Barta`a

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Barta`a
Arabisch: برطعة
Gebiet: Westjordanland
(Judäa und Samaria)
Gouvernement: Haifa
Geograf.Lage: 7
 
Einwohner: 8.300 (2006)
 
Zeitzone: UTC+2
Barta`a (Westjordanland)
Barta`a
Barta`a

Übersichtskarte

Barta`a (hebräisch בַּרְטַעָה) ist eine im äußersten Nordwesten des Westjordanlandes im Wadi Ara beiderseits der 1949 vereinbarten Demarkationslinie (Grüne Linie) zwischen Israel und Jordanien gelegene Stadt mit schätzungsweise 12.000 Einwohnern. Die Fläche von Barta`a beträgt 4.320 Dunam,[1] was 4,32 Quadratkilometern entspricht. Die Stadt ist geteilt: Der westliche Teil gehört zu Israel und liegt im Gouvernement Haifa, der östliche Teil liegt in den Palästinensischen Autonomiegebieten und gehört zum Gouvernement Dschenin.

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1 Geschichte bis 1949

Die israelische Siedlung Barta`a auf einer Karte
Das gesamte Gebiet des heutigen Israel und Palästinas war ab 1517 eine Provinz des Osmanischen Reichs.[2] Das Dorf Barta`a wurde Mitte des 19. Jahrhunderts von Mitgliedern des Stammes der Kabha gegründet, welche mündlicher Überlieferung nach rund 100 Jahre vorher vom circa 20 Kilometer nordwestlich von Hebron gelegenen Bayt Jibrin in das ebenfalls im Norden des Westjordanlandes befindliche Ya'bad gezogen waren. Mitte des 19. Jahrhunderts verließen dann einige Stammesmitglieder Ya'bad auf der Suche nach einem Wohngebiet und kauften das Land bei Barta'a, wo sie eine Quelle und Weideland fanden. [3] So tragen auch heute noch beinahe alle der circa 12.000 Einwohner von Barta`a den Nachnamen Kabha. [4] Nach einer 1922 von den Briten durchgeführten Volkszählung hatte Barta'a eine Bevölkerung von 468 ausschließlich muslimischen Personen, [5] und bei einer erneuten Volkszählung von 1931 waren es 692 Menschen. Während des großen arabischen Aufstands der 1930er-Jahren kam es auch im Dorfgebiet von Barta'a zu Gewalttätigkeiten der arabischen Bevölkerung gegen die seit 1917 bestehende britische Herrschaft. [6]

2 1949 bis 1967

Am 3. April 1949 unterzeichneten Jordanien und Israel das Waffenstillstandsabkommen von Rhodos, demzufolge Barta`a in einen zu Jordanien gehörenden Ostteil und einen zu Israel gehörenden Westteil getrennt wurde. [7] Das tiefe Wadi Ara, welches das Dorf seit jeher durchschnitt wurde zur Grenze erklärt. So befand sich auf einmal über Nacht der Dorfbrunnen auf der israelischen und die Moschee auf der jordanischen Seite. Zuerst hinderten nur Soldaten die Einwohner daran diese Grenze zu passieren, doch 1956 machten die Jordanier die Grenze ganz dicht und errichteten einen Zaun. So wurden eine zweite Moschee, ein zweiter Friedhof und eine zweite Schule errichtet. Auch wurde ein Kanal ausgehoben, der das Wasser von der auf der israelischen Seite gelegenen Quelle zu einem Brunnen auf der jordanischen Seite leiten sollte. Die Palästinenser auf der Ostseite erhielten die jordanische und ihre Brüder auf der israelischen Seite die israelische Staatsbürgerschaft. Da im jungen Israel anfänglich viele Waren rationiert waren, blühte in Barta`a das Schmuggelgeschäft auf illegalen Handelswegen. Dies ließ nach nachdem sich die israelische Wirtschaft gefestigt hatte. [8] [9]

3 1967 bis 2000

Kreisverkehr in Barta`a ganz in der Nähe der Grenze
Nach dem Sechstagekrieg kam das Westjordanland und damit auch Barta`a 1967 zu Israel. Doch ähnlich wie nach der deutschen Wiedervereinigung merkten die Menschen von Barta`a bald, dass sie sich in den Jahrzehnten der Trennung fremd geworden waren: [10] Die Familien in West-Barta`a hatten die schöneren Häuser, trugen Jeans und träumten davon, ihre Kinder auf eine Universität zu schicken. In Ost-Barta`a dagegen rann das Abwasser immer noch durch unbefestigte Straßen und die Männer trugen die traditionellen langen Bärte. Unter den beiden verschiedenen politischen Systemen hatten sich über die Jahre auch voneinander abweichende kollektive Identitäten herausgebildet. [11] Gleichzeitig warfen Bewohner aus Ost-Barta`a ihren Verwandten im Westteil der Stadt vor, keine echten Araber und Muslime mehr zu sein, da sie sich unter den jüdischen Israelis als Bürger zweiter Klasse wegducken würden. [12] Dank der Nähe zu Israel stieg der Lebensstandard im Osten von Barta`a schneller als im Rest des Westjordanlandes. Ab 1993 gehört Ost-Barta`a zur B-Zone mit israelischer Sicherheitskontrolle sowie palästinensischer Zivilverwaltung. [13]

