von Platen gefordert worden, den Mohren, etwa 16 oder 17 Jahre alt in Ihrem großen Eßsaal zu taufen. Es waren die beiden Churfürstl. Hof Prediger Hr. Erythropylus Und Hr. Billerbeck auch dabey. Imgleichen eine große Anzahl von Grafen, Herren Geheimbden Räten, Cavaliers vom Hofe, item Dames Und andern etliche 100. Der Candidatus Baptismi (Taufkandidat) wurde öffentlich examiniret in gegenwahrt aller vornehmen Anwesenden, von dem Guarnison Küster Und Schul Meister auß Hannover, der ihn etliche Jahr informiret hatte. Er bestund über alle Maßen wohl Und löblich, daß die Vornehmen Anwesenden ihm alle ein gutes Lob zulegten, wie auch der Herr Abt zu Loccum selbst. Wie das examen vorbey, habe Ich ihn öffentlich gefraget, in gegenwahrt aller, ob Er bey dem gethanen Bekändniss leben Und sterben wolle? Und ob er wolle bey der Religion und glauben, zu welcher Er sich itzo bekennet hätte, Und darin Er solle getauft werden, bleiben, da Er geantwortet: Ja.

Darauf ist er von mir nach inhalt unserer Kirchen=Ordnung getauft, Und Franz Ernst genannt worden. Sein voriger Nahme hieß: Mustapha. Die Herren Gevattern waren:

1) Der Herr Graf Franz Ernst von Platen, Sr. Churfürstl. Dchl. Hochverordneter Stadthalter, der ihm auch den Nahmen gab und 2) der junge Herr Graf Ernst Augustus von Plate Und andere Vornehme. Der liebe Gott Vater, Sohn und Heil. Geist wolle ihm Glück geben zu seinem Christenthum Und zur wahren Beständigkeit biß an sein sel. Ende. amen."

2. Der im vorhergehenden Artikel auf Seite 245 genannte "Ibrahim, den der Hauptmann von Weyhe gefangen bekommen" habe sich ausweislich des Lindener Kirchenbuchs verheiratet und sei dort auch beerdigt. Der "Lindener Catalogus Copulatorum anni 1697" berichte darüber:

"Den 13. Julii. Constantin Voge Haramissa Und Ilsa Margaretha Dannenberg sehl. Hermann Scheles, gewesenen Reuters unter Ihrer Churfürstl. Dchl. leib=Guardie zu Roß nachgelassene Witwe hieselbst in der Kirchen zu Linden öffentlich copuliret worden.

Dieser Constantin Voge Haramissa ist bei Dervent in Bosnien burtig und vor ungefähr 36 Jahren von Christlichen Eltern daselbst geboren Und getaufet worden, drey Jahr aber vor letzterer Belagerung der Kaiserl. Residenz Wien durch die Türken aus besagtem Dervent entfuhret Und einige Jahre unter ihnen gelebet Zu dem Mahometischen Aberglauben verfuhret worden. Alß Er aber bey Eroberung Neuheusel durch Gottes Gnaden abermals in die Hände der Christen gerathen, Und durch den hiesigen Churfürstl. General Major von Weyhen anhero gefuhret worden, Hat er den Mahometischen Aberglauben verlaßen Und nachdem Er in denen Haupt Stücken der christl. Religion unterwiesen, sein Glaubens Bekenntniß in gegenwahrt Herrn Lic. Erytropelen, des Herrn Superintendenten zu Ronnenberg als p. t. Pastoris der wie alle vom Churfürstl. Consistorio dazu verordnet worden ist, gethan Und abgelegt, Und darauff zur Beicht Und Abendmahl admittiret worden. Und weil Er sich mit obenbemelter Witwe versprochen hatte, so ist die Copulation am obbenannten Tage geschehen."

Über Tod und Beerdigung dieses so beschriebenen Haramissa habe Pastor Jacob Henricus Meyer (Amtszeit wäre in Linden 1707-24 gewesen, Pastor Bietken wäre 1700 gestorben) im Lindener Kirchenbuch geschrieben:

(1723) "Den 10. Apr. Ist auf erhaltene Dispensation still beygesetzet Constantin Voge Haramissa sonsten genandt Ibrahim der Türke de quo vide Catalogus Copulatorum anni 1697 Nr. 6. Es hat dieser Mann viele Jahre in Linden wohnhaft sich aufgehalten, ist aber vor 2 Jahren aus unser in die Hainholzer Gemeine verzogen, diese Ostern und zwar den 4. Apr. ist er zum Gärtner von Secret. Lüdemann auf seinen Garten gehohlet, wo er aber, nachdem er zum Tode von mir bereitet worden, den 7. ejsd. gestorben aet. 72 Jahr."

Rektor Haase I aus Linden folgert aus dem Zusatz "sonsten genannt Ibrahim der Türke", daß Constantin Voge Haramissa identisch mit dem im vorherigen Artikel auf Seite 245 erwähnten "Ibrahim" sei.

3 Literatur

  • Johann Heinrich Redecker: Historische Collectanea von der Königlichen und Churfürstlichen Residenz-Stadt Hannover ... am 8. Julii 1723 angefangen; 2 Bände mit einem Register-Band, Faksimile einsehbar im Stadtarchiv Hannover

4 Einzelnachweise

  1. http://www.hannover.de/hist_museum/sonderaus/Gastarbeit/index.html
  2. N.N.: Türkische Gefangene in Hannover, in: Hannoversche Geschichtsblätter, 11. Jahrgang, 1908, S. 243-246
  3. F. Haase: Türkische Gefangene in Hannover, in: Hannoversche Geschichtsblätter, 11. Jhrg., 1908, S. 349-350

5 Andere Lexika

  • Dieser Artikel wurde in der Wikipedia gelöscht.



Erster Autor: Bernd Schwabe in Hannover angelegt am 27.09.2010 um 17:03, weitere Autoren: Nonoh, AxelHH, Lutheraner

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