Holm Singer
Holm Singer (* 1961) ist ein ehemaliger inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), der von 1980 bis 1989 unter dem Decknamen IM „Schubert“ tätig war. Der Fall IM „Schubert“ wurde im Februar 2008 zum Politikum, als sein Klarname im Rahmen einer Ausstellung in Reichenbach im Vogtland zum Thema „Christliches Handeln in der DDR“ genannt wurde und Singer daraufhin die Schließung der Ausstellung erwirkte.[1] Er ist Teil einer Klagewelle, der die Aufarbeitung der DDR-Geschichte zunehmend erschwert.[2]
Holm Singer ist nicht zu verwechseln mit dem Stasi-Spitzel Herbert G., der den gleichen Decknamen verwendete (IMB „Schubert“) und seit Ende 2008 gegen den Betreiber der Webseite „Stasi in Erfurt“ klagt.[3] [4]
Inhaltsverzeichnis
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1 Biografischer Hintergrund
Holm Singer wurde 1980, im Alter von 18 Jahren, von der Stasi angeworben und war bis November 1989 für sie tätig. Unter anderem spähte er die Aktivitäten innerhalb der evangelischen Kirche aus. Zu diesem Zweck habe er sich sogar taufen lassen. Der IM, heißt es in den Akten, habe die „Konspiration“ verdächtiger Personen durchbrochen, die dadurch der staatsfeindlichen Tätigkeit überführt werden konnten. „Gegen 4 Personen konnten Ermittlungsverfahren mit Haft durch unser Organ eingeleitet werden.“[5] Ausstellungs-Initiator Edmund Käbisch sagt über Singer: „Das war kein Mitläufer, sondern ein Premium-Spitzel“.[6] Die FAZ widmete am 5. Juli 2008 Sabine Popp, die als Jugendliche Losungen wie „Mauer weg“ und „Wiedervereinigung“ gesprüht hat und von Holm Singer 1980 an die Stasi verraten wurde, eine ausführliche Reportage.
2 Ausstellungsverbot
Nach den Bestimmungen des Stasiunterlagengesetzes ist die namentliche Nennung von IM zum Zweck der Aufklärung und der Forschung zulässig und verstößt nicht gegen das Persönlichkeitsrecht. Trotzdem gelang es Singer über seinen Anwalt, Thomas Höllrich, beim Landgericht Zwickau gegen die Stadt Reichenbach, die die Räume des Rathauses für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hat, eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Höllrich ist Mitglied der Partei „Die Linke“ und Abgeordneter im Reichenbacher Stadtparlament.
Die BStU und das Forschungsnetzwerk zur Aufklärung der DDR-Verbrechen kritisierten die Entscheidung des Gerichts. Von beiden Facheinrichtungen wird beklagt, dass besonders Einzelrichter in den unteren Instanzen bei entsprechenden Entscheidungen nicht hinreichend auf Fachberatung durch die Behörde oder das Forschungsnetzwerk zurückgriffen.
Joachim Gauck sagte im Deutschlandfunk (DLF) auf die Frage, warum Klarnamen genannt werden müssen: „Eine Wahrheit prägt sich intensiver ein, wenn sie mit konkreten Namen verbunden ist. Es ist ja nicht so, dass hier eine üble Nachrede vollzogen wird, sondern es geschieht das, was mit anderen Akteuren im politischen Raum auch geschieht. Sie werden auf das, was sie selber vollzogen haben und was sie selber zu verantworten haben, angesprochen.“[7]
3 Aktuelle Entwicklung
Nach einer Anhörung am 8. April 2008 deutete die zuständige Richterin am Landgericht Zwickau an, dass sie keine Bedenken gegen die Namensnennung habe. Die Entscheidung gilt wegen ihrer Auswirkung als bedeutsam. „So hatte die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, vor Problemen bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit gewarnt, sollte sich der Ex-Stasi-Mitarbeiter durchsetzen.“[8]
In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel hat Singers Anwalt, Thomas Höllrich, angekündigt, Berufung einzulegen, falls das Landgericht Zwickau zu dem Urteil kommen sollte, dass Singer namentlich in der Ausstellung genannt werden darf.[9] Außerdem haben nach Angaben von Edmund Käbisch mittlerweile zwei weitere frühere Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes rechtliche Schritte angedroht.[10]
Am 22. April hob das Landgericht Zwickau, wie erwartet, die einstweilige Verfügung auf. Eine Grundsatzentscheidung fällte das Gericht allerdings nicht. Die Frage, ob im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht des Spitzels höher zu bewerten sei als das Grundrecht der Meinungsfreiheit, müsste in einem Hauptverfahren geklärt werden, teilte das Gericht mit.
