Ringparabel (Boccaccio)

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Die Die Ringparabel von Boccaccio (Geschichte von Melchisedech und den drei Ringen) ist eine Erzählung aus dem zwischen 1349 und 1353 enstandenen Decamerone, einer Sammlung von 100 Novellen des italienischen Frührenaissancedichters Giovanni Boccaccio. Es ist die dritte Novelle (Novella Terza) aus den 10 Geschichten des ersten Tages (Prima giornata). Sie heißt im Original Melchisedech giudeo, con una novella di tre anella, cessa un gran pericolo dal Saladino apparecchiatogli.[1] In das Deutsche wurde sie u.a. mit Melchisedech wendet mit einer Erzählung von drei Ringen eine große von Saladin ihm zugedachte Gefahr ab[2] übersetzt. In dieser Novelle wird das Problem der Konkurenz der drei abrahamitischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - und die Frage nach einem eventuellen Vorrang einer dieser Religionen vor den anderen anhand einer Parabel problematisiert. Die Geschichte plädiert dabei am Ende für eine damals und auch heute immer noch nicht selbstverständliche Toleranz zwischen den Religionen. Bocaccios Parabel hatte historisch einige Vorgänger bzw. Vorbilder. Sie war später das Modell für die Ringparabel in Gotthold Ephraim Lessings Drama Nathan der Weise.

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1 Inhalt

Die Finanzlage des sarazenischen Herrschers Saladin ist aufgrund vieler Kriegszüge und einer aufwändigen Hofhaltung sehr angespannt. Also möchte er sich von dem reichen jüdischen Wucherer [3] [4] [5] Melchisedech Geld leihen. Da dieser aber als sehr geizig bekannt ist, [6] überlegt sich Saladin wie er ihn am besten dazu bringen könne ihm Geld zu leihen. Deswegen erdenkt er sich ein Szenario mit dem er Melchisedech in Bedrängnis bringen kann. Saladin möchte von Melchisedech wissen, welche der drei Religionen - Judentum, Islam oder Christentum - er für die Wahre Religion halte. Der gewitzte Jude erkennt, dass ihm der Sultan eine Falle stellen möchte und antwortet mit der Geschichte eines Vaters, der drei Söhne hatte.

Dieser besaß unter anderem auch einen sehr schönen und wertvollen Ring. Er beschloß, dass derjenige unter den Söhnen, der den Ring vorzeigen könne, jeweils als Erbe gelten solle. Diese Regel wurde über mehrere Generationen zur Tradition in der Familie. Eines Tages kam die Ahnenreihe an einen Vater der drei Söhne hatte, die er für gleich schön, tugendhaft und gehorsam einschätzte, und die er gleich liebte. Jeder der Söhne bat den Vater um den Ring, weswegen dieser heimlich zwei andere, vollkommen identische Ringe anfertigen ließ. Nach dem Tode des Vaters beanspruchte jeder der Söhne unter Verweis auf den Besitz des Rings die Erbschaft. Da die Ringe allerdings nicht voneinander zu unterscheiden waren, konnte die Erbschaftsfrage bis heute nicht entschieden werden.

Melchisedech erklärt Saladin den Sinn der Parabel folgendermaßen: Gott der Vater habe den drei Völkern mit ihren jeweiligen Religionen symbolisch die drei Ringe gegeben, und warf damit die Frage nach der ursprünglichen Echtheit einer dieser Religionen auf. Jedes Volk halte die Gesetze seiner Religion für wahr und glaube ihre Gebote unmittelbar von Gott erhalten zu haben. Die Frage welche Religion dabei recht habe, sei ebensowenig zu entscheiden, wie die Frage nach dem echten Ring in der Geschichte. Das Fazit der Geschichte lautet bei Bocaccio im Original folgendermaßen:

"E così vi dico, signor mio, delle tre leggi alli tre popoli date da Dio padre, delle quali la quistion proponeste: ciascuno la sua eredità, la sua vera legge e i suoi comandamenti dirittamente si crede avere e fare; ma chi se l’abbia, come degli anelli, ancora ne pende la quistione." [7]

Nachdem Saladin erkannt hatte dass Melchisedech seiner Falle geschickt entgangen war, entschließt er sich diesem sein Kreditbegehren ehrlich vorzutragen. Dabei gesteht er diesem auch ein, auf welche Weise er vorhatte ihn mit der oben geschilderten Frage unter Druck zu setzen. Melchisedech räumte Saladin daraufhin bereitwillig den gewünschten Kredit ein und zahlte ihn später inklusive Zinsen und wertvollen Geschenken an Melchisedech zurück. [8] [9]

2 Vorbilder von Boccaccios Novelle

Die Figur des reichen Juden Melchisedech ist nach der im Alten Testament im Rahmen der Abrahamserzählung in Genesis 14,17-19 auftauchenden Gestalt des Melkisedek (hebr. malkisedeq) benannt.

