Arbeitszeitverkürzung

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Das Thema Arbeitszeitverkürzung wird in Deutschland vor allem seit den 1950er Jahren diskutiert. In vorindustrieller Zeit, in der die Mehrheit der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeitete, richtete sich die Arbeitszeit nach natürlichen Grenzen wie etwa der Tageslänge, im Sommer wurde länger gearbeitet als im Winter. Seit der Industrialisierung wurde nicht nur künstliche Beleuchtung durch Gas oder Elektrizität ausgeweitet, sondern auch das Bestreben, die Betriebszeit der Maschinen möglichst rund um die Uhr auszudehnen. Da gleichzeitig keine gesetzlichen und tariflichen Schranken galten und die Löhne sehr gering waren, führte dies zu fast unbegrenzten Arbeitstagen von 16 Stunden und mehr. Alkoholismus, eine Verelendung breiter Bevölkerungsschichten und eine verkürzte Lebenserwartung der Arbeiterschaft waren die Folge.[1] Eine der ersten Forderungen der Arbeiterbewegung war dementsprechend die Begrenzung der Arbeitszeit, die in vielen Industrieländern am Ende des 19. Jahrhunderts durchgesetzt wurde. Bei der Einführung des Achtstundentags gehörte die Degussa 1884 international zu den Spitzenreitern.[2][3]

1 Diskussion

Nicht erst seit den viel diskutierten Globalisierungsthesen von Martin/Schumann („Die Globalisierungsfalle“) wurde uns deutlich, dass es nicht an den Arbeitslosen liegt, dass der Pro-Kopf-Anteil an produktiv sinnvoll verwendeter Arbeitszeit durch Automatisierung und Rationalisierung kontinuierlich sinkt. Interessanterweise findet sich bereits in Rudolf Steiners Ausführungen von 1922 (Nationalökonomischer Kurs/Nationalökonomisches Seminar) zur sich damals erst im Keim entwickelnden Weltwirtschaft die Bemerkung, dass bei wirklich konsequent durchgeführter Rationalisierung ca. vier Arbeitsstunden pro verfügbarer Arbeitskraft ausreichen würden, um den gesellschaftlichen Bedarf zu decken.

„Denn es wäre kaum notwendig, daß ein Mensch, der heute acht, neun Stunden arbeitet, länger als drei, vier Stunden arbeitet. Die Menschen würden ja, wenn vernünftig volkswirtschaftlich gedacht würde, ungeheuer viel weniger sich zu betätigen brauchen in der Art, wie sie sich jetzt betätigen.“(Zitat von Rudolf Steiner)[4]

Stattdessen haben wir seit 2005 Mehrarbeit in Form von teilweise unbezahlten Überstunden. Welch ein Hohn, dass angesichts dieser Tatsache die noch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts konsequent vertretene gewerkschaftliche Forderung nach gesamtgesellschaftlicher Arbeitszeitumverteilung, sprich Arbeitszeitverkürzung, als alter Hut gilt.

Ein Problem bestand darin, dass bei rund 4,1 Millionen Arbeitslosen im Jahr 2002 - übrigens mit steigender Tendenz bis 2006 auf über 4,8 Millionen - alleine schon der Arbeitsplatz als Wohlstandsfaktor angesehen werden konnte. Da war es fast schon egal, zu welchen Bedingungen jemand einen „Job“ bekam. Daher war es ein Leichtes, die gesamtgesellschaftlich förderlichen Wirkungen der Arbeits(zeit)umverteilung für die Binnennachfrage (nach der Theorie von Keynes gesehen messbar an der höheren Konsumquote bei geringerer Einkommenshöhe) politisch durch die Hartz-IV-Reform ab 2005 umzusetzen. Dabei hat auch die Gewerkschaftsseite reale Lohneinbußen hingenommen, indem es zur einer Senkung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit pro Beschäftigte kam. Dies fiel unter den Begriff „geringfügige Beschäftigung“, war aber vom Grundsatz hier nicht neu und bot auf den ersten Blick finanzielle Vorteile. Zwar sind die Gewerkschaften nach wie vor bemüht, höchstmögliche monetäre Verbesserungen zu erkämpfen bei gleichzeitiger Vertröstung der Arbeitslosen auf angeblich wieder kommende bessere Zeiten, doch wird dieses Ziel durch die kapitalistische Wirtschaftspoltik immer wieder unterlaufen.

Doch die Hoffnung auf den nächsten Aufschwung trügt: Der Sockel der Langzeitarbeitslosen hat sich im Gegenteil immer mehr verfestigt und lässt sich auch durch Deregulieruung und verschärfte Zumutbarkeitsregeln für Arbeitslose nicht wesentlich abbauen. Im Gegenteil: Der Druck auf Arbeitslose und Arbeitsplatzbesitzer steigt. Nicht umsonst wird von Rudolf Steiner der Ausspruch kolportiert, der Kapitalismus werde einmal erheblich verheerendere Züge annehmen, als sie der Sozialismus je hatte.

2 Andere Lexika

Wikipedia kennt dieses Lemma (Arbeitszeitverkürzung) vermutlich nicht.

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3 Einzelnachweise

  1. Ralf Hoffrogge: Sozialismus und Arbeiterbewegung in Deutschland. Stuttgart 2011, S. 106–114.
  2. Irmgard Steinisch: Arbeitszeitverkürzung und Sozialer Wandel. In: Veröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin. Band 65. Verlag Walter de Gruyter, Berlin, S. 198.
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitszeit#Geschichte_der_Arbeitszeit
  4. aus seinen Vorträgen, Gesamtausgabe 341/037, online

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