Unabhängig von dem Gerichtsentscheid hat Singers Anwalt Anfang Juni 2008 dem Zwickauer Pfarrer Edmund Käbisch eine Unterlassungserklärung samt Anwaltsgebühr in Höhe von 775,64 Euro zugesendet. „Edmund Käbisch erklärte dazu, er werde dem Druck nicht nachgeben.“[11] Anfang August 2008 meldete die Berliner Zeitung, dass Singers Anwalt den Prozess abgesagt habe.[12] Laut Pfarrer Käbisch geht der Rechtsstreit allerdings weiter. Die Freie Presse meldete ohne weitere Angaben am 7. April 2009, dass derzeit ein neues Verfahren laufe.[13]
4 Literatur
- Berhard Honnigfort: „Damals Spitzel, heute Opfer?“ In: Frankfurter Rundschau, 26. März 2008.
- Reiner Burger: „Nichts als die Wahrheit“ In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. Juli 2008.
5 Weblinks
- Chris Humbs und Peter Grimm: „Geschützte Stasi-Spitzel – Enttarnung verboten“ (Kontraste, ARD-Magazin, 20. März 2008)
- Michael Bartsch: „Dürfen wir wissen, wer ‚IM Schubert‘ war?“ (taz, 8. April 2008)
- Pressemitteilung des Landgerichts Zwickau (8. April 2008)
- „Dreist – Stasi-Täter verhindern Aufklärung“ (Zapp, Fernsehmagazin des NDR, 9. April 2008)
- Uwe Müller: „Der späte Triumph der Stasi-Täter“ (Die Welt, 21. April 2008)
- „Stasi-IM darf beim Namen genannt werden“ (Tagesspiegel, Online-Ausgabe, 22. April 2008)
- „Der Stasi-Streit geht weiter“ (Mitteldeutsche Zeitung, 6. Mai 2008)
- „IM Schubert zurück in Chemnitz“ (Chemnitzer Morgenpost, 18. Juni 2008)
- „Weiter Debatte um Namensnennung von Stasi-IM“ (MDR, 6. September 2008)
- Thomas Voigt: „Stachel des Unrechts sitzt noch tief. Reichenbacher Opfer des ehemaligen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit stellen sich Podiumsdiskussion“ (Freie Presse, 21. Mai 2009)
6 Quellen
- ↑ Stefan Berg: „‚Die Angst ist noch da‘“. In: Spiegel online, 7. April 2008.
- ↑ Reiner Burger: „Vorbei, vergangen, vergessen?“, in: FAZ, Online Ausg., 21. Dezember 2008.
- ↑ Peter Wensierski: „Recht auf Vergessen? Ehemalige Stasi-Mitarbeiter verklagen diejenigen, die ihre Namen nennen“, in: Der Spiegel, 17. November 2008.
- ↑ Die Webseite Stasi in Erfurt von Joachim Heinrich.
- ↑ Stefan Berg: „‚Die Angst ist noch da‘“. In: Spiegel online, 7. April 2008.
- ↑ Ulrich Riedel: „Ein Stasi-Spitzel bemüht den Rechtsstaat“. In: Freie Presse (Chemnitz), ohne Datum.
- ↑ Interview mit Joachim Gauck. In: DLF, 8. April 2008.
- ↑ „Gericht deutet Ende der Anonymität an“. In: Spiegel online, 8. April 2008.
- ↑ „IM-Anwalt will klagen“. In: Tagesspiegel, 10. April 2008.
- ↑ „Abgebrochene Stasi-Ausstellung mit Änderungen in Schneeberg eröffnet“. In: Evangelischer Pressedienst, 15. April 2008.
- ↑ Ulrich Riedel: „IM-Streit: Anwalt will jetzt Geld“. In: Freie Presse, 6. Juni 2008.
- ↑ „IM lässt sich enttarnen. ‚Schubert‘ sagt Prozess ab“. In: Berliner Zeitung, 1. August 2008.
- ↑ Christian Wobst: „Ein Bild fehlt in der ‚Ahnengalerie‘“. In: Freie Presse, 7. April 2009.
7 Quellenangabe
Der vorhergehende Text basiert überwiegend auf dem Artikel „zh:User:Friedrichshain/Holm_Singer“ aus der freien Enzyklopädie Wikipedia in der Version vom 13. Juni 2009 (Permanentlink) und steht unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0“. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar. |
8 Siehe auch
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