4 2000 bis heute

Im Jahr 2000 begann mit der Zweiten Intifada ein gewalttätiger Aufstand der im Westjordanland und Gazastreifen lebenden Palästinenser, bei dem sich die mentale Teilung der Bewohner von Barta`a ebenfalls zeigte: Während die Bewohner des Ostteils der Stadt aktiv und begeistert an der Rebellion teilnahmen, beschränkten sich viele in West-Bata`a lebende Menschen darauf, Essen und Geld an die Aufständischen zu schicken, ihre eigenen Kinder aber von den aus dem Osten erschallenden Kampfrufen abzuschirmen.
Blick auf Barta`a
Nach der Intifada wurde Barta`a faktisch erneut geteilt: Israel hat sich zwar einen Militärcheckpoint erspart, aber nur etwas drei Kilometer östlich der Stadt verläuft seitdem der ab 2004 errichtete Sperrwall, der (wohl um noch einige israelische Siedlungen einzuschließen) von der Grünen Linie etwas abweicht. Die Inseln, welche sich zwischen der Grünen Linie und dem Sperrwall befinden gehören wie circa 60% des Westjordanlandes zur C-Zone, welche unter israelischer Militärverwaltung steht. Dies bedeutet, dass die Palästinensische Autonomiebehöred kaum Einfluss auf Ost-Barta`a hat. Weil die palästinensische Enklave auf der israelischen Seite des Walls liegt, schauen die Israelis nicht so genau hin. Dies hat zur Folge, dass die Wirtschaft floriert, den seit Ost-Barta`a im toten Winkel der Autoritäten liegt, ist es so etwas wie eine Freihandelszone: Wer in Ost-Barta`a Handel treibt, zahlt keine Steuern, und auch kaum ein Einheimischer meldet sein Auto oder Gewerbe an. Obwohl es Israelis verboten ist, Autos zur Reperatur nach Ost-Barta`a einzuführen, locken die günstigen Werkstätten die Menschen aus dem israelischen Kernland. Die schmale Hauptstraße von Ost-Barta`a ist zu einer Art von Drive-in geworden, auf dem in über 1-000 Geschäften alles mögliche von Bekleidung über Spielzeug, Tierfutter, Hochzeitsdekorationen, Tischdecken bis zu Schwimmreifen oder Wasserpfeifenb angeboten wird. Die Produkte (häufig Made in China) kosten teilwiese nur die Hälfte des Preises in Israel, und die Kunden sind vor allem arabische Israelis, aber auch zunehmend jüdische Menschen. Viele palästinensische Händler haben ihre Geschäfte wegen der höheren Verdienstmöglichkeiten von Nablus oder Dschenin nach Barta`a verlegt und nehmen dafür sogar die in Barta`a höheren Mieten sowie die Kontrollen an den Checkpoints in Kauf. Dies ist allerdings kein echter und nachhaltiger Aufschwung, da er überwiegend nur den Dienstleistungssektor betrifft. Dieser Wirtschaftsaufschwung hat in Ost-Barta`a auch zu einem Bauboom geführt. Viele Einwohner von Ost-Barta`a arbeiten in Israel und passieren auf ihrer täglichen Fahrt zum Arbeitsplatz die Grenze. Trotz objektiv höheren Lebensstandards und besserer Gehälter ist man heute in West-Bartaà nicht mehr wohlhabender als im Osten der Stadt. [14] Der wirtschaftliche Aufschwung in Barta`a bewirkte den Zuzug vieler Arbeiter aus dem Westjordanland, was auch zu sozialen Spannungen führte, da viele Bewohner den längeren Aufenthalt der meist jungen Arbeiter als bedrohlich für die traditionell-konservativen Sitten des Ortes empfanden.
Geschäft in Ost-Barta`a

Während von 1949 bis 1967 ganz wenige Ehen zwischen Bewohnern des Ost- und Westteils der Stadt geschlossen wurden, gibt es seitdem hunderte von Ehen mit Partnern aus beiden Stadtteilen. Meistens heiraten dabei Männer aus Ost-Barta`a Frauen aus dem Westteil. So kommen sie an die begehrte ID-Card, die ihnen die zeitaufwendigen Kontrollen an den Checkpoints und andere umständlichen Formalitäten ersparen. Auch kann man so an israelische Sozialleistungen gelangen. So beziehen vermutlich an die 500 Einwohner von Ost-Barta`a und ihre Familien inzwischen unberechtigterweise israelische Sozialleistungen und betreiben dafür eine doppelte Haushaltsführung. Meist leben sie real dennoch in Ost-Barta`a, weil es sich dort günstiger lebt. [15] [16] [17]