  • Die Parabel von den drei ununterscheidbaren Ringen lässt sich bis auf eine Zeit um das 1100 zurückverfolgen und wurde wahrscheinlich auf der Iberischen Halbinsel von sephardischen Juden geschaffen.
  • In einer christlichen Fassung aus Spanien - in dem zu dieser Zeit das Christentum erbittert gegen den Islam kämpfte - fehlt bezeichnenderweise mit dem Islam eine der Religionen in der Parabel. [10]
  • An einem weiteren Vorläufer aus der Sammlung Cento Novelle Antiche wiederum fällt auf, dass die Frage des Sultans nur den Islam und das Judentum in die Frage einbezieht, der Jude aber das Christentum in seine Antwort mit hereinnimmt.
  • In einer 40 Jahr vor dem Decameron verfassten Roman von Busone da Gubbio heißt der Jude der Parabel Absalon und darf, da er verhasst ist, ohne Skrupel ausgetrickst werden. Die Fassung on Busone da Gubbio kann dabei am ehesten als Vorbild für Bocaccios Version gelten.
  • Um die damalige Zeit kursierten noch andere, ähnliche Geschichten. Die Weltchronik des Jans Enikel erzählt vom Edelsteintisch des Salatin, den dieser auf der Suche nach seinem Seelenheil in drei Teile hauen lässt. Dabei entstehen Teile des Tisches für den Gott der Juden, den Gott der Christen und den Gott der Moslems (got Machmet). [11]

Die Parabel hat im Laufe der Zeit auch an Länge gewonnen. Während sie in den Cento Novelle Antiche ungefähr 230 Worte umfasst sind es in Busones Version hundert Worte mehr, und Bocaccios Version umfasst dann schon 740 Worte. [12]

3 Bocaccios Novelle als Vorbild

Eine eher an Busone da Gubbio angelehnte Version der Parabel ist in dem heräischen Werk Behebet Jehuda des Salomon ibn Verga aus dem 15. Jahrhundert in einer allerdings stark abweichenden Version zu finden. Der Fragesteller ist dort z.B. nicht Saladin sondern der König von Aragonien, Don Pedro der Ältere. [13]

Der Melchisedech aus Bocaccios Novelle war später nach Lessings eigenen Aussagen Vorbild der Ringparabel in seinem Drama Nathan der Weise. [14] Lessing schrieb z.B. am 11. August 1778 an seinen Bruder:

"Ich möchte zwar nicht gern, dass der eigentliche Inhalt meines anzukündigenden Stückes allzu früh bekannt würde; aber doch, wenn Du oder Moses, ihn wissen wollt, so schlagt das Decamerone des Boccaccio auf: Giornata I., Nov. III. Melchisedech Giudeo." [15]

Es ist zu erwähnen, dass es in Bocaccios Fassung der Parabel - im Gegensatz zu der von Lessing und Salomon ibn Verga, in der selbst der Vater die Ringe nicht mehr unterscheiden kann - einen echten Ring gibt. In Bocaccios Fassung wird also nicht die Möglichkeit einer wahren Offenbarung an sich sondern nur die Möglichkeit eines Kriteriums der wahren Offenbarung geleugnet. [16]

4 Einzelnachweise

  1. Das italienische Original in Onlineversion auf it.wikisource.org
  2. Giovanni Bocaccio: Das Decameron, neubearbeitet von Johannes von Guenther nach einer in St. Petersburg im Jahr 1782-1784 erschienenen Übersetzung von August Gottlieb Meißner, P. P. Kelen Verlagsgesellschaft, 1961, S. 37-39.
  3. "Da erinnerte er sich eines reichen Juden, Namens Melchisedech, der in Alexandrien auf Wucher lieh und nach Saladin`s Dafürhalten wol im Stande ..."; Übersetzung von Klaus Witte, Leipzig, 1859
  4. "In dieser Geschichte möchte Saladin, Sultan von Babylon, von Melchisedech, einem reichen Wucherer, Geld leihen."; in Daniel Rötzer: Die Kunst des Verdrängens - Giovanni Boccaccios Decameron vor dem Hintergrund der Pestepidemie von 1348, Mittelalter-Ringvorlesung WS 2009/2010 – Krisen, Kriege, Katastrophen, auf www.uni-salzburg.at
  5. In Giovanni Bocaccio: Das Decameron, neubearbeitet von Johannes von Guenther nach einer in St. Petersburg im Jahr 1782-1784 erschienenen Übersetzung von August Gottlieb Meißner, P. P. Kelen Verlagsgesellschaft, 1961, S. 37 heißt es dagegen nur: "Endlich besann er sich auf einen reichen Juden namens Melchisedech, der in Alexandrein Geld auf Zinsen lieh."
  6. "Dieser, glaubte er könnte ihm aushelfen, wenn er nur wollte; aber er war so geizig, daß er es gutwillig nie würde getan haben ..."; nach Giovanni Bocaccio: Das Decameron, neubearbeitet von Johannes von Guenther nach einer in St. Petersburg im Jahr 1782-1784 erschienenen Übersetzung von August Gottlieb Meißner, P. P. Kelen Verlagsgesellschaft, 1961, S. 38
  7. Das italienische Original in Onlineversion auf it.wikisource.org
  8. Deutsche Übersetzung nach Karl Witte auf www.zeno.org
  9. Giovanni Bocaccio: Das Decameron, neubearbeitet von Johannes von Guenther nach einer in St. Petersburg im Jahr 1782-1784 erschienenen Übersetzung von August Gottlieb Meißner, P. P. Kelen Verlagsgesellschaft, 1961, S. 37-39
  10. Fritz Mauthner: Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande, Band 1, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart, 1920, Neuausgabe von m-presse, Heppenheim, 2010, S. 520 und 521
  11. Thomas Lackmann: Ringkampf der Religionen; auf www.tagesspiegel.de
  12. Marcus Landau: Die Ouellen des Dekameron, Verlag August Prandel, Wioen, 1869, S. 63
  13. Marcus Landau: Die Ouellen des Dekameron, Aerlag August Prandel, Wioen, 1869, S. 62 ff.
  14. Gotthold Lessing an Elise Reimarus in einem Brief vom 6. September 1778.
  15. Zitiert nach Günter Hartung: Werkanalysen und -kritiken, Leipziger Universitätsverlag, 2007, S. 42
  16. Fritz Mauthner: Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande, Band 1, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart, 1920, Neuausgabe von m-presse, Heppenheim, 2010, S. 520 und 521

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