Anlässlich der Corona-Epidemie im Jahr 2021 wurden die Unterschiede zwischen der Ost- und Westhälfte der Stadt wieder sehr deutlich: Während im zu Israel gehörenden West-Barta`a bereits bereits 95% der über 16-Jährigen geimpft waren, lag die Impfquote im Ostteil der Stadt erst unter 20%. Die israelischen Behörden impfen offiziell nur die Bevölkerung von West-Barta’a und vertreten die Ansicht, dass im Osten der Stadt die Palästinensische Autonomiebehörde für die Impfungen zuständig sei, weil in den Oslo-Verträgen vereinbart ist, dass die Palästinenser in ihren Gebieten für den Gesundheitssektor verantwortlich sind. Etliche israelische Epidemiologen fordern, dass Israel auch die Palästinenser impfen solle, da vielen enge Kontakte stattfänden und so eine Impfung auch der Palästinenser im Interesse beider Seiten sei. Auch für die Bevölkerung von Ost-Barta’a wurden vereinzelt Ausnahmen gemacht und Palästinenser von israelischen Behörden geimpft. [18]

5 Literatur

  • Yael Warshel: Experiencing the Israeli-Palestinian Conflict - Children, Peace Communication and Socialization, Cambridge University Press, 2021, Seite 227 bis 265
  • Agnes Fazekas: Das geteilte Dorf; in Edition le monde diplomatique - Israel und Palästina Nr. 21/2017, taz Verlags- und Vertriebs GmbH, Berlin, 2017, Seite 42 bis 45
  • Riad Kabha: The Wadi has to Banks - My Life Story, Multi Educator Incorporated, 2017
  • Muhammad Amara: Politics and Sociolinguistic Reflexes - Palestinian Border Villages, John Benjamins Publishing Company, Amsterdam / Philadelphia, 1999, Seite 11 bis 20

6 Weblinks

7 Videos

8 Andere Lexika

Die deutsche Wikipedia kennt dieses Lemma (Barta`a) vermutlich nicht.


9 Einzelnachweise

  1. Yael Warshel: Experiencing the Israeli-Palestinian Conflict - Children, Peace Communication and Socialization, Cambridge University Press, 2021, S. 231
  2. Marian Saadeh und Harry Katz (Hrsg.): A People without a Country - Voices from Palestine, Bloomington, 2011, S. 7 und 8
  3. Muhammad Hasan Amara: Politics and sociolinguistic reflexes - Palestinian border villages, John Benjamins Publishing Company, 1999, S. 12
  4. Agnes Fazekas: Das geteilte Dorf; in Edition le monde diplomatique - Israel und Palästina Nr. 21/2017, taz Verlags- und Vertriebs GmbH, Berlin, 2017, S. 43
  5. J. B. Barron: Palestine - Report and General Abstracts of the Census of 1922, Government of Palestine, 1923, Seite 30 (online auf www.archive.org/details/PalestineCensus1922)
  6. www.nli.org.il
  7. Muhammad Amara: Politics and Sociolinguistic Reflexes - Palestinian Border Villages, John Benjamins Publishing Company, Amsterdam / Philadelphia, 1999, S. 11
  8. Agnes Fazekas: Das geteilte Dorf; in Edition le monde diplomatique - Israel und Palästina Nr. 21/2017, taz Verlags- und Vertriebs GmbH, Berlin, 2017, S. 43
  9. Lydia Aisenberg: Barta‘a – Ein Dorf mit gespaltener Persönlichkeit
  10. Sari Hanafi: The Sociology of Return - Palestinian Social Capital, Transnational Kinships and the Refugee Repatriation Process; in Eyak Benvenisti, Chaim Gans und Sari Hanafi (Hrsg.): Israel and the Palestinian Refugees, Verlag Springer, Berlin, 2007, S. 39
  11. Ilan Pappe: A History of Modern Palestine, Cambridge University Press, 3. Aufl., 2022, S. 155
  12. Agnes Fazekas: Das geteilte Dorf; in Edition le monde diplomatique - Israel und Palästina Nr. 21/2017, taz Verlags- und Vertriebs GmbH, Berlin, 2017, S. 43
  13. Barta’a Over the Years - A Meditation auf der Seite der Partners for Progressive Israel
  14. Agnes Fazekas: Das geteilte Dorf; in Edition le monde diplomatique - Israel und Palästina Nr. 21/2017, taz Verlags- und Vertriebs GmbH, Berlin, 2017, S. 43 und 44
  15. Sari Hanafi: The Sociology of Return - Palestinian Social Capital, Transnational Kinships and the Refugee Repatriation Process; in Eyak Benvenisti, Chaim Gans und Sari Hanafi (Hrsg.): Israel and the Palestinian Refugees, Verlag Springer, Berlin, 2007, S. 40
  16. Lydia Aisenberg: Barta‘a – Ein Dorf mit gespaltener Persönlichkeit
  17. Leor Bareli: Shopping without borders in the Palestinian village of Barta'a - opinion, in Jerusalem Post vom 6. Juli 2022
  18. Benjamin Hammer: Das geteilte Dorf - Barta'a in Israel und dem Westjordanland, auf der Seite von br24, 7. April 2021

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